Zusammenfassung des Urteils SB140302: Obergericht des Kantons Zürich
Der Beschuldigte A. wurde schuldig gesprochen, die Verkehrsregeln fahrlässig verletzt zu haben, indem er einem anderen Fahrzeug im Kreisverkehr nicht den Vortritt gewährt hat. Er wurde zu einer Busse von Fr. 300.- verurteilt, die er zahlen muss, andernfalls droht eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen. Der Widerruf einer früheren bedingten Geldstrafe wurde abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens in Höhe von Fr. 250.- wurden dem Beschuldigten auferlegt. Er wurde teilweise freigesprochen und erhält eine Prozessentschädigung von Fr. 8'000.- für seine anwaltliche Verteidigung. Der Richter war lic. iur. P. Marti.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB140302 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 16.10.2014 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Vorsätzliche grobe Verletzung der Verkehrsregeln etc. und Widerruf |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Verkehr; Kreis; Beschuldigten; Verkehrsregel; Vortritt; Staatsanwaltschaft; Sinne; Vorinstanz; Kreisel; Urteil; Verbindung; Motorrad; Licht; Vortritts; Kreisverkehr; Fahrlässigkeit; Verhalten; Anklage; Verletzung; Berufung; Verkehrsregelverletzung; Fahrzeug; Busse; Aussagen; Kollision |
Rechtsnorm: | Art. 102 SVG ;Art. 106 StGB ;Art. 12 VRV ;Art. 27 SVG ;Art. 333 StPO ;Art. 34 SVG ;Art. 400 StPO ;Art. 41b VRV ;Art. 428 StPO ;Art. 46 StGB ;Art. 51 SVG ;Art. 82 StPO ;Art. 90 SVG ;Art. 92 SVG ; |
Referenz BGE: | 118 IV 285; 118 IV 84; 121 IV 375; 123 IV 88; 131 IV 133; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB140302-O/U/eh
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. P. Marti, Vorsitzender, und lic. iur.
M. Langmeier, die Ersatzoberrichterin lic. iur. M. Knüsel sowie der Gerichtsschreiber lic. iur. M. Hauser
Urteil vom 16. Oktober 2014
in Sachen
,
Beschuldigter und Berufungskläger
verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
vertreten durch stv. Leitende Staatsanwältin lic. iur. S. Steinhauser,
Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 15. Januar 2014 (Urk. 16) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz: (Urk. 41)
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte ist schuldig
der vorsätzlichen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 41b Abs. 1 VRV und Art. 24 Abs. 4 SSV (Nichtgewähren des Vortritts beim Einfahren in einen Kreisverkehrsplatz) und
des vorsätzlichen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 92 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 SVG
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 140.sowie mit einer Busse von Fr. 300.-.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt. Die Busse ist zu bezahlen.
Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.
Der dem Beschuldigten mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/ Unterland, Zweigstelle Flughafen, vom 22. November 2011 bezüglich der ausgefällten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 130.- (entsprechend Fr. 3'900.-) gewährte bedingte Strafvollzug wird widerrufen; die Strafe wird vollzogen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 1'200.- ; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 1'500.- Gebühr für die Strafuntersuchung
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
(Mitteilungen)
(Rechtsmittelbelehrung)
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 58)
Der Beschuldigte sei freizusprechen; von einem Widerruf sei abzusehen;
unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Staatskasse für beide Instanzen.
Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 45)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.
Erwägungen:
Prozessgeschichte
Mit vorstehend wiedergegebenem Urteil vom 4. April 2014 wurde der Beschuldigte von der Vorinstanz im Sinne der entsprechenden Anklagevorwürfe der vorsätzlichen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 41b Abs. 1 VRV und Art. 24 Abs. 4 SSV (Nichtgewähren des Vortritts bei der Einfahrt im Kreisverkehr) sowie des vorsätzlichen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 92 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 SVG schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Art. 140.sowie einer Busse von Fr. 300.bestraft. Der Vollzug der Geldstrafe wurde aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre angesetzt. Für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung der Busse setzte der Vorderrichter eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen fest. Gleichzeitig widerrief er den bedingten Strafvollzug einer mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 22. November 2011 gegen den Beschuldigten ausgefällten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 130.-. Schliesslich wurden die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens dem Beschuldigten auferlegt (Urk. 35 S. 30 f.).
Keine Verurteilung - und damit ein impliziter Freispruch erfolgte hinsichtlich des ebenfalls in der Anklageschrift enthaltenen Vorwurfs, der Beschuldigte habe sich zusätzlich der vorsätzlichen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 34 Abs. 4 SVG und Art. 12 Abs. 1 VRV (ungenügender Abstand beim Hintereinanderfahren) schuldig gemacht (Anklageschrift S. 3; Urk. 35 S. 20 und 30).
Gegen dieses mündlich eröffnete Urteil liess der Beschuldigte seinen (erbetenen) Verteidiger am 14. April 2014 fristgerecht Berufung anmelden (Urk. 29) und - nach Zustellung des begründeten Urteils (Urk. 33) - dem Obergericht am 14. Juli 2014 ebenfalls innert Frist die Berufungserklärung einreichen (Urk. 37). Mit Präsidialverfügung vom 18. Juli 2014 wurde die Berufungserklärung in Anwendung von Art. 400 Abs. 2 und 3 StPO der Staatsanwaltschaft zugestellt,
um gegebenenfalls Anschlussberufung zu erheben Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen. Gleichzeitig wurde dem Beschuldigten Frist angesetzt, um zu seinen finanziellen Verhältnissen Auskünfte zu erteilen und zu belegen (Urk. 40).
Am 23. Juli 2014 teilte die Staatsanwaltschaft mit, die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils zu beantragen sowie auf die Stellung von Beweisanträgen zu verzichten (Urk. 45). Am 15. September 2014 gingen seitens des Beschuldigten das von ihm ausgefüllte Datenerfassungsblatt sowie verschiedene Unterlagen dazu ein (Urk. 49; Urk. 51).
Zu Beginn der heutigen Berufungsverhandlung, zu welcher der Beschuldigte und sein Verteidiger erschienen sind, waren weder Vorfragen zu entscheiden noch Beweise abzunehmen (Prot. II S. 4 ff.). Das vorliegende Urteil erging im Anschluss an die Berufungsverhandlung (Prot. II S. 10 f.).
Umfang der Berufung
Der Beschuldigte lässt das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich anfechten (Urk. 37; Urk. 58). Dementsprechend ist es in keinem Punkt in Rechtskraft erwachsen und bildet in seiner Gesamtheit Berufungsgegenstand (vgl. auch Prot. II S. 5 f.).
Sachverhalt/rechtliche Würdigung
Die Vorinstanz hat die Beweislage insbesondere die Aussagen des Motorradfahrers B. (im Folgenden: B. ), der Zeugin C. (im Folgenden: C. ) sowie des Beschuldigten ausführlich und korrekt zusammengefasst, sodass zur Vermeidung von Wiederholungen darauf verwiesen werden kann (Urk. 35 S. 5-10).
Dem vorinstanzlich daraus gezogenen Schluss, der Beschuldigte habe sich einer (eventual-)vorsätzlichen Verkehrsregelverletzung schuldig gemacht, kann jedoch nicht gefolgt werden:
Vorab ist festzuhalten, dass der Beschuldigte anerkennt, B. unwillentlich in dessen Vortrittsberechtigung behindert zu haben (Urk. 4 S. 4: Es könnte sein, dass das Timing etwas unglücklich war, als ich in den Kreisel einfuhr; Urk. 4
S. 5: es könne sein, dass er B. unabsichtlich den Vortritt genommen habe; Urk. 5 S. 3: Vielleicht war die Situation etwas unglücklich, ; Urk. 5 S. 5: Ich wäre nicht losgefahren, wenn ich ihn gesehen hätte; Urk. 5 S. 7: Höchstwahrscheinlich bin ich auch erschrocken beim Einfahren in den Kreisel; Prot. I S. 12: Ich habe ihm offenbar den Vortritt genommen; Prot. I S. 13: Ich habe es ja nicht absichtlich gemacht. Ich habe ihm unwillentlich den Vortritt genommen; Prot. I
S. 14: Ich habe ihm nicht mit Absicht den Vortritt nicht gewährt). Das erscheint
angesichts der diesbezüglich deutlichen Aussagen von B.
und C.
auch als erstellt, ungeachtet dessen, dass der Beschuldigte teilweise noch in den Raum stellt, B. könnte zu schnell gefahren sein (Urk. 5 S. 3, 5, 10; Prot. I
S. 14). Auch der Verteidiger geht davon aus, dass der Beschuldigte anerkannt habe, B. fahrlässig den Vortritt verweigert zu haben (Urk. 26 S. 8; Urk. 58 S. 3, 7, 9).
Dass B.
hingegen im Sinne der vorinstanzlichen Erwägungen -
beim Einfahren in den Kreisel B. gesehen haben muss und sich gleichwohl dafür entschied, in den Kreisel einzufahren bzw. er in den Kreisel eingefahren sei, obwohl er B. herannahen sah (Urk. 35 S. 14), ist eine Annahme, die in den Akten keine Grundlage findet: Es können dem Beschuldigten seine konstanten, wiederholten Beteuerungen nicht widerlegt werden, B. nicht wahrgenommen zu haben, als er - der Beschuldigte in den Kreisel eingefahren ist. Die Überlegung der Vorinstanz, der Beschuldigte habe nach links geschaut und deshalb B. sehen müssen (Urk. 35 S. 13/14), belegt gerade nicht, dass der Beschuldigte B. auch tatsächlich gesehen hat. Es entspricht ja einer geradezu klassischen Ausgangslage bei Verkehrsregel-verletzungen, dass jemand einen anderen Verkehrsteilnehmer nicht gesehen hat, obwohl er diesen hätte sehen müssen.
Dementsprechend lässt sich entgegen der Vorinstanz (Urk. 35 S. 13) auch
nichts gegen den Beschuldigten ableiten, wenn B.
der Meinung ist, der
Beschuldigte habe ihn sicher gesehen, zumal B. das unter anderem damit begründet, dass es sonst niemanden im Kreisel gehabt habe (Urk. 7 S. 2). Das widerspricht nämlich den Aussagen von C. , wonach der Beschuldigte einen zwei Personenwagen im Kreisverkehr habe passieren lassen, bevor er losgefahren sei (Urk. 8 S. 1). Hievon ist auszugehen, und auch die Vorinstanz stellt darauf ab, dass der Beschuldigte angehalten habe, bevor er in den Kreisverkehr eingefahren sei (Urk. 35 S. 12). Das spricht viel mehr dafür als dagegen, dass es neben B. noch weiteren Verkehr in der Kreisfläche gehabt hat. Wohl unbewusst relativiert die Vorinstanz im Rahmen ihrer Erwägungen zur Strafzumessung den sachverhaltlich gezogenen Schluss auch wieder, der Beschuldigte habe
B.
gesehen: Dort schreibt sie nämlich: Wer ohne richtig nach links zu
schauen in einen Kreisel fährt, provoziert geradezu einen Verkehrsunfall (Urk. 35
S. 24 - Unterstreichung durch das Obergericht). Zwischen der Situation, dass jemand ungeachtet dessen, dass er ein Motorrad herannahen sieht, in einen Kreisel einfährt, und der Konstellation, dass jemand nicht richtig nach links schaut und so einen herannahenden Motorradfahrer übersieht (so muss jedenfalls die genannte Erwägung der Vorinstanz verstanden werden), besteht ein grosser Unterschied: Während im ersten Fall durchaus ein (eventual-)vorsätzliches Delikt diskutiert werden kann, wird bei Zweiterem in der Regel von einer Fahrlässigkeit auszugehen sein.
Im Übrigen stünde aber selbst dann nicht fest, dass der Beschuldigte
(eventual-)vorsätzlich gehandelt hat, wenn er B.
zwar gesehen, aber
pflichtwidrig unvorsichtig etwa dessen Geschwindigkeit falsch einschätzend - darauf vertraut hätte, eine Einfahrt in den Kreisel sei verkehrsregelkonform möglich.
Jedenfalls führen weder die Staatsanwaltschaft in Anklageziffer 1a betreffend Vorsatz/Eventualvorsatz noch die Vorinstanz Umstände an, aus welchen zu schliessen wäre, dass der Beschuldigte entgegen seinem Eingeständnis nicht nur fahrlässig, sondern vorsätzlich gehandelt hätte. Die Argumentation der Vorinstanz gehorcht vielmehr dem Grundsatz was nicht sein darf, kann nicht sein als einer schlüssigen Beweiswürdigung. Dass der Beschuldigte eventualvorsätzlich in Kauf
genommen hätte, B.
den Vortritt zu verweigern, und nicht nur diesen
entweder pflichtwidrig nicht gesehen dann aber die Situation falsch eingeschätzt hat, kann ihm nicht nachgewiesen werden.
Der Beschuldigte ist damit vom Vorwurf der vorsätzlichen bzw. eventualvorsätzlichen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 41b Abs. 1 VRV und Art. 24 Abs. 4 SSV (Nichtgewähren des Vortritts beim Einfahren in einen Kreisverkehrsplatz) freizusprechen.
Wie vorstehend ausgeführt, ist sachverhaltlich davon auszugehen, dass der Beschuldigte beim Hineinfahren in den Kreisel wohl wegen mangelnder Auf-
merksamkeit - B.
übersehen hat. Damit hat er sich zumindest der fahrlässigen einfachen Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 41b Abs. 1 VRV und Art. 24 Abs. 4 SSV schuldigt gemacht. Weshalb es die Staatsanwaltschaft unterlassen hat, zumindest in einem Eventualantrag auch eine fahrlässige Verletzung einer Verkehrsregel einzuklagen, ist nicht ersichtlich und bei dieser Sachlage auch nicht nachvollziehbar.
Zu prüfen ist im Hinblick auf eine allfällige Rückweisung an die Staatsanwaltschaft (im Sinne von Art. 333 Abs. 1 StPO), ob sich der Beschuldigte durch sein Verhalten allenfalls der fahrlässigen groben Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG schuldig gemacht hat.
Der qualifizierte Tatbestand der groben Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG setzt objektiv voraus, dass der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist nicht erst bei einer konkreten, sondern bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben. Ob eine konkrete, eine erhöhte abstrakte nur eine abstrakte Gefahr geschaffen wird, hängt von der Situation ab, in welcher die Verkehrsregelverletzung begangen wird. Wesentliches Kriterium für die Annahme einer erhöhten abstrakten Gefahr ist die Nähe deren Verwirklichung. Die allgemeine Möglich-
keit der Verwirklichung einer Gefahr genügt demnach nur zur Erfüllung des Tatbestands von Art. 90 Ziff. 2 SVG, wenn in Anbetracht der Umstände der Eintritt einer konkreten Gefährdung gar einer Verletzung nahe liegt (BGE 131 IV 133 E. 3.2 mit Hinweisen).
Der subjektive Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG verlangt ein schweres Verschulden bzw. bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit. Diese ist zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner verkehrswidrigen Fahrweise bewusst ist (BGE 131 IV 133 E. 3.2 mit Hinweisen). Grobe Fahrlässigkeit kann aber auch vorliegen, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht, also unbewusst fahrlässig handelt (Entscheid des Bundesgerichts 6B_571/2012 vom
8. April 2013, E. 3.2, mit Hinweisen). Gerade bei Verkehrsregelverletzungen beruht die unbewusste Fahrlässigkeit oftmals darauf, dass der Handelnde während einer gewissen Zeitspanne unaufmerksam ist bzw. die Situation und seine Fähigkeiten falsch einschätzt. Dass der fehlbare Verkehrsteilnehmer die erhöhte Gefahr die aufgrund der Umstände gebotene Verhaltensalternative nicht bedenkt, ist typisch für die unbewusste Fahrlässigkeit und schliesst den Schuldvorwurf rücksichtslosen Verhaltens und damit grober Fahrlässigkeit nicht von vorneherein aus (Entscheid des Bundesgerichts 6B_13/2008 vom 14. Mai 2008, E. 4.1). In Fällen von unbewusster Fahrlässigkeit wie vorliegend einer gegeben ist bedarf jedoch die Annahme grober Fahrlässigkeit einer sorgfältigen Prüfung (BGE 123 IV 88 E. 4a, mit Hinweisen). Grobe Fahrlässigkeit ist dann zu bejahen, wenn der Täter ein bedenkenloses Verhalten gegenüber fremden Rechtsgütern offenbart. Dieses kann auch in einem blossen (momentanen) Nichtbedenken der Gefährdung fremder Interessen bestehen. Je schwerer dabei die Verkehrsregelverletzung objektiv wiegt, desto eher wird Rücksichtslosigkeit subjektiv zu bejahen sein, sofern keine besonderen Gegenindizien vorliegen (Entscheid des Bundesgerichts 6B_361/2011 vom 5. September 2011, E. 3.1, mit Hinweisen).
Das Obergericht des Kantons Zürich setzte sich im Urteil vom 12. März 2012 (SB110689) einlässlich mit dem Thema der unbewussten Fahrlässigkeit bei
einfacher bzw. grober Verkehrsregelverletzung auseinander und hielt hierzu folgendes fest (E. 4.3.1): Das Bundesgericht hatte sich schon oft mit Fällen unbewusster Fahrlässigkeit bei der Missachtung von Lichtsignalen zu befassen (BGE 123 IV 88; BGE 121 IV 375; BGE 118 IV 285; BGE 118 IV 84; Urteil
6B_331/2008 vom 10. Oktober 2008; Urteil 6P.153/2002 vom 14. März 2003;
Urteil 6A.30/2002 vom 30. Juli 2002; Urteil 6S.228/1994 vom 6. Juni 1994; Urteil 6S.156/1993 vom 25. Juni 1993). Dabei beurteilte es die Fahrlässigkeit meistens als grob. Keine grobe Pflichtwidrigkeit sah es im Falle eines Automobilisten, der bei Gegenlicht eine seit 4,4 Sekunden auf rot stehende Verkehrsregelungsanlage übersah, weil das Versehen auf Grund der auf dem fraglichen Strassenabschnitt aufeinander folgenden Lichtsignalanlagen, deren Phasensteuerung nicht immer koordiniert und durchgehend gleich anzeigten, als nachvollziehbar bewertet wurde (Urteil 6S.156/1993 vom 25. Juni 1993). Ebenso entschied das Bundesgericht, als ein Automobilist infolge Unaufmerksamkeit das seit 7,6 Sekunden auf rot gewechselte Lichtsignal übersah, weil diese Pflichtwidrigkeit in Anbetracht der Übersichtlichkeit der spitzwinkligen Einmündung einer einzigen Fahrbahn von links und der ausgesprochen ruhigen Verkehrslage nicht besonders schwer wiege. Dabei liess sich das Bundesgericht vom Gedanken leiten, dass bei der Beurteilung des Verschuldens nicht nur das Ausmass des verschuldeten Erfolges entscheidend sei (i.c. erhöhte abstrakte Gefährdung), sondern auch bei Annahme einer objektiv schweren Verkehrsregelverletzung die Art und Weise der Herbeiführung dieses Erfolges, die Willensrichtung, mit der der Täter gehandelt hat, und dessen Beweggründe zu berücksichtigen seien. Das Mass des Verschuldens variiere dabei je nach Schwere des deliktischen Erfolges sowie den unterschiedlich gravierenden Modalitäten der Tatbegehung. Auch bei der unbewussten Fahrlässigkeit könne es daher entscheidend sein, weshalb der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gar nicht in Betracht gezogen habe. Nicht jede Unaufmerksamkeit, die wegen der Schwere des Erfolges objektiv als gravierende Verletzung der Vorsichtspflicht zu betrachten sei, wiege auch subjektiv schwer (BGE 118 IV 285).
Der Beschuldigte hat im vorliegend zu beurteilenden Fall beim Hineinfahren in den Kreisverkehr den Vortritt von B. missachtet. Im Strassenverkehr
sind Vortrittsregelungen als solche wichtig, und zwar unabhängig davon, ob sie nun etwa durch Haifischzähne Lichtsignale ausgestaltet sind. Insoweit ist die Missachtung des Vortrittrechts im Kreisverkehr vergleichbar mit dem Übersehen eines Rotlichts bei einer Kreuzung mit Lichtsignalen. Das Missachten des Vortrittsrechts eines sich im Kreisel befindlichen Verkehrsteilnehmers wiegt nun aber objektiv sicher weniger schwer als das Überfahren eines Rotlichts: Während ein Rotlicht schlicht und ergreifend Stopp bedeutet und ein Überfahren desselben demnach ein klarer Verkehrsregelverstoss darstellt, ist es an einem Kreisel in die Verantwortung des betreffenden Lenkers gestellt, ob er nun halten muss fahren darf. Das verlangt vom Betreffenden, die Verkehrssituation beurteilend einzuschätzen und hernach die richtigen Schlüsse für das eigene Verhalten zu ziehen. Offensichtlich ist einem solchen Vorgang immanent, dass er fehleranfällig ist. Entsprechend erscheint ein Fehler in diesem Kontext grundsätzlich weniger schwerwiegend als es der Fehler ist, ein Rotlicht zu überfahren wo schlicht kein Interpretationsspielraum besteht. Aus diesem Grund werden denn auch gefährliche Kreuzungen grundsätzlich durch das Anbringen von Lichtsignalanlagen entschärft. Hinzu kommt, dass sich bei einem Kreisverkehr der Vortrittsbelastete keinem unter Umständen sehr schnellen Querverkehr gegenüber sieht, sondern die Fahrt der vortrittsberechtigten Fahrzeuge durch die Verkehrsführung im Kreis herum eben gerade stark verlangsamt wird. Von daher ist schon von Vornherein nur möglich, die Sicherheit anderer wenn überhaupt in einem minderen Grade ernstlich zu gefährden. Wie gesehen, wiegt deshalb im Verhältnis die Missachtung der entsprechenden Vortrittsregelung schon objektiv um einiges weniger schwer; insbesondere ist das abstrakte Gefährungspotenzial viel weniger hoch als bei einer durch Lichtsignale gesicherten Kreuzung. Entsprechend kann objektiv jedenfalls nicht von einer besonders schweren Verkehrsregelverletzung gesprochen werden. Damit wiegt vorliegend die Verkehrsregelverletzung des Beschuldigten objektiv nicht schwer.
Auch in subjektiver Hinsicht wiegt die Verletzung der Vorsichtspflicht nicht schwer. Vorliegend geht es wie ausgeführt - nicht um das Übersehen eines Rotlichts bei einer Lichtsignalanlage, sondern um die Missachtung des Vortritts im Kreisverkehr. Der Beschuldigte war einen Sekundenbruchteil - nach dem Passie-
ren von zwei Autos - unaufmerksam. Die geschilderten Umstände wirken deshalb subjektiv mindernd , sodass wiederum im Gegensatz zum Beachten von Lichtsignalen - das Missachten des Vortrittsrechts als lediglich leichte Fahrlässigkeit erscheint. Vor diesem Hintergrund ist die Verfehlung des Beschuldigten zu würdigen: Wer im regen morgendlichen Werkverkehr bei Tageslicht und trockener Witterung (Urk. 1 und 2) vor der Einfahrt in einen Kreisel anhält, vortrittsberechtigte Fahrzeuge passieren lässt und hernach beim Befahren der Kreiselfläche einen weiteren Verkehrsteilnehmer übersehend dessen Geschwindigkeit falsch einschätzend diesen in seiner Vortrittsberechtigung behindert, verhält sich nicht rücksichtslos bzw. grobfahrlässig im Sinne dieser Rechtsprechung. Vielmehr liegt lediglich eine leichte Fahrlässigkeit vor.
Nach dem Gesagten stellt damit das Missachten des Vortritts durch den Beschuldigten beim Hineinfahren in den Kreisverkehr keine grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG dar. Deshalb kann eine Rückweisung an die Staatsanwaltschaft zur korrekten Anklageerhebung unterbleiben.
Das Verhalten des Beschuldigten ist somit als fahrlässige einfache Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG zu qualifizieren. Dieser Tatvorwurf ist allerdings in der Anklage ebenfalls nicht umschrieben, weshalb grundsätzlich eine Rückweisung an die Staatsanwaltschaft zur Ergänzung der Anklage zu erfolgen hätte. Der Beschuldigte sowie der Verteidiger haben aber anlässlich der Berufungsverhandlung wie ausgeführt anerkannt, dass das Verhalten des Beschuldigten eine fahrlässige einfache Verkehrsregelverletzung darstellt. Zudem haben sie sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass auf eine Ergänzung bzw. Neuformulierung der Anklage verzichtet werde und damit eine entsprechende Verurteilung auch ohne Rückweisung der Anklage an die Staatsanwaltschaft erfolgen könne (Prot. II S. 9). Das rechtliche Gehör wurde dem Beschuldigten und seinem Verteidiger vollumfänglich gewährt. Angesichts der geringen Schwere des Tatvorwurfs und da vorliegend durch ein solches Vorgehen die Interessen der übrigen Verfahrensbeteiligten nicht beeinträchtigt werden, erscheint ein entsprechender Schuldspruch ohne Rückweisung der Anklage an die Staatsanwaltschaft sachgerecht und angezeigt.
Der Beschuldigte ist somit der fahrlässigen einfachen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 41b Abs. 1 VRV und Art. 24 Abs. 4 SSV (Nichtgewähren des Vortritts beim Einfahren in einen Kreisverkehrsplatz) schuldig zu sprechen.
Weiter hat die Vorinstanz den Beschuldigten wegen vorsätzlichen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall schuldig gesprochen, weil er im Sinne der Anklage
nach der Kollision mit B.
in Missachtung seiner Pflichten gemäss Art. 51
Abs. 1 SVG einfach davon gefahren sei. Auch das lässt sich nicht aufrecht erhalten:
Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass der Beschuldigte mit der Front seines Fahrzeugs nach dem Ausweichmanöver von B. das Nummernschild dessen Motorrads touchiert habe (Urk. 35 S. 14-17; Art. 82 Abs. 4 StPO). Dass eine solche Berührung, welche der Beschuldigte stets in Abrede stellte, tatsächlich erfolgte, lässt sich allerdings aufgrund der vorliegenden Akten nicht rechtsgenügend erstellen.
Es trifft zwar mit der Vorinstanz zu, dass B.
wiederholt und
übereinstimmend ausführte, es sei zu einem Zusammenstoss zwischen den beiden Fahrzeugen gekommen (Urk. 6 S. 1: Er habe zurück geschaut und der Beschuldigte sei bereits hinter ihm gewesen. Er (B. ) sei dann weiter gerollt und der Beschuldigte sei ihm dann hinten ins Motorrad gefahren. Den Zusammenstoss habe er trotz Helm gehört und auch gespürt; Urk. 7 S. 2: Er sei nach links ausgewichen, er habe das Motorrad herumgerissen. Er sei dann langsamer gefahren, habe in den Rückspiegel geschaut und schon habe es poff gemacht). Seine diesbezüglichen Aussagen vermögen aber entgegen der Vorinstanz - nicht zu überzeugen. So gibt er an, er sei nach dem Ausweichmanöver langsam aus dem Kreisverkehr gefahren, habe dabei zunächst im Rückspiegel den Scheinwerfer des Beschuldigten auftauchen sehen und habe danach immer noch langsam fahrend - nach hinten geschaut. Dabei habe er gesehen, dass sich
das Nummernschild weggebogen habe (Urk. 7 S. 5). Weiter gab er an, dass er die Kollision gespürt habe. Sein Kopf sei dadurch nach hinten geworfen worden (Urk. 7 S. 6). Den Aussagen von B. folgend müsste er also langsam fahrend nach hinten geschaut und dabei die Kollision beobachtet haben. Auch wenn es ihm durch den Aufprall den Kopf nach hinten geworfen habe, soll er trotzdem gesehen haben, wie sein Nummernschild weggebogen wurde. Dieser Ablauf der Geschehnisse erscheint wenig plausibel und nachvollziehbar.
Unbestritten ist sodann, dass es -trotz des von B. angeblich hör- und spürbar wahrgenommenen Aufpralls an beiden Fahrzeugen zu keiner einzigen Sachbeschädigung kam. Weder das Motorrad von B. noch das Motorfahrzeug des Beschuldigten wiesen irgend welche Kratzer Beulen auf.
Auch die entsprechenden Aussagen der Zeugin C. vermögen nicht zu überzeugen und sind damit nicht geeignet, die Sachdarstellung von B. zu stützen. So führte sie aus, dass der Beschuldigte hinten in das Motorrad gefahren sei (Urk. 8 S. 1). Sie habe gesehen, dass der Beschuldigte einen Töfffahrer touchiert habe (Urk. 9 S. 4). Dass die Zeugin C. aus einer Distanz von 100 Meter (vgl. Urk. 9 S. 4) genau wahrgenommen haben will, dass der schwarze Jeep mit seiner Front das Nummernschild des Motorrads touchiert habe (Urk. 9
S. 5), erscheint höchst zweifelhaft. Viel eher ist davon auszugehen, dass sie diese Erkenntnis aus der nachfolgenden Unterhaltung mit B. gewonnen hat.
Schliesslich hat es die Untersuchungsbehörde unterlassen, die beiden Fahrzeuge wie vom Beschuldigten verlangt (vgl. Urk. 58 S. 13) gegenüber zu stellen. Entsprechend ist aufgrund der vorliegenden Akten nicht ersichtlich, ob die von B. beschriebene Kollision, mithin die Berührung zwischen der Front des Fahrzeuges des Beschuldigten und dem Nummernschild des Motorrades, überhaupt möglich war.
Aufgrund der vorliegenden Beweislage kann damit nicht rechtsgenügend erstellt werden, dass der Beschuldigte mit der Front seines Fahrzeugs nach dem Ausweichmanöver von B. das Nummernschild dessen Motorrads touchier-
te. Es kann somit nicht von einer Kollision bzw. einem Touchieren der beiden Fahrzeuge ausgegangen werden.
Ohne nähere Begründung nimmt die Vorinstanz sodann implizit an, der Beschuldigte habe den von ihr als erstellt erachteten - Kontakt auch effektiv wahrgenommen und sei ungeachtet dessen vorsätzlich davongefahren (Urk. 35
S. 21). Die Vorinstanz blendet dabei allerdings aus, dass der Beschuldigte wie dargelegt - über alle seine Einvernahmen hinweg konstant und vehement abgestritten hat, mit B. s Motorrad kollidiert zu sein. Selbst wenn es zu einem Kontakt mit dem Nummernschild gekommen wäre, ist daraus zu schliessen, dass der Beschuldigte jedenfalls subjektiv keinen Kontakt festgestellt haben will. Das wäre aber subjektives Tatbestandselement einer Verurteilung wegen eines vorsätzlichen bzw. eventualvorsätzlichen Verstosses gegen Art. 92 Abs. 1 SVG und kann dem Beschuldigten nicht nachgewiesen werden.
Es ist zwar richtig, dass die Pflichten gemäss Art. 51 Abs. 1 SVG nicht nur denjenigen trifft, der an einem Unfall mit Sachoder gar Personenschaden beteiligt ist. Die Pflichten muss auch derjenige befolgen, der aufgrund der Umstände annehmen muss, einen Personenoder Sachschaden verursacht zu haben (so die Vorinstanz in Urk. 35 S. 20, unter Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Aber auch das kann vorliegend dem Beschuldigten nicht nachgewiesen werden:
Nach den Aussagen des Beschuldigten habe B. nach dessen Ausweichmanöver einen Schikanestopp vollführt. Zwar ist angesichts der Aussagen von B. und C. nicht davon auszugehen, dass ersterer nach seinem Ausweichmanöver bis zum Stillstand abgebremst hat. Auch gemäss den Ausfüh-
rungen von B.
selbst ist dieser aber nach dem Ausweichmanöver sehr
langsam weiterund auf die Kreiselausfahrt zugefahren (Urk. 6 S. 1: Ich rollte dann weiter und der Jeep Lenker fuhr mir dann hinten ins Motorrad; Urk. 6 S. 2: Ich bin ja nicht schnell gefahren, nur gerollt; Urk. 7 S. 2: Ich fuhr dann [nachdem er das Motorrad herumgerissen hatte] langsamer, schaute in den Rückspiegel und schon machte es 'poff'; Urk. 7 S. 3: Ich bin gerollt, als es zur Kollision kam; Urk. 7 S. 5: Dann bremste ich ab, dies ab der Linie der Ausfahrt, also unmittelbar beim Verlassen des Kreisels. Dann sah ich in den linken Rückspiegel und sah darin den Scheinwerfer auftauchen und schaute nach hinten. Dann kam es zur Kollision). Es steht deshalb fest, dass der Beschuldigte wegen des Motor-
rads von B.
abbremsen musste, nachdem dieser ausweichend um das
Fahrzeug des Beschuldigten herumgefahren war. Damit ist wohl unzutreffend,
dass B.
einen Schikanestopp ausgeführt hätte. Subjektiv mochte der Beschuldigten die Situation aber in etwa so empfinden: Jedenfalls bremste er offenbar relativ stark ab (so auch B. , Urk. 7 S. 5: Ich sah noch, wie die Front des Jeeps durch das Bremsen einnickte).
Dass er das Verhalten von B.
in den Einvernahmen dann als
Schikanestopp bezeichnete, erscheint weiter auch vor dem Hintergrund dessen
nachvollziehbar, als er davon ausging, B.
habe ihn danach massregeln
gewollt. Konstant sagte der Beschuldigte nämlich aus, er habe das Verhalten B. s nach dem Vorfall, nachdem dieser angehalten hatte und abgestiegen war, so interpretiert (Urk. 3 S. 3: er habe schon gesehen, dass der Motorradfahrer auf der Seite gestanden ist und die Hände verrührt [!] hat; Urk. 4 S. 4: Der Motorradfahrer hielt vor mir im Kreisel bis zum Stillstand an und wollte sich danach aufspielen; Prot. I S. 13: Ich sah, dass er mich massregeln will. Auf das hatte ich keine Lust und sagte, dass ich keine Zeit habe mir so eine Schikane von ihm anzuhören und bin weitergefahren; Prot. I S. 14: er habe keine Zeit für seine Massregelung gehabt und einfach gefunden, der sei ein frecher Siech; Urk. 57
S. 10: auf die Frage, weshalb er habe abbremsen müssen: Weil er vor mir willentlich stark abbremste, wahrscheinlich um mich masszuregeln).
Da es zwischen den Fahrzeugen nicht zu einer Kollision kam und da der Beschuldigte eine Berührung bzw. ein Touchieren der beiden Fahrzeuge effektiv auch nicht in Betracht zog, ist damit erklärlich, dass er, nachdem B. ange-
halten hatte, weitergefahren ist. Wenn er B.
als frechen Siech wahrgenommen hat, der sich anschickte, den Beschuldigten wegen dessen Fahrstils zu massregeln, so erscheint menschlich, wenn er sich die erwartete Tirade nicht anhören wollte und weitergefahren ist.
Fraglich ist weiter, ob B. im Sinne der entsprechenden Erwägungen der Vorinstanz effektiv Halt! gerufen hat (Urk. 35 S. 17/18). Entgegen der Vorinstanz kann dafür jedenfalls kaum etwas aus den Aussagen von C. abgeleitet werden: Wenn diese im Zeitpunkt der Kollision ca. 100 Meter vom Kreisel entfernt gewesen sein will (Urk. 9 S. 4), ist wenig wahrscheinlich, dass sie mit eigenen Ohren gehört haben kann, dass B. Halt! gerufen hat. Viel eher ist auch hier davon auszugehen, dass sie diese Erkenntnis aus der nachfolgenden Unterhaltung mit diesem gewonnen hat.
Selbst wenn aber gemäss den Aussagen von B.
davon auszugehen wäre, dass er Halt! gerufen hat, würde das aber wiederum noch nicht belegen, dass dies der Beschuldigte entgegen seinen Aussagen auch tatsächlich gehört hat. Letztlich kann das alles aber offen bleiben, denn auch wenn ein Verkehrsteilnehmer einem anderen Halt! zuruft, ist dieser nicht verpflichtet, diesem Befehl Folge zu leisten. Die allfällige (vorliegend massgebliche) Anhalteverpflichtung ergibt sich alleine aus Art. 51 Abs. 1 SVG.
Wie dargelegt, ist eine Berührung zwischen den beiden Fahrzeugen nicht erstellt. Es sind zudem auch keine Umstände ersichtlich, wonach der Beschuldigte hätte annehmen müssen, eine Kollision verursacht zu haben. Alleine aus der Tatsache, dass B. nach dem Kreisel angehalten und allenfalls auch Halt! gerufen hat, hatte der Beschuldigte damit nicht auf eine vorgängige Kollision zu schliessen. Es kann ihm nicht widerlegt werden, deshalb weitergefahren zu sein, weil er keine Lust hatte, eine Massregelung B. s über sich ergehen zu lassen.
Der Beschuldigte ist damit vom Vorwurf des vorsätzlichen bzw. eventualvorsätzlichen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 92 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 SVG freizusprechen.
Die Staatsanwaltschaft hat es auch hier unterlassen, zumindest in einem Eventualantrag ein fahrlässiges pflichtwidriges Verhalten bei Unfall einzuklagen. Aufgrund der vorliegenden Umstände erscheint es allerdings sehr fraglich, ob dem Beschuldigten diesbezüglich überhaupt ein pflichtwidriges Verhalten vorge-
worfen werden kann. Bei dieser Sachlage erscheint damit eine Rückweisung der Anklage an die Staatsanwaltschaft zur Ergänzung bzw. Verbesserung nicht angezeigt.
Strafzumessung
Es bleibt somit für die fahrlässige einfache Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 41b Abs. 1 VRV und Art. 24 Abs. 4 SSV (Nichtgewähren des Vortritts beim Einfahren in einen Kreisverkehrsplatz) die Strafe zuzumessen. Bei diesem Tatbestand handelt es sich um eine Übertretung, für welche eine Busse auszusprechen ist (Art. 102 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 106 StGB). Eine solche kann bis Fr. 10'000.betragen (Art. 106 Abs. 1 StGB) und ist zusammen mit einer Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung je nach den Verhältnissen des Täters so zu bemessen, dass dieser die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist (Art. 106 Abs. 2 und Abs. 3 StGB).
Der Beschuldigte hat B.
den Vortritt beim Einfahren in den Kreisverkehrsplatz nicht gewährt. Dabei ist es weder zu einem Sachnoch zu einem Körperschaden gekommen. Der Beschuldigte hat pflichtwidrig unvorsichtig und damit fahrlässig gehandelt. Die objektive und subjektive Tatschwere wiegt damit angesichts des konkreten Strafrahmens und unter Berücksichtigung aller möglichen unter den Tatbestand von Art. 90 Abs. 1 SVG fallenden Delikte als noch sehr leicht. Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten (Urk. 4 S. 2 f.; Prot. I S. 5 ff.; Urk. 57 S. 2 ff.) sowie dessen Vorstrafe wegen Fahrens ohne Haftpflichtversicherung sowie wegen missbräuchlicher Verwendung von Ausweisen und/oder Kontrollschilder (Urk. 13/2) erscheint eine Busse von Fr. 300.als angemessen. Diese Busse ist zu bezahlen.
Für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung ist eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen festzusetzen (Art. 106 Abs. 2 StGB).
Widerruf
Eine bedingt aufgeschobene Strafe kann widerrufen werden, wenn der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht (Art. 46 Abs. 1 StGB). Vorliegend hat der Beschuldigte während laufender Probezeit eine Übertretung begangen. Damit ist der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, Zweigstelle Flughafen, vom 22. November 2011 (Unt.-Nr. D-4/2011/6559) ausgefällten bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 130.- (entsprechend Fr. 3'900.-) abzuweisen.
Kostenund Entschädigungsfolgen
Ausgangsgemäss - der Beschuldigte wird wegen einer Übertretung schuldigund im Übrigen von sämtlichen Anklagevorwürfen im Zusammenhang mit dem Ereignis vom 4. April 2013 freigesprochen sind dem Beschuldigten Kosten im Umfang von Fr. 250.aufzuerlegen. Die übrigen Kosten der Untersuchung und der gerichtlichen Verfahren sind auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 426 Abs. 1 StPO; Art. 428 Abs. 1 StPO).
Wird die beschuldigte Person ganz teilweise freigesprochen, so hat sie Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte, Entschädigung der wirtschaftlichen Einbussen, die aus ihrer notwendigen Beteiligung am Strafverfahren entstanden sind und Genugtuung für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei Freiheitsentzug (Art. 429 Abs. 1 lit. a-c StPO). Zu den Entschä- digungen für Aufwendungen zur Wahrung der Verfahrensrechte (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO) gehören primär die Kosten der frei gewählten Verteidigung, wenn die Verbeiständung angesichts der tatsächlichen rechtlichen Komplexität des Falls geboten war (Schmid, Handbuch StPO, 2. Aufl., N. 1810).
Vorliegend war der Beizug einer anwaltlichen Verteidigung gerechtfertigt. Der Verteidiger beantragt unter diesem Titel die Zusprechung einer Entschädi-
gung von Fr.8'899.20 für das gesamte Gerichtsverfahren (Urk. 55 und 56, zuzüglich die Aufwendungen für die Berufungsverhandlung).
Vor diesem Hintergrund und mit Verweis auf die Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 (AnwGebV) rechtfertigt es sich, dem Beschuldigten für das gesamte Verfahren eine Prozessentschädigung von pauschal Fr. 8'000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer; §§ 2, 17 Abs. 1 lit. a und 18 Abs. 1 AnwGebV) für anwaltliche Verteidigung aus der Gerichtskasse zuzusprechen.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A. ist schuldig der fahrlässigen einfachen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 41b Abs. 1 VRV und Art. 24 Abs. 4 SSV (Nichtgewähren des Vortritts beim Einfahren in einen Kreisverkehrsplatz).
Von allen übrigen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Ereignis vom
4. April 2013 wird der Beschuldigte freigesprochen.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Busse von Fr. 300.-.
Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, Zweigstelle Flughafen, vom
22. November 2011 (Unt.-Nr. D-4/2011/6559) ausgefällten bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 130.- (entsprechend Fr. 3'900.-) wird abgewiesen.
Dem Beschuldigten werden Kosten im Umfang von Fr. 250.auferlegt. Die übrigen Kosten der Untersuchung und des gesamten Gerichtsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.
Dem Beschuldigten wird für das gesamte Verfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 8'000.für anwaltliche Verteidigung aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung Administrativmassnahmen, Richterliche Fahrverbote, 8090 Zürich,
(PIN-Nr.: )
die Koordinationsstelle VOSTRA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA mittels Kopie von Urk. 13/2
die Kapo ZH, KIA-ZH, mit separatem Schreiben
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 16. Oktober 2014
Der Präsident:
lic. iur. P. Marti
Der Gerichtsschreiber:
lic. iur. M. Hauser
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.