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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB130535: Obergericht des Kantons Zürich

Der Beschuldigte wurde beschuldigt, am 2. November 2012 in fahrunfähigem Zustand ein Fahrzeug geführt zu haben. Nach einer umfangreichen rechtlichen Würdigung und Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz wurde der Beschuldigte freigesprochen. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass er subjektiv vorsätzlich gehandelt hatte. Die Kosten des Verfahrens wurden auf die Gerichtskasse genommen, und dem Beschuldigten wurden Entschädigungen für das erstinstanzliche und das Berufungsverfahren zugesprochen. Der Richter war Oberrichter lic. iur. P. Marti. Die Gerichtskosten betrugen CHF 1'500.-. Die verlorene Partei war die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland (weiblich), und die Beschuldigte war männlich.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB130535

Kanton:ZH
Fallnummer:SB130535
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB130535 vom 08.05.2014 (ZH)
Datum:08.05.2014
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:vorsätzliches Fahren in fahrunfähigem Zustand
Schlagwörter : Beschuldigte; Beschuldigten; Medikament; Berufung; Urteil; Fahrunfähigkeit; Verfahren; Medikamente; Täter; Staatsanwaltschaft; Morphin; Beeinträchtigung; Fahrlässig; Ärzte; Pupillen; Vorinstanz; Hinweis; Recht; Fahrlässigkeit; Zustand; Verfahrens; Motorfahrzeug; Beweis; Anklage; ähigem
Rechtsnorm:Art. 12 StGB ;Art. 2 VRV ;Art. 3 VRV ;Art. 31 SVG ;Art. 333 StGB ;Art. 379 StGB ;Art. 405 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 436 StPO ;Art. 91 SVG ;Art. 91a SVG ;
Referenz BGE:116 1a 458; 130 IV 32; 133 IV 9; 134 IV 26; 137 IV 1;
Kommentar:
Hans Giger, Kommentar zum SVG, Art. 91 SVG, 2014
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SB130535

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB130535-O/U/jv

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Marti, Präsident, Oberrichterin lic. iur.

Ch. von Moos und Oberrichter Dr. D. Schwander sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. C. Grieder

Urteil vom 8. Mai 2014

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,

vertreten durch Stv. Leitende Staatsanwältin lic. iur. S. Steinhauser Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend

vorsätzliches Fahren in fahrunfähigem Zustand
Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Bülach, Einzelgericht, vom 8. Oktober 2013 (GB130007)

Anklage:

Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland vom 4. Juni 2013 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 20 ).

Urteil der Vorinstanz:

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig des vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand (andere Gründe: Arzneimittel) im Sinne von Art. 91 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 SVG und Art. 2 Abs. 1 VRV.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 130.- (entsprechend Fr. 2'600.-) sowie mit einer Busse von Fr. 500.-.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt. Die Busse ist zu bezahlen.

  4. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen.

  5. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 1'500.- ; die weiteren Kosten betragen:

    Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  6. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  7. (Mitteilungen)

  8. (Rechtsmittel)

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 47 S. 2)

    1. Das erstinstanzliche Urteil sei vollumfänglich aufzuheben und A. von Schuld und Strafe freizusprechen.

      sei

    2. Die Kosten der Untersuchung, des vorinstanzlichen Verfahrens wie auch des heutigen Verfahrens seien auf die Staatskasse zu nehmen. Mein Klient sei für seine Aufwendungen, namentlich für die Kosten der erbetenen Verteidigung zu entschädigen.

  2. Der Staatsanwaltschaft: (schriftlich; Urk. 26)

  1. die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils;

  2. die Abweisung des Beweisantrages auf Zeugenbefragung von Dr. med.

    B.

  3. die Dispensation von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung, da es sich um einen einfachen Fall gemäss Art. 405 Abs. 2 StPO handelt.

    Erwägungen:

    1. Prozessverlauf
      1. Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland vom 4. Juni 2013 wurde der Beschuldigte des vorsätzlichen Fahrens in nicht fahrfähigem Zustand (andere Gründe) im Sinne von Art. 91 Abs. 2 SVG schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 100.-, entsprechend Fr. 3'000.-, bestraft. Der Vollzug der Geldstrafe wurde aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt. Der Beschuldigte wurde zudem mit einer Busse von Fr. 600.bestraft, unter Ansetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen bei schuldhaftem Nichtbezahlen der Busse. Weiter wurden ihm die Verfahrenskosten von Fr. 1'668.90 auferlegt (Urk. 1/20). Mit Eingabe vom 13. Juni 2013 (eingegangen am 17. Juni 2013) erhob der Beschuldigte Einsprache gegen den Strafbefehl (Urk. 1/21). Nach ergänzender Untersuchung hielt die Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland am Strafbefehl fest und überwies die Akten an das Einzelgericht Bülach (nachfolgend Vorinstanz; Urk. 1/25).

      2. Nach Durchführung der Hauptverhandlung bestätigte die Vorinstanz den Strafbefehl, sprach den Beschuldigten mit Urteil vom 8. Oktober 2013 des vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand (andere Gründe: Arzneimittel) im Sinne von Art. 91 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 SVG und Art. 2 Abs. 1 VRV schuldig und bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 130.- (entsprechend Fr. 2'600.-) sowie einer Busse von Fr. 500.-. Der Vollzug der Geldstrafe wurde aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt. Die Ersatzfreiheitsstrafe bei schuldhaftem Nichtbezahlen der Busse wurde auf 5 Tage festgesetzt. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt (Urk. 15 S. 30 f. = Urk. 19 S. 30 f.).

      3. Im Anschluss an die mündliche Urteilseröffnung liess der Beschuldigte Berufung anmelden (Prot. I S. 24). Nach Zustellung des begründeten Urteils am 6. Dezember 2013 (Urk. 16) reichte die Verteidigung am 23. Dezember 2013 die Berufungserklärung ein (Urk. 22) und stellte den Beweisantrag auf Zeugenbefragung

        von Dr. med. B. (Urk. 22 S. 2). Mit Präsidialverfügung vom 6. Januar 2014 erhielt die Staatsanwaltschaft die Berufungserklärung zugestellt, um gegebenenfalls Anschlussberufung zu erheben Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen und zum Beweisantrag des Beschuldigten obligatorisch Stellung zu nehmen, während der Beschuldigte aufgefordert wurde, dem Gericht das Datenerfassungsblatt sowie die aufgelisteten Unterlagen einzureichen (Urk. 24). Mit Eingabe vom 8. Januar 2014 verzichtete die Staatsanwaltschaft auf Anschlussberufung und beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils und die Abweisung des Beweisantrages des Beschuldigten auf Zeugenbefragung von Dr. med. B. (Urk. 26). Sodann ersuchte sie unter Hinweis auf Art. 405 Abs. 2 StPO um Dispensation von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung. Mit Begleitschreiben vom 28. Januar 2014 (Urk. 28) reichte der Verteidiger des Beschuldigten das ausgefüllte Datenerfassungsblatt (Urk. 30/1) sowie Beilagen (Urk. 30/2-4) ein. Mit Präsidialverfügung vom 29. Januar 2014 wurde eine Kopie der Eingabe der Staatsanwaltschaft vom 8. Januar 2014 dem Beschuldigten zur freigestellten Vernehmlassung zugestellt (Urk. 31). Die Stellungnahme des Beschuldigten vom 10. Februar 2014 (Urk. 33) wurde mit Präsidialverfügung vom 11. Februar 2014 der Staatsanwaltschaft zur freigestellten Vernehmlassung zugestellt (Urk. 35).

      4. Mit Präsidialverfügung vom 26. Februar 2014 wurde der Beweisantrag des

        Beschuldigten auf Einvernahme von Dr. med. B.

        als Zeuge abgewiesen

        (Urk. 39). Am 10. März 2014 wurde auf den 8. Mai 2014 zur Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 41).

      5. Am 8. Mai 2014 fand die Berufungsverhandlung statt (Prot. II S. 7 ff.).

    2. Prozessuales
      1. Der Beschuldigte lässt das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich anfechten und einen Freispruch beantragen (Urk. 22 S. 2). Die Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland beantragt die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 26 S. 1).

      2. Der Beschuldigte liess für den Fall eines Schuldspruchs den Beweisantrag auf Befragung von Dr. med. B. stellen. Da jedoch wie noch zu zeigen ist -ein Freispruch resultieren wird, ist dieser Beweisantrag hinfällig.

    3. Sachverhalt
      1. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, am Freitag, 2. November 2012, ca.

        19.20 Uhr, den Personenwagen Volvo, ZH , auf der Autobahn A51, Fahrtrichtung Bülach in 8302 Kloten, gelenkt zu haben. Der Beschuldigte habe das Fahrzeug gelenkt, obwohl er zuvor bei sich zu Hause an der [Adresse] das Medikament MST Continus (Morphin) konsumiert habe. Damit sei der Beschuldigte gemäss chemisch-toxikologischer Untersuchung des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich vom 21. November 2012 nicht mehr fahrfähig gewesen, was er gewusst zumindest in Kauf genommen habe (Urk. 1/20).

      2. Diesen Sachverhalt anerkannte der Beschuldigte sowohl in der Untersuchung als auch vor Vorinstanz (Urk. 1/23 S. 3; Prot. I S. 12) mit der Ausnahme, gewusst zumindest in Kauf genommen zu haben, dass er im fraglichen Zeitpunkt nicht mehr fahrfähig gewesen sei. Anlässlich der Berufungsverhandlung zeigte sich der Beschuldigte bezüglich des äusseren Sachverhalts als geständig, wobei er hinsichtlich der Fahrunfähigkeit aussagte, die Ausführungen des Gutachters zur Fahrunfähigkeit gelte gemäss seinem Arzt nicht für jemanden, der es gewohnt sei, solche Medikamente zu nehmen (Prot. II S. 17). Ebenso gab der Beschuldigte auch anlässlich der Berufungsverhandlung zu Protokoll, er sei davon ausgegangen, er habe am fraglichen Tag trotz Einnahme von den ihm verschriebenen Medikamenten Auto fahren dürfen (Prot. II S. 5).

      3. Der Beschuldigte führt dazu zusammenfassend aus, gemäss der Informationen seiner Ärzte habe er keinen Anlass gehabt, an seiner Fahrfähigkeit zu zweifeln. Aufgrund seiner medizinischen Vorgeschichte in Deutschland und der Auskünfte seines Arztes in der Schweiz sei er davon ausgegangen, zum Führen eines Motorfahrzeuges berechtigt zu sein.

        Er habe am 1. Juni 2000 einen schweren Gleitschirm-Unfall gehabt, den er nur knapp überlebt habe. Dabei habe er sich die Wirbelsäule und auch beide Oberschenkel gebrochen. Nach zahlreichen Eingriffen habe ihm der linke Unterschenkel amputiert werden müssen. Folge dieses schweren Unfalls sei, dass er zeitlebens nur eingeschränkt mobil sein werde und dass er wegen neuropathischen Schmerzen, unter anderem auch Phantomschmerzen im amputierten Unterschenkel, seit zehn Jahren auf eine chronische Opiattherapie angewiesen sei. Diese Therapie sei bereits in Deutschland bei Frau Dr. med. C. etabliert worden. Nach dem Zuzug in die Schweiz Ende 2008 sei er an einen Facharzt hierzulande übergeben worden, welcher die Therapie und Überwachung übernommen und so deren nahtlose Fortführung garantiert habe. Dabei handle es sich um Dr. med. B. , Facharzt FMH für Anästhesiologie, Spezielle Schmerztherapie, am Schmerzzentrum in Zürich. Der Beschuldigte sei somit bereits in Deutschland auf morphinbasierte Medikamente eingestellt worden und habe dort einen sogenannten Opioid-Ausweis erhalten, welcher von behandelnden Ärzten ausgestellt werden könne. Darin werde die Fahrtüchtigkeit bescheinigt. In der Schweiz existiere ein solcher Ausweis nicht (Urk. 10 S. 3 f.). Bei der Therapiefortführung in der Schweiz habe er sich diesbezüglich an den behandelnden Arzt gewandt, welcher ihm bescheinigt habe, dass er trotz Einnahme der vorgeschriebenen Medikamente ein Fahrzeug lenken dürfe. Dies habe Dr. med. B. nicht nur mündlich, sondern mit Testat vom 7. November 2012 (Urk. 1/9) auch schriftlich bescheinigt. Er habe keinerlei Anlass gehabt anzunehmen, er dürfe sich nicht auf diese Auskunft des ihn behandelnden Spezialisten verlassen (Urk. 10 S. 4).

        Er habe an sich nie medikamentenbedingte Symptome bemerkt. Was ihm die Ärzte gesagt hätten, sei auch seine eigene Erfahrung gewesen. Er habe keinen Grund gehabt, das irgendwie anzuzweifeln. Sein Arzt sei seine Vertrauensperson (Prot. I S. 13). Er habe sich sicher gefühlt. Er habe mit seinem Arzt gesprochen und dieser habe ihm gesagt, es gehe. Dieser habe ihm nicht gesagt, er solle nachts aufpassen. Davon sei nie die Rede gewesen (Prot. I S. 18). Dr. B. habe ihm gesagt, er dürfe Auto fahren (Prot. II S. 13). Es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass er etwas Falsches gemacht habe. Er habe immer

        das Gefühl gehabt, dass er das ausreichend bei den Ärzten abgeklärt habe (Prot. II S. 17 f.).

      4. Somit ist im Rahmen der rechtlichen Würdigung zu prüfen, ob der Beschuldigte wie im Strafbefehl aufgeführt im Zeitpunkt der fraglichen Fahrt fahrunfähig war und ob er wusste zumindest in Kauf nahm, aufgrund des eingenommenen Medikamentes MST Continus (Morphin) nicht mehr fahrfähig zu sein.

    4. Rechtliche Würdigung
  1. Objektiver Tatbestand

    1. Gemäss Art. 91 Abs. 2 SVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft, wer aus anderen Gründen (als Alkoholeinfluss) fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug führt. Nach Art. 2 Abs. 2 und Abs. 2ter VRV gilt die Fahrunfähigkeit ohne Weiteres als erstellt, wenn eine der von ihr aufgeführten Substanzen (Cannabis, Heroin, Morphin, Kokain etc.) im Blut gefunden wurden. Diese gesetzliche Vermutung gilt dann ausnahmsweise nicht, wenn die Substanz mit einem ärztlich verschriebenen Medikament eingenommen wurde. Diesfalls ist damit zu prüfen, ob die Fahrfähigkeit trotz der Einnahme des Medikaments erhalten war (Urteil des Bundesgerichts 1C_529/2011 vom 30.3.2012, E. 2.2.).

    2. Gemäss Urteil des Bundesgerichts 6B_244/2011 vom 10.6.2011, E. 3 ist für die Beantwortung der Frage, wann Anzeichen von Fahrunfähigkeit respektive ein entsprechender Anfangsverdacht bestehen, die Rechtsprechung zu Art. 91a SVG heranzuziehen (Urteil 6B_196/2010 vom 20. April 2010 E. 1.3.2). Es ist auf die Umstände des konkreten Falles abzustellen. Dabei kommen jegliche Indizien in Frage, die einen entsprechenden Verdacht begründen können. Sie können im

      • allfällig verursachten - Unfall aber in der Person des Fahrzeuglenkers begründet sein. Die Annahme der Fahrunfähigkeit wegen Drogeneinflusses setzt den Nachweis eines Fahrfehlers nicht voraus. Selbst ein unauffälliger ärztlicher Untersuchungsbefund schliesst eine Beeinflussung der Fahrfähigkeit nicht aus (BGE 130 IV 32 E. 3.5 mit Hinweis auf die früheren

        Empfehlungen EJPD/KKJPD). Als mögliche Indizien bzw. Verdachtsmomente (die in der Person eines unter Betäubungsmitteloder Arzneimittel stehenden Fahrzeugführers liegen) erscheinen ein berauschter, müder, euphorischer, apathischer sonst wie auffälliger Zustand desselben (vgl. Ziff. 2.2.1 der Weisungen des ASTRA vom 22. Mai 2008 betreffend Feststellung der Fahrunfähigkeit im Strassenverkehr; YVAN JEANNERET, Les dispositions pénales de la Loi sur la circulation routière (LCR), Berne 2007, Rz 48 zu Art. 91, siehe betreffend die früheren Empfehlungen EJPD/KKJPD zur Feststellung der Verminderung der Fahrfähigkeit durch Drogen und/oder Medikamente: RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des Schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band III: Die Administrativmassnahmen, 1995, N. 2672 ff.; vgl. auch BGE 130 IV 32 E. 3.3).

    3. In diesem Zusammenhang ist auf den Anzeigerapport der Polizei vom

      6. November 2012 hinzuweisen, wo geschildert wird, aus welchen Gründen die Polizei den Beschuldigten einer Kontrolle unterzog und was sie dabei feststellte. Im Rapport (Urk. 1/1 S. 2 f.) finden sich dazu folgende Hinweise:

      Anlässlich einer Patrouillenfahrt auf der A51, Fahrbahn Bülach, fuhren Gfr D. und ich auf dem Normalstreifen hinter dem Fahrzeug von A. her. Auf der Höhe der Kilometrierung 005.000 machte er plötzlich einen Schwenker in Richtung links und setzte unmittelbar danach ohne Blinken zum Überholvorgang eines vor ihm fahrenden Fahrzeugs an. Nach Beendigung des Überholvorgangs schwenkte er wiederum ohne zu blinken zurück auf den Normalstreifen. Wir überholten A. , lotsten ihn auf den Ausstellplatz des Unterhaltsdienstes und unterzogen ihn einer Kontrolle. Dabei stellten wir fest, dass A. dabei war, sein Fahrzeug unter Einfluss von Medikamenten zu lenken.

      Die Polizei fand bei der Kontrolle des Beschuldigten in seinen Hosenund Jackentaschen verschiedene Medikamentenschachteln. Auch im Wageninnern stiess die Polizei auf weitere Medikamentenschachteln (Urk. 1/1 S. 3).

      Unmittelbarer Anlass für die Kontrolle des Beschuldigten war sein auffälliges Fahrverhalten (plötzlicher Schwenker, keine Zeichengebung bei einem Überholvorgang). Dass der Beschuldigte den plötzlichen Schwenker später bestritt (vgl. Prot. I. S. 16; in der ersten polizeilichen Befragung hatte er ihn noch eingeräumt; vgl. Urk 1/3 S. 6 unten), ändert nichts an der Tatsache, dass die Polizei einen solchen Schwenker wahrnahm und diesen (zusammen mit der fehlenden Zeichengebung bei einem Überholmanöver) zum Anlass nahm, den Beschuldigten anzuhalten und zu kontrollieren.

    4. Zwar verlief der Betäubungsmittelvortest um 19.50 Uhr negativ, doch stellte der Polizeibeamte enge Pupillen fest (Urk. 1/2 S. 3). Am gleichen Abend um

      20.20 Uhr fand im Spital Bülach die Blutentnahme statt. Der Arzt hielt bezüglich den Augen des Beschuldigten fest, dass die Augenbindehäute gerötet, die Folgebewegungen unauffällig waren, dass kein Augenzittern feststellbar war, dass die Pupillengrösse sowohl bei dunkel als auch bei hell 2 mm betrug und keine Lichtreaktion feststellbar war. Eine Konvergenzschwäche stellte der Arzt nicht fest. Der Beschuldigte wies einen sicheren Stand auf; der Finger-Nase-Versuch verlief problemlos. Zum Allgemeinzustand hielt der Arzt fest, dass die Orientierung des Beschuldigten erhalten gewesen sei; er habe keine Erinnerungslücken gezeigt. Haut, Nase und Verhalten sei unauffällig gewesen. Der Arzt hielt den Beschuldigten abschliessend aufgrund der erhobenen Befunde als nicht merkbar beeinträchtigt (Urk. 1/10).

    5. In seiner polizeilichen Befragung vom 2. November 2012 wies der Beschuldigte darauf hin, dass er in der Nacht zuvor erst um 4 Uhr ins Bett gekommen sei, aber bis 10 Uhr geschlafen habe (Urk. 1/2 S. 2 unten). Auf den polizeilich festgestellten plötzlichen Schwenker angesprochen antwortete der Beschuldigte in seiner ersten Befragung (Urk. 1/3 S. 6 unten): Das ist richtig. Ich war gedankenverloren. Ich hatte einen sehr stressigen Tag. Der Tag ging mir in diesem Moment nochmals durch den Kopf. Es war kein gewöhnlicher Tag. Aus den Akten ergibt sich, dass der Beschuldigte am 2. November 2012 seine Firma eröffnet hatte.

    6. Die Polizei hegte somit aufgrund eines auffälligen Fahrmanövers des Beschuldigten (plötzlicher Schwenker, keine Zeichengebung beim Überholvorgang) den Verdacht, der Beschuldigte könnte entweder im Auto irgendwelche Verrichtungen vorgenommen haben, welche seine Aufmerksamkeit von der Strasse und Verkehr abwendete (im Sinne von Art. 3 Abs. 1 VRV), seine aktuelle Fahrfähigkeit sei eingeschränkt. Die darauf vorgenommene Kontrolle des Beschuldigten und seines Autos förderte zahlreiche Medikamente bzw. Medikamentenschachteln zu Tage. Zudem gab der Beschuldigte an, ärztlich verordnete

      Medikamente (Opioid) zu sich nehmen zu müssen. Polizei und Arzt stellten fest, dass die Pupillen des Beschuldigten sehr eng waren und auf Lichteinflüsse nicht reagierten. In der Folge wurde eine Blutund Urinprobe angeordnet. Die Auswertung des peripheren Blutes ergab einen Wert von ca. 84 µg/L freies Morphin (Urk. 1/12 S. 2).

    7. Die Ausführungen im Gutachten bzw. Ergänzungsgutachten zur Funktionsweise des menschlichen Auges und der erforderlichen dynamischen Anpassungsleistungen bei den sich stetig ändernden Lichtverhältnissen, insbesondere auch abends respektive nachts, sind überzeugend (Urk. 1/14 S. 3). Sämtliche diesbezüglichen gutachterlichen Feststellungen blieben (zu Recht) unangefochten und es besteht kein Anlass, an diesen zu zweifeln. Die vom Arzt des Spitals Bülach festgestellte Beeinträchtigung des Beschuldigten in Bezug auf dessen Augen (Urk. 1/10) kann gemäss dem Gutachten vom 21. November 2012 durch den gemessenen Morphin-Blutspiegel erklärt werden. Sodann hält das Gutachten fest: Die festgestellten Symptome lassen sich nicht mit dem sicheren Lenken eines Fahrzeugs (insbesondere nicht zu Abendoder Nachtzeit!) vereinbaren. Unseres Erachtens ist die Fahrfähigkeit von A. im Ereigniszeitpunkt durch Morphin vermindert gewesen. Somit war A. aus forensisch-toxikologischer Sicht im Zeitpunkt des Ereignisses fahrunfähig (Urk. 1/12 S. 3).

    8. Somit bestand neben dem nachgewiesenen Morphin im Blut des Beschuldigten mit der festgestellten fehlenden prompten Lichtreaktion der Pupillen des Beschuldigten ein weiterer Beweis für die im fraglichen Zeitpunkt gegebene Fahrunfähigkeit des Beschuldigten. Mit der Vorinstanz ist somit davon auszugehen, dass der Beschuldigte anlässlich seiner Autofahrt vom 2. November 2012, um ca. 19.20 Uhr aus objektiver Sicht fahrunfähig war.

  2. Subjektiver Tatbestand

    1. Subjektiv ist Vorsatz einschliesslich Eventualvorsatz Fahrlässigkeit erforderlich (Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG). Die Anklagebehörde wirft dem Beschul-

      digten zumindest Eventualvorsatz vor. Eine Fahrlässigkeit ist im Strafbefehl, welcher die Anklage ersetzt, nicht umschrieben.

    2. Der Beschuldigte bestreitet ein eventualvorsätzliches Handeln. Die Ärzte hätten ihm im Wissen darum, dass er seit vielen Jahren in einer chronischen Opioidtherapie stehe, bescheinigt, dass er ohne weiteres Auto fahren dürfe. Es könne ihm folglich nicht angelastet werden, er habe im Sinne eines Eventualvorsatzes gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB eine Fahrt in fahrunfähigem Zustand in Kauf genommen.

    3. Gemäss Bundesgericht (Urteil 6B_802/2013 vom 27.1.2014) begeht vorsätzlich ein Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 1 und 2 StGB). Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4 mit Hinweis; zur Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit BGE 133 IV 9 E. 4.1 mit Hinweisen). Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sog. innere Tatsachen. Rechtsfrage ist hingegen, ob im Lichte der festgestellten Tatsachen der Schluss auf Eventualvorsatz begründet ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4 mit Hinweis).

      Für den Nachweis des Vorsatzes kann sich das Gericht soweit der Täter nicht geständig ist regelmässig nur auf äusserlich feststellbare Indizien und auf Erfahrungsregeln stützen, die ihm Rückschlüsse von den äusseren Umständen auf die innere Einstellung des Täters erlauben. Zu den äusseren Umständen, aus denen der Schluss gezogen werden kann, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen, zählen namentlich die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung und die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung. Je grösser dieses Risiko ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto eher darf gefolgert werden, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen (BGE 134 IV 26 E. 3.2.2 mit Hinweisen). Der Richter darf vom Wissen des Täters auf den Willen schliessen, wenn sich dem Täter der

      Eintritt des Erfolgs als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, ihn als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden kann (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4 mit Hinweis). Eventualvorsatz kann aber auch vorliegen, wenn der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs nicht in diesem Sinne sehr wahrscheinlich, sondern bloss möglich war. Doch darf nicht allein aus dem Wissen des Täters um die Möglichkeit des Erfolgseintritts auf dessen Inkaufnahme geschlossen werden. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen (BGE 133 IV 9 E. 4.1 S. 17 mit Hinweisen).

      Beim Eventualvorsatz strebt der Täter mithin den Erfolg nicht an, sondern weiss lediglich, dass dieser möglicherweise mit der willentlich vollzogenen Handlung verbunden ist. Der Eventualvorsatz ist zu bejahen, wenn der Täter den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt und sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 137 IV E. 1 E. 4.2.3; 133 IV 1 E. 4.1 S. 3 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 6B_244/2011 vom 10.6.2011, E. 4.1).

    4. Es ist vom erstellten Sachverhalt auszugehen. Der Beschuldigte wusste, dass er das Morphin haltige Medikament MST Continus eingenommen hatte, als er am 2. November 2012, 19.20 Uhr, sein Auto lenkte. Der Beschuldigte wusste aufgrund der zuvor mit Ärzten geführten Diskussionen, aber auch aufgrund seiner eigenen Recherchen, dass das Lenken eines Motorfahrzeuges unter der Wirkung des erwähnten Medikamentes problematisch sein kann, ja die gesetzliche Regelung vom Grundsatz ausgeht, dass die Fahrunfähigkeit als erwiesen gilt, wenn jemand freies Morphin im Blut hat (Art. 2 Abs. 2 VRV). Das Risiko, in fahrunfähigem Zustand ein Motorfahrzeug zu lenken, war daher dem Beschuldigten bestens bekannt. Umso grösser war seine Sorgfaltsplicht, trotz dieser Umstände nicht in fahrunfähigem Zustand ein Motorfahrzeug zu lenken. Diese Regelung, wonach jemand erwiesenermassen und unumstösslich als fahrunfähig gilt, wenn freies Morphin in seinem Blut festgestellt wird, entspricht inhaltlich derjenigen, dass stets von einer Fahrunfähigkeit auszugehen ist, wenn jemand mit mehr als 0,8 Gewichtspromillen Alkohol im Blut ein Motorfahrzeug lenkt. Während beim Alkohol die entsprechende Fahrunfähigkeit als unumstösslich erwiesen gilt (selbst wenn jemand sehr Alkohol gewohnt ist), sieht wie oben dargestellt - Art. 2 Abs. 2ter VRV insofern eine Ausnahme vor, dass die Fahrunfähigkeit dann nicht

      als unumstösslich erwiesen gilt, wenn der Beschuldigte nachweisen kann, dass er die fragliche Substanz gemäss ärztlicher Verschreibung zu sich genommen hat. Im Unterschied zur alkoholbedingten Fahrunfähigkeit kann in Fällen, in denen ein Beschuldigter gemäss ärztlicher Verschreibung Substanzen gemäss Art. 2 Abs. 2 VRV zu sich nimmt, eine Verurteilung wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand nur dann erfolgen, wenn weitere Beweise vorliegen, die auf eine Fahrunfähigkeit hinweisen (Hans Giger, Kommentar zum SVG, 8. Auflage 2014, Art. 91 N 8

      S. 505). Es kann als erstellt gelten, dass sich der Beschuldigte seit Jahren aufgrund ärztlicher Verschreibung einer chronischen Opioidtherapie unterzieht und er mit seinen Ärzten die Frage seiner Fahreigenschaft thematisiert hatte und er von seinen Ärzten was seine Fahreigenschaft angeht grünes Licht erhalten hat.

    5. Vorliegend ist objektiv erstellt, dass im Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Autofahrt nebst den ca. 84 µg/L freiem Morphin im peripheren Blut auch eine massive Beeinträchtigung der Augenfunktion des Beschuldigten vorlag. Objektiv steht damit fest, dass ein weiterer Beweis für die Fahrunfähigkeit vorliegt. Damit ist aber bezüglich subjektivem Tatbestand noch nichts festgestellt. Dem Beschuldigten muss nachgewiesen werden können, dass er Kenntnis von der klaren Beeinträchtigung seiner Augenfunktion gehabt hat und er trotz dieser Kenntnis dennoch ein Motorfahrzeug lenkte. Die Vorinstanz nahm dem Beschuldigten die Beteuerungen, wonach er trotz der erwiesenermassen stark beeinträchtigten Funktion seiner Pupillen keine Beeinträchtigung seines Sehvermögens wahrgenommen habe, nicht ab; die Vorinstanz erachtete die entsprechende Darstellung des Beschuldigten als nicht glaubhaft, weil es ihm doch aufgefallen sein müsse, dass seine Augen nicht einwandfrei funktionieren würden (Urk. 19 S. 21 Ziff. 5.2.4.).

      Mit der Vorinstanz kann (lediglich) vermutet werden, dass der Beschuldigte nachts zumindest bei Dunkelheit realisiert haben dürfte, dass seine Augen etwelche Schwierigkeiten hatten, sich den geänderten Verhältnissen anzupassen. Diese Vermutung reicht jedoch nicht aus, um dem Beschuldigten einen strafrechtlich relevanten Vorwurf zu machen, er habe im Wissen um diese Beeinträchtigung dennoch ein Motorfahrzeug gelenkt. Die Ärzte hatten dem Beschuldigten

      • trotz der Einnahme von opioidhaltigen Medikamenten attestiert, es dürfe ein

        Auto lenken (womit sie ihm die allgemeine Fahreigenschaft zubilligten, nicht jedoch die Fahrfähigkeit im Einzelfall). Dem Beschuldigten kann jedoch nicht nachgewiesen werden, dass er seit der installierten chronischen Opioidtherapie je irgendwelche Probleme hatte, sich auch nachts in Dunkelheit verkehrskonform zu verhalten. Es liegt nichts vor, dass belegen würde, dass sich der Beschuldigte infolge Beeinträchtigung der Funktion seiner Pupillen in den letzten Jahren verkehrswidrig verhalten hätte; auch das gefährliche Überholmanöver, welches am 14. Februar 2010 zu einem einmonatigen Führerausweisentzug geführt hatte, sowie die Geschwindigkeitsüberschreitung, welche dem Beschuldigten am 8. Oktober 2012 eine Verwarnung eintrug (vgl. Urk. 1/19), sind nicht solche Verkehrsdelikte, die auf eine Beeinträchtigung der Pupillenfunktionen und damit seiner Sehfähigkeit hinweisen würden. Die Aussage des Beschuldigten, er habe nie entsprechende Funktionsstörungen bemerkt, er habe infolge der beschriebenen Beeinträchtigung nie irgendwelche Probleme gehabt, mag allenfalls etwas beschönigend klingen, kann aber durchaus auch damit erklärt werden, dass gemäss den Gutachtern des IRM bei regelmässiger Einnahme des Medikaments MST Continus (nebst der Problematik der Gewöhnung) einige Nebenwirkungen schwächer ausfallen (Urk. 1/12 S. 3 oben). Es ist nicht nur denkbar, sondern nahe liegend, dass sich die Augen des Beschuldigten (und damit er selber) in all den Jahren dergestalt an die Funktionsstörung der Pupillen gewöhnt haben, dass er gewisse Ausfälle zu kompensieren in der Lage war und er subjektiv und dies entgegen der Ansicht der Vorinstanz - nichts von der Beeinträchtigung der Funktion der Pupillen bemerkt hatte. Auch am fraglichen Abend war es ja nicht so, dass der plötzliche Schwenker des Beschuldigten und das Nichtbetätigen des Blinkers im Rahmen eines Überholvorganges nahe liegend gar zwingend auf eine Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit des Beschuldigten hingedeutet hätten. Gerade so gut kam eine Übertretung von Art. 3 Abs. 1 VRV in Betracht.

    6. Lag zwar bei der inkriminierten Fahrt - nebst dem freien Morphin im peripheren Blut objektiv eine zusätzliche Beeinträchtigung der Funktion der Pupillen vor, lässt sich subjektiv nicht mit rechtsgenügender Sicherheit nachweisen, dass der Beschuldigte diese Beeinträchtigung kannte bzw. bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte kennen müssen. Folglich ist der subjektive Tatbestand

      hinsichtlich eines eventualvorsätzlichen Verhaltens nicht erfüllt. Dies führt zum Freispruch des Beschuldigten.

    7. Allerdings ist der Beschuldigte darauf hinzuweisen, dass er mit der Kenntnis des Gutachtens vom 21. November 2012 (Urk. 1/12) und des Ergänzungsgutachten vom 29. Mai 2013 (Urk. 1/14) nun klar weiss, dass die Medikamenteneinnahme des Produktes MST Continus bei ihm eine Einschränkung der Funktion der Pupillen zur Folge hat und dass dieses eingeschränkte Sehvermögen insbesondere bei schlechten Sichtund Lichtverhältnissen seine Fahrunfähigkeit zur Folge hat.

  3. Fahrlässige Tatbegehung

    1. Das Fahren in fahrunfähigem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 2 SVG kann sowohl (eventual-)vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden. Wie erwähnt, enthält die Umschreibung des Sachverhaltes keinen Vorwurf der Fahrlässigkeit.

    2. Fahrlässig begeht ein Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht darauf nicht Rücksicht genommen hat. Pflichtwidrig ist dabei die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB). Die Vorsichtspflicht des Täters wird im Strassenverkehr von der Spezialgesetzgebung näher konkretisiert (Rehberg, Der Anklagegrundsatz und das Fahrlässigkeitsdelikt, in: Festschrift 125 Jahre Kassationsgericht des Kantons Zürich, Zürich 2000, S. 407 - 421, S. 409 f.).

      Zu beachten ist, dass es sich bei der Bestimmung dessen, was der Täter bei seinem Tun hätte unterlassen zusätzlich vorkehren müssen, um eine Rechtsfrage handelt. Während die Umschreibung des tatsächlichen Verhaltens des Beschuldigten - das in der Anklageschrift bezeichnet sein muss beim vorsätzlichen Delikt keine Probleme bietet, liegt die Schwierigkeit beim fahrlässigen Erfolgsdelikt gerade darin, dass das tatsächliche Verhalten des Beschuldigten keinen unmittelbaren Schluss auf die Erfüllung eines Fahrlässigkeitstatbestandes zulässt, weil die für die Schädigung verantwortliche Tätigkeit des Beschuldigten

      regelmässig nicht schlechthin verboten ist. Das konkrete Verhalten kann nur dann als sorgfaltswidrig gekennzeichnet werden, wenn es in Relation zu der erst noch zu bestimmenden Vorsicht gebracht wird, die der Beschuldigte bei seiner Tätigkeit hätte beobachten müssen (Rehberg, a.a.O., S. 410 f.).

      Das Bundesgericht verlangt, dass bei Fahrlässigkeitsdelikten sämtliche tatsächlichen Umstände in der Anklageschrift anzuführen sind, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit des vorgeworfenen Verhaltens ergeben soll; dazu sei insbesondere genau darzulegen, inwiefern es der Beschuldigte an der gebotenen Sorgfalt Vorsicht habe fehlen lassen (BGE 116 1a 458,120 IV 356).

      Auch das Kassationsgericht des Kantons Zürich brachte in seiner früheren Rechtsprechung zum Ausdruck, dass die Anklageschrift bei Fahrlässigkeitsdelikten die tatsächlichen Vorbringen betreffend Pflichtwidrigkeit enthalten müsse und dass der Richter an die Vorbringen gebunden sei, wohingegen der Richter in der rechtlichen Begründung für die Fahrlässigkeit frei sei (vgl. RB 1997 Nr. 109; Kass.G.- Nr. 298/87, Entscheid vom 26. März 1988; Kass.G.-Nr. 88/264 d.v. 88/397, Entscheid vom 6. November 1989; Kass.G.-Nr. 93/167, Entscheid vom 6. September 1993; Kass.G.-Nr. 96/039, Entscheid vom 7. Dezember 1996; Kass.G.-Nr. 97/257, Entscheid vom 12. August 1998; Kass.G.-Nr. 98/035, Entscheid vom 11. März 1999; Kass.G.-Nr. 2002/264, Entscheid vom 8. November 2002).

    3. Es ist offenkundig, dass der im Strafbefehl umschriebene Sachverhalt keine Fahrlässigkeit umschreibt. Fragen liesse sich, ob der Staatsanwaltschaft eine Änderung der Anklage im Sinne von Art. 333 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 379 StGB ermöglicht werden müsste, damit die Staatsanwaltschaft eine Fahrlässigkeit umschreiben könnte. Eine solche Rückweisung zur Änderung der Anklage macht aber nur dann Sinn, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit

  • bei geänderter Anklage ein Schuldspruch erfolgen würde.

Unter Hinweis auf die vorstehenden Ausführungen kann eine solche Rückweisung unterbleiben. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Beschuldigten eine Sorgfaltspflichtverletzung nachgewiesen werden könnte. Es ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte davon Kenntnis hatte, dass das Lenken eines Motorfahrzeuges nach der Einnahme des Medikaments MST Continus problematisch ist, weshalb

der Gesetzgeber bei freiem Morphin im Blut grundsätzlich von Fahrunfähigkeit ausgeht, dies dann aber dahingehend relativiert, dass diese Fahrunfähigkeit nicht unumstösslich als nachgewiesen erachtet wird, wenn der Motorfahrzeuglenker die fragliche Substanz korrekt aufgrund ärztlicher Verschreibung eingenommen hat. Da der Beschuldigte aber gerade im Hinblick auf diese Problematik seine Fahreignung mehrmals mit seinen Ärzten besprochen hat, wobei ihm diese die Unbedenklichkeit bescheinigten, der Beschuldigte zudem aufgrund seiner nicht widerlegbaren Aussagen nie eine Beeinträchtigung der Funktion seiner Pupillen Sehschwierigkeiten bei nächtlichen Autofahrten wahrnahm, insbesondere auch am Abend des 2. November 2012 nicht, bestand für den Beschuldigten kein Anlass, weitergehende Vorsichtmassnahmen Abklärungen zu treffen, als er bereits getätigt hatte. Er durfte sich auf die Aussage der Ärzte verlassen, zumal er sich nie mit Problemen konfrontiert sah, welche die Sichtweise der Ärzte im praktischen Alltag in Frage gestellt hätten.

V. Kosten und Entschädigung
  1. Kosten Vorinstanz

    Wird das Verfahren eingestellt die beschuldigte Person freigesprochen, können dieser die Verfahrenskosten dennoch auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO). Im vorliegenden Fall weist nichts darauf hin, dass der Beschuldigte die Einleitung des Verfahrens bewirkt dessen Durchführung erschwert hat, weshalb ihm die Kosten für das vorinstanzliche Verfahren und die Untersuchungskosten nicht auferlegt werden können und auf die Gerichtskasse zu nehmen sind.

  2. Kosten Berufungsverfahren

    Gemäss Art. 428 Abs. 1 StPO tragen die Parteien die Kosten nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens. Der Beschuldigte dringt mit all seinen Anträge

    durch und obsiegt folglich. Die zweitinstanzlichen Kosten sind somit auf die Gerichtskasse zu nehmen.

  3. Entschädigung des Beschuldigten für das erstinstanzliche Verfahren

    Der Beschuldigte hat Anspruch auf Entschädigung seiner Aufwendungen für die angemessene Ausübung seiner Verfahrensrechte, wenn er freigesprochen wird (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO). Der Verteidiger hat anlässlich der Hauptverhandlung seine Honorarnote eingereicht. Die darin geltend gemachten Aufwendungen sind ausgewiesen (Urk. 11/3). Dem Beschuldigten ist demnach eine Prozessentschä- digung von Fr. 2'509.80 inklusive Mehrwertsteuer zuzusprechen.

  4. Entschädigung des Beschuldigten für das Berufungsverfahren

Gemäss Art. 436 Abs. 1 StPO sind die Bestimmungen nach Art. 429 ff. StPO auch für das Rechtsmittelverfahren anwendbar. Demnach hat der Beschuldigte wie im vorinstanzlichen Verfahren Anspruch auf Entschädigung seiner Aufwendungen für die angemessene Ausübung seiner Verfahrensrecht (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO). Dementsprechend ist dem Beschuldigten wie im vorinstanzlichen Verfahren gestützt auf seine Anträge (Urk. 45) für das Berufungsverfahren eine Prozessentschädigung aus der Gerichtskasse zuzusprechen.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte wird vollumfänglich freigesprochen.

  2. die Kosten der Untersuchung und der gerichtlichen Verfahren in beiden Instanzen werden auf die Gerichtskasse genommen.

  3. Dem Beschuldigten wird für das vorinstanzliche Verfahren und das Berufungsverfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 5'386.90 aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  4. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich

    • die Koordinationsstelle VOSTRA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA mittels Kopie von Urk. 21

    • die Kantonspolizei Zürich, KIA-ZA, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG)

    • das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Administrativmassnahmen, PIN-Nr.

  5. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Zürich, 8. Mai 2014

Der Präsident:

lic. iur. P. Marti

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. C. Grieder

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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