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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB130288: Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich in der I. Strafkammer hat am 14. August 2014 ein Urteil in einem Verkehrsdelikt gefällt. Der Beschuldigte wurde schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je Fr. 70.- sowie einer Busse von Fr. 1'000.- bestraft. Der Vollzug der Geldstrafe wurde aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt. Der Beschuldigte wurde in der Berufung teilweise schuldig gesprochen und die Geldstrafe aus einem früheren Urteil wurde widerrufen. Der Richter war Dr. iur. F. Bollinger. Die Gerichtskosten betrugen CHF 3'000.-.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB130288

Kanton:ZH
Fallnummer:SB130288
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB130288 vom 14.08.2014 (ZH)
Datum:14.08.2014
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:vorsätzliche grobe Verletzung der Verkehrsregeln etc. und Widerruf
Schlagwörter : Beschuldigte; Verkehr; Verkehrs; Beschuldigten; Berufung; Unfall; Anklage; Urteil; Vorinstanz; Stopp; Geldstrafe; Verteidigung; Sinne; Verletzung; Fahrzeug; Verkehrsregeln; Busse; Überfahren; Urteils; Entscheid; Geschwindigkeit; Staatsanwalt; Probezeit
Rechtsnorm:Art. 27 SVG ;Art. 29 SVG ;Art. 3 VRV ;Art. 31 SVG ;Art. 389 StPO ;Art. 391 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 401 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 45 StGB ;Art. 46 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 51 SVG ;Art. 54 VRV ;Art. 57 VRV ;
Referenz BGE:131 IV 133; 134 IV 241; 136 IV 55;
Kommentar:
Schmid, Praxis, Zürich , St. Gallen , Art. 402, 2009

Entscheid des Kantongerichts SB130288

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB130288-O/U/eh

Mitwirkend: Die Oberrichter Dr. iur. F. Bollinger, Präsident, und lic. iur. S. Volken, Ersatzoberrichterin lic. iur. R. Affolter sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. S. Maurer

Urteil vom 14. August 2014

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

verteidigt durch Rechtsanwalt MLaw X.

gegen

Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,

vertreten durch Leitenden Staatsanwalt Dr. iur. R. Jäger Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend

vorsätzliche grobe Verletzung der Verkehrsregeln etc. und Widerruf

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Winterthur, Einzelgericht, vom 7. Juni 2013 (GG130006)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 5. März 2013 (Urk. 17) sowie die Ergänzung zur Anklage vom 24. April 2014 (Urk. 70) sind diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 47 S. 20ff.)

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. ist schuldig

    • der vorsätzlichen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 aSVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 36

      Abs. 1 SSV und Art. 75 Abs. 1 SSV,

    • der fahrlässigen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 aSVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV sowie Art. 100 Ziff. 1 SVG,

    • des mehrfachen vorsätzlichen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 92 Ziff. 1 aSVG in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 und 3 SVG und Art. 54 Abs. 1 VRV sowie

    • des vorsätzlichen Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs im Sinne von Art. 93 Ziff. 2 aSVG in Verbindung mit Art. 29 SVG, und Art. 57 Abs. 1 VRV.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 70.- (entsprechend Fr. 4'200.-) und einer Busse von Fr. 1'000.-.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt.

    Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.

  4. Der bedingte Vollzug bezüglich der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Frauenfeld vom 17. Februar 2011 ausgefällten Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 120.- (entsprechend Fr. 1'800.-) wird widerrufen und die Geldstrafe vollzogen.

  5. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

    Wird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, so reduziert sich die Entscheidgebühr um einen Drittel.

  6. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  7. (Mitteilungen)

  8. (Rechtsmittel)

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 75 S. 1f.)

    1. In teilweiser Aufhebung von Ziff. 1 des angefochtenen Urteils sei der Beschuldigte bezüglich des Vorwurfs der vorsätzlichen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 aSVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 36 Abs. 1 SSV und Art. 75 Abs. 1 SSV sowie des Vorwurfs der fahrlässigen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 aSVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV und

      Art. 100 Ziff. 1 SVG freizusprechen.

    2. Eventualiter sei der Beschuldigte in teilweiser Aufhebung von Ziff. 1 des angefochtenen Urteils der fahrlässigen Verletzung von Verkehrsregeln im

      Sinne von Art. 90 Ziff. 1 aSVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 36 Abs. 1 SSV und Art. 75 Abs. 1 SSV sowie der fahrlässigen Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 aSVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV sowie Art. 100 Ziff. 1 SVG schuldig zu sprechen.

    3. In Abänderung von Ziff. 2 und 3 des angefochtenen Urteils sei der Beschuldigte mit einer Busse von maximal Fr. 700.zu bestrafen, unter Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe von höchstens 7 Tagen bei schuldhafter Nichtbezahlung

    4. Eventualiter sei der Beschuldigte in Abänderung von Ziff. 2 und 3 des angefochtenen Urteils mit einer Busse von maximal Fr. 900.zu bestrafen, unter Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe von höchstens 9 Tagen bei schuldhafter Nichtbezahlung.

    5. In Abänderung von Ziff. 4 des angefochtenen Urteils sei der bedingte Vollzug der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Frauenfeld vom 17. Februar 2011 ausgefällten Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je Fr. 120.-, entsprechend Fr. 1'800.-, nicht zu widerrufen.

    6. In Abänderung von Ziff. 6 des angefochtenen Urteils seien dem Berufungskläger die Verfahrensund Untersuchungskosten in reduziertem Umfang aufzuerlegen und er sei angemessen zu entschädigen.

  2. Des Vertreters der Staatsanwaltschaft: (Urk. 54 und Urk. 81)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.

    Erwägungen:

    1. Prozessuales

      1. Mit dem eingangs im Dispositiv wiedergegebenen Urteil der Vorinstanz vom

      1. Juni 2013 wurde der Beschuldigte A. anklagegemäss diverser Verletzungen des Strassenverkehrsgesetzes schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe und einer Busse bestraft, wobei ihm für die Geldstrafe der bedingte Strafvollzug gewährt wurde; eine bedingt aufgeschobene Geldstrafe wurde vollziehbar erklärt (Urk. 47 S. 20f.). Gegen diesen Entscheid liess der Beschuldigte durch seinen erbetenen Verteidiger mit Eingabe vom 17. Juni 2013 innert gesetzlicher Frist Berufung anmelden (Art. 399 Abs. 1 StPO; Urk. 39). Die Berufungserklärung der Verteidigung ging, nachdem ihr das begründete Urteil am 11. Juli 2013 zugestellt wurde (Urk. 44), ebenfalls innert gesetzlicher Frist bei der Berufungsinstanz ein (Art. 399 Abs. 3 StPO; Urk. 50). Die Anklagebehörde hat mit Eingabe vom

      2. August 2013 innert Frist mitgeteilt, dass auf Anschlussberufung verzichtet wird (Urk. 54; Art. 400 Abs. 2f. und Art. 401 StPO). Die Verteidigung stellte in ihrer Berufungserklärungsschrift einen Beweisergänzungsantrag (Art. 389 Abs. 3 StPO; Urk. 50), welcher mit Präsidialverfügung vom 15. August 2013 abgewiesen wurde (Urk. 59). Die Verteidigung hat die Berufung in ihrer Berufungserklärung ausdrücklich beschränkt (Urk. 50; Art. 399 Abs. 4 StPO). Die Anklagebehörde beantragt die Bestätigung des angefochtenen Entscheides (Urk. 54). Nach durchgeführter Berufungsverhandlung vom 7. Oktober 2013 hat die Kammer mit Beschluss vom gleichen Tag die im Berufungsverfahren nicht angefochtenen Punkte des vorinstanzlichen Urteils als rechtskräftig erklärt und das Verfahren zur Ergänzung der Anklage an die Anklagebehörde zurückgewiesen (Urk. 68). Am 2. Mai 2014 ging die ergänzte Anklageschrift der Anklagebehörde vom

      24. April 2014 bei der Kammer ein (Urk. 70), worauf mit Präsidialverfügung vom

      13. Mai 2014 die schriftliche Weiterführung des Berufungsverfahrens angeordnet und der Verteidigung Frist zur abschliessenden Stellung und Begründung ihrer Berufungsanträge angesetzt wurde (Urk. 71). Diese ging innert erstreckter Frist am 20. Juni 2014 ein (Urk. 75). Die Anklagebehörde hat in der Folge auf eine

      Berufungsantwort verzichtet (Urk. 81), womit sich das Verfahren als spruchreif erweist.

    2. Schuldpunkt
    1. Wie bereits im Beschluss der Kammer vom 7. Oktober 2013 erwogen wurde, ist der äussere Sachverhalt gemäss Anklageschrift vom 5. März 2013 (Urk. 17)

      • und auch gemäss derjenigen vom 24. April 2014 (Urk. 70) heute seitens des Beschuldigten uneingeschränkt, d.h. auch zu den noch bestrittenen Anklagepunkten, eingestanden und ohne weiteres rechtsgenügend erstellt. Demnach überfuhr der Beschuldigte am 6. Oktober 2012, ca. 17'05 Uhr, mit seinem Personenwagen von der Autobahn A7 herkommend auf der Ausfahrt B. die dortige Stopp-Markierung ohne anzuhalten mit ca. 60 km/h und schuf dabei beim Einbiegen in die strasse für allfälligen, ihm dort beidseitig entgegenkommenden Verkehr eine erhebliche Kollisionsgefahr. Ferner verlor der Beschuldigte in der Folge die Kontrolle über sein Fahrzeug und kollidierte mit einem Brückengeländer auf der strasse, wodurch dieses beschädigt wurde (Urk. 17 S. 3 Ziff. 1. und 2.; Urk. 65 S. 3; Urk. 66 S. 2f.).

    2. Zum inneren Sachverhalt bestreitet der Beschuldigte heute wie schon im bisherigen Verfahren die primäre Darstellung in der Anklageschrift, er habe die Stopp-Markierung willentlich überfahren und die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf der ...strasse zumindest billigend in Kauf genommen (Urk. 17 S. 3

= Urk. 70 ohne Ergänzungen). Er bestreitet auch den ergänzten Anklagevorwurf, die Stopp-Markierung als Folge einer Unvorsicht überfahren zu haben (Urk. 70 Ergänzung). Ferner bestreitet er, die Kontrolle über sein Fahrzeug aus Unachtsamkeit und mangels pflichtgemässer Sorgfalt sowie fehlender Aufmerksamkeit verloren zu haben.

Der Beschuldigte und seine Verteidigung machen im Berufungsverfahren vielmehr wie bereits im Hauptverfahren zusammengefasst geltend, das Überfahren der Stopp-Markierung mit anschliessendem Verlust der Kontrolle über das Fahrzeug sei auf einen geistigen Aussetzer des Beschuldigten respektive ein Blackout, sehr wahrscheinlich ausgelöst durch gesundheitliche Beschwerden -, zu-

rückzuführen. Der Beschuldigte habe sich bald nach dem Unfall in ärztliche Behandlung begeben, was zum Bericht von Dr. med. C. geführt habe, gemäss welchem der Beschuldigte während der Schmerzphase zeitweise einen kurzen Augenblick Konzentrationsschwierigkeiten gehabt haben könnte. Es sei sodann nicht nachvollziehbar, dass jemand die Stopp-Linie an der Unfallstelle absichtlich überfahren könnte: Einerseits spreche die vom Beschuldigten tatsächlich gefahrene Fahrspur dagegen, andererseits wäre ein bewusstes Überfahren der Stop-Markierung äusserst gefährlich, geradezu selbstmörderisch, weshalb sehr unwahrscheinlich sei, dass jemand ein solches Fahrmanöver bewusst mache (Urk. 50 S. 3; Urk. 35 S. 2-5; Urk. 65 S. 3ff.; Urk. 66 S. 3ff.; Urk. 75 S. 2f.).

  1. Zum primären Tatvorwurf des eventualvorsätzlichen Überfahrens des Stopp-Signals und soweit die Verteidigung auch heute an ihrer Version eines Aussetzers beim Beschuldigten als Tatursache festhält, gilt das bereits im Beschluss der Kammer vom 7. Oktober 2013 Erwogene:

    1. Die Vorinstanz hat in den Erwägungen des angefochtenen Entscheides vorab die Aussagen, wie der Beschuldigte sie im bisherigen Verfahren deponiert hat, wie folgt wiedergegeben (Urk. 47 S. 8-10): Anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 7. Oktober 2012 (Urk. 7) sagte der Beschuldigte aus, er sei nicht abgelenkt gewesen, als er über die Stopplinie gefahren sei. Er habe nicht telefoniert. Auch sonst sei er nicht abgelenkt gewesen. Er sei gedanklich weg gewesen. Er sei so erschrocken. Als er über die Stopplinie gefahren sei, habe er gedacht: nicht schon wieder. Er habe gerade erst einen Unfall mit einem PW gehabt, welcher ihm in den Lastwagen gefahren sei. Er kenne sich in der Örtlichkeit aus. Der Stopp sei ihm bekannt. Er wisse nicht, warum er nicht angehalten habe. Er wisse nicht mehr, was er studiert habe. In der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 22. Februar 2013 (Urk. 11) führte der Beschuldigte sodann aus, er könne sich nicht erklären, warum er über diese Linie hinausgefahren sei. Er sei einfach dermassen erschrocken, dass bzw. weil er in das Brückengeländer hineingefahren sei. Er habe irgendwie ein Blackout gehabt. Er habe die Autobahnausfahrt genommen, dann wisse er nichts mehr. Er könne sich erst an den Moment erinnern, als es getätscht habe. Seine Erinnerung setze erst ab dem

      Knall wieder ein, den es gegeben habe, als er mit dem Brückengeländer kollidiert sei. Auf die Frage, weshalb er gegenüber der Polizei in keiner Weise etwas von einem Blackout erwähnt habe, antwortete der Beschuldigte, er habe bei der Polizei schon gesagt, dass er nicht wisse, wie es genau habe dazu kommen können, es hätten an diesem Sonntag alle auf ihn eingeredet. Er wisse, dass er mit etwa 50 bis 60 km/h auf der Autobahnausfahrt gefahren sei. Der Moment von der Ausfahrt bis zum Aufprall fehle. Er wisse nicht, ob er abgelenkt gewesen sei nicht, da er sich nicht an diesen Moment erinnern könne. Auf Vorhalt, er habe in der polizeilichen Einvernahme vom 7. Oktober 2012 angegeben, er habe gedacht 'nicht schon wieder, er habe erst gerade einen Unfall mit einem PW gehabt, welcher ihm in den Lastwagen fuhr' sowie auf den Vorhalt, er habe gesagt, 'er sei gedanklich nicht abgelenkt gewesen', antwortete der Beschuldigte, er wisse es nicht mehr. Als Grund für das Blackout gab er schliesslich an, überfordert gewesen zu sein, er habe viel gearbeitet und viel gemacht. Am Montag Morgen nach dem Unfall sei es ihm immer schlechter gegangen. Er sei zu seinem Hausarzt gegangen, der ihn ins Spital überwiesen habe. Er sei generell überlastet gewesen. Zudem habe er innerlich Schmerzen gehabt. Er sage nicht, dass die Schmerzen der Grund für den Unfall gewesen seien. Im Rahmen der Hauptverhandlung vom 7. Juni 2013 (Urk. 37) sagte der Beschuldigte auf die Frage, weshalb er die Version mit dem Blackout nicht bereits bei der Polizei gebracht habe, er habe bei der Polizei am folgenden Tag ausgesagt, er wisse nicht mehr, wieso er dort drüber gefahren sei. Er wisse nicht, was er dazu sagen solle, dass im Unfallprotokoll Zustand Lenker: nichts besonderes und keine Ablenkung vermerkt sei und auch in den polizeilichen Befragungen nichts von gesundheitlichen Schwierigkeiten stehe. Der Beschuldigte bestätigte, am Montag nach dem Vorfall beim Hausarzt und im Spital gewesen zu sein, da er vor allem aufgrund seiner Arbeit einen Druck in sich verspürt habe, der sich stetig verstärkt habe. Am Montag bei der Arbeit habe er gemerkt, dass es einfach nicht mehr gehe respektive er nicht mehr habe fahren können. Meistens arbeite er, bis er nicht mehr könne und gehe erst dann zum Arzt. Ob er die starken Beschwerden bereits am Unfalltag gehabt habe, wisse er nicht mehr. Der Beschuldigte führte aus, er habe nichts mitbekommen, als er aufgeprallt sei. Er habe Angst und einen

      Schock gehabt. Dann sei er weggefahren. Das Blackout habe er bis zum Aufprall gehabt. Nach dem Aufprall sei er wieder zu sich gekommen. Er habe sich dann aber in einem Schockzustand befunden. Auf die Frage, weshalb er in der Untersuchung verschiedene Aussagen gemacht habe, antwortete der Beschuldigte in der Hauptverhandlung, er habe grosse Angst vor der Polizei wegen dem Vorfall an und für sich und um seinen Job gehabt. Sein Verhalten nach dem Unfall

      • beispielsweise das Verstecken des Autos habe in Zusammenhang mit seinem Schock gestanden. Er habe aufgrund seiner Angst in seiner anfänglichen Version ausgesagt, das Auto sei bei einem Kollegen, der damit nach Holland abgefahren sei.

    2. In ihrer Beweiswürdigung zum bestrittenen inneren Anklagesachverhalt hat die Vorinstanz erwogen, im Rahmen der polizeilichen Befragungen am Unfalltag sowie am darauffolgenden Tag (6. und 7. Oktober 2012) habe der Beschuldigte nicht erwähnt, an einem gesundheitlichen Problem zu leiden. Vielmehr habe er den gesamten Unfallhergang im Rahmen der polizeilichen Befragungen vom

      6. und 7. Oktober 2012 anfänglich gänzlich anders dargelegt, wonach er an der Stopplinie angehalten habe und nach dem Anfahren einem sich schnell nähernden Fahrzeug habe ausweichen müssen und daher mit dem Brückengeländer kollidiert sei. Erst in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme sowie daraufhin in der Hauptverhandlung seien gesundheitliche Probleme des Beschuldigten ein Thema gewesen. Gemäss Arztbericht vom 26. Februar 2013 sei als Schmerzursache eine Speiseröhrenentzündung diagnostiziert worden. Hausarzt Dr. med.

      C.

      führe im Bericht aus, es sei anzunehmen, dass der Beschuldigte

      während der Schmerzphase zeitweise einen kurzen Augenblick Konzentrationsschwierigkeiten gehabt haben könnte. Dem ärztlichen Bericht vom 3. Mai 2013 zufolge seien die Brustschmerzen am Montag, dem 8. Oktober 2012, sehr intensiv gewesen. Wie intensiv sie vor dem Unfall waren, könne nur vermutet werden. Nach Dr. med. C. wären allfällige Konzentrationsschwierigkeiten durch die Schmerzen hervorgerufen worden. Der Beschuldigte habe aber ausgesagt, er sage nicht, dass die Schmerzen der Grund für den Unfall gewesen seien. Und ob er die starken Beschwerden bereits am Unfalltag gehabt habe, wisse er nicht mehr. Daraus könne geschlossen werden, dass ein Zusammenhang zwischen den

      Brustschmerzen und dem Überfahren der Stopplinie äusserst fraglich erscheine. Vielmehr lasse das inkohärente Aussageverhalten darauf schliessen, dass sich der Beschuldigte die Erklärung mit dem Blackout im Sinne einer Schutzbehauptung mit Blick auf die staatsanwaltschaftliche Einvernahme zurecht gelegt habe. Die Ausführungen des Beschuldigten, dass ein Blackout Grund für den Unfall gewesen sein soll, vermöchten demnach nicht zu überzeugen. Es stelle sich jedoch die Frage, ob der Beschuldigte eventualvorsätzlich lediglich bewusst fahrlässig gehandelt habe. Die Wahrscheinlichkeit der Schaffung einer Gefahrensituation für andere Verkehrsteilnehmer durch das rasante Überfahren der Stopplinie an besagter Stelle an einem Samstag um fünf Uhr nachmittags sei als gross zu qualifizieren. Mit anderen Worten habe sich die Verwirklichung der Gefahr dem Beschuldigten als wahrscheinlich aufgedrängt. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschuldigte wie in der Anklageschrift vorgeworfen wissentlich und willentlich zumindest im Sinne eines Eventualvorsatzes gehandelt habe (Urk. 47 S. 10f.).

    3. Ohne Weiteres zu folgen ist der Vorinstanz, dass es sich bei der Version des Beschuldigten, das den Unfall verursachende Fahrverhalten sei auf ein medizinisch-bedingtes Black-out zurückzuführen, um eine offensichtliche, nachgeschobene und daher unglaubhafte Schutzbehauptung handelt. Der Beschuldigte hat im Verlauf der Untersuchung mehrere, sich diametral widersprechende Versionen zum Besten gegeben. Bei seinen ersten Einvernahmen hat er keine Schmerzen geschildert, die seine Konzentration beeinträchtigt hätten, und selbst als er solche zu schildern begann, sagte er anfänglich noch aus, diese seien nicht der Grund für den Unfall gewesen. Aufgrund dieses Aussageverhaltens erscheint in Korrektur der Vorinstanz ein Zusammenhang zwischen angeblichen - Brustschmerzen und dem Überfahren der Stopplinie nicht nur äusserst fraglich, sondern ist vielmehr schlicht auszuschliessen, zumal der Beschuldigte am Montag Morgen nach dem Unfall zunächst mit dem Lastwagen zur Arbeit fuhr und erst danach seinen Hausarzt wegen dem Stechen in der Brust kontaktierte (Urk. 65

      S. 6). Dass es sich beim vom Beschuldigten als Grund für den Unfall angegebenen Aussetzer um eine Schutzbehauptung handelt, zeigt sich auch am Verhalten des Beschuldigen nach der Kollision mit dem Brückengeländer, welches

      äusserst durchdacht war: Der Beschuldigte wendete sein Fahrzeug, setzte seine Fahrt fort und parkierte eigentlich: versteckte anschliessend den beschädigten und nicht betriebssicheren (Unfall-)Wagen in einem Waldstück (vgl. Urk. 17 S. 3f.). Dies ist nicht das Verhalten einer Person, die angibt, soeben ein Black-out gehabt zu haben und unter Schock gewesen zu sein (vgl. Urk. 65 S. 3). Das Motiv für die offensichtliche Falschaussage des Beschuldigten lieferte die Verteidigung in der Hauptverhandlung - und auch in der Berufungsverhandlung gleich selber: Der Beschuldigte ist als berufstätiger Lastwagenfahrer in hohem Masse auf seinen Führerausweis angewiesen und fürchtet nachvollziehbar die Konsequenzen einer strafbaren Widerhandlung im Strassenverkehr, insbesondere da er bereits im Juni 2010 einen Vorfall zu verzeichnen hatte (Urk. 35

      S. 4 Mitte; Urk. 66 S. 5 Ziff. 6.3).

    4. Dass der Beschuldigte bei der unübersichtlichen Verzweigung die HalteMarkierung ohne anzuhalten bewusst überfahren und mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h auf die ...strasse einbiegen wollte, wovon Anklagebehörde und Vorderrichter ausgehen, ist jedoch aufgrund der konkreten Umstände schlicht lebensfremd. Die Verteidigung argumentiert zurecht, ein bewusstes Überfahren des Haltebalkens wäre aufgrund der Unübersichtlichkeit der Verzweigung geradezu selbstmörderisch. Dem ist ohne Weiteres - und namentlich ohne dass dazu gemäss dem Beweisergänzungsantrag der Verteidigung ein Augenschein auf dem Lokal nötig wäre zu folgen. Der Beschuldigte hat im bisherigen Verfahren in keiner Weise geäussert den Eindruck gemacht, es sei ihm auf der fraglichen Fahrt alles egal gewesen er habe sich keinerlei Überlegungen über die Konsequenzen einer von ihm verursachten Kollision (weder für sich noch für andere) gemacht, wenn er im vollen Bewusstsein ohne anzuhalten und mit hoher Geschwindigkeit auf die ...strasse einbiege. Im Gegenteil: Das Verhalten des Beschuldigten nach dem Unfall lässt zwar auf ein momentanes Erschrecken, dann aber auf ein überlegtes und gezieltes Vorgehen schliessen: Er hat den Wagen trotz dessen fehlender Betriebssicherheit sofort von der Strasse geschafft, eigentlich versteckt und am Folgetag aus dem Versteck weggeschafft.

Somit ist die Darstellung in der Anklageschrift, der Beschuldigte habe die StoppMarkierung wissentlich (und willentlich) überfahren, nicht erstellt. Ein eventual-

vorsätzliches Überfahren der Halte-Markierung (zumindest in Kauf nahm) ist in das tatsächliche Fahrverhalten des Beschuldigten (Überfahren der Halte-Linie und Einbiegen auf die ...strasse mit derart übersetzter Geschwindigkeit, dass eine Kollision mit dem Brückengeländer wohl unvermeidlich war) ohnehin nur schwerlich hinein zu interpretieren.

    1. Auf Aufforderung der Kammer hin hat die Anklagebehörde ihre Anklageschrift dahingehend ergänzt, dass der Beschuldigte eventualiter - die StoppLinie infolge einer pflichtwidrigen Unvorsicht, mutmasslich einer Ablenkung in Verbindung mit einer überhöhten Geschwindigkeit, überfahren hat (Urk. 68; Urk. 70).

    2. Die Verteidigung bringt dazu zusammengefasst vor, der Beschuldigte habe die Stopp-Markierung nicht gestützt auf eine bewusste Entscheidung überfahren; eine allfällige Unachtsamkeit wäre auf die geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden des Beschuldigten zurückzuführen und er habe kein rücksichtsloses Verhalten gezeigt (Urk. 75 S. 3f.).

    3. Hiezu gilt vorab wiederum das bereits im Beschluss der Kammer vom

      7. Oktober 2013 Erwogene:

      Bei genauer Betrachtung der konkreten Fahrweise des Beschuldigten, wie sie sich aus dem Spurenbild gemäss polizeilicher Fotodokumentation in Urk. 5 ergibt, drängt sich geradezu auf, dass der Beschuldigte sich im Sinne einer unbewussten Fahrlässigkeit beim Lenken des Fahrzeugs durch unbekannte Umstände ablenken liess. So streifte er zuerst die Verkehrsinsel vor dem Haltebalken und überfuhr nachher die Insel zur Teilung der zwei Fahrbahnhälften, wobei er die Herrschaft über den Wagen verlor und ins Brückengeländer fuhr. Es erscheint auch unwahrscheinlich, dass der Beschuldigte mit seinem Fahrzeug mit der hohen Geschwindigkeit von 60 km/h die Einbiegung überhaupt hätte befahren können, ohne von der Fahrbahn abzukommen und mit dem Brückengeländer zu kollidieren. Die Ablenkung muss sich somit realistischerweise auch auf die gefahrene Geschwindigkeit bezogen haben.

      Wenn die Verteidigung auch abschliessend wiederum gesundheitliche Beschwerden des Beschuldigten aufwirft, diesmal als Begründung für eine Unachtsamkeit

      des Beschuldigten, gilt das dazu vorstehend Erwogene, wonach es sich bei den geltend gemachten Beeinträchtigungen um eine Schutzbehauptung handeln muss. Dass das Überfahren der Stopp-Linie nicht auf einer bewussten Entscheidung des Beschuldigten beruhte (also willentlich erfolgte), wurde ebenfalls bereits vorstehend bei der Prüfung einer (eventual-)vorsätzlichen Tatbegehung festgestellt. Dies schliesst eine Tatbegehung als Folge einer Unachtsamkeit aber natürlich gerade nicht aus.

    4. Insgesamt verbleibt keine andere Tatvariante, als dass der Beschuldigte die fragliche Stopp-Markierung infolge einer Unachtsamkeit, begründet durch eine nicht bekannte Ablenkung, überfahren hat. Der zum Subjektiven ergänzte Anklagesachverhalt ist daher rechtsgenügend erstellt.

    1. Nach aArt. 90 Ziff. 2 SVG macht sich strafbar, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt. Der objektive Tatbestand ist nach der Rechtsprechung erfüllt, wenn der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben. Diese setzt die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung Verletzung voraus (BGE 131 IV 133 E. 3.2 mit Hinweisen; Urteil 6B_1209/2013 vom 26. Juni 2014 E. 1.3.1.).

      Mit der Vorinstanz ist das Stopp-Signal zweifellos eine wichtige Verkehrsvorschrift. Indem der Beschuldigte dieses mit rund 60 km/h überfahren hat, hat er es schlicht dem Zufall überlassen, ob auf der ...strasse ein vortrittsberechtigtes Fahrzeug herannahen und mit seinem Fahrzeug kollidieren würde. Damit hat er ebenso zweifellos eine ernstliche Gefahr für die Verkehrssicherheit geschaffen. Der objektive Tatbestand von aArt. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 36 Abs. 1 SSV sowie Art. 75 Abs. 1 SSV ist erfüllt.

    2. Subjektiv erfordert aArt. 90 Ziff. 2 SVG ein rücksichtsloses sonst schwerwiegend verkehrswidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit. Diese ist zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner verkehrswidrigen

      Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kann auch vorliegen, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht, also unbewusst fahrlässig handelt. Diesfalls ist grobe Fahrlässigkeit zu bejahen, wenn das Nichtbedenken der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht (BGE 131 IV 133 E. 3.2 mit Hinweisen; Urteil 6B_461/2012 vom 6. Mai 2013 E. 4.2.1.). Je schwerer dabei die Verkehrsregelverletzung objektiv wiegt, desto eher wird Rücksichtslosigkeit subjektiv zu bejahen sein, sofern keine besonderen Gegenindizien vorliegen (Urteile des Bundesgerichts 6B_1174/2013 vom 14. Mai 2014 E. 2 und 6B_571/2012 vom 8. April

      2013 E. 3.4).

      Der Beschuldigte hat die Autobahn A7 bewusst verlassen und sich auf die

      Ausfahrt B.

      begeben. Gemäss seiner eigenen Aussage war er bestens

      ortskundig (Urk. 65 S. 3). Er wusste somit, dass er am Ende der Ausfahrt an der fraglichen Haltelinie würde anhalten und die allfällige Vorbeifahrt vortrittsberechtigten Verkehrs abwarten müssen. Indem er sich auf dieser Ausfahrtsstrecke durch einen unbekannt gebliebenen Grund derart ablenken liess, dass er (sogar) mit überhöhter Geschwindigkeit das Halte-Signal überfuhr, hat er eine objektiv schwerwiegende Verkehrsregelverletzung begangen und entgegen der Verteidigung eindeutig rücksichtslos gehandelt (Urk. 75 S. 3f.). Besondere Gegenindizien, etwa verkehrs-, witterungsoder lichtbedingt, sind keine erkennbar und wurden auch nicht behauptet.

      Somit ist der Beschuldigte der fahrlässigen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 aSVG und Art. 100 Ziff. 1 SVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 36 Abs. 1 SSV sowie Art. 75 Abs. 1 SSV schuldig zu sprechen.

    3. Zum weiteren ebenfalls bestrittenen - Tatvorwurf der fahrlässigen einfachen Verkehrsregelverletzung (Nichtbeherrschen des Fahrzeugs) äussert sich die Verteidigung weder in ihrer ersten noch in ihrer abschliessenden Berufungsbegründung substantiiert: Es wird einzig zusammen mit dem Tatvorwurf der groben Verkehrsregelverletzung geltend gemacht, das Fahrverhalten sei auf eine gesundheitsbedingte Schwäche zurückzuführen (Urk. 66; Urk. 75 S. 5). Dies wurde jedoch bereits vorstehend verworfen. Dieser Schuldspruch ist ohne

Weiteres zu bestätigen und der Beschuldigte der fahrlässigen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 aSVG und Art. 100 Ziff. 1 SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV schuldig zu sprechen.

  1. Sanktion
    1. Der vorinstanzliche Widerruf der aufgeschobenen Vorstrafe ist mit der Begründung der Vorinstanz zu bestätigen, zumal die aktuell auszufällende Sanktion bedingt ausgefällt wird (Urk. 47 S. 14; Art. 46 Abs. 1 StGB; Art. 49 StGB). Entgegen der Verteidigung hat der Beschuldigte in der laufenden Probezeit auch nicht lediglich Übertretungen begangen (Urk. 75 S. 5). Die Bildung einer Gesamtstrafe mit der aktuell auszufällenden Sanktion steht infolge Gleichartigkeit nicht zur Diskussion (Urteil des Bundesgerichts 6B_46/2011 vom 27. September 2011

      E. 3.4. mit Verweis auf BGE 134 IV 241 E. 4.4).

    2. Die Vorinstanz hat den Beschuldigten für jenes Tatverhalten, welches heute als fahrlässige grobe Verkehrsregelverletzung qualifiziert wird, mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 70.bestraft. In Abgeltung der verbleibenden Übertretungen hat sie eine Busse von Fr. 1'000.bemessen (Urk. 47 S. 19).

    3. Zum konkret anwendbaren Strafrahmen des Vergehens sowie den theoretischen Grundsätzen der richterlichen Strafzumessung ist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden, zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz zu verweisen (Urk. 47 S. 15ff.). In der Folge hat sich die Vorinstanz hingegen nicht an die höchstrichterlichen Vorgaben zur Begründung der Strafzumessung gehalten, auf welche sie an dieser Stelle zu verweisen ist (BGE 136 IV 55 E. 5.4ff.; 134 IV 17 E. 2.1; 132 IV 102 E. 8.1 mit Verweisen).

      1. Zur Tatkomponente und dort zur objektiven Tatschwere hat der Beschuldigte entgegen der Vorinstanz nicht nur eine erhöhte, sondern sogar eine hohe Gefährdung der Verkehrssicherheit herbeigeführt. Allfällige auf der ...strasse von links von rechts herannahende, vortrittsberechtigte Verkehrsteilnehmer hätten keinesfalls mit einem Fahrzeug rechnen müssen, welches überraschend mit übersetzter Geschwindigkeit von der Autobahnausfahrt her vor ihnen auftaucht. Sie hätten ebenso wenig wie der Beschuldigte, dieser bedingt durch die überhöhte Geschwindigkeit und das daraus folgende Nichtbeherrschen seines Fahrzeugs, eine Chance gehabt, eine Kollision zu vermeiden. Und eine solche hätte mit der Vorinstanz zweifelsohne lebensgefährdende Folgen gehabt. Reduziert wird die objektive Tatschwere gegenüber der vorinstanzlichen Beurteilung, da der Beschuldigte seine Sorgfaltspflicht, allerdings grob und rücksichtslos, verletzt, jedoch nicht mit Eventualvorsatz gehandelt hat.

        Zur subjektiven Tatschwere war der Beschuldigte in seiner Schuldfähigkeit nicht eingeschränkt. Die von ihm geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigung wurden bereits vorstehend als Schutzbehauptungen entlarvt. Durch welchen Grund er sich derart sträflich hat ablenken lassen - und somit auch sein genaueres Motiv bleiben unbekannt.

      2. Die Bemessung einer hypothetischen Einsatzstrafe nach der Beurteilung der Tatkomponente hat die Vorinstanz unterlassen. Das Verschulden hat sie nach der Beurteilung der Täterkomponente qualifiziert anstelle nach der Beurteilung der Tatkomponente (Urk. 47 S. 17f.).

        Das Verschulden des Beschuldigten wiegt, namentlich aufgrund der fahrlässigen Begehung, immer noch leicht. Die hypothetische Einsatzstrafe ist auf 30 bis 35 Tagessätze Geldstrafe zu bemessen. Würde das Verschulden gemäss der Erwägung der Vorinstanz nicht mehr leicht wiegen (Urk. 47 S. 18), wäre eine Einsatzstrafe bereits im mittleren Drittel des konkreten Strafrahmens, also bei einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr, zu bemessen (vgl. W IPRÄCHTIGER in: BSK Strafrecht I, 3. Aufl., Basel 2013, Art. 47 N 19 mit Verweis auf die Urteile des Bundesgerichts 6S.644/2001 und 6S.39/2002), was in concreto selbstverständlich völlig überrissen wäre.

      3. Zur Täterkomponente hat die Vorinstanz die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten angeführt (Urk. 47 S. 17), worauf zu verweisen ist. Anlässlich der Berufungsverhandlung hat der Beschuldigte ausgesagt, dass sich seit der Hauptverhandlung nichts Wesentliches geändert habe (Urk. 65 S. 1). Die persönlichen Verhältnisse wirken sich bei der Strafzumessung neutral aus. Eine erhöhte Empfindlichkeit weist der Beschuldigte aufgrund seines Berufs als Chauffeur

        allenfalls betreffend die einer Verurteilung folgenden Administrativmassnahmen, nicht jedoch betreffend die kriminalrechtliche Sanktion auf. Die einschlägige Vorstrafe aus dem Jahr 2011 wirkt sich erheblich, die nicht einschlägige Vorstrafe aus dem Jahr 2005 mit der Vorinstanz nur geringfügig straferhöhend aus. Wenn die Vorinstanz dem Beschuldigten, welcher bis heute in den zentralen Punkten einen Freispruch verlangt und an seiner dem Tatvorwurf zuwiderlaufenden Sachdarstellung festhält, zum Nachtatverhalten ein Geständnis strafmindernd anrechnet (Urk. 47 S. 18), ist dies mehr als milde.

      4. Insgesamt wirkt sich die Täterkomponente auf die nach der Beurteilung der Tatkomponente bemessene hypothetische Einsatzstrafe erheblich erhöhend aus. Der Beschuldigte ist daher für das Hauptdelikt mit einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu bestrafen. Die vorinstanzlich bemessene Tagessatzhöhe von Fr. 70.ist angemessen und zu übernehmen.

    1. Die vorinstanzliche Gewährung des bedingten Vollzugs der Geldstrafe steht schon aus prozessualen Gründen nicht zur Disposition (Urk. 47 S. 19f.; zum Grundsatz des Verbots der reformatio in peius; vgl. Entscheid des Bundesgerichts 6B_165/2011 vom 19. Juli 2011 E. 3.2f. und 6B_156/2011 vom 17. Oktober 2011

      E. 2.5.2; Art. 391 Abs. 2 StPO). Infolge der in der Tat verbleibenden Bedenken an der Legalprognose des Beschuldigten ist die vorinstanzlich bemessene Probezeit von 3 Jahren zu übernehmen.

    2. Die Verteidigung begründet ihren Antrag auf Reduktion der Busse einzig mit dem von ihr beantragten Freispruch betreffend fahrlässige einfache Verkehrsregelverletzung (Urk. 66 S. 7 Ziff. 10 und Urk. 75 S. 5). Da der fragliche angefochtene Schuldpunkt jedoch bestätigt wird und die Bussenhöhe auch den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschuldigten nicht unangemessen erscheint (Urk. 65 S. 1f.; Urk. 77/1), ist diese wie auch die vorinstanzlich angesetzte Ersatzfreiheitsstrafe zu bestätigen.

  2. Kosten
  1. Ausgangsgemäss ist die vorinstanzliche Kostenauflage zu bestätigen (Urk. 47 S. 1 Ziff. 6; Art. 426 Abs. 1 StPO).

  2. Die Gerichtsgebühr des Berufungsverfahrens ist auf Fr. 3'000.festzusetzen.

  3. Im Berufungsverfahren unterliegt der Beschuldigte mit seinen Anträgen weitestgehend, weshalb ihm auch die Kosten dieses Verfahrens aufzuerlegen sind (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die geringfügige Strafreduktion rechtfertigt noch keine andere Kostenauflage.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. ist ausserdem schuldig

    • der fahrlässigen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 aSVG und Art. 100 Ziff. 1 SVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG

      und Art. 36 Abs. 1 SSV sowie Art. 75 Abs. 1 SSV sowie

    • der fahrlässigen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 aSVG und Art. 100 Ziff. 1 SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und

      Art. 3 Abs. 1 VRV.

  2. Der bedingte Vollzug bezüglich der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Frauenfeld vom 17. Februar 2011 ausgefällten Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 120.- (entsprechend Fr. 1'800.-) wird widerrufen und die Geldstrafe vollzogen.

  3. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 70.- (entsprechend Fr. 3'500.-) und einer Busse von Fr. 1'000.-.

  4. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt.

    Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.

  5. Die erstinstanzliche Kostenauflage (Ziff. 6.) wird bestätigt.

  6. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 3'000.-.

  7. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  8. Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • das Strassenverkehrsamt des Kantons Thurgau, Prävention und Massnahmen, [Adresse]

    • die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A und Formular B.

  9. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 14. August 2014

Der Präsident:

Dr. iur. F. Bollinger

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. S. Maurer

Zur Beachtung:

Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:

Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.

Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),

  • wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,

  • wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missachtet.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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