Zusammenfassung des Urteils SB120436: Obergericht des Kantons Zürich
In dem vorliegenden Fall geht es um eine Berufungsklage in Bezug auf die Testamentseröffnung im Nachlass von B., die am 13. Oktober 2014 verhandelt wurde. Der Berufungskläger, A., bestreitet die Gültigkeit des Erbverzichtsvertrags von 1996 und fordert weitere Untersuchungen bezüglich eines möglicherweise bei einer Bank in Deutschland hinterlegten Testaments. Das Gericht entscheidet, dass der Erbschein vorläufig nur dem Ehemann und den beiden Töchtern der Verstorbenen ausgestellt wird, und weist die Berufung als unbegründet ab. Die Gerichtskosten belaufen sich auf CHF 500.-.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB120436 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 06.03.2013 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | fahrlässige grobe Verletzung der Verkehrsregeln |
Schlagwörter : | Unfall; Beschuldigte; Beruf; Berufung; Ampel; Beschuldigten; Verteidigung; Rotlicht; Kreuzung; Verfahren; Zeuge; Lichtsignal; Verkehr; Vorinstanz; Zeugen; Aussage; Recht; Aussagen; Zeugin; Rotlichtmissachtung; Urteil; Beweise; Gericht; Auswertung; Sekunden; Staatsanwaltschaft; Frist |
Rechtsnorm: | Art. 145 StPO ;Art. 195 StPO ;Art. 27 SVG ;Art. 307 StGB ;Art. 343 StPO ;Art. 349 StPO ;Art. 349 ZPO ;Art. 389 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 82 StPO ;Art. 84 StPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Schmid, Praxis, Zürich , Art. 389 StPO, 2009 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB120436-O/U/cs
Mitwirkend: die Oberrichter lic.iur. Spiess, Präsident, und lic.iur. Stiefel, Ersatzoberrichterin lic.iur. Haus Stebler sowie der Gerichtsschreiber lic.iur. Hafner
Urteil vom 6. März 2013
in Sachen
Beschuldigte und Berufungsklägerin verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend fahrlässige grobe Verletzung der Verkehrsregeln
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom 8. Dezember 2011 (Urk. 16) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
Die Beschuldigte A. ist schuldig
- der fahrlässigen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 68 Abs. 1bis SSV
Die Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu CHF 160.- und einer Busse von CHF 1'200.-. Bezahlt die Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre angesetzt. Die Busse ist zu bezahlen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
CHF 1'800.00 ; die weiteren Auslagen betragen: CHF 1'000.00 Auslagen Vorverfahren
CHF 2'800.00 Total
Die Kosten werden der Beschuldigten auferlegt.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung der Beschuldigten: (Urk. 67 S. 1)
Das angefochtene Urteil des Einzelgerichts in Strafsachen des Bezirkes Meilen vom 09.05.2012 (GG110022-G/U/Sz-Ri/rw-mj) sei aufzuhe-
ben und die Berufungsklägerin sei von Schuld und Strafe frei zu sprechen.
die Kosten des Vorverfahrens und der beiden Gerichtsverfahren seien auf die Staatskasse zu nehmen.
Der Berufungsklägerin sei für das Vorverfahren und die beiden Gerichtsverfahren eine angemessene Prozessentschädigung, zzgl. 8 % MwSt, zuzusprechen.
Der Staatsanwaltschaft See/Oberland: (schriftlich; 53)
Verzicht auf Antrag.
Erwägungen:
1. Erstinstanzliches Verfahren
Am 20. Februar 2012 fand die vorinstanzliche Hauptverhandlung statt (Prot. I S. 4 ff.). Im Anschluss daran zog das Bezirksgericht Meilen, Einzelgericht in Strafsachen, ein Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom
14. Dezember 2010 bei, wo es ebenfalls um einen Unfall im Bereich einer Lichtsignalanlage ging und ein Freispruch erfolgt war (Urk. 26 und 27). Ferner erhob die Vorinstanz von sich aus weitere Beweise betreffend den Zeitpunkt der Unfallmeldung an die Verkehrsleitzentrale (Urk. 28) und zur Klärung einiger Fragen im
Zusammenhang mit dem Dokument Prüfung und Auswertung der LichtsignalSteuerung (Urk. 5 und Urk. 30). Nach Eingang der entsprechenden Berichte (Urk. 29 und 32) räumte das Einzelgericht in Strafsachen mit Verfügung vom
24. April 2012 der Beschuldigten das Recht zur schriftlichen Stellungnahme ein (Urk. 34), wovon diese mit Eingabe vom 8. Mai 2012 Gebrauch machte (Urk. 37). Mit dem eingangs im Dispositiv wiedergegebenen Urteil vom 9. Mai 2012 wurde die Beschuldigte, A. , der fahrlässigen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 68 Abs. 1bis SSV schuldig gesprochen. Sie wurde mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à Fr. 160.-- und einer Busse von Fr. 1'200.-bestraft, wobei der Vollzug der Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren aufgeschoben wurde. Dieser Entscheid wurde nicht mündlich eröffnet, sondern den Parteien in begründeter Form am 25. September 2012 zugestellt (Urk. 42/1+2).
Berufungsverfahren
Gegen diesen Entscheid liess die Beschuldigte (Urk. 43) rechtzeitig bei der Vorinstanz Berufung anmelden (Art. 399 Abs. 1 StPO). Die Berufungserklärung der Beschuldigten ging innert gesetzlicher Frist bei der Berufungsinstanz ein, wobei keine Beweisanträge gestellt wurden (Art. 399 Abs. 3 StPO; Urk. 49). Mit Verfügung vom 9. Oktober 2012 überwies die Vorinstanz die Akten gestützt auf Art. 399 Abs. 2 StPO zur Behandlung der Berufung. Innert der mit Präsidialverfügung vom 18. Oktober 2012 (Urk. 51) angesetzten Frist erklärte der Vertreter der Anklage Verzicht auf Anschlussberufung und die Stellung eines Antrages und teilte mit, er werde sich am weiteren Verfahren nicht aktiv beteiligen (Urk. 53). Die Beschuldigte liess durch ihren Verteidiger mit Eingabe vom 1. November 2012 aufforderungsgemäss Unterlagen zu ihren finanziellen Verhältnissen einreichen (Urk. 54-56). Beweisanträge wurden keine gestellt. Am 16. November 2012 wurden die Parteien zur Berufungsverhandlung auf den 1. März 2013 vorgeladen (Urk. 57).
Die Berufung der Beschuldigten richtet sich gegen den vorinstanzlichen Schuldspruch; es wird beantragt, die Beschuldigte sei von Schuld und Strafe frei
zu sprechen. Mithin sind keine Ziffern des vorinstanzlichen Entscheids in Rechtskraft erwachsen.
Die Beschuldigte liess in der Berufungserklärung vom 15. Oktober 2012 vorbringen, das vorinstanzliche Urteil sei ihr in Verletzung von Art. 84 StPO weder im Dispositiv zugestellt, noch mündlich eröffnet worden. Der Fristanlauf sei zu ihrem Nachteil massiv verkürzt worden, indem sie sich nicht nach der gesetzlich vorgesehenen mündlichen Urteilseröffnung mit dem Urteil und den Akten habe auseinandersetzen können, sondern durch das direkt begründete Urteil und die dadurch ausgelöste 20-tägige Frist überrascht worden sei. Das Obergericht werde daher ersucht, ihr zur Stellung allfälliger Beweisanträge eine angemessene Frist anzusetzen. Ferner sei auch das Beschleunigungsgebot verletzt worden, indem die Fristen von 60, ausnahmsweise 90 Tagen gemäss Art. 84 Abs. 4 StPO nicht eingehalten worden seien (Urk. 49 S. 3 und 5). Zunächst ist festzuhalten, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit im Kontext des Grundsatzes des fairen Verfahrens steht, mit der Publikumsöffentlichkeit will man eine Aufsicht des Volkes über den Gang der Justiz und einen Schutz der beschuldigten Person vor unkorrekter Behandlung erreichen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für eine unkorrekte Behandlung der Beschuldigten im vorinstanzlichen Verfahren, im Rahmen des Berufungsverfahrens ist zu prüfen, ob der Schuldspruch durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist. Nachdem auch das Berufungsverfahren öffentlich ist, ist die Kontrolle über die Justiz gewährleistet. Zu letzterem Vorbringen betreffend Verletzung des Beschleunigungsgebots ist zu bemerken, dass es sich bei den Fristen gemäss Art. 84 Abs. 3 StPO um Ordnungsfristen handelt (BSK StPO - Arquint, 1. A. 2011, Art. 84 N 9), wenngleich selbstverständlich diese Fristen wenn immer möglich einzuhalten sind. Wie noch zu zeigen ist, erübrigt es sich aber, auf diese Rügen näher einzugehen, da die Beschuldigte freizusprechen ist.
Mit Beschluss vom 23. Januar 2013 wurden die Zeugeneinvernahmen von Fw B. und Wm C. vorgängig zur Berufungsverhandlung am 1. März 2013 angeordnet. Da der Polizeibeamte C. zu dieser Zeit in den Ferien weilen würde, wurde ein neuer Termin für seine Zeugeneinvernahme am 6. März 2013 vereinbart.
Der Verteidiger der Beschuldigten teilte mit Mail vom 12. Februar 2013 mit, die beiden für den 6. März 2013 vorgeschlagenen Termine würden ihm passen, er ersuchte jedoch darum, seine schriftliche Eingabe vom nächsten Tag noch abzuwarten. Am 14. Februar 2013 ging die erwähnte Eingabe der Verteidigung bei der erkennenden Kammer ein, worin die Abnahme des Termins der Berufungsverhandlung vom 1. März 2013 und Verschiebung auf einen Zeitpunkt nach den vorgesehenen Zeugeneinvernahmen beantragt wurde. Weiter ersuchte die Verteidigung um die vorgängige Zustellung der Fragenkataloge für die Zeugen Fw
B.
und Wm C.
(act. 61). Zur Begründung brachte die Verteidigung
vor, die Staatsanwaltschaft habe nach Anklageerhebung selber darauf verzichtet, Beweisanträge zu stellen; bereits die Vorinstanz habe als (unabhängiges) Gericht in Anwendung der Ausnahmebestimmung von Art. 349 StPO die heikle Rolle des Ermittlers übernommen und die Ermittlung am Schluss des Prozesses und nach Abschluss der Parteiverhandlungen nochmals neu aufgerollt, da offenbar im Zeitpunkt der Hauptverhandlung eine Verurteilung nicht möglich gewesen sei. Auch das Obergericht sei offenbar der Meinung, dass erhebliche Zweifel am Sachverhalt bestünden und die dogmatisch fragwürdigen Abläufe im Berufungsverfahren wiederholten sich erneut, so habe sich die Staatsanwaltschaft bisher nicht geäussert und keine Beweisanträge gestellt. Die mündliche Berufungsverhandlung richte sich nach den Bestimmungen über die erstinstanzliche Hauptverhandlung. Mangels eines begründeten Beweisantrags der Gegenpartei wisse die Verteidigung nicht, was durch die angeordneten Zeugenaussagen bewiesen werden solle. Diese Kenntnis sei jedoch für eine gehörige Vorbereitung zwingend nötig. Die Problematik verschärfe sich dadurch, dass gemäss der Systematik der Strafprozessordnung die Parteivorträge unmittelbar nach der Beweisabnahme vorgesehen seien. Erhebe das Gericht neue Beweise im Sinne von Art. 343 StPO, so habe dies zwingend vor den Parteivorträgen zu erfolgen.
Nachdem die Parteivorträge normalerweise an das Beweisverfahren anschliessen, besteht hinsichtlich der Zeugeneinvernahme von Fw B. (vgl. nachfolgend II.1.) keine Notwendigkeit, die Berufungsverhandlung zu vertagen. In der Regel sollten sämtliche Beweise vor den Parteivorträgen erhoben werden (Art. 343 und 346 StPO), in Ausnahmefällen wie Art. 349 ZPO ist auch eine
nachträgliche Beweiserhebung mit anschliessender Wiederaufnahme der Partei-
verhandlungen möglich. Da die Zeugeneinvernahme von Wm C.
nur die
begrenzten Themenkreise des Unfallzeitpunktes, der angetroffenen Situation (Verkehrsfluss aufgrund der auf der Kreuzung stehenden Personenwagen der Un-
fallbeteiligten) und der Alkoholtests bei der Unfallbeteiligten D.
sowie die
Aussagen der Zeugin E. betrifft, erscheint es als zulässig, diese Beweiserhebung nach einem ersten Teil der Parteivorträge durchzuführen. Gleich im Anschluss an die Zeugeneinvernahme am 6. März 2013 wurde Gelegenheit für ergänzende Parteivorträge zu den erwähnten Themenkreisen gegeben. Der Verteidigung wurden die vorbereiteten (provisorischen) Fragenkataloge vorab zugestellt (Urk. 62).
1. Beweiserhebungen
1.1 Das Rechtsmittelverfahren beruht auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren abgenommen wurden (Art. 389 Abs. 1 StPO). Daraus folgt, dass die in StPO 343 zum Ausdruck kommende beschränkte Unmittelbarkeit an sich nur für das erstinstanzliche Haupt-, nicht aber für das Rechtsmittelverfahren gilt. Diese Regel findet aber dort ihre Grenzen, wo die Beweisabnahme durch Staatsanwaltschaft und/oder Vorinstanz mangelhaft ist als unzuverlässig erscheint. So hat die Rechtsmittelinstanz nach StPO 389 Abs. 2 und 3 von Amtes wegen auf Antrag einer Partei die erforderlichen Beweise abzunehmen bzw. die Beweisabnahme der Vorinstanzen zu wiederholen, wenn diese Beweisvorschriften verletzten (Art. 389 Abs. 2 lit. a). Die Rechtsmittelinstanz erhebt weiter selbst Beweise, wenn die Beweisabnahmen unvollständig waren (lit. b), also z.B. Beweisanträge abgelehnt einem Zeugen, Sachverständigen usw. entscheidungsrelevante Fragen nicht gestellt wurden. Beweise sind auch abzunehmen, wenn die Akten der Beweisabnahme als unzuverlässig erscheinen (lit. c). Es ist aber z.B. dem Berufungsgericht auch ausserhalb der Fälle von StPO
389 Abs. 2 unbenommen, einen wichtigen Zeugen nochmals einzuvernehmen (Schmid Niklaus, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich/St.
Gallen 2009, N. 1482 f.). Im Interesse der materiellen Wahrheit können auch neue Beweise auf Antrag einer Partei von Amtes wegen erhoben werden (Riklin, a.a.O., Art. 389 N 2).
Zur Erhebung von Beweisen durch die Berufungsinstanz bedarf es somit keines Parteiantrags, und das erkennende Gericht ist verpflichtet und in der Lage, sowohl entlastenden wie belastenden Momenten nachzugehen, so dass nichts gegen die beschlossenen Zeugeneinvernahmen spricht. Die Verteidigung hatte in der Berufungsbegründung beantragt, es sei ihr Frist anzusetzen zur Stellung von Beweisanträgen (Urk. 49 S. 5): Ein Anspruch auf eine ausdrückliche Fristansetzung besteht nicht (Schmid, StPO Praxiskommentar, Zürich 2009, Art. 389 N 7) und im Berufungsverfahren stand der Verteidigung geraume Zeit zur Verfügung, um die Notwendigkeit von Beweisanträgen zu prüfen und entsprechende Beweiserhebungen zu beantragen. Grundsätzlich ist es der Verteidigung nämlich jederzeit möglich, Beweisanträge zu stellen und solchen müsste entsprochen werden, sofern sich diese für die Urteilsfindung als notwendig erweisen.
Der Schuldspruch der Vorinstanz gründet einerseits auf der Würdigung der Aussagen der am in der Nähe des Unfallorts anwesenden Personen und an-
dererseits vor allem auf dem Bericht von Fw B.
von der Verkehrstechnischen Abteilung (Verkehrssteuerungsanlagen) der Kantonspolizei Zürich betreffend Prüfung und Auswertung einer Lichtsignal-Steuerung vom 16. Mai 2011 (Urk. 5) und den von der Vorinstanz zusätzlich erhobenen Auskünften und Ergänzungen (Urk. 29 und Urk. 32 f.) sowie deren eigenen Erklärungen betreffend auffällige Messungsresultate in der Statistik Rotfahrer (Urk. 33).
Nachdem die Richtigkeit des Berichtes betreffend die Prüfung und Auswertung einer Lichtsignal-Steuerung von der Verteidigung mit ernsthaft zu prüfenden Argumenten bestritten wurde, wurde der Verfasser als Zeuge vorgeladen und am
1. März 2013 unter der Androhung von Art. 307 StGB und in Wahrung der Parteirechte mündlich einvernommen (vgl. dazu Riklin, StPO-Kommentar, Zürich 2010, Art. 145 StPO N 4 sowie BSK StPO - Häring, a.a.O., Art. 145 StPO N 7 ff. sowie Schmid, StPO Praxiskommentar, a.a.O, Art. 145 N 7, welche Kommentarstellen auch für Amtsberichte gemäss Art. 195 StPO gelten, da diese einen Sonderfall
von Art. 145 StPO darstellen). Da die von der Verteidigung aufgeworfene Frage, wie es vor allem nach dem Unfall zu einer Vielzahl von Rotlichtüberfahrten kommen konnte, eine Expertenfrage darstellt, wurde der in der verkehrstechnischen Abteilung im Bereich Verkehrssysteme tätige Fw B. , der in diesem Gebiet spezialisiert ist, dazu am 1. März 2013 ebenfalls befragt.
Argumente der Verteidigung
Die Verteidigung brachte vor Vorinstanz zusammengefasst vor, die Beschuldigte habe schon auf der Unfallstelle und dann im ganzen Ermittlungsund Untersuchungsverfahren angegeben, sie sei ganz sicher bei Grün über die Ampel gefahren. Die Tätigkeit der Beschuldigten als Anästhesieärztin erfordere eine in hohem Masse überdurchschnittliche Sorgfalt und Umsicht, was ein zwingender Charakterzug der wenigen Personen sei, die einen solch verantwortungsvollen Beruf ausübten. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die in bester physischer und psychischer Verfassung befindliche Frau Dr. A. in grobfahrlässiger Pflichtvergessenheit bei sehr guten Lichtverhältnissen zwei seit 18 Sekunden rot leuchtende Ampeln, die nicht übersehen werden könnten, überfahren haben sollte (Urk. 24
S. 3 f.). Zudem seien die Aussagen der Beschuldigten von der unbeteiligten Zeu-
gin E.
bestätigt worden, welche nach dem Knall in Fahrtrichtung der Beschuldigten auf die beiden Ampeln geschaut habe; sie habe als Zeugin bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt, die Ampel habe auf Gelb und dann auf Rot gewechselt (S. 4 f.). Die beiden Unfallkontrahenten D. und F. hätten widersprüchlich ausgesagt, indem F. klar und auch auf Nachfrage hin festgehalten habe, er habe beim Lichtsignal nicht anhalten müssen, weil es auf Grün gestanden habe; demgegenüber hätte D. angegeben, 10 bis 20 Sekunden hinter F. angehalten zu haben. Die beiden hätten ein eigenes Interesse daran gehabt, dass die Ampel in ihrer Fahrtrichtung auf Grün stand. Zudem sei die Unfallkontrahentin D. zum Unfallzeitpunkt unter Alkoholeinfluss gestanden, was der von der Polizei durchgeführte Atemlufttest ergeben habe; das Resultat dieses Atemlufttest sei bei der Rapporterstattung jedoch verschwiegen worden und auch von der Staatsanwältin nicht weiter verfolgt worden. Die Untersuchungsbehörde habe trotz Kenntnis des Alkoholkonsums Massnahmen unterlassen und die Unfallkontrahentin begünstigt. Damit habe die Unfallkontrahentin ein zusätzliches Interesse daran gehabt, zu ihren eigenen Gunsten und zu Lasten der Beschuldigten auszusagen, weshalb ihre Aussagen nicht verwertbar seien. Schliesslich habe die Unfallkontrahentin D. die Kreuzung in der Gegenspur befahren, was sich aus den Unfallfotos ergebe (S. 5 ff. und 9).
Die Verteidigung argumentierte sodann im Zusammenhang mit der Prüfung und Auswertung der Lichtsignal-Steuerung, bereits für eine relativ alltägliche Bestrafung wegen Nichtbeachtens eines Lichtsignals mit einer Ordnungsbusse wür- den regelmässig Beweisfotografien verlangt und erstellt. Vorliegend, wo es um eine erhebliche Verkehrsregelverletzung gehe, bestünden weder Fotografien, noch Videoaufnahmen Zeugen, die eine Rotlichtmissachtung durch die Beschuldigte direkt festgestellt hätten. Lediglich in einem Ausschlussverfahren und im Widerspruch zur sehr glaubwürdigen Aussage einer Augenzeugin, habe die Untersuchungsbehörde eruiert, dass wohl Pos. 57 um 19:57:31 h zum Verkehrsunfall geführt habe. Bei der Liste von angeblich 73 Rotlichtmissachtungen handle es sich jedoch maximal um ein Indiz für eine allfällige Rotlichtmissachtung. Selbst wenn die Prüfung und Auswertung der Lichtsignal-Steuerung nicht fehlerhaft wäre, könnte sie nicht dazu genügen, die widerspruchsfreie und unabhängige Zeugenaussage von E. sowie diejenige der Beschuldigten zu widerlegen. Das Protokoll der Prüfung und Auswertung der Lichtsignal-Steuerung sage zu Recht nicht aus, dass sie vollständig wäre. Es sei im Untersuchungsverfahren weder erstellt, noch ausgeschlossen worden, dass einzelne Rotlichtmissachtungen fehlten, noch erstellt, dass es sich bei sämtlichen Einträgen tatsächlich um echte Rotlichtmissachtungen handle. Deren Verwertung im Strafverfahren setze voraus, dass dieses Protokoll den Sachverhalt an jenem Abend fehler-, widerspruchsfrei und lückenlos widergebe. Auf ein Protokoll, das Fehlaufzeichnungen, Lücken und Widersprüche enthalte, dürfe jedenfalls nicht abgestellt werden. Zum Beispiel befänden sich Induktionsschleifen auf Höhe der entsprechenden Ampeln im Fahrbahnbelag, womit sofort klar werde, dass die Unfallkontrahentin von der Anlage nicht erfasst worden sein konnte, da sie ja in der falschen Fahrspur, entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung unterwegs gewesen sei. Eine sie betreffende Rotlichtmissachtung würde in der Liste somit fehlen; alleine dadurch sei erstellt, dass
das angewandte Ausschlussverfahren nicht tauge, da die Unfallkontrahentin schon gar nicht habe erfasst worden sein können (Urk. 24 S. 10 f. und 37 S. 3 f.). Ein kurzes Studium der der Prüfung und Auswertung der Lichtsignal-Steuerung zu Grunde gelegten Liste der Rotlicht-Aufzeichnungen zeige sofort, dass diese Liste zahlreiche, bzw. mehrheitlich Ereignisse auflisten müsse, die keiner Rotlichtmissachtung im Strassenverkehr entspräche. Es müsse sich um Störsignale, Falschaufzeichnungen, Aufzeichnungen korrekt fahrender Verkehrsteilnehmer dergleichen handeln, denn es könne mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden, dass an dieser unübersichtlichen Kreuzung an jenem Abend in weniger als zwei Stunden 73, zu einem grossen Teil massive, Rotlichtmissachtungen stattgefunden hätten, die zwingend zu zahlreichen Unfällen geführt hätten. Selbst nach dem Unfallereignis mit anwesender Polizei, Streifenwagen und Unfallfahrzeugen inmitten der Kreuzung seien an diesem sehr verkehrsruhigen Abend weiterhin 56 Rotlichtmissachtungen aufgezeichnet worden. In dieser Zeit sei der Verkehr nicht geregelt und niemand bei Rot über die Kreuzung gewunken worden. Diese Statistik könne also aufgrund ihrer Fehlerhaftigkeit nicht als Beweismittel herangezogen werden. Die Verteidigung verwies auf ein Urteil des Obergerichts, bei dem dieses bei 42 Einträgen in gut 4 Stunden ob der hohen Anzahl von Rotlichtmissachtungen in dieser vergleichsweise kurzen Zeitspanne erstaunt gewesen sei und zum Schluss gelangt sei, es gehe nicht an, einfach unbesehen auf die technische Auswertung der betreffenden Daten abzustellen (Urk. 24 S. 12 f.).
Ergänzend führte die Verteidigung in der Berufungsverhandlung vom 1. März 2013 schliesslich aus, es sei möglich, dass sowohl F. und die Unfallbeteiligte D. als auch die Beschuldigte jeweils bei Grün losgefahren seien, da die besagte Lichtsignalanlage sehr rasch von Grün auf Rot umstelle, sobald ein Fahrzeug den Haltebalken passiert habe (Urk. 67 S. 16 f.).
Sachverhalt: Würdigung der Beweismittel
Aussagen der Beteiligten und Zeugen
Die Vorinstanz fasste die Aussagen der Beschuldigten sowie der Zeugin E. einerseits und der Unfallbeteiligten D. sowie von F. andererseits zutreffend zusammen (Urk. 46 S. 11 ff.). Darauf kann vorab verwiesen werden
(Art. 82 Abs. 4 StPO).
D. und F.
aa. Der Vorinstanz ist sodann in der Würdigung der Aussagen der Unfallbeteilig-
ten D.
und des in gleicher Richtung wie diese voraus fahrenden Zeugen
F. grundsätzlich zuzustimmen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die
beiden falsch ausgesagt hätten: Vielmehr schilderte D.
gegenüber Wm
C. bereits kurz nach dem Unfall, vor ihr sei ein kleines schwarzes Fahrzeug gefahren (Lenker F. ), als dieses bei der Ampel gewesen sei, sei es grün geworden und der rechte Richtungsanzeiger habe geblinkt, der Lenker habe sein Fahrzeug langsam nach rechts gesteuert, es habe aber so ausgesehen, als ob er sich nicht recht auskenne. Darum habe sie ihr Fahrzeug nach links gesteuert und sei dem schwarzen Wagen ausgewichen, da sie über die G. -Strassse geradeaus (in die H. -Strasse) habe weiterfahren wollen. Sie sei sich ganz sicher, dass die andere Lenkerin schuld am Unfall sei, da sie Grün und somit Vortritt gehabt hätten, das habe ihr auch der Lenker des schwarzen Kleinwagens be-
stätigt. F.
hatte damals gegenüber dem rapportierenden Polizeibeamten
angegeben, er habe an der Lichtsignalanlage 2-3 Sekunden warten müssen, bis es auf Grün umgeschaltet habe. Langsam sei er losgefahren, habe aber vor der Querstrasse nochmals abgebremst, da er doch nicht ganz sicher gewesen sei. Er habe beim Losfahren sicher grün gehabt (Urk. 1 S. 6). Diese nur als Zusammen-
fassung im Rapport festgehaltenen Aussagen bestätigten sowohl D.
als
auch F. im wesentlichen als Zeugen, zum Teil auf Vorhalt ihrer Angaben bei der Tatbestandsaufnahme. Dass D. als Zeugin zunächst der Meinung war, der Wagen vor ihr habe an der Ampel kurz anhalten müssen, nach einigen Sekunden sei es orange und dann grün geworden und der Lenker vor ihr sei weiter
gefahren; sie selber habe an der Ampel auch warten müssen, es sei schnell gegangen, sie wisse nicht, vielleicht 10 bis 20 Sekunden, es sei sehr kurz gewesen (Urk. 7 S. 2 und 3), und F. in der Zeugenbefragung erklärte, er habe aus etwa 200 m Entfernung bemerkt, dass die Ampel auf Rot stehe, als er sich genähert habe, er sei langsam gefahren und habe schon bremsen wollen, da habe die Anlage auf orange und grün gewechselt, er habe vor der Ampel nicht anhalten müssen (Urk. 8 S. 2 f.), stellt keinen Widerspruch dar. Wie relativ und von Person zu Person unterschiedlich das Zeitempfinden ist, ist gerichtsnotorisch und wird auch belegt durch den Umstand, dass D. berichtete, es sei schnell gegangen, sehr kurz, und trotzdem 10 bis 20 Sekunden schätzte. Diese zeitlich geringfügige Abweichung vermag allerdings die Glaubhaftigkeit der überzeugenden Äusserung beider, sie seien sicher bei Grün über die Ampel gefahren, nicht zu erschüttern. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die beiden
wahrheitswidrig aussagten und bei F.
ist auch kein Interesse für eine
Falschaussage erkennbar. D.
gab zudem als Zeugin eher zurückhaltend
an, es sei ihr erster Gedanke gewesen, dass dieser Wagen bei rot gefahren sei, da sie ja grün gehabt habe. Bei dieser Kreuzung habe es drei Ampeln, zwei davon seien immer rot und nur eine grün. Auf Vorhalt, die Beschuldigte behaupte, sie habe grün gehabt, meinte D. dann, sie habe sich überlegt, dass diesfalls ein Defekt an der Anlage gewesen sein könnte (Urk. 7 S. 2).
bb. Die Unfallbeteiligte D.
hatte sodann auf der Unfallstelle unumwunden
und sofort angegeben, sie habe ein Glas Prosecco getrunken; es ist offensichtlich, dass der Atemlufttest ein Resultat in einem tiefen Bereich ergeben hatte, ansonsten mit Sicherheit vom zuständigen Polizeibeamten eine Blutentnahme veranlasst worden wäre. Nachdem das Bundesamt für Unfallverhütung auf die Senkung des massgeblichen Alkohol-Grenzwerts auf 0,5 Promille mit der Kampagne 1 Glas ist ok aufmerksam gemacht hatte, was offenbar zu einer Blutalkoholkonzentration von rund 0,2 Promille führt, ist die fehlende Dokumentation des Resultats des Atemlufttests vorliegend nicht zu beanstanden. Wm C. konnte sich nicht mehr erinnern, ob er am Unfallort einen Atemlufttest durchgeführt hatte. Er führte aber aus, wenn er einen solchen Test vorgenommen hätte, dann wäre dies bei beiden Unfallbeteiligten geschehen. Dass ein etwaiges Resultat nicht im Rapport festgehalten worden sei, sei Routine. Dies geschehe nur, wenn eine offensichtliche Fahrunfähigkeit vorliege, wenn der Test 0,3 Promille ergebe und nach Rücksprache mit der Staatsanwaltshaft eine grobe Verkehrsregelverletzung eine Körperverletzung/Tötung vorliege wenn der Test 0.5 Promille mehr ergebe (Urk. 70 S. 3). Folglich ist bei der Unfallbeteiligten D. von keiner relevanten Alkoholisierung im Zeitpunkt der zu beurteilenden Kollision auszugehen.
Dass D.
auf der Spur des Gegenverkehrs fuhr, als es zur Kollision kam,
lässt sich mit der Vorinstanz gestützt auf deren nachvollziehbare Erklärung, sie habe den vor ihr fahrenden Wagen links überholt, als dieser rechts abgebogen sei (Urk. 1 S. 6 und Urk. 7 S. 7), schlüssig erklären. Tatsächlich hatte F. gemäss Zusammenfassung im Polizeirapport denn auch angegeben, er habe nach dem Anfahren am Rotlicht vor der Querstrasse nochmals abgebremst (Urk. 1
S. 6). Indessen ergibt sich aus den von der Beschuldigten kurz vor der Berufungsverhandlung erstellten Fotos (Urk. 68/2), dass der Wechsel von Grün auf Gelb und Rot auf Spur 21 sofort erfolgt, nachdem ein Fahrzeug die Ampel passiert hat (vgl. z.B. schwarzer Jeep). F. hatte selber gegenüber Wm C. angegeben, er habe bei der Kreuzung angehalten und sei dann langsam wieder losgefahren, habe aber bei der Querstrasse nochmals abgebremst (Urk. 1 S. 6). Demnach ist ohne Weiteres möglich, dass die Ampel schon wieder auf Rot stand,
als die nachfolgende Fahrerin D.
die Kreuzung passierte, in dem sie ihr
Fahrzeug links am langsam abbiegenden Wagen von F.
vorbei steuerte.
Dabei kann zugunsten von D.
davon ausgegangen werden, dass sie den
raschen Wechsel auf Rot nicht bemerkt hatte, weil sie ja den zögerlich abbiegen-
den F.
links überholte. Dies bedeutet indessen und wurde vom sachverständigen Zeugen Fw B. bestätigt, dass D. die Rotlicht-Detektor auf der rechten Fahrbahn nicht überfuhr und somit auch keine Registratur erfolgte, selbst wenn die Ampel schon wieder Gelb Rot zeigte.
Beschuldigte und Zeugin
Auf der anderen Seite bestehen auch keine Hinweise darauf, dass die Beschuldigte und die sicherlich unabhängige Zeugin wissentlich falsche Aussagen deponierten.
aa. Auch das Aussageverhalten der Beschuldigten ist als der Situation angemessen und eher zurückhaltend zu bezeichnen; zwar gab sie zunächst an, sie sei sicher, die Lenkerin des schwarzen Autos habe rot gehabt (Urk. 1 S. 5). In der nachfolgenden polizeilichen Einvernahme erklärte sie, sie fühle sich nicht als beschuldigte Person und könne die Schuldfrage nicht nachvollziehen, verstehe aber das Vorgehen der Polizei; sie sei überzeugt, bei grün über die Kreuzung gefahren zu sein, ohne die andere Lenkerin einer Rotlichtmissachtung zu beschuldigen; vielmehr sagte sie zurückhaltend und realistisch aus, sie könne sich zu Frau D. nicht äussern, sie habe ja die Lichter der anderen Anlage nicht gesehen, sie wisse einfach, dass sie selber bei grün über die Kreuzung gefahren sei. Sie wies sodann auf den von der Unfallbeteiligten angegebenen Alkoholkonsum hin, räumte aber ein, dass mittels Atemlufttest bei D. ein erhöhter, aber im Normalbereich liegender Wert gemessen worden sei. (Urk. 4 S. 2 ff.). Auch in der Einvernahme vom 13. Oktober 2011 erklärte sie gegenüber der Staatsanwältin, sie bleibe bei ihren Aussagen, wonach sie bei Grün über die Kreuzung gefahren sei, sie könne sich die Auswertung im Bericht der Verkehrstechnischen Abteilung der Kantonspolizei vom 16. Mai 2011 nicht erklären, sie kenne diese Kreuzung und befahre sie täglich mehrmals (Urk. 6 S. 2 f.). Wie oben ausgeführt, wechselt die Rotlichtanlage auf Spur 21 (Fahrtrichtung F. und D. ) sehr rasch nach dem Passieren wieder auf Gelb und Rot und F. zögerte beim Rechtsabbiegen, da er ortsunkundig war. Da in der Zwischenzeit von 5 Sekunden (Ende Grün der räumenden Spur 21 bis Beginn Grün der einfahrenden Spur 11) auch drei Sekunden Gelb der räumenden und zwei Sekunden Rot-Gelb der einfahrenden Spur enthalten sind (Urk. 5 S. 2), ist nicht auszuschliessen, dass die Lichtsignalanlage auf Spur 11 bereits wieder Grün zeigte, als die Beschuldigte diese passierte.
bb. Die Vorinstanz stellte zu Lasten der Beschuldigten auf die am Telefon gegen- über Wm C. erfolgten und anschliessend von letzterem zusammengefassten Angaben der Zeugin E. ab, wonach die Ampel gelb und dann grün gezeigt habe, als sie nach dem Knall in Richtung der Kollision geschaut habe, und folgert daraus, zuvor habe die Ampel somit auf Rot gestanden (Urk. 46 S. 21). Nachdem die Zeugin ihre Aussagen gegenüber der Polizei zwar nach Hinweis auf
ihre strafprozessualen Rechte und Pflichten, aber nur mündlich am Telefon und nicht in einer schriftlichen Einvernahme, die sie selber durchgelesen und unterzeichnet hätte, gemacht hat, ist dies nicht ohne Weiteres zulässig. Ein echter Widerspruch zu ihren fünf Monate später erfolgten Aussagen als Zeugin bei der Staatsanwaltschaft lässt sich nicht klar erstellen, zumal die Äusserungen der sprechenden Zeugin am Telefon gegenüber Wm C. ohne Dolmetscher erfolgten. Wm C. konnte sich nicht mehr an die Aussagen der Zeugin ihm gegenüber erinnern und verwies auf seinen Rapport (Urk. 70 S. 5). An der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme brachte die Zeugin jedenfalls mit der Unterstützung durch einen Dolmetscher bestimmt zum Ausdruck, dass die Ampel von Gelb auf Rot wechselte und mithin die Beschuldigte die Lichtsignalanlage bei Grün passiert habe.
cc. Zusammengefasst ergibt sich aus der Aussagenwürdigung, dass die Version der Unfallbeteiligten D. zwar ihrer eigenen Überzeugung entsprechen dürfte, dass indessen der vor ihr fahrende Lenker nicht direkt bestätigen konnte, dass
D.
ebenfalls bei Grün die Kreuzung passierte. Ihre Aussage wirkt jedoch
nicht überzeugender als die Angaben der Beschuldigten und der Zeugin E. . Zugunsten der Beschuldigten kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Ampel
von D. wahrscheinlich unbemerkt schon wieder auf Rot stand, als diese die Kreuzung passierte.
Unfallzeitpunkt und -ursache
Unfallzeitpunkt
Im Bericht Prüfung und Auswertung der Lichtsignal-Steuerung vom 16. Mai 2011 hielt der Verfasser den Eingang der Unfallmeldung bei der Einsatzzentrale mit 20:01:53 Uhr fest (Urk. 5 S. 2). Durch die Vorinstanz wurde abgeklärt, wann der Unfall bei der Polizei gemeldet wurde (Urk. 28): Gemäss Schreiben des
Dienstchefs I.
der Einsatzzentrale Zürich vom 7. März 2012 ging die Unfallmeldung über die Notrufnummer 117 am 13. Mai 2011 um 20:01:56 Uhr ein. Die Weiterleitung an die Verkehrsleitzentrale VLZ erfolgte unverzüglich und der Anrufeingang bei der VLZ wurde mit 20:02:22 Uhr registriert (Urk. 29). Der mit
20.08 Uhr im Unfallaufnahmeprotokoll (Urk. 2) festgehaltene Empfang der Meldung von der VLZ betrifft den Eingang beim Stützpunkt der Kantonspolizei. An diesen Angaben zu zweifeln besteht kein Anlass. Es ist somit erstellt, dass der Unfall sich am 13. Mai 2011 vor 20:01:56 Uhr ereignet hat.
Unfallverursachendes Ereignis
Nach Auswertung der drei Rotlichtmissachtungen und zwei Rot-Gelb vor Grün- Aufzeichnungen (Pos. 57 bis 59 und 61 sowie 64) durch den Mitarbeiter der Verkehrstechnischen Abteilung, Verkehrssteuerungsanlagen, Fw B. , kam dieser zum Schluss, die Rotlichtmissachtung Position 57 sei Ursache des Verkehrsunfalls (Urk. 5). Die Positionen 58, 59, 61 und 64 wurden ausgeschlossen, da ansonsten auf der jeweils feindlichen Spur 21 bzw. 11 zu diesem Zeitpunkt zwangsläufig auch ein Eintrag protokolliert wäre. Eine Störung an der Lichtsignalanlage, die zu falschen fehlenden Registrierungen von Rotlichtüberfahrten geführt zugelassen hätte, dass die zwei sich kreuzenden Spuren (Spur 11 von A. befahren und die von D. benutzte Spur 21) gleichzeitig grün zeig-
ten, schloss Fw B.
aus (Urk. 66 S. 4). Die Vorinstanz führte hierzu aus
(Urk. 46 S. 29 f.), es sei zwar davon auszugehen, dass D. durch die Rotfahrer-Registratur gar nicht aufgezeichnet werden konnte, da die Rotfahrerdetektoren
jeweils nur bis zur Fahrbahnmitte reichen und sie F.
links überholte und
somit auf der anderen Fahrbahnhälfte unterwegs war; indessen wäre sofern eine unter Position 58, 59, 61 64 registrierte Lichtsignal-Missachtung für den Unfall kausal gewesen wäre auf der jeweils feindlichen Spur 21 beziehungsweise 11 zu diesen Zeitpunkten zwangsläufig auch ein Eintrag registriert, da F. die Rotfahrerdetektoren 21.0 und 21.9 auf Spur 21 unmittelbar vor der Kollision in zufahrender Richtung passierte.
Demgegenüber machte die Verteidigung unter Verweis auf eigene Abklärungen vor Ort und eingereichte Fotos (Urk. 68/1 und 68/2) in ihrem Plädoyer geltend, dass die Ampeln an der fraglichen Kreuzung grundsätzlich auf Rot geschaltet seien und nur bei einfahrenden Fahrzeugen auf Grün stellten; die entsprechenden Detektoren seien weit vor der Kreuzung angebracht. Die Ampeln würden zudem äusserst rasch reagieren und sofort wieder auf Rot wechseln, während das ent-
sprechende Fahrzeug gerade erst den Haltebalken passiert habe. Vorliegend habe der vor der Unfallbeteiligten D. fahrende F. gemäss übereinstimmenden Aussagen vor dem Rechtsabbiegen nochmals abgebremst, bevor D. links an ihm und damit auch an den Induktionsschleifen vorbeigefahren sei. D. selbst habe ausgeführt, sie habe 10 bis 20 Sekunden vor der Ampel gewartet. Es sei damit möglich, dass die Ampel bereits auf Gelb und dann Rot umgestellt habe, als D. noch F. passierte, dies aber nicht registriert worden sei, da diese die Rotlichtdetektoren umfahren habe. Zur Kollision sei es sodann gekommen, da die Ampel der Beschuldigten zwischenzeitlich auf Grün geschaltet habe, bevor D. die Kreuzung überfahren habe (Urk. 67 S. 16 f.). Es ist kein Grund ersichtlich, an den Angaben der Verteidigung zum Zeitablauf der Rotund Grünphasen der Lichtsignalanlage zu zweifeln, zumal der rasche Wechsel auf Gelb und Rot sehr kurz nach Passieren des Haltebalkens durch Fotos dokumentiert ist (vgl. Urk. 68/2).
Wie bereits oben ausgeführt wurde, widersprechen sich D. und F. in ihren Einschätzungen der vor der Kollision verstrichenen Zeit. Der genaue Zeitablauf des Abbiegens respektive des links Vorbeifahrens kann daher nicht erstellt werden. Es ist daher nicht auszuschliessen, dass, wie die Verteidigung ausführte, der Abstand zwischen D. und F. 5 bis 10 Sekunden betrug, so dass die Lichtsignalanlage auf der Fahrspur der Beschuldigten bereits Grün gezeigt hätte, als diese losfuhr. Da D. zu dieser Zeit noch an F. vorbeifuhr, wäre es so zur Kollision gekommen.
Ein Fotobeweis dafür, dass die Beschuldigte für die unter Position 57 registrierte Rotlichtüberfahrt verantwortlich war, ist nicht vorhanden. Ebenso wenig lässt sich der Unfallzeitpunkt genauer eingrenzen. Es ist nur erstellt, dass er sich vor 20:01:56 Uhr ereignete, nicht aber, wann genau. Es daher möglich, dass sich der Unfall auch vor der um 19:57:31 Uhr registrierten Rotlichtmissachtung ereignete und diese auf ein Umfahren der Unfallstelle durch einen unbeteiligten Automobilisten zurückzuführen ist. Es verbleiben folglich erhebliche und unüberwindbare Zweifel daran, dass die Beschuldigte die Kreuzung bei Rot überfuhr.
Unter diesen Umständen erübrigen sich weitere Ausführungen zur Zuverlässigkeit der Aufzeichnungen der Lichtsignalanlage und möglichen Störungen. Jedoch kann Folgendes festgehalten werden: Die Verteidigung wies im Rahmen ihres Berufungsplädoyers zu Recht darauf hin und dokumentierte dies mittels Fotos (Urk. 67 S. 9 ff. und Urk. 68/1), dass die in dem in Urk. 32 enthaltenen Plan eingezeichnete Lage der Rotfahrdetektoren in Spur 12 nicht der tatsächlichen Lage entsprechen: Im Plan sind sie in Fahrtrichtung nach dem Fussgängerstreifen, also gegen den Kreuzungsbereich hin, eingezeichnet, während sie offenbar in Wirklichkeit vor dem Fussgängerstreifen, unmittelbar vor dem Haltebalken für die wartenden Fahrzeuge, eingelassen sind (Urk. 68/1). Da tatsächlich davon auszugehen ist, dass vor dem Haltebalken auch Fahrzeuge warteten, bis sie die Kreuzung passieren konnten, ist zugunsten der Beschuldigten davon auszugehen, dass die Ausweichmanöver vor dem Rotlichtdetektor auf Spur 12 abgeschlossen werden mussten und nicht zu zahlreichen Registrierungen in der Gegenfahrrichtung führten. Zwar ist auch durchaus vorstellbar, dass nach einem Unfall auf einer Kreuzung die Fahrer die Ampeln nicht mehr beachten, sondern sonst versuchen, die Unfallfahrzeuge zu passieren, wie dies der Zeuge Fw B. bestätigte (Urk. 66
7); dies kann jedoch als Erklärung für die sehr zahlreichen Einträge nach dem Unfall auf Spur 12 nicht genügen.
In Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo ist die Beschuldigte somit vom Vorwurf der fahrlässigen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 68 Abs. 1bis SSV freizusprechen.
Die vorinstanzliche Kostenfestsetzung (Dispositiv Ziff. 4) ist zu bestätigen. Ausgangsgemäss fällt die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr ausser Ansatz. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens beider Instanzen sind auf die Gerichtskasse zu nehmen. Der Beschuldigten ist für ihre Verteidigung im Untersuchungsund Gerichtsverfahren vor beiden Instanzen eine Prozessentschä- digung von Fr. 21'000.- (inkl. MWSt) zuzusprechen.
Das Gericht erkennt:
Die Beschuldigte ist des eingeklagten Delikts nicht schuldig und wird freigesprochen.
Die erstinstanzliche Kostenfestsetzung (Ziff. 4) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens beider Instanzen werden auf die Staatskasse genommen.
Der Beschuldigten wird aus der Gerichtskasse eine Prozessentschädigung von Fr. 21'000.zugesprochen.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Angeklagten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft See/Oberland
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Angeklagten
die Staatsanwaltschaft See/Oberland
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung Administrativmassnahmen, Richterliche Fahrverbote, 8090 Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA mit einer Kopie von Urk. 48.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abtei- lung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 6. März 2013
Der Präsident:
Oberrichter lic.iur. Spiess
Der Gerichtsschreiber:
lic.iur. Hafner
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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