E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB120344: Obergericht des Kantons Zürich

Der Beschuldigte A. wurde schuldig gesprochen, fahrlässige Körperverletzung begangen zu haben, sowie die Verkehrsregeln verletzt zu haben. Er wurde zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 30 und einer Busse von Fr. 500 verurteilt. Die Geldstrafe wird aufgeschoben und eine Probezeit von 2 Jahren festgesetzt. Zudem muss er der Privatklägerin B. eine Genugtuung von Fr. 500 zahlen. Die Gerichtskosten belaufen sich auf Fr. 500. Der Beschuldigte ist männlich.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB120344

Kanton:ZH
Fallnummer:SB120344
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB120344 vom 01.11.2012 (ZH)
Datum:01.11.2012
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:fahrlässige Körperverletzung etc.
Schlagwörter : Beschuldigte; Privatklägerin; Beschuldigten; Strasse; Aussage; Aussagen; Sturz; Berufung; -Strasse; Fahrrad; Vorinstanz; Urteil; Person; Verletzung; Busse; Körperverletzung; Sinne; Geldstrafe; Zeuge; Verkäuferin; Staatsanwaltschaft; Verhalten; Unfall; Gericht; Recht
Rechtsnorm:Art. 125 StGB ;Art. 404 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 51 SVG ;Art. 55 VRV ;Art. 82 StPO ;Art. 84 StPO ;Art. 92 SVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SB120344

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB120344-O/U/eh

Mitwirkend: die Ersatzoberrichter lic. iur. E. Leuenberger, Präsident, lic. iur.

J. Meier und Ersatzoberrichterin lic. iur. C. Brenn sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. N. Burri

Urteil vom 1. November 2012

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

vertreten durch Leitende Staatsanwältin Dr. iur. U. Frauenfelder Nohl,

Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend

fahrlässige Körperverletzung etc.
Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung, vom 30. Mai 2012 (GG120105)

Anklage:

(Urk. 22)

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 10. April 2012 ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 37 S. 13f.)

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. ist schuldig

    • der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB

    • der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 92 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 und Abs. 2 SVG sowie Art. 55 Abs. 1 VRV (pflichtwidriges Verhalten bei Unfall)

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 30.-- (insgesamt Fr. 900.--).

  3. Der Beschuldigte wird ferner mit einer Busse von Fr. 500.-bestraft.

  4. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  5. Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen.

  6. Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin B. eine Genugtuungssumme von Fr. 500.-zu zahlen.

  7. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf.

    Fr. 500.-- ; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 1'000.-- Gebühr Anklagebehörde

    Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  8. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

Berufungsanträge:

  1. Des Beschuldigten:

    Der Beschuldigte sei vollumfänglich freizusprechen unter ausgangsgemässer Kostenregelung.

  2. Der Staatsanwaltschaft: (schriftlich, Urk. 43)

Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils

Erwägungen:

1. Prozessgeschichte

Mit dem eingangs im Dispositiv zitierten Urteil vom 30. Mai 2012 wurde der Beschuldigte A. vom Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich der fahrlässigen Körperverletzung etc. schuldig gesprochen und mit einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 30.— und einer Busse von Fr. 500.— bestraft. Gegen das mündlich eröffnete und im Dispositiv übergebene Urteil meldete der Beschuldigte noch vor Schranken Berufung an (Prot. I S. 11). Nach Zustellung des begründeten Urteils am 31. Juli 2012 (Urk. 35/2) reichte er am

3. August 2012 fristgerecht die Berufungserklärung ein, mit welcher ein vollumfänglicher Freispruch beantragt wurde (Urk. 38). Am 17. August 2012 wurde der

Staatsanwaltschaft sowie der Privatklägerin die Berufungserklärung des Beschuldigten zugestellt unter Hinweis auf die Möglichkeit einer Anschlussberufung eines Nichteintretensantrags (Urk. 41), worauf verzichtet wurde (Urk. 43). Am

24. August 2012 schliesslich gingen diverse Belege zu den finanziellen Verhältnissen des Beschuldigten ein (Urk. 44). Anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung wiederholte der Beschuldigte seinen Antrag auf vollumfänglichen Freispruch zu Lasten der Staatskasse; Beweisanträge wurden nicht gestellt (Prot. II S. 4 und 5). Eine Teilrechtskraft des vorinstanzlichen Urteils im Sinne von Art. 404 Abs. 1 StPO liegt nicht vor.

  1. Sachverhalt

    1. Unbestritten ist, dass die Privatklägerin B. am fraglichen Tag mit ihrem Fahrrad auf dem Fahrradstreifen der C. -Strasse stadtauswärts fuhr, dabei gestürzt ist und sich die in der Anklage aufgeführten Verletzungen zugezogen hat. Daran ist aufgrund sämtlicher Umstände nicht zu zweifeln. Hingegen ist strittig, ob der Beschuldigte für diesen Sturz verantwortlich war. Ihm wird vorgeworfen, kurz vor der Privatklägerin unvermittelt auf den Radstreifen getreten zu sein, sodass diese eine Vollbremsung machen musste, um nicht mit ihm zu kollidieren, wobei sie vornüber über den Lenker gestürzt sei und sich die eingeklagten Verletzungen zugezogen habe. Der Beschuldigte bestreitet dies und macht zusammengefasst geltend, es müsse eine Verwechslung vorliegen, da er sich gar nicht an jenem Ort befunden habe, wo der Sturz erfolgt sei. Die Anklage stützt sich vornehmlich auf die Aussagen der Privatklägerin B. . Der als Zeuge einvernommene Bundespolizist D. (Urk. 13) ist kein Tatzeuge und konnte daher nur zu den weiteren Umständen Angaben machen. Damit steht im Wesentlichen Aussage gegen Aussage.

    2. Stützt sich die Beweisführung auf die Aussagen von Beteiligten, sind die Depositionen frei zu würdigen. Es ist anhand sämtlicher Umstände, die sich aus den Akten und den Verhandlungen ergeben, zu untersuchen, welche Sachdarstellung überzeugend ist, wobei es vorwiegend auf den inneren Gehalt der Aussagen ankommt, verbunden mit der Art und Weise, wie die Angaben erfolgen. Bei der Würdigung von Aussagen darf nicht einfach auf die Persönlichkeit

      allgemeine Glaubwürdigkeit von Aussagenden abgestellt werden, denn dies lässt nach neueren Erkenntnissen keinen allgemeinen Rückschluss auf die Glaubhaftigkeit von Aussagen zu. Massgebend ist vielmehr die Glaubhaftigkeit der konkreten, im Prozess relevanten Äusserungen. Diese sind einer kritischen Würdigung zu unterziehen, wobei auf das Vorhandensein von sogenannten Realitätskriterien (inhaltliche und strukturelle Kriterien) grosses Gewicht zu legen ist (vgl. R. Bender, Die häufigsten Fehler bei der Beurteilung von Zeugenaussagen, in SJZ 81 [1985] S. 53 ff.; Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, Glaubwürdigkeitsund Beweislehre, Vernehmungslehre, 3. Aufl., München 2007,

      1. 310 ff. und 350 ff.). Die wichtigsten Realitätskriterien sind dabei (Hauser, Der Zeugenbeweis im Strafprozessrecht mit Berücksichtigung des Zivilprozesses, Zürich 1974, S. 316):

        • die innere Geschlossenheit und Folgerichtigkeit in der Darstellung des Geschehnisablaufes,

        • eine konkrete und anschauliche Wiedergabe des Erlebnisses,

        • die Kenntlichmachung der psychischen Situation von Täter und Zeuge bzw. unter Mittätern,

        • eine allfällige Selbstbelastung unvorteilhafte Darstellung der eigenen Rolle,

        • Entlastungsbemerkungen zugunsten des Beschuldigten,

        • Konstanz der Aussagen bei verschiedenen Befragungen, wobei sich aber sowohl Formulierungen als auch die Angaben über Nebenumstände verändern können.

          Bei wahrheitswidrigen Bekundungen fehlen diese Kennzeichen regelmässig. Als Indizien für bewusst unbewusst falsche Aussagen gelten u.a.:

        • Unstimmigkeiten grobe Widersprüche in den eigenen Aussagen,

        • Übersteigerungen in den Beschuldigungen im Verlaufe von mehreren Einvernahmen,

        • unklare, verschwommene ausweichende Antworten,

        • gleichförmig, eingeübt und stereotyp wirkende Aussagen.

        • eine Schwarz-Weiss-Malerei (in dem Sinne, als die eigene Erinnerungstreue und Wahrheitsliebe auffällig betont und/oder allzu deutlich auf die angeblich bekannte Unzuverlässigkeit der Gegenseite hingewiesen wird),

        • Fluchtund Begründungssignale (Meiden des Beweisthemas, ausweichende Antworten, Beharren auf Nebensächlichkeiten, Betonen von angeblichen eigenen Verdiensten und Wohltaten, Liefern von Begrün- dungen statt Fakten, unmotivierte und oft haltlose Gegenangriffe).

    3. Die Privatklägerin hat sowohl bei ihrer polizeilichen Befragung (Urk. 4) als auch bei ihrer Einvernahme als Auskunftsperson (Urk. 10) übereinstimmend, schlüssig und damit glaubhaft ausgesagt, sie habe auf dem Heimweg mit dem Fahrrad etwas weiter vorne eine Person gesehen, die mindestens ein kurzes Stück - neben dem Radstreifen auf dem Gehweg in die gleiche Richtung gegangen sei. Etwa auf der Höhe der Parkingeinfahrt resp. kurz vorher habe die betreffende Person, ohne sich umzusehen, den Radstreifen betreten, um die Strasse zu überqueren. Sie habe nicht mehr ausweichen können und habe stark gebremst. Sie sei deswegen vornüber über ihr Lenkrad auf den Boden gefallen. Die Person, die ihr den Weg abgeschnitten habe, sei einfach weitergelaufen, ohne sich um sie zu kümmern. Ein Passant sei zu ihr gekommen und habe ihr helfen wollen. Sie habe aber selbstständig aufstehen können und sei der Person, die ihr den Weg abgeschnitten habe, gefolgt. Sie habe dieser Person gleich nach ihrem Sturz hinterhergerufen, sie solle warten, diese sei aber einfach weitergegangen. Sie sei deshalb kurz nach dem Sturz wieder auf ihr Fahrrad gestiegen und der Person in die E. -Strasse gefolgt. Dort habe sie den Mann zur Rede stellen wollen; dieser habe aber nicht angehalten, sondern gesagt, er habe nichts

      damit zu tun, bis ihr schliesslich D.

      zu Hilfe gekommen sei. Aber selbst

      dann habe der fragliche Mann nicht stehen bleiben wollen. Obwohl sie mit dem Fahrrad mit normalem Tempo gefahren sei, weil sie kurz darauf habe abbiegen wollen, habe der Mann ihr vorgeworfen, sie sei wie eine gesengte Sau daher gekommen. Dies obwohl er vor dem Überqueren der Strasse gar nicht nach links geschaut habe.

      Die Privatklägerin war sich als Auskunftsperson sicher, dass es sich nicht um eine Verwechslung handeln könne. Entgegen der Ansicht des Beschuldigten (Urk. 38

      S. 1, Urk. 31 S. 4) und entgegen der im Recht liegenden Skizze (Urk. 15, Version Opfer) hat die Privatklägerin nie behauptet, der Mann, den sie verfolgte (mithin der Beschuldigte), sei direkt quer über die Kreuzung zum Laden beim Fussgängerstreifen E. -Strasse gelaufen. Sie hatte vielmehr ausgeführt, er habe zunächst die C. -Strasse überquert und sei dann Richtung E. -Strasse gegangen (Urk. 10 S. 7). Damit widerspricht sie keineswegs den Aussagen von D. , der den Beschuldigten in der E. -Strasse antraf und ausführte, der Beschuldigte und die Privatklägerin hätten die E. -Strasse überquert, bevor sie auf seine Seite gelangt seien (Urk. 13 S. 6). D. bestätigte die Aussagen der Privatklägerin auch dahingehend, dass der Beschuldigte durchaus zügig unterwegs gewesen sei und von einer von ihm geltend gemachten (Urk. 5 S. 3, Urk. 11 S. 2) - Gehbehinderung nichts zu merken gewesen sei (Urk. 13 S. 4, Urk. 10 S. 7). Weil der Beschuldigte demgemäss auch zügig

      unterwegs war, als er D.

      antraf, kann jedenfalls ausgeschlossen

      werden, dass eine dahingehende Verwechslung vorliegt, wonach zwar ein zügig gehender Passant den Radstreifen überquerte, später aber versehentlich der langsam gehende, an einer Gehbehinderung leidende Beschuldigte verfolgt wurde. So führte auch der Beschuldigte an der heutigen Berufungsverhandlung aus, er könne nicht schnell laufen, rennen, aber er habe am besagten Tag pressieren müssen, da er den Flug nach habe erreichen müssen (Urk. 49

      S. 6f.). Eine Verwechslung konnte die Privatklägerin überzeugend ausschliessen, zumal sie dem fehlbaren Fussgänger kurz nach ihrem Sturz bereits hinterher gerufen und diesen sodann mit dem Fahrrad verfolgt habe. Ausgeschlossen werden kann die These des Beschuldigten, wonach die der Privatklägerin nach

      dem Sturz helfende Person die effektive Verursacherin des Unfalls gewesen sei und bewusst auf ihn als Verantwortlichen gezeigt habe (Urk. 38). Diese These vertrat der Beschuldigte auch heute (Urk. 49 S. 8). Die Privatklägerin hat erklärt, der Fussgänger, der sich um sie gekümmert habe, sei aus einer Ausfahrt gekommen (Urk. 10 S. 4). Damit kann es sich offenkundig nicht um die gleiche Person handeln, die zuvor parallel zum Radweg gegangen war und unvermittelt vor die Privatklägerin trat.

      Es besteht kein Anlass, an den Aussagen der Privatklägerin zu zweifeln. Insbesondere hat sie auch keinen Grund, den ihr unbekannten Beschuldigten bewusst falsch anzuschuldigen. Eine Verwechslung in der Person kann aufgrund der schlüssigen Aussagen der Privatklägerin ausgeschlossen werden.

    4. Demgegenüber weisen die Aussagen des Beschuldigten einige wenig plausible Elemente auf. Im Kerngehalt bleiben seine Aussagen zwar ebenfalls widerspruchsfrei, wenn er ausführt, er sei nicht entlang der C. -Strasse gegangen, sondern sei aus dem asiatischen Laden gekommen und habe direkt die C. -Strasse überquert, um vis-à-vis auf der anderen Seite in einem Occasionsladen nach einer Statue zu sehen, die ihn interessiert habe. Er habe nach links geschaut, aber nirgends ein Fahrrad gesehen (Urk. 5 S. 2 und 4f., Urk. 9 S. 2 und 4, Urk. 11 S. 2, Urk. 31 S. 4). Nachdem der Beschuldigte einräumt, kurz vor dem Sturz der Privatklägerin die C. -Strasse einfach weiter vorne - überquert zu haben und den Sturz sodann rechts in seinem Rücken wahrgenommen zu haben (Urk. 5 S. 2, Urk. 9 S. 2), mutet es seltsam an, dass er vor dem Überqueren des Streifens zwar nach links geschaut, die auf der geraden Strecke herannahende Privatklägerin aber nicht gesehen haben will. Die Ungereimtheit hinsichtlich seiner Gehgeschwindigkeit wurde bereits oben erörtert. Seltsam mutet auch an, dass der Beschuldigte gemäss seiner Darstellung langsam gehend - um ca. 16.45 Uhr (Urk. 1 S. 1 und 5) extra die Strasse überquerte, um dort nach einer Statue zu sehen [obwohl er kurz darauf trotz Aufforderung

      der Privatklägerin und von D.

      • nicht stehen bleiben wollte, weil er

        angeblich einen Flug nach nicht verpassen wollte. Er machte geltend, er sei in Eile gewesen, weil er zuhause noch habe seine Unterlagen holen müssen; mit

        dem Tram Zug hätte er dann zum Flughafen fahren müssen, wo um 18.00 Uhr sein Flug mit der gewesen wäre, den er dann verpasst habe (Urk. 5

        S. 6). Dies ist angesichts der zu knappen zeitlichen Begebenheiten völlig unglaubhaft. Der Unfall ereignete sich um zirka 16.45 Uhr und die Polizei wurde um 17.00 Uhr gerufen (Urk. 1 S. 5). Und heute führte der Beschuldigte aus, von der E. -Strasse, wo ihn D. angehalten habe, seien es bis zu ihm nach Hause 15 Minuten und von dort wiederum 15 Minuten bis zum Bahnhof F. , von wo er den Zug an den Flughafen hätte nehmen können (Urk. 49

        S. 6). Dies geht zeitlich nicht auf. Selbst wenn nachvollziehbar erscheint, dass der Beschuldigte zur Tatzeit mit der aus seiner Sicht hysterischen Privatklägerin [was von D. übrigens verneint wurde, Urk. 13 S. 7] nicht diskutieren wollte, weil er diese offenbar als respektlos empfand (Urk. 9 S. 5f.), so fällt doch auf, dass er auch in der Strafuntersuchung keine Gelegenheit ausliess, die Privatklägerin schlecht zu machen, was als deutliches Lügensignal gilt. So unterstellte er ihr, sie könne nicht Fahrrad fahren, sie sei nicht normal (Urk. 5 S. 3), sie sei vielleicht betrunken gewesen (Urk. 9 S. 5), er habe sich überlegt, ob es um einen Versicherungsbetrug gehen könnte (Urk. 9 S. 6), sie suche wohl einen Sündenbock (Urk.

        31 S. 6), sie sei möglicherweise auf der falschen Strassenseite gefahren (Urk. 31 S. 5), sie sei ihm wie eine Irre gefolgt (Urk. 38 S. 2). Schliesslich wirft er ihr falsche Anschuldigung vor (a.a.O.). An den heutigen Aussagen des Beschuldigten fällt auch auf, dass er behauptet, die Privatklägerin habe ihm vorgeworfen, er sei wie eine gesengte Sau über die Strasse gegangen (Urk. 49

        S. 8). Denn den Akten ist zu entnehmen, dass der Beschuldigte dies zur Privatklägerin gesagt haben soll. Zudem relativierte er heute seine Aussagen die Privatklägerin betreffend indem er ausführte, die Privatklägerin sei unter Schock gestanden und sie sei daher nicht in der Lage, die Sache richtig zu sehen (Urk. 49

        S. 11; Prot. II S. 5). All dies spricht nicht eben für den Beschuldigten. Insbesondere auch der Umstand, dass er nicht stehen bleiben wollte, als die Privatklägerin ihm deutlich nachrief, weckt die Vermutung, dass er aufgrund seines fehlerhaften Verhaltens ein schlechtes Gewissen hatte und sich daher der Konfrontation mit der Privatklägerin entziehen wollte. Offenkundig falsch ist auch die Behauptung des Beschuldigten, der Sturz sei ca. 30-40 Meter von jener Stelle entfernt

        geschehen, wo er die Strasse überquert habe (Urk. 9 S. 6). Der Eingang des asiatischen Shops, den er besucht haben will, befindet sich nur ca. 2-3 Schaufensterlängen von der durch die Privatklägerin geltend gemachten Sturzstelle entfernt (Urk. 3 und Urk. 7, vgl. auch Urk. 10 S. 9). Noch viel weniger überzeugend und offenkundig falsch ist die Behauptung des Beschuldigten in seiner Berufungserklärung, er habe sich zur Zeit des Unfalls mindestens 70-100 Meter entfernt auf der anderen Strassenseite befunden (Urk. 38). Wenn er

      • wie er in seiner polizeilichen Befragung noch behauptete (Urk. 5 S. 2) langsam gehend die keineswegs derart breite C. -Strasse (Urk. 3 S. 2 Foto 2) erst ca. 2/3 überquert gehabt hätte, als er das Klappern und die Schreie der Privatklägerin rechts hinter sich hörte, hätte er angesichts von Reaktionszeit, Bremsweg und Sturzdistanz allen Grund gehabt davon auszugehen, dass er möglicherweise Anlass für den Sturz gegeben hatte. Schliesslich macht der Beschuldigte in seiner Berufungserklärung sinngemäss geltend, er habe bei der Polizei eine Entlastungszeugin genannt, welche aber nicht befragt worden sei. Mit der dazumal hoch schwangeren Zeugin (Urk. 38 S. 2) scheint er die Mitarbeiterin des asiatischen Shops zu meinen, die er in der Untersuchung mehrfach erwähnt hatte (Urk. 5 S. 2, Urk. 9 S. 4). Diese Zeugin könnte indes lediglich bezeugen, dass der Beschuldigte vor dem Vorfall im asiatischen Shop war; über sein konkretes Verhalten danach könnte sie keine Auskunft geben. Dies wurde vom Beschuldigten jedenfalls nie behauptet. Die Zeugeneinvernahme unterblieb daher zu Recht. Heute führte er erstmals näher aus, weshalb die Verkäuferin des Asia-Shops als Zeugin hätte einvernommen werden sollen und auch weshalb er die Statue im Schaufenster gegenüber habe anschauen wollen. Er habe in der Sauna ein asiatisches Pärchen kennen gelernt, welches auf der Suche nach asiatischen Produkten und auch einer Statue gewesen sei. Er habe dem Paar dann angeboten, die Adresse des Asia-Shops an der C. -Strasse zu bringen. Wegen der Visitenkarten und auf der Suche nach solch einer Statue sei er am besagten Tag zu diesem Asia-Shop gegangen. Er sei reingegangen und habe sich erkundigt, ob das ausgestellte Geschirr antik sei. Dies habe die Verkäuferin verneint, ihm aber erklärt, gegenüber habe es im Schaufenster eine antike Figur. Die Verkäuferin könne daher bezeugen, dass er gerade quer über

      die Strasse gegangen sei um im gegenüberliegenden Schaufenster die Statue zu besichtigen. Sie habe ihm von der Kasse aus zugesehen. Als er draussen am Trottoirrand gewesen sei, habe er sich von ihr verabschiedet und der Verkäuferin zugewinkt, welche ihm ebenfalls gewinkt habe. Eventuell habe die Verkäuferin nicht ganz gesehen, wie er die Strasse überquert habe. Er sei geradeaus über die Strasse gegangen und habe geradeaus geschaut. Erst als es geschrien habe, habe er sich umgedreht (Urk. 49 S. 4f. und S. 11). Nebst dem, dass es doch erstaunt, dass der Beschuldigte diese Geschichte bzw. Erklärung heute zum ersten Mal schilderte und deshalb der Verdacht aufkommt, dass er sich diese im Hinblick auf die heutige Berufungsverhandlung zurecht legte, ist von einer Zeugeneinvernahme der Verkäuferin des Asia Shops nichts sachverhaltsrelevantes zu erwarten. So liegt der Vorfall schon über ein Jahr zurück und aufgrund der Aussagen des Beschuldigten nicht klar ist, dass die Verkäuferin dem Beschuldigten nach dem Zuwinken noch weiter zuschaute, als er über die Strasse ging. Die Zeugeneinvernahme unterblieb daher auch in Kenntnis dieser Schilderung des Beschuldigten zu Recht.

    5. Insgesamt vermögen die Aussagen des Beschuldigten nicht zu überzeugen, während jene der Privatklägerin keine rechtserheblichen Zweifel aufkommen lassen. Damit ist der eingeklagte Sachverhalt erstellt und davon auszugehen, dass der Beschuldigte durch seine Unaufmerksamkeit Anlass für die Vollbremsung und den Sturz der Privatklägerin bildete.

  2. Rechtliche Würdigung

    1. Der Beschuldigte hat sich der fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil

      von B.

      schuldig gemacht, indem er unvermittelt und ohne nach links zu

      schauen in derart kurzer Distanz auf den Radstreifen (und danach die Strasse) trat, dass die korrekt herannahende, vortrittsberechtigte Fahrradfahrerin derart brüsk bremsen musste, dass sie stürzte und sich dabei verletzte. Das eingeklagte und ärztlich bestätigte leichte Schleudertrauma (Urk. 16/3) ist ohne weiteres als einfache Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB zu qualifizieren. Hätte der Beschuldigte seine Sorgfaltspflichten als Fussgänger nicht missachtet, wären die Verletzungen der Privatklägerin vermeidbar gewesen. Und schliesslich

      war für den Beschuldigten gerade auch als Arzt voraussehbar, dass ein Verhalten wie seines zum Sturz eines Fahrradfahrers und zu derartigen Verletzungen führen kann (vgl. Urk. 5 S. 5 und 6). Der Schuldspruch betreffend Verletzung von Art. 125 Abs. 1 StGB ist somit zu bestätigen.

    2. Auch hinsichtlich der Übertretung von Art. 92 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 und 2 SVG sowie Art. 55 Abs. 1 VRV hat die Vorinstanz zutreffende Ausführungen gemacht, auf welche zu verweisen ist (Urk. 37 S. 7f.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Gemäss erstelltem Sachverhalt war der Beschuldigte für den Sturz der Fahrradfahrerin verantwortlich und hatte diesen unbestrittenermassen auch akustisch wahrgenommen. Er hatte nicht nur das Klappern des fallenden Fahrrads, sondern auch den Aufschrei der Privatklägerin gehört, welchen er selber als Schmerz-/Hilfeschrei qualifizierte (Urk. 14 S. 2). Dennoch blieb er nicht vor Ort, sondern machte sich zügigen Schrittes davon, ohne sich weiter um die Verletzte zu kümmern und ohne die Polizei zu alarmieren. Dabei waren ihm die Pflichten gemäss Art. 51 SVG durchaus bekannt (Urk. 5 S. 5). Auch dieser Schuldspruch ist heute somit zu bestätigen.

  3. Strafe

    Die Vorinstanz hat die theoretischen Strafzumessungsregeln, den massgeblichen Strafrahmen, die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten sowie die konkreten Verschuldenskomponenten zutreffend aufgezeigt, worauf vollumfänglich verwiesen werden kann (Urk. 37 S. 8ff., Art. 82 Abs. 4 StPO). Die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz zum Strafpunkt wurden vom Beschuldigten denn auch nicht weiter in Frage gestellt. Zu Recht hat die Vorinstanz insbesondere das Verschulden des Beschuldigten hinsichtlich der fahrlässigen Körperverletzung als leicht eingestuft und ihn dafür angesichts des möglichen Strafrahmens von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe mit 30 Tagessätzen Geldstrafe bestraft. Bezüglich der Höhe der Tagessätze hat die Vorinstanz die knappen finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten korrekt berücksichtigt. Diese haben sich seither nicht wesentlich verändert (vgl. Urk. 44, Urk. 49 S. 1-3), weshalb der Tagessatz wiederum auf Fr. 30.-festzusetzen ist. Auch hinsichtlich des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall hat die Vorinstanz das Notwendige ausgeführt, worauf verwiesen werden

    kann (Urk. 37 S. 11). Die Bussenhöhe von Fr. 500.-sowie die Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen sind nicht zu beanstanden und damit zu bestätigen.

    Der Entscheid der Vorinstanz, die Geldstrafe bedingt mit einer minimalen Probezeit auszufällen (Urk. 37 S. 11), ist angesichts der Vorstrafenlosigkeit des Beschuldigten nicht nur richtig, sondern aufgrund des Verbots der reformatio in peius (Verschlechterungsverbot) ohnehin zwingend zu bestätigen.

  4. Zivilforderung

    Die Vorinstanz hat den Beschuldigten verpflichtet, der Privatklägerin B. eine Genugtuung von Fr. 500.-zu bezahlen. Dabei hat sie einerseits die aufgrund der Verletzung notwendige mehrmonatige Therapiedauer und andererseits das nur leichte Verschulden des Beschuldigten berücksichtigt (Urk. 37 S. 12).

    Diesen zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz ist vollumfänglich zuzustimmen und der Beschuldigte ist daher auch zweitinstanzlich zur Leistung einer Genugtuung von Fr. 500.-an die Privatklägerin zu verpflichten.

  5. Kosten

Ausgangsgemäss wird der Beschuldigte für das gesamte Verfahren kostenpflichtig (Art. 426 Abs. 1 StPO sowie Art. 428 StPO), weshalb die vorinstanzliche Kostenregelung zu bestätigen ist (dort Ziff. 5 und 6) und auch die Kosten des Berufungsverfahrens dem Beschuldigten aufzuerlegen sind, wobei seinen knappen finanziellen Verhältnissen bei der Ansetzung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen ist.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. ist schuldig

    • der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB sowie

    • der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 92 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 und Abs. 2 SVG sowie Art. 55 Abs. 1 VRV (pflichtwidriges Verhalten bei Unfall).

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 30.-sowie mit einer Busse von Fr. 500.--.

  3. Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen.

  4. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf zwei Jahre festgesetzt.

  5. Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin B. eine Genugtuung von Fr. 500.-zu zahlen.

  6. Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 5 und 6) wird bestätigt.

  7. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 2'000.--.

  8. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  9. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • den Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl

    • die Privatklägerschaft B.

      (Eine begründete Urteilsausfertigung gemäss Art. 84 Abs. 4 StPO wird den Privatklägern nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangen.)

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • den Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A

  10. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 1. November 2012

Der Präsident:

Ersatzoberrichter lic. iur. E. Leuenberger

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. N. Burri

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.