Zusammenfassung des Urteils SB120277: Obergericht des Kantons Zürich
Das Urteil betrifft einen Fall von versuchter vorsätzlicher Tötung und Körperverletzung, bei dem der Beschuldigte schuldig gesprochen und zu 12 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wird. Er muss Genugtuungszahlungen an die Privatkläger leisten und die Gerichtskosten tragen. Eine ambulante Massnahme wird nicht angeordnet. Der Beschuldigte wird verpflichtet, Geldstrafen zu zahlen und die Kosten des Verfahrens zu übernehmen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, datiert vom 12. März 2013.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB120277 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 12.03.2013 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | versuchte vorsätzliche Tötung etc. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Privatkläger; Privatklägerin; Beschuldigten; Vorinstanz; Wohnung; Berufung; Verteidigung; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Genugtuung; Drogen; Verfahren; Gericht; Urteil; Kantons; Tötung; Massnahme; Berufungsverfahren; Freiheitsstrafe; Gericht; Antrag; Körperverletzung; Aussage; ätig |
Rechtsnorm: | Art. 111 StGB ;Art. 126 StGB ;Art. 126 StPO ;Art. 135 StPO ;Art. 186 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 51 StGB ;Art. 63 StGB ;Art. 63 StPO ;Art. 64 StGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB120277-O/U/cs
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, lic. iur. Ruggli und lic. iur. Stiefel sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. Maurer
Urteil vom 12. März 2013
in Sachen
1. ...
2. ...
3. A. ,
sowie
Privatklägerin und Drittberufungsklägerin
3 vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
Beschuldigter und Zweitberufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y.
betreffend versuchte vorsätzliche Tötung etc.
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom 17. September 2010 (Urk. 24) ist diesem Urteil beigeheftet.
Beschluss der Vorinstanz:
Das Verfahren betreffend der Tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 1 StGB wird eingestellt.
Auf das Genugtuungsbegehren der Privatklägerin CD. wird nicht eingetreten.
Urteil der Vorinstanz:
Der Beschuldigte ist schuldig
der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB sowie
der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB.
Vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB wird der Beschuldigte freigesprochen.
Der Beschuldigte wird bestraft mit 10 Jahren Freiheitsstrafe, wovon 903 Tage durch Haft sowie durch vorzeitigen Strafantritt bis und mit heute erstanden sind.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird nicht aufgeschoben.
Eine ambulante Massnahme wird nicht angeordnet.
Die folgenden mit Verfügung der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom 24. Juni 2010 beschlagnahmten und beim Forensischen Institut der Stadtpolizei Zürich unter der Nummer lagernden Kleidungsstücke werden dem Forensischen Institut zur Vernichtung überlassen:
... : Damennachtbekleidung: 1 Pyjamaoberteil
: Damennachtbekleidung: 1 Pyjamahose
: Damenhausbekleidung: 1 Paar Hosen
: Shirt: 1 T-Shirt
: Shirt: 1 T-Shirt Switcher
: Herrenunterwäsche: 1 Boxershorts H&M
Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger E. Fr. 20'000.zuzüglich 5 % Zins ab 26. Juli 2008 als Genugtuung zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird das Genugtuungsbegehren abgewiesen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin A. Fr. 8'000.zuzüglich 5 % Zins ab 26. Juli 2008 als Genugtuung zu bezahlen.
Die Privatklägerin A. wird mit ihrem Schadenersatzbegehren im Umfang von Fr. 2'058.auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen. Im Übrigen wird das Schadenersatzbegehren abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 7'500.- ; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 15'299.30 Kosten Gutachten
Fr. Kanzleikosten Untersuchung Fr. 21'397.45 Auslagen Untersuchung
Fr. 26'687.55 amtliche Verteidigung Untersuchung Fr. amtliche Verteidigung
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausgenommen derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Staatskas-
se genommen; vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger E. eine Prozessentschädigung von Fr. 4'437.20 zu bezahlen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, den Privatklägerinnen A. und CD. eine Prozessentschädigung von je Fr. 5'396.20 zu bezahlen.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 233 S. 1)
Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 25. April 2012 sei aufzuheben und der Beschuldigte sei in Abänderung von Ziff. 1 vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung und der einfachen Körperverletzung freizusprechen.
Eventuell sei der Beschuldigte in Abänderung von Ziff. 3 milder zu bestrafen.
Subeventuell sei der Beschuldigte in Abänderung der Ziff. 1 und 3 der fahrlässigen, ev. der schweren Körperverletzung schuldig zu sprechen und mit maximal 24 Monaten Freiheitsentzug zu bestrafen.
Die Zivilforderungen seien in Abänderung der Ziff. 8 bis 10 abzuweisen, ev. seien die Zivilforderungen auf den Zivilweg zu verweisen, im Subeventualfall gemäss Ziff. 3 sei dem Privatkläger 2 eine angemessene Entschädigung zuzusprechen.
Die vorinstanzlichen Kostenund Entschädigungsfolgen seien in Abän- derung der Ziff. 11 bis 14 ausgangsgemäss neu zu verteilen.
Es sei dem Beschuldigten eine angemessene Entschädigung/Genugtuung für die 1223 Tage, ev. bis zur Haftentlassung unrechtmässig erlittene Haft zuzusprechen.
Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten des Staates.
Die Anträge der Staatsanwaltschaft und des Geschädigtenvertreters von heute seien abzuweisen.
Der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich: (Urk. 230 S. 1)
Es sei der Beschuldigte mit einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren zu bestrafen.
Es sei eine strafvollzugsbegleitende Massnahme nach Art. 63 StPO (recte: StGB), eventualiter eine Verwahrung nach Art. 64 StGB anzuordnen.
Es sei die Berufung des Beschuldigten abzuweisen.
Es seien dem Beschuldigten die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen.
Der Privatklägerschaft A. : (Urk. 231 S. 1)
In Abänderung von Ziff. 10 des vorinstanzlichen Urteils sei die Schadenersatzpflicht des Beschuldigten dem Grundsatze nach festzustellen, zur Feststellung der Höhe des Schadenersatzanspruches sei die Privatklägerin jedoch auf den Weg des Zivilprozesses zu verweisen.
Alles unter Kostenund Entschädigungsfolge zu lasten des Beschuldigten.
Erwägungen:
Am 25. April 2012 verurteilte das Bezirksgericht Zürich, 9. Abteilung, den Beschuldigten wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und einfacher Körperverletzung. Das Verfahren betreffend Tätlichkeit stellte das Gericht ein und vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs sprach es den Beschuldigten frei. Die Strafe wurde auf zehn Jahre Freiheitsstrafe festgesetzt und von der Anordnung einer ambulanten Massnahme wurde abgesehen (Urk. 208).
Gegen dieses Urteil appellierten am 26. April 2012 und 2. bzw. 7. Mai 2012 sowohl der Beschuldigte als auch die Staatsanwaltschaft und die Privatklägerin 3, A. , (Urk. 201, 203 und 204). Die Berufungserklärungen des Beschuldigten, der Staatsanwaltschaft und der Privatklägerin 3 folgten am 6., 13. bzw. 21. Juni
2012 (Urk. 209, 210 und 211). Während der Beschuldigte mit seiner Berufung primär einen vollumfänglichen Freispruch und eventualiter eine mildere Strafe anstrebte, verlangte die Staatsanwaltschaft eine höhere Freiheitsstrafe (13 Jahre) sowie die Anordnung einer ambulanten Massnahme. Die Privatklägerin 3 wiederum beantragte, es sei ihr Schadenersatzbegehren dem Grundsatz nach gutzuheissen und betreffend der Höhe auf den Zivilweg zu verweisen.
Demnach ist das vorinstanzliche Urteil betreffend der Dispositivziffern 2 (Freispruch vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs), 7 (Vernichtung von Kleidern) und 11 (Kostenfestsetzung) unangefochten geblieben. Gleiches gilt für den Beschluss der Vorinstanz, womit das Verfahren wegen Tätlichkeit eingestellt und auf das Genugtuungsbegehren der Privatklägerin 1, CD. , nicht eingetreten wurde.
Am 19. Januar 2011 stellte der damalige Verteidiger des Beschuldigten bei der Vorinstanz den Antrag, sämtliche verfügbaren Strafakten beizuziehen, in welchen FD. als Auskunftsperson als Beschuldigter in Erscheinung getreten sei. Damit sollte die Glaubwürdigkeit des Beschuldigten im Verhältnis zur Familie D. und seine Motivlage bei der Tat erhellt werden. Da jedoch keine
Verwicklung der im vorliegenden Verfahren als Geschädigte auftretenden Mitglieder der Familie D. in die allfälligen Drogendelikte von FD. ersichtlich war, lehnte die Vorinstanz den Beweisantrag ab und zog einzig einen Strafregisterauszug über Letztgenannten (Urk. 62) ein.
Von den am 1. März 2012 von der Verteidigung des Beschuldigten gestellten weiteren Beweisanträgen, wonach sämtliche Telefonkontroll-Protokolle aus der Überwachung des Beschuldigten (ab dem 24. Juli 2008) bzw. aus der Überwachung von FD. (ab dem 26. Juli 2008) beizuziehen seien (Urk. 168), hiess die Vorinstanz den ersteren Antrag gut (vgl. Urk. 174). Am 3. April 2012 erneuerte die Verteidigung des Beschuldigten den Antrag, sämtliche TK-Protokolle im Zusammenhang mit und der Telefonnummer (ab dem 26. Juli 2008) beizuziehen (Urk. 190), wobei beide Male offensichtlich Anschlüsse von FD. gemeint waren. Des Weiteren wurde G. als Zeuge angerufen. Mit Verfügung vom 12. April 2012 lehnte der Vorsitzende des Bezirksgerichts Zürich diese Anträge als verspätet ab (Urk. 192); ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass die TK-Protokolle betreffend die Telefonnummer bereits in den Akten lägen (in Urk. 172 und 173) und nicht ersichtlich sei, was der beantragte Zeuge zur Sache beitragen könne.
Im Berufungsverfahren erneuerte die Verteidigung die bereits früher gestellten beiden Anträge, wonach sämtliche Strafakten, in welchen FD. als Auskunftsperson als Angeschuldigter in Erscheinung getreten sei, beizuziehen seien und wonach G. als Zeuge anzuhören sei (Urk. 211 und 233). Der erste Antrag wurde damit begründet, dass der Beschuldigte behaupte, er sei am Morgen des 26. Juli 2008 auf Geheiss von FD. zur Wohnung der Privatklägerinnen gegangen, um dort Drogen abzuholen, und dass sich aus den Telefonprotokollen entlastende Beweise, insbesondere Hinweise auf ein Drogenund Gelddepot bei der Mutter von FD. , der Privatklägerin 3, ergeben könnten. Nachdem das Berufungsgericht im Rahmen der Sachverhaltserstellung zur Auffassung gelangen wird, dass der Beschuldigte die Wohnung der Privatklägerin
A. mit grösster Wahrscheinlichkeit tatsächlich in der Absicht aufgesucht hat, um dort Drogen zu behändigen, und da nicht ausgeschlossen werden kann, dass
er dazu von FD. beauftragt worden ist, erübrigt sich eine entsprechende Beweisführung durch den Beizug von Strafakten betreffend früherer Drogengeschäfte des FD. .
Sodann bleibt nach wie vor unerfindlich, was der Zeuge G. zur Wahrheitsfindung beitragen könnte, nachdem er am inkriminierten Vorfall nicht anwesend war und nur berichten kann, was die Beteiligten allenfalls später geäussert getan haben. Es ist nicht ersichtlich, was der Zeuge zum konkreten Tatablauf und zu einer allfälligen Notwehrsituation aus eigener Anschauung beitragen könnte, sodass er nicht angehört zu werden braucht. Damit entfällt auch der Eventualbeweisantrag der Staatsanwaltschaft (vgl. Urk. 219).
Als unbegründet erweist sich ebenfalls der weitere Antrag der Verteidigung, wonach die Akten der III. Strafkammer, Geschäfts-Nummern UH110173 und UH110327, beizuziehen seien (vgl. Urk. 211 S. 3). Es handelt sich dabei um Beschwerdeverfahren in Sachen des Beschuldigten betreffend seinen vorzeitigen Strafantritt und bezüglich einschränkender Anordnungen der Staatsanwaltschaft im gleichen Zusammenhang. Die entsprechenden Erledigungsbeschlüsse sind bereits aktenkundig (vgl. Urk. 119 und 161). Weshalb die gesamten Beschwerdeakten beizuziehen seien, hat die Verteidigung nicht näher begründet. Weiterungen erscheinen auch sonst nicht sachdienlich, sind in obgenannten Beschwerdeverfahren doch andere Fragestellungen zu beurteilen als im vorliegenden Verfahren. Auch dieser Beweisantrag ist deshalb abzulehnen.
Die Anklage wirft dem Beschuldigten soweit dies noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist vor, am frühen Samstagmorgen des 26. Juli 2008 um etwa 6 Uhr nach Einlass in die Wohnung am -Weg .. in H. der rund 50jährigen dortigen Wohnungsinhaberin, der Privatklägerin 3, mehrere so heftige Faustschläge ins Gesicht versetzt zu haben, dass diese eine Hirnerschütterung, einen doppelten Bruch des Jochbeins und einen Nasenbeinbruch erlitt. Die Privatklägerin 1, Tochter der Privatklägerin 3, sei durch den Lärm aufgewacht und
habe die Türe ihres Schlafzimmers geöffnet, worauf der Beschuldigte auch ihr sofort einen heftigen Schlag ins Gesicht versetzt habe, sodass sie rückwärts ins Zimmer getaumelt sei. Als daraufhin E. , der Privatkläger 2, der bei seiner Freundin, der Privatklägerin 1, übernachtet hatte, im Türrahmen auftauchte, habe der Beschuldigte sogleich in der Küche ein Rüstmesser geholt und es dem Privatkläger 2 in die linke Halsseite gerammt, wodurch dessen äussere Drosselvene verletzt worden ist, was ohne ärztliche Intervention zum Verbluten des Opfers und somit zu seinem Tod geführt hätte. Anschliessend habe der Beschuldigte auf den Privatkläger 2 ein weiteres Mal mit dem Messer oberflächlich eingestochen und zwar im Bereich des Rippenbogens.
Der Beschuldigte stellt den Sachverhalt gänzlich anders dar: Er habe aus dem Drogengeschäft mit FD. , dem Sohn der Privatklägerin 3, aussteigen wollen und habe dafür das Gespräch mit dessen Mutter gesucht. Da sich die Privatklägerin 3 als nicht daran interessiert gezeigt hätte, habe er wieder gehen wollen, sei aber von den drei Privatklägern daran gehindert worden. Die Verletzungen an diesen seien dann einfach passiert. Sinngemäss macht der Beschuldigte damit Notwehr geltend (vgl. Urk. 229 S. 10 ff.).
Die Vorinstanz hat sich die Sachverhaltserstellung und die Suche nach dem Handlungsmotiv des Beschuldigten nicht leicht gemacht. Sie hat sich insbesondere eingehend mit den Aussagen aller Beteiligten auseinandergesetzt. Sie kam zum Schluss, dass die Aussagen von CD. , Privatklägerin 1, und von
E. , Privatkläger 2, im Kern übereinstimmten und ihre Schilderungen im Gegensatz zu denjenigen des Beschuldigten eine logische und stimmige Abfolge der Ereignisse ergeben würden. Ihre die Anklage stützenden Aussagen hielt die Vorinstanz folglich für glaubhaft und beweisführend.
Die Erwägungen der Vorinstanz erweisen sich als nachvollziehbar und überzeugend, sodass vorab darauf verwiesen werden kann (Urk. 208 S. 12-20). Insbesondere ist der Vorinstanz beizupflichten, dass sich die vom Beschuldigten behauptete Notwehrsituation aus mehreren Gründen für nicht überzeugend erweist: Schon beim Ort, an welchem die Messerstiche erfolgten, gemäss Spurenbild im Schwenkbereich der Zimmertüre, aber noch innerhalb des Schlafzimmers der Privatklägerin 1 (vgl. Urk. 7 und 10/1 S. 2), handelte es sich um den der Wohnungstüre am weitesten entfernten Raum der Wohnung (vgl. Urk. 3/4, 4/6); der Beschuldigte kann sich somit nicht auf dem Weg zum Verlassen der Wohnung befunden haben, woran er von den Privatklägern gehindert worden sein soll. Auch macht es für das angebliche Verlassen-wollen der Wohnung keinen Sinn, dass der Beschuldigte vorgängig noch die Küche aufgesucht hat, ausser um dort das Tatmesser zu behändigen. Wenn es dem Beschuldigten möglich gewesen ist, die Küche aufzusuchen, hätte er auch die Wohnung verlassen können, liegt die Küche doch in der gleichen Richtung. Die Tatsache, dass es in der Folge der Privatkläger 2 war, der blutüberströmt als erster, noch vor dem Beschuldigten, die Wohnung verlassen hat (vgl. Urk. 2/1 S. 5, 2/2 S. 5 f., 3/3 S. 3, 4/5 S. 3), passt ebenfalls nicht zur Darstellung des Beschuldigten, wonach er aus der Wohnung hatte fliehen wollen und er die Privatkläger nur deshalb verletzt hat, weil sie ihn daran zu hindern versucht hätten. Gegen die vom Beschuldigten behauptete Notwehrsituation spricht auch, dass der Beschuldigte selber keine Verletzungen erlitten hat und dies auch nicht geltend macht. Wäre er tatsächlich von drei Personen angegangen worden, hätte er zumindest einige Kratzer davon tragen müssen. Zudem fällt auf, dass seine Schilderungen betreffend Notwehr, insbesondere im Gegensatz zu den Ausführungen betreffend Drogenhandel, auffallend blass, vage, karg und schwammig sind. Er macht im Wesentlichen einfach geltend, die Privatkläger hätten ihn gehalten, und er habe flüchten müssen (vgl. Urk. 2/1 S. 4, 2/2 S. 4 f., 2/3 S. 2, 2/8 S. 3, 229 S. 11).
Die Verteidigung wendet ein, entweder könne auf die Ausführungen CD. s nicht abgestellt werden, da sie die Schläge gegen ihre Mutter gar nicht habe sehen können, weil sie gemäss eigenen Angaben noch in ihrem Schlafzimmer gewesen sei, die Mutter (Privatklägerin 3) sage nicht die
Wahrheit, als sie Erinnerungslücken geltend gemacht habe, beide würden nicht die Wahrheit sagen und hätten die Geschichte gemeinsam zurechtgelegt (Urk. 233 S. 4 und S. 10 f.; Prot. II S. 14 f.). Es leuchtet ein, dass die Privatklägerin 1 die Schläge gegen ihre Mutter nicht hat sehen können, da sie zu jenem Zeitpunkt noch im Bett lag. Aber sie hat im Nachhinein deren Verletzungen gesehen und ihre Schlüsse daraus gezogen. Da sich neben ihr und dem Privatkläger 2 lediglich der Beschuldigte und die Privatklägerin 3 in der Wohnung am -Weg aufgehalten haben, gab es keine andere Erklärung, als dass der Beschuldigte die Privatklägerin 3 geschlagen hat. Die Ausführungen der Privatklägerin 1 sind daher nicht von Vornherein unglaubhaft. Im Übrigen ist durchaus denkbar, dass die damals knapp 50-jährige Privatklägerin 3 aufgrund des brutalen Angriffs des Beschuldigten mit den daraus resultierenden Brüchen und der Hirnerschütterung eine Amnesie erlitten hat. Allerdings kann, wie noch zu zeigen sein wird, auch nicht ausgeschlossen werden, dass sie ein Motiv hatte, eine Amnesie vorzutäuschen, da doch einiges darauf hindeutet, dass sie zumindest von den Drogengeschäften ihres Sohnes wusste.
Mit der Verteidigung (vgl. Urk. 233 S. 15) ist festzustellen, dass CD. und E. teilweise auffallend ausweichende Aussagen zu Protokoll gaben. Dies ist mit ihrem allfälligen Wissen um die Beteiligung von FD. am Drogenhandel erklärbar (vgl. sogleich hinten), was ihnen gemäss dem Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare aber nicht zum Nachteil gereichen darf. Nicht zu vergessen ist auch, dass die Polizei zunächst von einer Tat im Rahmen häuslicher Gewalt ausgegangen ist bzw. eine solche nicht ausgeschlossen hat (vgl. Urk. 1/2 S. 12 f.). Die Privatklägerin 1 wurde denn auch inhaftiert (vgl. Urk. 1/2
S. 13, 1/10 S. 7 f.). Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Privatklägerin 1 und der Privatkläger 2 bezüglich des hier relevanten Kerngeschehens im Wesentlichen übereinstimmend ausgesagt haben. Beide gaben an, im Bett gelegen zu sein und Lärm ausserhalb des Schlafzimmers gehört zu haben, wobei unerheblich ist, woher dieser Lärm stammte. Dies hat die Privatklägerin 1 in der Folge veranlasst nachzuschauen, was geschehen ist.
Der Verteidigung ist beizupflichten, dass der Beschuldigte, ohne einen Widerstand überwinden zu müssen, in die Wohnung der Privatklägerin 3 gelangte. Die Privatklägerin 3 wusste, wen sie hereinliess (vgl. Urk. 233 S. 2 f.). Aufgrund der Aussagen der Beteiligten ist nämlich erstellt, dass sich die beiden kannten bzw. der Beschuldigte schon mindestens ein Mal in der Wohnung der Privatklägerin 3 gewesen war (Urk. 2/2 S. 2, 2/3 S. 4, 3/2 S. 8, 3/3 S. 7, 4/5 S. 8, 6/1 S. 4 f., 6/2 S. 3). Dem Urteil ist zugrunde zu legen, dass es in der Folge zu einer Auseinandersetzung zwischen der Privatklägerin 3 und dem Beschuldigten kam; der Beschuldigte wollte etwas tun behändigen, mit dem die Privatklägerin 3 nicht einverstanden gewesen ist. So kam es zum Schlag gegen diese. Da die Privatklägerin 1 und der Privatkläger 2 noch im Bett lagen, gibt es keine andere Erklärung, als dass der Beschuldigte die Privatklägerin 3 schlug. Es ist auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben der Privatklägerin 1 abzustellen. Ob es ein mehrere Schläge waren, kann an dieser Stelle offen gelassen werden und ist irrelevant, da auch nur ein Schlag das eingetretene Verletzungsbild hervorrufen kann.
Aufgrund des Spurenbildes (vgl. Urk. 7) und der Aussagen der Beteiligten ist davon auszugehen, dass sich die Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und dem Privatkläger 2 im Eingangsbereich des Schlafzimmers der Privatklägerin 1 abspielte. Entgegen den Ausführungen der Verteidigung, wonach die Aussagen CD. s und E. s bezüglich Standort nicht übereinstimmen würden (Urk. 233 S. 17), entsprechen sich diese. Beide führten anlässlich mehrerer Einvernahmen aus, der Messerstich sei bei der Türe zum Schlafzimmer bzw. hinter der Schlafzimmertür erfolgt (Urk. 3/2 S. 4, 3/3 S. 4, 4/1 S. 3, 4/3 S. 2, 4/5 S. 4).
In Anbetracht der nachgewiesenen zeitlichen und örtlichen Umstände und des erstellten Handlungsablaufs drängt sich die Erkenntnis auf, dass der Beschuldigte zur Verwirklichung von unlauteren Absichten von Anfang an als Aggressor aufgetreten ist und er glaubte, dem allfälligen Widerstand der beiden Frauen durch sofortiges Dreinschlagen zuvorkommen zu können. Damit, dass sich in der Wohnung noch eine weitere, gar männliche Person aufhalten würde, welche sich dem Beschuldigten ebenfalls in den Weg stellen würde, hatte er nicht gerechnet. Insofern ist der Vorinstanz zwar zuzustimmen, dass der Beschuldigte sich nicht in der Absicht in die Wohnung begeben hatte, den Privatkläger 2 mit einem Messer zu verletzen; sein sofortiges Gewalttätig-werden gegenüber der Privatklägerin 3 und alsdann gegenüber der Privatklägerin 1 zeugen jedoch davon, dass er geplant hatte, jeden Widerstand von Vornherein auszuschalten, damit er freie Hand haben würde, um in der Wohnung das zu tun, wogegen eben gerade Widerstand zu erwarten war.
Bleibt die Frage, was der Beschuldigte denn in der Wohnung suchte. Die Vorinstanz hat sich dazu in extenso Überlegungen gemacht (Urk. 208 S. 21-38), die aber weit weniger überzeugen als die vorangegangene Widerlegung der vom Beschuldigten behaupteten Notwehrsituation. Insbesondere erscheint es recht abwegig, wenn die Vorinstanz als wahrscheinlichstes Handlungsmotiv des Beschuldigten die Aussicht auf ein sexuelles Abenteuer mit der Privatklägerin 1 annahm. Dazu hätte es im Club I. , woher der Beschuldigte kam, genügend andere Gelegenheiten gegeben. Auch hätte der Beschuldigte dazu nicht vorgängig derart brutal auf die Privatklägerin 3 einzuschlagen brauchen.
Die viel näher liegende Erklärung für die Handlungsweise des Beschuldigten wurde von der Vorinstanz übersehen: Dass er sich nämlich eigenmächtig Drogen aus dem Depot in der Wohnung beschaffen wollte. Die Wohnung als Drogenbunker seines Komplizen war dem Beschuldigten ja bekannt (vgl. u.a. Urk. 2/8 S. 3). Zudem ist zugunsten des Beschuldigten aufgrund seiner Ausführungen und zahlreicher Aktenstellen (vgl. Urk. 42 und 68) davon auszugehen, dass er als sogenannter Läufer im Drogenhandel aktiv war. Dass die Polizei nach der Tat keine Drogen in der Wohnung fand, steht dieser Annahme nicht entgegen, ist doch nicht bekannt, ob es dem Beschuldigten letztlich gelungen ist, die Drogen aus der Wohnung zu entwenden. Und selbst wenn der Beschuldigte dabei im Auftrag von FD. gehandelt haben sollte, was dieser allerdings bestreitet (vgl. Urk. 6/12
S. 2 f.), so hätten die Wohnungsinhaber, vorausgesetzt sie wären grundsätzlich in die Drogenhandelstätigkeit ihres Sohnes und Bruders und in das Bestehen eines Drogendepots in der Wohnung eingeweiht gewesen, sicherlich das ausdrückliche Einverständnis von FD. verlangt, bevor sie es zugelassen hätten, dass der Beschuldigte sich aus dem Depot bedienen würde. Zu dieser Annahme passt die Aussage des Beschuldigten, wonach die Privatkläger Anstalten getroffen hätten, FD. anzurufen, währenddessen sie den Beschuldigten einstweilen festzuhalten versucht hätten. In den gleichen Zusammenhang gestellt werden kann, dass sowohl der Privatkläger 2 wie auch die Privatklägerin 1 aussagten, der Beschuldigte habe ihnen die Natels weggenommen (Aktenverweise in Urk. 208
S. 19). Auffällig ist sodann, dass der Beschuldigte seinen Kollegen FD. gemäss dessen Aussage am Vortag der Tat eigens danach gefragt haben soll, ob
die zwei Frauen allein in der Wohnung lebten (vgl. Urk. 6/2 S. 3, 6/12 S. 8). Nicht völlig ausgeschlossen erscheint allerdings auch die weitere Variante, nach welcher die Wohnungsinhaber grundsätzlich gegen den Drogenhandel eingestellt gewesen wären und trotz einer allfälligen Auftragserteilung durch FD. das Verschieben von Drogen durch den Beschuldigten zu verhindern getrachtet hätten. Allein für all diese Geschehensvarianten bestehen zwar Indizien, der volle Beweis ist jedoch nicht zu erbringen. Auch wenn folglich letztlich unklar bleibt, welche Handlungsmotivation vorgelegen hatte, so erscheint zumindest die von der Vorinstanz ins Auge gefasste Erklärung für das Tun des Beschuldigten, dass er nämlich ein sexuelles Abenteuer mit der Privatklägerin 1 gesucht hätte, als die am Abwegigsten.
Immerhin gelangte im Ergebnis auch die Vorinstanz zum Schluss, dass das Motiv des Beschuldigten, weshalb er die Wohnung am -Weg aufgesucht hatte und wieso er dort gewalttätig geworden ist, letztlich offen bleiben muss. Fest steht für die Vorinstanz einzig soviel, dass der Beschuldigte sich nicht in hehrer Absicht dorthin begeben hatte, dort vielmehr offensichtlich etwas zu tun zu behändigen suchte, wogegen er von Vornherein mit dem Widerstand der beiden Wohnungsinhaberinnen rechnete, einen Widerstand, den er jedoch von Anfang an ausschalten zu können dachte. Dass der Beschuldigte seine Fäuste sehr effizient einzusetzen und damit Gegner ausser Gefecht zu setzen in der Lage war, hat er bereits bei früheren Gelegenheiten bewiesen (vgl. beigezogene Akten betr. Strafbefehl vom 15. August 2001 und Verurteilung vom 10. Dezember 2004). Der Umstand, dass sich für den Beschuldigten diesmal das Brechen des Widerstands, insbesondere wegen der überraschenden Anwesenheit einer dritten Person, als schwieriger denn vorausgesehen erwies, ändert nichts daran, dass er von Anfang an der Aggressor war und von Notwehr deshalb nicht ansatzweise die Rede sein kann.
Aus all diesen Gründen ist in Übereinstimmung mit der Vorinstanz festzustellen, dass der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt mit Ausnahme des dort ebenfalls behaupteten Hausfriedensbruchs rechtsgenügend erstellt ist.
Zudem ist zu Gunsten des Beschuldigten davon auszugehen, dass er der Privatklägerin 3 nicht mehrere, sondern nur einen heftigen Schlag versetzt hat.
Für die rechtliche Würdigung ist auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz zu verweisen (Urk. 208 S. 40-42). Zu wiederholen ist an dieser Stelle, dass der Beschuldigte alles getan hat, um den Tod des Opfers herbeizuführen, und es nur glücklichen Umständen und einem ärztlichen operativen Eingriff zu verdanken ist, dass der Tod beim Opfer nicht eingetreten ist. Der Beschuldigte hat, als er dem Privatkläger 2 in den Hals stach, den Todeseintritt zumindest in Kauf genommen. Dass ein Messerstich, gleichgültig mit welcher Art Messer, eine grosse Gefahr herbeiführt und der Tod des Opfers sehr naheliegend ist, ist allgemein bekannt. Der Privatklägerin 3 hat der Beschuldigte die diversen Verletzungen (Hirnerschütterung, doppelter Bruch des Jochbeins rechts, Nasenbeinbruch) direktvorsätzlich zugefügt. Damit ist der rechtlichen Würdigung der Vorinstanz für den Schuldspruch zu folgen.
Die Vorinstanz hat den Strafrahmen für das schwerste zu sanktionierende Delikt, die versuchte vorsätzliche Tötung, grundsätzlich richtig mit fünf bis 20 Jahren wiedergegeben, nachdem es trotz des Versuchs nicht angezeigt erschien, die Mindeststrafe für dieses Delikt zu unterschreiten. Die objektive Tatschwere würde bei vollendeter Tat hier eine Einsatzstrafe von etwa 15 bis 16 Jahren gebieten. Da der Umstand, dass es beim Tötungsversuch geblieben ist, nicht dem Beschuldigten sondern den glücklichen Umständen und dem operativen Eingriff (vgl. Urk. 8/3
S. 2) zu verdanken ist, er vielmehr alles zum Ableben des Opfers getan hat, vermag das Ausbleiben des Taterfolgs die Strafe um nicht mehr als etwa einen Drittel reduzieren.
Die subjektive Tatschwere quantifiziert den Grad, in welchem sich der subjektive Tatbestand verwirklicht hat. Hier spielen die kriminelle Energie, mit welcher
der Täter vorgegangen ist, seine Unverfrorenheit und seine Skrupellosigkeit sowie die Beweggründe und die Vermeidbarkeit der Verletzung des Rechtsguts eine entscheidende Rolle. Diesbezüglich ist festzustellen, dass die Verwerflichkeit umständehalber als sehr hoch einzustufen ist, da die Todesfolge, obwohl letztlich nur in Kauf genommen (Eventualvorsatz), erkennbar sehr nahe lag. Weiter kommt entscheidend hinzu, dass dem Beschuldigten keinerlei Verminderung der Schuldfähigkeit zu attestieren ist (Urk. 162 S. 51 und S. 57 f.). Unter dem Aspekt der Tatkomponente ergibt sich folglich eine Einsatzstrafe von etwa neun bis zehn Jahren.
Im Weiteren ist der Einfluss der Täterkomponente auf die Strafe zu prüfen. Bezüglich der persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten kann auf die Ausführungen der Vorinstanz zu diesem Punkt verwiesen werden (Urk. 208 S. 44 f.). Ergänzend führte der Beschuldigte anlässlich der Berufungsverhandlung aus, er habe Schulden in der Höhe von ca. Fr. 20'000.bis Fr. 40'000.-; es handle sich um Schulden bei FD. und zufolge der Gerichtsverfahren. FD. habe ihm Geld gegeben, als er in die Schweiz gekommen sei und um die Anwaltskosten aus dem ersten Strafverfahren zu begleichen. Aus der eigentlichen Biografie des Beschuldigten und seinen persönlichen Verhältnissen ergeben sich zwar keine relevanten Strafzumessungsgründe. Allerdings wirken seine zwei Vorstrafen aus den Jahren 2004 und 2006, die hauptsächlich wegen Eigentumsund Gewaltdelikten erwirkt worden sind (Urk. 213), merklich straferhöhend. Auch die Umstände, dass der Beschuldigte Ende Februar 2008 erst gerade aus einer 2 ½ jährigen Freiheitsstrafe bedingt entlassen worden war, und sich trotz erfolgter Ausschaffung und trotz laufender Probezeit für den Strafrest seit Juni 2008 bereits wieder, wenn auch illegal in der Schweiz aufhielt, und hier erneut delinquierte, zeugen von einer Unverbesserlichkeit sondergleichen. Dies wirkt ebenfalls straferhöhend.
Es liegt sodann kein Geständnis vor und ebenso wenig erweist sich der Beschuldigte etwa als besonders strafempfindlich. Milde ist somit nicht am Platz. Unter Berücksichtigung der Täterkomponente ist die Einsatzstrafe somit um weitere ein bis zwei Jahre auf mindestens elf Jahre anzuheben. Insoweit ist der Auffassung der Staatsanwaltschaft zu folgen, wonach die von der Vorinstanz bemessene Einsatzstrafe zu tief angesetzt war.
Wird sodann die zum Tötungsversuch hinzutretende Körperverletzung zum Nachteil der Privatklägerin 3 in die Waagschale geworfen, eine Tat, die ebenfalls von äusserster Brutalität zeugt, so hat dies, der Vorinstanz folgend (Urk. 208
S. 49), eine Straferhöhung von rund einem weiteren Jahr zur Folge. Es handelte sich um einen direktvorsätzlichen, gewalttätigen und rücksichtslosen Angriff auf die Privatklägerin 3 in ihrer eigenen Wohnung. Das diesbezügliche Verschulden ist im Rahmen des Tatbestandes der einfachen Körperverletzung als eher schwer und schon nahe bei einer schweren Körperverletzung einzustufen.
Entgegen den Ausführungen der Verteidigung im Eventualfall (Urk. 233
30) liegt keine Verletzung des Beschleunigungsgebotes vor. Bearbeitungslücken sind nicht ersichtlich und die Untersuchung wurde stetig vorangetrieben (Verhaftung am 4. November 2009; Auslieferung am 18. März 2010; Konfrontationseinvernahmen mit Privatklägerin im April 2010; Konfrontationseinvernahme mit FD. am 16. Juni 2010; Eingang DNA-Gutachten und Konfrontation Beschuldigter damit im August 2010; Anklageerhebung an die Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Zürich 17. September 2010). Nicht ausser Acht gelassen werden darf, dass der Beschuldigte sich der Untersuchung durch seine Flucht nach I. entzog und daher erst am 4. November 2009, mithin 15 Monate nach dem angeklagten Vorfall, verhaftet werden konnte; zudem verzögerte er seine Auslieferung, indem er sich mit der vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden erklärte (Urk. 17/1/19 S. 2).
Im Ergebnis erscheint eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren als dem Tatverschulden und den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten angemessen. Daran sind in Anwendung von Art. 51 StGB 1'224 Tage Haft und vorzeitiger Strafvollzug bis und mit heute anzurechnen.
Die Höhe der Freiheitsstrafe erlaubt weder den bedingten noch den teilbedingten Strafvollzug (Art. 42 f. StGB). Die Freiheitsstrafe ist daher zu vollziehen. Wie die Vorinstanz richtig sah, ist eine Rückversetzung in den bedingt aufgeschobenen Strafrest der letzten Vorstrafe heute kein Thema mehr (vgl. Urk. 208 S. 50).
Die Staatsanwaltschaft hatte vor Vorinstanz ursprünglich die Verwahrung des Beschuldigten nach Art. 64 Abs. 1 StGB beantragt, diesen Antrag nach dem Vorliegen des psychiatrischen Gutachtens über den Beschuldigten jedoch zurückgezogen und dafür eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme nach Art. 63 StGB verlangt. Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen für die Anordnung einer Verwahrung als nicht erfüllt erachtet, da gemäss Gutachten beim Beschuldigten die Wahrscheinlichkeit neuerlicher Gewaltdelikte zwar knapp deutlich einzustufen sei, wobei die Gefahr neuerlicher Tötungsdelikte jedoch niedriger einzustufen sei als die eines Gewaltdelikts anderer Prägung (Urk. 208 S. 51; Gutachten Urk. 162 S. 58). Zwar ist der Auffassung der Staatsanwaltschaft in ihrer Berufungserklärung und ihrem Plädoyer anlässlich der Berufungsverhandlung beizupflichten (Urk. 209 S. 3, 230 S. 3), dass bereits eine Rückfallgefahr für eine der in Art. 64 Abs. 1 StGB erwähnten Katalogtaten und nicht erst für Tötungsdelikte als Voraussetzung für die Anordnung einer Verwahrung ausreichen würde; im vorliegenden Fall erscheint die Rückfallgefahr gesamthaft betrachtet jedoch an der untersten Grenze des für eine Verwahrung Erforderlichen. Nachdem selbst die Staatsanwaltschaft ihren ursprünglichen Antrag auf Verwahrung nicht wieder zum Hauptantrag erhoben hat (vgl. Urk. 209 und 230), kann der Vorinstanz folgend von einer solchen Massnahme, die als ultima ratio anzusehen ist, zurzeit noch abgesehen werden.
Wie bereits in der Hauptverhandlung vor Vorinstanz hat die Staatsanwaltschaft im Berufungsverfahren im Übrigen beantragt, dass für den Beschuldigten eine ambulante Massnahme anzuordnen sei (Urk. 209 S. 2, 230 S. 1 f.). Die Vorinstanz hat diesen Antrag abgelehnt, da gemäss Auffassung des Gutachters die beim Beschuldigten diagnostizierten akzentuierten Persönlichkeitszüge dissozialer Prägung den Krankheitsgrad einer eigentlichen Persönlichkeitsstörung nicht erreichen würden (Urk. 208 S. 53 mit Verweisen). Auch wenn die Vorinstanz die
übrigen Kriterien für die Anordnung einer Massnahme für gegeben erachtete, so sah sie sich mangels Vorliegen einer schweren psychischen Störung beim Beschuldigten ausser Stande, eine solche Anordnung zu treffen. Die Staatsanwaltschaft hält dem im Berufungsverfahren entgegen, dass sich die Persönlichkeitszüge des Beschuldigten gemäss gutachterlicher Feststellung voraussichtlich zu einer eigentlichen Persönlichkeitsstörung verfestigen würden (Urk. 209 S. 2, 230
2). Dies ändert jedoch nichts daran, dass zurzeit nicht alle Voraussetzungen für die Anordnung einer solchen Massnahme gegeben sind. Der ablehnende Entscheid der Vorinstanz ist deshalb zu bestätigen.
Die Vorinstanz hat den vom Beschuldigten verletzten Privatklägern 2 und 3 Genugtuungen von Fr. 20'000.bzw. Fr. 8'000.zuzüglich Zins zugesprochen und das Begehren des Privatklägers 2 im Mehrbetrag abgewiesen (Urk. 208 S. 56 ff.). Diese Entscheide sind von der Vorinstanz nachvollziehbar begründet worden und galten im Berufungsverfahren nur akzessorisch, infolge Anfechtung der Verurteilung wegen Tötungsversuchs und Körperverletzung, als mitangefochten. Nachdem das vorinstanzliche Urteil im Schuldpunkt bestätigt wird, sind die Entscheide der Vorinstanz in Sachen Genugtuung grundsätzlich mit Ausnahme der Höhe der Genugtuung für den Privatkläger 2 ebenfalls zum Berufungsentscheid zu erheben.
Die Verteidigung macht zur Höhe der Genugtuung an den Privatkläger 2 geltend, selbst bei Schuldigsprechung wäre maximal eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 4'000.zuzusprechen; er sei 15 Tage nach dem Vorfall wieder voll arbeitsfähig gewesen und es sei mit folgenloser Ausheilung der Verletzungen gerechnet worden (Urk. 233 S. 31). Diesen Ausführungen ist prinzipiell beizupflichten (vgl. Urk. 8/3 S. 2), weshalb die von der Vorinstanz zugesprochene Genugtuungssumme für den Privatkläger 2 als zu hoch erscheint. Aufgrund der ausgestandenen Todesängste, der bleibenden Narben (insbesondere derjenigen am Hals; vgl. Urk. 3/5), des noch jungen Alters und der Auswirkungen der Straftat auf seine Lebensqualität (Ängste, schmerzende Narben bei Wetterwechseln) rechtfertigt es sich, die Genugtuungsleistung an den Privatkläger 2 auf Fr. 15'000.festzusetzen.
Der Beschuldigte ist daher zu verpflichten, dem Privatkläger 2, E. ,
Fr. 15'000.- und der Privatklägerin 3, A. , Fr. 8'000.-, je zuzüglich 5 % Zins ab dem 26. Juli 2008 als Genugtuung zu bezahlen. Im Mehrbetrag ist das Genugtuungsbegehren des Privatklägers 2 abzuweisen.
Die Privatklägerin 3 verlangte vor Vorinstanz vom Beschuldigten den Ersatz des durch seine Tat verursachten Haushaltsschadens (Fr. 2'058.-) sowie des der Privatklägerin 3 im gleichen Kausalzusammenhang entstandenen Aufwandes für den Wohnungsumzug (Fr. 2'000.-). Der Vorinstanz erschien der geltend gemachte Haushaltsschaden nicht hinreichend begründet und sie verwies die Privatklägerin 3 mit dieser Forderung deshalb auf den Zivilweg (Urk. 208
S. 58). Die Umtriebsentschädigung für den Wohnungsumzug wies die Vorinstanz ab, da keine Vermögensverminderung seitens der Privatklägerin 3 ersichtlich erschien (a.a.O. S. 59).
Berufungshalber stellt die Privatklägerin 3 den Antrag, es sei die Schadenersatzpflicht des Beschuldigten dem Grundsatz nach festzustellen und die Privatklägerin 3 zur Feststellung der Höhe des Anspruchs auf den Weg des Zivilprozesses zu verweisen (Urk. 210 und 231). Diesem Antrag könnte entsprochen werden, wenn die Privatklägerschaft ihre Klage zwar hinreichend begründet und beziffert hätte, die vollständige Beurteilung des Zivilanspruchs jedoch zu aufwändig erscheinen würde, sodass die Klage vom Strafgericht nur dem Grundsatze nach gutgeheissen werden könnte, im Übrigen aber auf den Weg des separaten Zivilprozesses zu verweisen wäre (Art. 126 Abs. 3 StPO).
Vorliegend hat die Vorinstanz jedoch hinsichtlich des geltend gemachten Haushaltsschadens mit gutem Grund festgestellt, dass diese Klage von der Privatklägerin 3 nicht hinreichend begründet worden ist. Dies wurde auch im Berufungsverfahren nicht nachgeholt (Urk. 231 S. 2). Folglich hat es mit der generellen Verweisung der Forderung wegen Haushaltsschadens auf den Zivilweg sein Bewenden.
Was sodann die eingeklagte Umtriebsentschädigung im Zusammenhang mit dem Wohnungswechsel der Privatklägerin 3 angeht, hat die Vorinstanz diesen Anspruch mangels Vermögensverminderung seitens der Privatklägerin 3 abgewiesen. Dass das Strafgericht über anhängig gemachte Zivilklagen materiell entscheiden darf und, wenn spruchreif, muss, ist nicht fraglich (vgl. Art. 126 Abs. 1 StPO). Hinreichende Gründe, die einen anderen Entscheid rechtfertigen würden, hat die Privatklägerin 3 im Berufungsverfahren nicht dargetan. Sie lässt ausführen, die adhäsionsweise Geltendmachung der Zivilansprüche der geschädigten Person solle eine erleichterte und vereinfachte Rechtsdurchsetzung ermöglichen. Müsse ein Zivilverfahren durchgeführt werden, so sei der gesamte Schadenersatzanspruch auf den Zivilweg zu verweisen und nicht eine Teilposition abzuweisen (Urk. 231 S. 2 f.). Hierzu ist festzuhalten, dass der Abspaltung einzelner Teile der Schadenersatzforderung nichts im Wege steht (vgl. BSK StPO-DOLGE, Basel 2011, N 23 f.). Wer Zivilforderungen im Strafverfahren adhäsionsweise geltend macht, verlangt einen materiellen Entscheid und hat nicht Anspruch darauf, dass bei Unbegründetheit seiner Forderung von einem solchen Entscheid abgesehen und die Forderung auf den Zivilweg verwiesen wird. Der abweisende Entscheid der Vorinstanz ist deshalb zu bestätigen.
Nachdem der Schuldspruch der Vorinstanz bestätigt wird, ist an der Kostenund Entschädigungsregelung im angefochtenen Urteil nicht zu rütteln (Dispositivziffern 12-14).
Was die Berufungsinstanz angeht, so unterliegt der Beschuldigte mit seinen Anträgen vollumfänglich und die Staatsanwaltschaft dringt mit ihren Anträgen zumindest teilweise durch. Es unterliegt auch die Privatklägerin 3 mit ihrer den Zivilpunkt betreffenden Berufung, weshalb ihr keine Prozessentschädigung zuzusprechen ist. Ausgangsgemäss sind infolge Unterliegens dem Beschuldigten vier Fünftel und der Privatklägerin 3 ein Zehntel der Berufungskosten aufzuerlegen. Der Rest ist samt den Kosten der amtlichen Verteidigung des Beschuldigten im
Berufungsverfahren auf die Gerichtskasse zu nehmen, wobei für Letzteres der Vorbehalt von Art. 135 Abs. 4 StPO gilt.
Das Gericht beschliesst:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 9. Abteilung, vom 25. April 2012 hinsichtlich der Dispositivziffern 2 (Freispruch vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs) und 7 (Vernichtung von Kleidern) sowie 11 (Kostenaufstellung) sowie der Beschluss vom gleichen Tag (Einstellung des Verfahrens wegen Tätlichkeit und Nichteintreten auf das Genugtuungsbegehren der Privatklägerin 1) in Rechtskraft erwachsen sind.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Das Gericht erkennt:
Der Beschuldigte B. ist schuldig
der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB sowie
der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit 12 Jahren Freiheitsstrafe, wovon bis und mit heute 1'224 Tage durch Haft und vorzeitigen Strafvollzug erstanden sind.
Es wird keine Massnahme angeordnet.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger E. Fr. 15'000.zuzüglich 5 % Zins ab dem 26. Juli 2008 als Genugtuung zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird das Genugtuungsbegehren abgewiesen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin A. Fr. 8'000.zuzüglich 5 % Zins ab dem 26. Juli 2008 als Genugtuung zu bezahlen.
Die Privatklägerin A. wird mit ihrer Schadenersatzforderung im Umfang von Fr. 2'058.auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen. Im Übrigen wird ihre Schadenersatzforderung abgewiesen.
Die vorinstanzliche Kostenund Entschädigungsregelung (Ziffern 12 bis 14) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'600.- ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. amtliche Verteidigung (ausstehend)
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten zu vier Fünfteln und der Privatklägerin A. zu einem Zehntel auferlegt und im Übrigen samt den Kosten der amtlichen Verteidigung des Beschuldigten im Berufungsverfahren auf die Gerichtskasse genommen. Vorbehalten bleibt gegenüber dem Beschuldigten eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Angeklagten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (übergeben)
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste (versandt)
die Strafanstalt durch den zuführenden Polizeibeamten (übergeben)
den Vertreter der Privatklägerin A. im Doppel für sich und zuhanden der Privatklägerin (übergeben)
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Angeklagten
die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich
den Vertreter der Privatklägerin A. , im Doppel für sich und zuhanden der Privatklägerin
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste
das Migrationsamt des Kantons Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A
die KOST Zürich mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Bestimmung der Vernichtungsund Löschungsdaten.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Zürich, 12. März 2013
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Spiess
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. Maurer
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.