Zusammenfassung des Urteils SB120031: Obergericht des Kantons Zürich
Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, hat am 29. Juni 2012 ein Urteil in einem Fall von mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gefällt. Der Beschuldigte wurde schuldig gesprochen und zu 6 ¾ Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 3'000 wurden dem Beschuldigten auferlegt, aber abgeschrieben. Die Berufung wurde abgewiesen. Das Urteil wurde vom Oberrichter lic. iur. Th. Meyer gefällt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB120031 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 29.06.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | mehrfache qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz etc. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Vorinstanz; Beschuldigten; Drogen; Anklage; Urteil; Betäubungsmittel; Widerhandlung; Staat; Staatsanwaltschaft; Kantons; Betäubungsmittelgesetz; Berufung; Zumessung; Menge; Einfuhr; Recht; Gericht; BetmG; Anklageschrift; Geldwäscherei; Freiheitsstrafe; Verschulden; Reinheit; Geständnis; Urteils; Reinheitsgrad |
Rechtsnorm: | Art. 135 StPO ;Art. 25 StGB ;Art. 252 StGB ;Art. 255 StGB ;Art. 329 StPO ;Art. 404 StPO ;Art. 47 StGB ;Art. 53 StGB ;Art. 83 StPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB120031-O/U/cs
Mitwirkend: die Oberrichter lic.iur. Th. Meyer, Vorsitzender, lic.iur. Ruggli und lic.iur. et phil. Glur sowie der Gerichtsschreiber lic.iur. Hafner
Urteil vom 29. Juni 2012
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
gegen
Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend mehrfache qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz etc.
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich vom 9. Mai 2011 (Urk. 12/6) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
Der Beschuldigte ist schuldig
der mehrfachen qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 und 6 aBetmG in Verbindung mit Art. 19 Ziff. 2 lit. a und b aBetmG (Anklageziffern Aa, Ac - Ag),
der Gehilfenschaft zur qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 25 StGB (Anklageziffer Ab),
der mehrfachen Geldwäscherei im Sinne von Art. 305 bis Ziff. 1 StGB (Anklageziffer B),
der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer im Sinne von Art. 115 Abs. 1 lit. a und b AuG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 lit. a AuG und Art. 9 Abs. 2 VZAE (Anklageziffer C).
Der Beschuldigte wird freigesprochen von der Fälschung von Ausweisen im Sinne von Art. 252 StGB in Verbindung mit Art. 255 StGB (Anklageziffer D).
Der Beschuldigte wird bestraft mit 6 ¾ Jahren Freiheitsstrafe, wovon 865 Tage durch Haft erstanden sind.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft II vom 7. Februar 2011 beschlagnahmten Gegenstände (2 Mobiltelefone, 2 SIM-Karten, 4 Ladegeräte für
Mobiltelefone, 12 Lebara-Sets, 1 sep. SIM-Karte) werden einund zur Kostendeckung herangezogen.
Der mit Verfügung der Staatsanwaltschaft II vom 7. Februar 2011 beschlagnahmte verfälschte Reisepass von B. (Nr. ..., lautend auf C. , tt.mm.jjjj) sowie die verfälschte Identitätskarte von B. (Nr. , lautend auf C. , tt.mm.jjjj) werden eingezogen und der Kantonspolizei zur gutscheinenden Verwendung überlassen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt; davon ausgenommen sind die Kosten der amtlichen Verteidigung, welche einstweilen und unter Vorbehalt von Art. 135 Abs. 4 StPO von der Gerichtskasse übernommen werden.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 74 S. 2)
Es sei die im Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 5. Oktober 2011 gegen den Beschuldigten und Berufungskläger ausgefällte Freiheitsstrafe von 6 ¾ Jahren auf 4 Jahre zu reduzieren.
Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Gerichtskasse.
Der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich: (Urk. 78 S. 2)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Erwägungen:
Am 9. Mai 2011 erhob die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich die diesem Urteil beigeheftete Anklage gegen den Beschuldigten an das Bezirksgericht Bülach wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, Geldwäscherei und Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz (Urk. 12/6). Eine erste Fassung der Anklageschrift vom 22. März 2011 war mit Beschluss vom 15. April 2011 in Anwendung von Art. 329 Abs. 2 StPO zur Ergänzung an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen worden (Urk. 12/3).
Die Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Bülach fand am 15. und am
27. September 2011 statt. Es wurde gleichzeitig über die Beschuldigten D. , E. und F. verhandelt (Prot. I S. 5 ff.). Das Urteil wurde den Parteien am 5. Oktober 2011 im Anschluss an die geheime Urteilsberatung mündlich eröffnet und im Dispositiv übergeben (Prot. I S. 24 f.). Am folgenden Tag meldete der Beschuldigte die Berufung an (Urk. 47). Die schriftliche Urteilsbegründung erhielten die Parteivertreter am 10. Januar 2012 (Urk. 57).
In seiner schriftlichen Berufungserklärung vom 12. Januar 2012 beschränkte der Verteidiger des Beschuldigten die Berufung auf die Strafzumessung (Urk. 61). Die Staatsanwaltschaft verzichtete mit Eingabe vom 10. Februar 2012 auf Anschlussberufung und beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 67). Das vorinstanzliche Urteil ist demnach ausser in Bezug auf die Strafzumessung (Dispositiv-Ziffer 3) in Rechtskraft erwachsen, was vorab festzustellen ist.
Über die Berufung des Beschuldigten wurde gleichzeitig mit den Berufungen der Mitangeklagten F. (Verfahren SB120032) und E. (SB120033) verhandelt (Prot. II S. 3 ff.).
Die Vorinstanz verurteilte den Beschuldigten wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz i.S. von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 und 6 i.V.m. Art. 19 Ziff. 2 lit. a und b aBetmG sowie Gehilfenschaft zur (qualifizierten; vgl. dazu unten c) Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz i.S. von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 i.V. m. Art. 25 StGB. Weiter sprach sie ihn schuldig der mehrfachen Geldwäscherei i.S. von Art. 305bis Ziff. 1 StGB und der Widerhandlung gegen das Ausländergesetz i. S. von Art. 115 Abs. 1 lit. a und b AuG i.v. Art. 5 Abs. 1 lit. a AuG und Art. 9 Abs. 2 VZAE.
Dieser Schuldspruch bildet die Basis der Strafzumessung. Insoweit wurde das vorinstanzliche Urteil nicht angefochten und ist daher grundsätzlich nicht zu überprüfen (Art. 404 StPO). Zu den Schuldsprüchen wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelrecht drängen sich jedoch die folgenden Bemerkungen auf.
Obwohl die Anklage daneben auch die Tathandlungen des Abs. 3 (Einfuhr) und des Abs. 5 (Besitz) erwähnt, verurteilte die Vorinstanz den Beschuldigten lediglich wegen Verkaufs (Abs. 4) bzw. Anstaltentreffens dazu (Abs. 6), was sie mit der Lehrmeinung begründete, diese Handlungen würden als Vorstufen derselben deliktischen Tätigkeit im Verkauf aufgehen (Urk. 59 S. 19 E. 3.2 m.H. auf Fingerhuth / Tschurr, Betäubungsmittelgesetz, Art. 19 BetmG N 128). Diese Überlegung passt jedoch nicht auf Fälle internationalen Drogenschmuggels, wo die Einfuhr der Drogen im Mittelpunkt steht. Soweit die Drogen nicht ausschliesslich für den Eigenkonsum importiert werden, was bei derartigen Mengen wohl nie der Fall sein dürfte, kommt es in der Folge immer auch zur Weitergabe. Im Geist der zitierten
Lehrmeinung müsste unter diesen Umständen in erster Linie eine Verurteilung wegen Einfuhr i.S. von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 aBetmG erfolgen. Um eine unterschiedliche Verwendung verschiedener Teile der importierten Drogen, z.B. eine Aufteilung auf verschiedene Mittäter, besser erfassen zu können, empfiehlt es sich jedoch in solchen Konstellationen, daneben zumindest auch die Tathandlung des Inverkehrbringens zu erwähnen.
Auf das Verschulden des Beschuldigten und damit auf die Strafzumessung wirkt sich diese Ungenauigkeit jedoch grundsätzlich nicht aus. Die Vorinstanz geht davon aus, dass sämtliche weiteren Verstösse des Beschuldigten gegen das Betäubungsmittelgesetz durch den Schuldspruch wegen Verkaufs i.S. von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 aBetmG abgedeckt werden.
In Bezug auf die Gehilfenschaft zur Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz ging die Vorinstanz von einem qualifizierten Fall i.S. von Art. 19 Ziff. 2 lit. a aBetmG aus, wie sich auch aus der Begründung ergibt (Urk. 59 S. 15 E. 3.1.3), ohne dies im Dispositiv zu erwähnen. Es handelt sich dabei um ein Versehen, das grundsätzlich der Berichtigung zugänglich ist, was jedoch (da der Schuldpunkt unangefochten blieb) in die Zuständigkeit der Vorinstanz fällt (Art. 83 StPO). Auf die Strafzumessung wirkt sich dieser Umstand nicht aus.
Die Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes wurden per 1. Juli 2011 revidiert. Neben Änderungen der Systematik brachte diese Revision eine Aufwertung des Anstaltentreffens zu einem Strafmilderungsgrund (Art. 19 Abs. 3 lit. a BetmG). Während die Tatbestandsvariante des Anstaltentreffens als Sonderform des Versuchs schon bisher strafmindernd zu berücksichtigen war, ermöglicht diese Änderung eine Erweiterung des Strafrahmens nach unten, was bedeutet, dass die Mindeststrafe von einem Jahr für einen qualifizierten Fall unterschritten werden kann. Die Vorinstanz hat allerdings richtig erkannt, dass dafür vorliegend kein Anlass besteht (Urk. 59 S. 18 f. E. 2). Das neue Recht erweist sich daher im konkreten Vergleich nicht als milder, so dass das Betäubungsmittelgesetz in seiner alten Fassung zur Anwendung kommt, die zur Tatzeit in Kraft war.
Die Vorinstanz hat den Strafrahmen zutreffend umrissen, der sich angesichts der verschiedenen Straftaten des Beschuldigten aufspannt (Urk. 59 S. 23
E. 1). Wegen der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz ist eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr auszufällen. Die obere Grenze des Strafrahmens liegt bei zwanzig Jahren. Mit der Freiheitsstrafe kann eine Geldstrafe kombiniert werden.
Innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden zu. Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Neben dem Verschulden werden das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters berücksichtigt (Art. 47 StGB).
Die Vorinstanz hat die besonderen Regeln für die Strafzumessung bei Betäubungsmitteldelikten nachvollziehbar wiedergegeben und auf den vorliegenden Fall zur Anwendung gebracht (Urk. 59 S. 24 f. E. 2).
Zur Bedeutung der Menge und des Reinheitsgrades ist anzumerken, dass die Ausgestaltung der Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz als abstrakte Gefährdungsdelikte dazu führt, dass das objektive Verschulden an diese Faktoren anknüpft, da die Gefährdung der öffentlichen Gesundheit in erster Linie davon abhängt, wie viele Endkonsumenten als Folge einer Tat mit Stoff versorgt werden können. Lehre und Rechtsprechung warnen zwar davor, die Bedeutung der Drogenmenge für die Strafzumessung zu überschätzen und die übrigen Tatumstände zu vernachlässigen. Das setzt jedoch voraus, dass es weitere wesentliche verschuldensrelevante Tatumstände gibt bzw. dass solche bekannt sind. Gerade bei Drogentransportfällen ist das oft nur sehr beschränkt der Fall, so dass die Menge dennoch faktisch der wichtigste Strafzumessungsfaktor bleibt, was darin zum Ausdruck kommt, dass die Menge, verbunden mit dem - delikttypisch hohen (vgl. dazu sogleich unten) - Reinheitsgrad, in der Regel den Ausgangspunkt der Strafzumessung im Einzelfall bildet, so auch hier (Urk. 59 S. 28 E. 4.1).
Wie der Verteidiger vor der Vorinstanz richtig bemerkte, geht aus der Analyse der an jenem Tag beschlagnahmten Drogen durch den Wissenschaftlichen Dienst der Stadtpolizei Zürich hervor, dass am 23. Mai 2009 eine Menge von 12,384 kg reinem Kokain eingeführt wurde (Urk. 34 S. 8 Ziff. 8 m.H. auf Urk. 5/2). Da die Anklageschrift die unterschiedlichen Reinheitsgrade der verschiedenen Teile dieser Lieferung nicht im Einzelnen aufführt, sondern lediglich eine Bandbreite (zwischen 66 % und 79 %; Urk. 12/6 S. 9) nennt, ist jedoch im Ergebnis mit der Vorinstanz (Urk. 59 S. 26 E. 3.3) zugunsten des Angeklagten von einem Reinheitsgrad von 66 % als dem tiefsten der genannten Werte auszugehen.
Aufgrund des soeben erwähnten Reinheitsgrades der am 23. Mai 2009 beschlagnahmten Drogen und vor dem Hintergrund der von der Vorinstanz angeführten statistischen Vergleichsdaten und insbesondere der gerichtsnotorisch hohen Reinheit der auf dem Luftweg eingeführten Betäubungsmittel (vgl. dazu die Bemerkungen zu den bei der Verwendung von Schleusern anfallenden hohen Nebenkosten im polizeilichen Schlussbericht; Urk. 1/6 S. 50 Ziff. 5) ist die von der Vorinstanz getroffene Annahme eines Reinheitsgrades von 61 % (als tiefstem der in der Anklageschrift genannten Werte; vgl. Urk. 12/6) für die übrigen Einfuhrmengen im Hinblick auf die Unschuldsvermutung nicht zu beanstanden (Urk. 59 S. 25 ff. E. 3).
Grundlage der Strafzumessung bildet die schwerste Einzeltat, für die eine Einsatzstrafe festzusetzen ist. Vorliegend erscheint es sachgerecht, die einzelnen Drogeneinfuhren, die jeweils den Gegenstand eines Anklagepunktes bilden, als Einheit aufzufassen und nicht zwischen den dabei verwirklichten Tatbestandsvarianten (d.h. Einfuhr, Besitz und Weitergabe) zu unterscheiden, da diesen Tathandlungen jeweils ein einheitlicher Tatentschluss zugrunde liegt. Die Einsatzstrafe ist anschliessend für die weiteren Taten unter Berücksichtigung des Asperationsprinzips angemessen zu erhöhen. Indem die Vorinstanz die bei den verschiedenen Einfuhren verschobenen Drogenmengen zusammenzählte und ausgehend vom so errechneten Total von 28 kg (netto) eine Einsatzstrafe festsetzte (Urk. 59
S. 28 E. 4.1 und 4.3), ist sie vom gesetzlich vorgegebenen Vorgehen abgewichen. Wie sich zeigen wird, wirkt sich das im Ergebnis jedoch nicht aus.
Schwerste Einzeltat ist aufgrund der doppelt so grossen Menge wie in den anderen Fällen die - durch den polizeilichen Zugriff letztlich vereitelte - Drogeneinfuhr vom 23. Mai 2012, bei der eine Menge von 16 kg brutto eingeführt wurde, was gemäss erstelltem Sachverhalt der Vorinstanz einer Menge von 10,56 kg reinem Kokain entspricht. Das ist auch für diese Vorgehensweise eine grosse Menge, und das damit verbundene objektive Verschulden wiegt schwer. Dass es beim Anstaltentreffen als betäubungsmittelrechtlichem Spezialfall des Versuchs blieb, ist zwar nicht dem Handeln des Beschuldigten zuzuschreiben. Die damit verbundene Verringerung des von den Drogen ausgehenden Gefährdungspotentials setzt jedoch die objektive Tatschwere herab.
Der Beschuldigte stand zwar nicht auf der untersten Hierarchiestufe, er war jedoch auch nicht der Organisator der Einfuhr vom 23. Mai 2009. Seine im Vergleich zu den Hintermännern in der G. [Staat] den Schleusern in der Schweiz vergleichsweise bescheidene Belohnung (vgl. Urk. 1/6 S. 50 f. Ziff. 6; Urk. 26 S. 24 f.) deutet auf eine untergeordnete Rolle hin. Wie aus den Anklagesachverhalten betreffend Geldwäscherei (Anklageschrift lit. B) hervorgeht, musste er den Erlös aus dem Verkauf des eingeführten Kokains den Auftraggebern in der G. abliefern. Allerdings plante er, ein Kilogramm der Lieferung vom 23. Mai 2012 auf eigene Rechnung zu verkaufen, was einen grösseren Gewinn ermöglicht hätte. Zur Finanzierung hatte er zusammen mit dem Mitangeklagten F. (Verfahren SB120032) ein Darlehen von EUR 65'000.-aufgenommen (Urk. 2/23
S. 10; Urk. 26 S. 32). Diese Eigeninitiative ist Ausdruck einer durchaus vorhandenen kriminellen Energie. Präzisierend zur Vorinstanz ist seine Rolle dennoch eher im unteren Bereich der Hierarchie anzusiedeln, auf der Stufe eines Unteroffiziers.
In Anbetracht der objektiven und subjektiven Tatschwere wäre für die Einfuhr von 10,56 kg reinem Kokain am 23. Mai 2009 eine hypothetische Einsatzstrafe von rund 9 Jahren angemessen.
Betrachtet man sämtliche Anklagepunkte betreffend Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, so fällt auf, dass es sich dabei (mit Ausnahme des Vorfalls von Mitte November 2008 gemäss Anklageschrift lit. Ab, wo die Vorinstanz auf Gehilfenschaft erkannte und der verschuldensmässig neben den anderen
Drogendelikten nicht mehr wesentlich ins Gewicht fällt) um eine Serie von sechs Drogeneinfuhren handelt, was die Vorinstanz zurecht als hohe Anzahl bezeichnete (Urk. 59 S. 29 E. 4.6). Laut Anklage stieg die Einfuhrmenge im Verlauf von acht Monaten von rund 2 kg netto auf gut 10 kg netto. Die Polizei geht allerdings von einer konstanten Menge von rund 8 kg aus, die sich jedoch nicht nachweisen liess und dem Beschuldigten überdies nicht bekannt gewesen sei (Urk. 1/6 S. 49 f.). Zwar konnte der Beschuldigte in seiner Position kaum Einfluss auf die Menge nehmen. Indem er einen Teil der Lieferung vom 23. Mai 2012 auf eigene Rechnung verkaufen wollte, trug er jedoch selbst zur Steigerung der Einfuhrmenge bei. Insofern ist ihm diese verschuldensmässig zuzurechnen. Insgesamt ist auch hier von einem schweren objektiven und subjektiven Tatverschulden auszugehen. Die hypothetische Einsatzstrafe wäre demnach um mehrere Jahre zu erhöhen.
Bezüglich der Geldwäscherei ist für die objektive Tatschwere massgebend, dass durch den Beschuldigten und seine Mittäter EUR 131'000.--, welche vollumfänglich aus dem Verkauf der am 27. März 2009 eingeführten Drogen stammten, aus der Schweiz in die G. geschmuggelt und dort H. übergeben wurden. Dies ist auch nach den Massstäben des internationalen Drogenhandels eine nicht unbedeutende Summe, die so dem Zugriff der Behörden entzogen wurde. Diese Tathandlungen sind keine logisch folgenden Nachtaten eines Drogendeals, wie es die Vorinstanz annimmt (Urk. 59 S. 34) und werden nicht bereits vom Unrechtsgehalt der eigentlichen Drogendelikte umfasst. Subjektiv kann auf die obigen Ausführungen zu den Betäubungsmitteldelikten verwiesen werden. Dementsprechend ist das objektive und subjektive Tatverschulden bezüglich der Geldwäscherei als nicht mehr leicht einzustufen und die hypothetische Einsatzstrafe entsprechend zu erhöhen.
Die Widerhandlung gegen das Ausländergesetz gemäss Anklageschrift lit. C betrifft einen illegalen Aufenthalt von rund zwei Monaten, was neben den Drogendelikten und der Geldwäscherei verschuldensmässig nur unwesentlich ins Gewicht fällt.
Sowohl die persönlichen Verhältnisse als auch das Vorleben des Beschuldigten wurden von der Vorinstanz richtig wiedergegeben (Urk. 59 S. 31. ff. E.
4.11-4.13). Anlässlich der Berufungsverhandlung erklärte der Beschuldigte, sein Sohn, sein Bruder und seine Frau hätten aus seinem Haus in I. [Stadt in
G. ] fliehen müssen, da sie durch H. , den Drahtzieher und Hintermann der Drogenimporte, gefährdet seien (Urk. 72 S. 1 f.). Dass der Beschuldigte mit seinem kooperativen Verhalten in der Strafuntersuchung sich und seine Familie in Gefahr brachte, ist Ernst zu nehmen und bei der Würdigung des Nachtatverhaltens zu berücksichtigen (dazu sogleich). Daraus ergeben sich keine weiteren Folgerungen für die Strafzumessung. Auf die entsprechenden Ausführungen der Vorinstanz kann verwiesen werden.
Strittig ist in erster Linie, in welchem Umfang die Strafe wegen des Geständnisses und des kooperativen Verhaltens des Beschuldigten in der Untersuchung zu mindern ist. Dass diese Voraussetzungen gegeben sind und deswegen eine Reduktion zu erfolgen hat, ist unbestritten und wird insbesondere auch von der Staatsanwaltschaft anerkannt, die eine sehr deutliche Strafminderung für angezeigt hält (Urk. 33 S. 19 ff.). Mit der von der Vorinstanz gewährten Herabsetzung von zwei Fünfteln (Urk. 59 S. 34 E. 4.16) ist der Beschuldigte jedoch nicht zufrieden. Er moniert, die Vorinstanz habe sich verrechnet (Urk. 71/2 S. 5 und Urk. 74 S. 3). Dabei bezieht er sich auf Äusserungen, die anlässlich der mündlichen Urteilseröffnung gefallen seien. Diese sind jedoch gegenüber der schriftlichen Urteilsbegründung von vornherein nicht verbindlich.
Mit der Begründung, man könne nur gestehen, was man selbst getan hat, weshalb die Belastung von Dritten durch den sogenannten Geständnisbonus von einem Fünftel bis ein Drittel nicht abgegolten sei, reduzierte die Staatsanwaltschaft die beantragte Strafe insgesamt um rund 45 % (Urk. 33 S. 20). Die Vorinstanz liess neben dem Geständnis eine zusätzliche Reduktion wegen Reue und Einsicht zu und kam so auf eine Gesamtreduktion im Bereich von zwei Fünfteln (Urk. 59 S. 34).
Regeln darüber, welche prozentuale Strafreduktion wegen eines Geständnisses angezeigt ist, mögen im Massengeschäft ihre Berechtigung haben. In der Gerichtspraxis behindern sie hingegen die vorgeschriebene einzelfallweise Betrachtung. Die Angabe einer Bandbreite, in der sich die Reduktion wegen eines Geständnisses üblicherweise bewegt, dient vor diesem Hintergrund lediglich der Kontrolle und hat zur Folge, dass eine Abweichung eingehender zu begründen ist.
Die Überlegung, dass ein Geständnis und die Belastung anderer nicht dasselbe sind, trifft zu. Es ist deshalb auch nichts dagegen einzuwenden, wenn wegen des Geständnisses und wegen der Belastung anderer je eine Strafminderung erfolgt. Vorbehältlich der Voraussetzungen von Art. 53 StGB (Wiedergutmachung) kann es jedoch nicht soweit kommen, dass das Verschulden durch das Nachtatverhalten weitgehend kompensiert wird, sondern der Raum für eine Reduktion unter diesem Titel ist grundsätzlich beschränkt und wird hier von der Staatsanwaltschaft und der Vorinstanz grosszügig ausgeschöpft.
Die Kooperationsbereitschaft des Beschuldigten wurde insbesondere auch im Hinblick auf die möglichen negativen Folgen für sich und seine Familie zurecht als aussergewöhnlich gewürdigt. Es ist jedoch anzumerken, dass diese Haltung von der objektiven Beweislage nicht ganz unbeeinflusst war, wie der wiederholte Verweis des Beschuldigten auf die vorgehaltenen Protokolle der Telefonkontrolle belegt (vgl. etwa Urk. 2/23 S. 5 und S. 12). Im Hinblick auf das vorliegende Rechtsmittelverfahren ist überdies keineswegs ausgeschlossen, dass sein Aussageverhalten (auch) taktisch motiviert ist (Urk. 34 S. 12 Ziff. 15).
Zu einer weiteren Minderung unter die von der Vorinstanz ausgefällte Strafe von 6
¾ Jahren besteht kein Anlass, da diese Strafe angesichts einer verschuldensadäquaten Strafe von gegen 15 Jahren auch in Anbetracht der aussergewöhnlichen Kooperationsbereitschaft des Beschuldigten bereits zu tief ausgefallen ist. Aus strafprozessualen Gründen kann aber nicht über die von der Vorinstanz verhängte Freiheitsstrafe von 6 ¾ Jahren hinausgegangen werden.
Das Urteil der Vorinstanz ist damit zu bestätigen, soweit es angefochten wurde. Der Beschuldigte ist demnach zu einer Freiheitsstrafe von 6 ¾ Jahren zu verurteilen. Daran ist die erstandene Haft von 1'133 Tagen anzurechnen.
Die Berufung wird abgewiesen. Der Beschuldigte wird daher grundsätzlich kostenpflichtig. Mit Blick auf seine finanziellen Verhältnisse sind die Kosten jedoch sofort abzuschreiben.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 5. Oktober 2011 mit Ausnahme von Dispositivziffer 3 (Strafzumessung) vollumfänglich in Rechtskraft erwachsen ist.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
wird bestraft mit 6 3/4 Jahren Freiheitsstrafe, wovon 1'133 Tage durch Untersuchungsund Sicherheitshaft sowie vorzeitigen Strafvollzug erstanden sind.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.wird dem Beschuldigten auferlegt, aber abgeschrieben.
Die Kosten der amtlichen Verteidigung vor zweiter Instanz (Betrag ausstehend) werden auf die Gerichtskasse genommen unter Vorbehalt der Rückerstattungspflicht gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Angeklagten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich (übergeben)
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Angeklagten
die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich
die Bundesanwaltschaft
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste
das Migrationsamt des Kantons Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 29. Juni 2012
Der Vorsitzende:
Oberrichter lic. iur. Th. Meyer
Der Gerichtsschreiber:
lic. iur. Hafner
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