Zusammenfassung des Urteils SB110733: Obergericht des Kantons Zürich
Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 19. März 2012 betrifft einen Beschuldigten, der des Fahrens trotz Entzugs des Führerausweises angeklagt war. Der Beschuldigte wurde freigesprochen, da er nachweislich davon ausging, dass das von ihm geführte Fahrzeug unter die Kategorie G fiel, die er lenken durfte. Die Kosten des Verfahrens werden der Gerichtskasse auferlegt, und dem Beschuldigten wird eine Prozessentschädigung von CHF 3'300.- zugesprochen. Der Richter ist Dr. F. Bollinger, und die Gerichtsschreiberin ist lic. iur. J. Stark.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB110733 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 19.03.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Fahren trotz Entzug des Führerausweises |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Fahrzeug; Beschuldigten; Kategorie; Zeuge; Aussage; Fahrzeuge; Aussagen; Führerausweis; Berufung; Sachverhalt; Staats; Zeugen; Höchstgeschwindigkeit; Urteil; Staatsanwalt; Entzug; Vorinstanz; Verfügung; Staatsanwaltschaft; Strassenverkehrsamt; Gericht; Winterthur; üglich |
Rechtsnorm: | Art. 102 SVG ;Art. 13 StGB ;Art. 2 StGB ;Art. 402 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 437 StPO ;Art. 55 VTS ;Art. 82 StPO ;Art. 95 SVG ; |
Referenz BGE: | 117 IV 302; 120 Ia 31; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB110733-O/U/eh
Mitwirkend: Oberrichter Dr. F. Bollinger, Präsident, Oberrichterin lic. iur.
L. Chitvanni und Ersatzoberrichterin lic. iur. C. Brenn sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. Stark
Urteil vom 19. März 2012
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
vertreten durch Leitenden Staatsanwalt Dr. iur. R. Jäger,
Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom
uni 2011 (Urk. 15) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz vom 29. August 2011:
(Urk. 31)
Der Beschuldigte ist schuldig des Fahrens trotz Entzug im Sinne von Art. 95 Ziff. 2 SVG.
Anstelle einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen wird der Beschuldigte mit 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit bestraft.
Der Vollzug der gemeinnützigen Arbeit wird nicht aufgeschoben.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.
Wird keine Begründung dieses Entscheides verlangt, so ermässigt sich die Entscheidgebühr auf 2/3.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 47 S. 1)
Der Beschuldigte sei freizusprechen.
Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten des Staats.
Der Vertretung der Staatsanwaltschaft: (Urk. 38, schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Erwägungen:
Verfahrensgang
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Winterthur vom 29. August 2011 wurde der Beschuldigte A. (nachfolgend der Beschuldigte) des Fahrens trotz Entzuges im Sinne von Art. 95 Ziff. 2 SVG schuldig gesprochen. Dafür wurde er mit 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit bestraft, wobei der Vollzug nicht aufgeschoben wurde (Urk. 31 S. 15).
Am 7. September 2011 erklärte der Beschuldigte gegenüber dem zuständigen Gerichtsschreiber des Bezirksgerichtes Winterthur telefonisch die Berufung gegen obgenanntes Urteil, was in einer Aktennotiz festgehalten wurde (Urk. 22). Mit Eingabe vom 9. September 2011 (Datum Poststempel 8. September 2011) meldete der Beschuldigte die Berufung innert Frist auch schriftlich an (Urk. 23). Nach Zustellung des begründeten Entscheids (Urk. 27 = Urk. 31), liess der
inzwischen anwaltlich verteidigte (Urk. 25+26) - Beschuldigte fristgerecht am
6. Juli 2011 seine Berufungserklärung einreichen; auf Beweisanträge wurde verzichtet (Urk. 33).
Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland erhob weder Berufung noch Anschlussberufung, sondern beantragte mit Schreiben vom 12. Januar 2012 die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils und verzichtete ebenfalls darauf, Beweisanträge zu stellen (Urk. 38).
Zu Beginn der heutigen Berufungsverhandlung, zu welcher der Beschuldigte und sein Verteidiger erschienen sind, waren weder Vorfragen zu entscheiden noch Beweise abzunehmen, jedoch reichte der Verteidiger mit seinen Plädoyernotizen zwei Beilagen ein (Prot. II S. 5; Urk. 48/1-2). Das vorliegende Urteil erging im Anschluss an die Berufungsverhandlung (Prot. II S. 6 f.).
Umfang der Berufung
Der Beschuldigte beantragt, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben, und verlangt einen Freispruch unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten des Staates (Urk. 33 S. 2 und Urk. 47 S. 1). Das vorinstanzliche Urteil ist damit insgesamt angefochten und in keinem Punkt in Rechtskraft erwachsen (Art. 402 StPO und Art. 437 StPO).
Anwendbares Recht
Das angefochtene Urteil datiert vom 29. August 2011. Am 1. Januar 2012 ist der revidierte Art. 95 SVG in Kraft getreten. Der neue Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG, der das Fahren trotz Entzuges bzw. neu Fahren ohne Berechtigung regelt, stimmt inhaltlich und bezüglich der Strafandrohung mit Art. 95 Ziff. 2 aSVG überein. Da damit das neue Recht nicht milder ist, ist vorliegend Art. 95 Ziff. 2 aSVG anzuwenden (Art. 102 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 StGB).
Beweisantrag
Vor Vorinstanz stellte der Beschuldigte den Beweisantrag, es seien sein Ex-Geschäftspartner sowie Personen, die ihn während des Führerausweisentzuges herumchauffiert hätten, als Zeugen zu befragen. Diese Personen könnten
bestätigen, dass er nie ein Fahrzeug einer derjenigen Kategorien geführt habe, die vom Führerausweisentzug erfasst gewesen seien (Prot. I S. 6) gemeint sind offensichtlich jene ausser den eingeklagten und anerkannten Fahrten mit dem
„B. “.
Die Vorinstanz hat diesen Beweisantrag abgewiesen mit der Begründung, dass kein Zusammenhang mit dem zu beurteilenden Sachverhalt ersichtlich sei und die behauptete Tatsache im Übrigen unerheblich sei (Urk. 31 S. 3 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Ein Zusammenhang mit dem zu beurteilenden Sachverhalt ist allerdings darin zu erblicken, dass der Beschuldigte mit diesen Zeugenaussagen seine redlichen Absichten beweisen und dartun will, dass er sich bezüglich der übrigen ihm verbotenen Fahrzeugkategorien stets an das Gesetz gehalten hat. Dies zu beweisen ist indes gar nicht nötig: Im Strafverfahren gilt die Unschuldsvermutung, wonach bis zum gesetzlichen Nachweis einer Schuld vermutet wird, dass der wegen einer strafbaren Handlung Beschuldigte unschuldig ist (BGE 120 Ia 31 E. 2b). Deswegen ist von vornherein zu Gunsten des Beschuldigten davon auszugehen, dass er ausser den eingeklagten Fahrten keine weiteren unternahm, die vom Führerausweisentzug erfasst waren. Auf die Abnahme dieses Beweismittels wurde somit zu Recht verzichtet.
Allgemeines
Vorab ist festzuhalten, dass der eingeklagte äussere Sachverhalt nicht bestritten ist (Urk. 4/7 S. 3 f., Urk. 19 S. 4 f. und Urk. 46 S. 2): Der Beschuldigte stellt nicht in Abrede, am 5. März 2011 mit seinem Motorfahrzeug der Marke B. (nachfolgend bloss B. ) in C. herumgefahren zu sein und dieses in der Folge nach D. gelenkt zu haben. Auch die weiteren eingeklagten Fahrten im Juli und im Herbst 2010 hat der Beschuldigte von Anfang an eingeräumt (Urk. 4/1 S. 3). Ebenfalls ist unbestritten, dass dem Beschuldigten mit Verfügung des Strassenverkehrsamtes vom 25. November 2009 der Führerausweis für alle Kategorien und Unterkategorien, einschliesslich der Kategorie F, für
die Zeit vom 1. April 2010 bis zum 31. März 2011 entzogen worden war. Gestattet blieb ihm einzig das Führen von Motorfahrzeugen der Spezialkategorien G und M (Urk. 12/5).
Dieser Sachverhalt erfüllt in objektiver Hinsicht den Tatbestand des (mehrfachen) Fahrens trotz Entzuges gemäss Art. 95 Ziff. 2 aSVG (vgl. Urk. 31 S. 10; Art. 82 Abs. 4 StPO). In subjektiver Hinsicht wird Vorsatz verlangt; eine fahrlässige Tatbegehung ist grundsätzlich ebenfalls möglich (Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG
i.V.m. Art. 95 Ziff. 2 aSVG; BGE 117 IV 302 E. 3).
Bezüglich des inneren Sachverhaltes hält der Beschuldigte daran fest, dass er nicht gewusst habe, dass der B. nicht unter die Fahrzeugkategorie G falle, welche vom Führerausweisentzug ausgenommen war. Er bestreitet damit seinen Vorsatz bezüglich der Tatbegehung und macht sinngemäss einen Sachverhaltsirrtum im Sinne von Art. 13 StGB geltend.
Beweismittel
Allgemeines
Als Beweismittel liegen die Aussagen des Beschuldigten sowie der Zeugen E. , ehemaliger Mitarbeiter des F. , und G. , Mitarbeiter der H. , vor (Urk. 4/1-7; Urk. 19 und Urk. 46). Sodann liegt die Verfügung betreffend Entzug des Führerausweises vom 25. November 2009 bei den Akten (Urk. 12/5).
Verfügung betreffend Entzug des Führerausweises
Die Verfügung betreffend Entzug des Führerausweises, die der Beschuldigte vom Strassenverkehrsamt erhalten hat, enthält eine Beschreibung der Kategorien G und M (Urk. 12/5 S. 3). Bei der Kategorie G findet sich ein Piktogramm eines Traktors sowie der Text Kat. G Landwirtschaftliche Motorfahrzeuge, unter Ausschluss der Ausnahmefahrzeuge. Dass darunter nur Motorfahrzeuge bis 30 km/h fallen, wird im Verfügungstext nicht erwähnt.
Aussagen der Beteiligten
Die Vorinstanz hat die Aussagen der Beteiligten zusammengefasst; um Wiederholungen zu vermeiden, kann vorab darauf verwiesen werden (Urk. 31
S. 5 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Sodann sind folgende Ergänzungen anzubringen:
E.
gab in seiner Zeugeneinvernahme an, von mm.2008 bis zum
tt.mm.2008 beim F. als Sachbearbeiter für Standardfälle tätig gewesen zu sein (Urk. 4/5 S. 3). Sodann sagte er aus, dass er die Fahrzeugmarke B. nicht kenne. Auf Vorhalt entsprechender Fotos erklärte er, dass er nicht mehr wisse, zu welcher Kategorie dieses Fahrzeug gehöre, damals habe er das aber sicher gewusst (Urk. 4/5 S. 2 f.). Der Zeuge E. hielt auf Frage fest, dass er nicht ausschliessen könne, dem Beschuldigten eine telefonische Auskunft im Zusammenhang mit Führerausweiskategorien und einem B. erteilt zu haben, er wisse es aber nicht mehr. Der Klient erhalte eine Verfügung, in der klipp und klar geschrieben stehe, wie was geregelt werde, sie enthalte auch die Kategorien (Urk. 4/5 S. 4 f.). Der Zeuge E. sagte sodann aus, dass es vielleicht so gewesen sei, dass er bestätigt habe, man dürfe trotz Entzuges auf einem privaten Gelände fahren. Auf Frage, ob ein B. ein landwirtschaftliches Fahrzeug sei, antwortete der Zeuge, er glaube nicht. Er ergänzte sodann, dass er sich in einem gewissen Kontext vorstellen könne, sich entsprechend geäussert zu haben (Urk. 4/5 S. 5).
Hinsichtlich den Aussagen von G. sind die vorinstanzlichen Ausführungen dahingehend zu ergänzen, dass G. auf die Frage, ob Zweifel dar- über bestanden hätten, ob der B. einzig mit der Kategorie F gelenkt werden dürfe, erklärte, dass er keine Zweifel gehabt habe. Erst auf erneute Frage bestätigte der Zeuge G. , es sei richtig, dass es zwischen ihm und dem Beschuldigten diesbezüglich keine Zweifel gegeben habe. Er habe es beim Hersteller abgeklärt, weil es der Wunsch des Beschuldigten gewesen sei. Das habe er (G. ) auch verstanden wegen der Kosten des Tachografen (Urk 4/6 S. 3 f.). Auf die Frage, was er einem Kunden gesagt hätte, wenn dieser ihm mitgeteilt hätte, dass er einzig die Kategorien M und G lenken dürfe, aber einen B. kaufen wolle, antwortete der Zeuge G. , dass er ihm gesagt hätte, dass er diesen nicht lenken dürfe. Wenn es innerbetrieblich angewendet werde, dann wisse er es nicht. Es müsse jeder selber wissen, was er fahren dürfe, und wenn sie (die H. ) etwas verkaufen könnten, dann täten sie das gern (Urk. 4/6 S. 4).
Schliesslich ist die Aussage des Beschuldigten anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Schlusseinvernahme aufzuführen, als dieser klar aussagte, dass es nicht so zu ihm gelangt sei, dass G. ihm gesagt habe, dass das fragliche Fahrzeug nur mit der Kategorie F gelenkt werden dürfe (Urk. 4/7 S. 3). Auch vor Vorinstanz hielt der Beschuldigte daran fest, dass ihm G. zwar die Information betreffend Tachometer weitergeleitet habe, aber nicht diejenige betreffend die Führerausweiskategorie (Urk. 19 S. 6). Auf den Vorhalt, dass Fahrzeuge der Kategorie G höchstens 30 km/h fahren dürften, erklärte der Beschuldigte, dass dieser Punkt bei den Erkundigungen beim F. und bei der Firma, die ihm das Fahrzeug verkauft habe, untergegangen sei (Urk. 19 S. 6 f.). Er sei der Ansicht, dass er bezüglich des B. falsch informiert worden sei (Urk. 19 S. 7). Anlässlich der Berufungsverhandlung führte er aus, er habe sich bei Herrn E. er-
kundigt, ob er einen B.
fahren dürfe, was dieser bestätigt habe. Er habe
gewusst, dass er ein landwirtschaftliches Fahrzeug fahren dürfe, und habe sich erkundigt, ob der B. in die gleiche Kategorie falle. Mit welcher Geschwindigkeit solche landwirtschaftlichen Fahrzeuge der Kategorie G fahren dürften sei für ihn deshalb irrelevant gewesen (Urk. 46 S. 3). Die Plombierung auf 40 km/h sei erfolgt, weil Herr G. dies in seinem Auftrag so abgeklärt habe (Urk. 46 S. 3 f.).
Sachverhaltsirrtum
Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt (d.h. über ein Tatbestandsmerkmal), so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat (Art. 13 Abs. 1 StGB). Es kann hierzu auf die zutreffenden rechtlichen Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 31 S. 6 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Bei Vorliegen eines Sachverhaltsirrtums kommt allenfalls die Bestrafung wegen fahrlässiger Tatbegehung in Betracht, wenn der Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht hätte vermieden werden
können und die fahrlässige Verübung der Tat mit Strafe bedroht ist (Art. 13 Abs. 2 StGB).
Die Frage, ob der Beschuldigte sich hinsichtlich der Kategorienzugehörigkeit des B. tatsächlich irrte, ist anhand der oben genannten Beweismittel, insbesondere der Aussagen der Beteiligten zu beurteilen. Diese sind frei zu würdigen. Es kann hierzu auf die allgemeinen Erwägungen der Vorinstanz bezüglich Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit verwiesen werden. Zur Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen ist indes zu bedenken, dass sie durchaus ein gewisses Eigeninteresse daran gehabt haben könnten, sich in ein günstiges Licht zu rücken. Sollten sie damals sei es etwa aus Zeitdruck aus (durchaus legitimen) Verkaufsinteressen - dem Beschuldigten eine nicht völlig korrekte jedenfalls ungenaue Auskunft gegeben haben, wäre nachvollziehbar, wenn sie dies in einem späteren Verfahren allenfalls nicht unumwunden zugeben würden (vgl. die trotzig wirkenden Aussagen des Zeugen E. in Urk. 4/5 S. 5). Dies ist bei der folgenden Würdigung nicht gänzlich ausser Acht zu lassen. Hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Beteiligten sind nachfolgende Erwägungen zu machen.
Bereits ganz am Anfang des Verfahrens, als der Beschuldigte von der Polizei kontrolliert und anschliessend befragt wurde, antwortete er auf die Frage, weshalb er sich über das ihm auferlegte Fahrverbot hinweggesetzt habe, dass er das nicht getan habe; das von ihm gelenkte Fahrzeug sei ein Geräteträger 40 km/h, Traktor, ab 16 Jahren zu fahren (Urk. 3 S. 2). Auch bei der Staatsanwaltschaft erklärte der Beschuldigte, dass sein Fahrzeug 40 km/h fahren könne; hinten am Fahrzeug sei ein entsprechender Aufkleber angebracht (Urk. 4/1 S. 2). Das von ihm gelenkte Fahrzeug sei ein landwirtschaftliches Fahrzeug. Traktoren müssten ja nicht zwingend ein grosses und ein kleines Rad haben (Urk. 4/1 S. 6). Auf Vorhalt, dass die Kategorie G sich auf Fahrzeuge bis 30 km/h beschränke, erklärte der Beschuldigte zunächst, dass er das Fahrzeug auch auf 30 km/h hätte abplombieren können. Er habe der Verkäuferfirma gesagt, dass er nur Traktoren lenken dürfe, weshalb der B. so plombiert worden sei (Urk. 4/1 S. 7). Vor Vorinstanz äusserte er sich weiter dahingehend, dass er einem Irrtum unterlegen sei. Der Punkt bezüglich der Geschwindigkeit sei bei ihm untergegangen (Urk. 19
S. 7). In der Berufungsverhandlung gab er an, er habe gewusst, dass er ein landwirtschaftliches Fahrzeug fahren dürfe und habe sich erkundigt, ob der B. in diese Kategorie falle. Die Plombierung auf 40 km/h sei erfolgt, weil Herr G. in seinem Auftrag abgeklärt habe, dass er so fahren dürfe (Urk. 46 S. 3 f.). Diese Aussagen des Beschuldigten lassen deutlich werden, dass er sich zwar bewusst war, dass er nur landwirtschaftliche Fahrzeuge lenken durfte, offensichtlich war ihm jedoch nicht bekannt, dass unter die Kategorie G nur solche mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h fielen bzw. er ging davon aus, dass er landwirtschaftliche Fahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h lenken durfte. Die ihm überreichte Verfügung des Strassenverkehrsamt enthielt
wie erwähnt keine Geschwindigkeitsangaben zu den Kategorien (entgegen Urk. 4/3).
Welche Fahrzeuge unter den Begriff landwirtschaftlich fallen, scheint nicht nur dem Beschuldigten (Urk. 4/1 S. 6 zum Begriff Traktor), sondern auch für Fachleute nicht immer restlos klar zu sein: So sagte der Zeuge E. beispielsweise aus, dass er nicht glaube, dass ein B. ein landwirtschaftliches Fahrzeug sei (Urk. 4/5 S. 5). G. bestätigte konkret, dass die Kategorie der Kommunalfahrzeuge mit derjenigen der landwirtschaftlichen Fahrzeuge verwandt sei. Bei den Traktoren gebe es viele Missverständnisse (Urk. 4/6 S. 4). Auch ist zu erwähnen, dass G. selbst nicht auf Anhieb wusste, ob der B. unter die Fahrzeugkategorie G falle; er musste Abklärungen tätigen (Urk. 4/6 S. 3). Schliesslich ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass es durchaus landwirtschaftliche Fahrzeuge gibt, welche 40 km/h (oder schneller) fahren können
(wobei sie dann nicht mehr zur Kategorie G gehören; vgl. Art. 161 Abs. 1bis und
1ter VTS [Verordnung vom 19. Juni 1995 über die technischen Anforderungen an
Strassenfahrzeuge]). Insbesondere die Aussagen des Zeugen G.
lassen
deutlich werden, dass er die Zuordnung des B. zur Kategorie G im Wesent-
lichen von der Höchstgeschwindigkeit abhängig machte. Dass ein B.
ein
landwirtschaftliches Fahrzeug sei, schloss er nicht aus. Somit ist unwiderlegt und
nachvollziehbar, dass der Beschuldigte davon ausging, dass der B.
unter
die Kategorie der landwirtschaftlichen Fahrzeuge fällt. Sein Irrtum bezog sich damit auf die erlaubte Höchstgeschwindigkeit der Kategorie G. Die nachfolgende Beweiswürdigung ist unter diesem Gesichtspunkt vorzunehmen.
Was die Glaubhaftigkeit der Aussagen von E. betrifft, ist zunächst zu bemerken, dass er bei der Staatsanwaltschaft zu Protokoll gegeben hat, dass er von mm.2008 bis Ende mm.2008 beim F. als Sachbearbeiter tätig gewesen sei und [im Mai 2011] davon sprach, es sei jetzt drei Jahre her (Urk. 4/5 S. 3 f.). Damit wäre die Behauptung des Beschuldigten, er habe nach seinem Führerausweisentzug ab November 2009 mehrmals Kontakt zum F. mit dem Zeugen
E.
gehabt, offensichtlich unzutreffend. In den Beizugsakten betreffend ein
früheres Verfahren gegen den Beschuldigten findet sich jedoch ein Schreiben des F. s vom 25. August 2009, das E. als Sachbearbeiter der Abteilung unterzeichnet hatte (Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, Geschäft Nr. 2009/4596, dort Urk. 8/10). Es ist letztlich irrelevant, ob es sich bei der Zeitangabe
2008 um einen Versprecher einen Verschrieb handelt; E.
hat jedenfalls das Protokoll der Staatsanwaltschaft unterzeichnet und damit auch diese Aussage bestätigt. Dies lässt zumindest gewisse Zweifel an der Genauigkeit seiner übrigen Aussagen aufkommen.
Wie die Vorinstanz ausführte, ist zwar richtig, dass der Zeuge E. aussagte, dass er stets Unterlagen zur Hand gehabt habe, auf die er sich bei der Auskunftserteilung habe stützen können, weswegen er sich nicht vorstellen könne, eine
falsche Auskunft gegeben zu haben (Urk. 31 S. 9). Diese Aussage wird jedoch relativiert, wenn man seine Angabe berücksichtigt, wonach in der Verfügung betreffend Entzug des Führerausweises klar geregelt sei, was man fahren dürfe und was nicht: Die Verfügung ist hinsichtlich des Kategorienbeschriebs nicht vollstän- dig. Sie enthält wie erwähnt keinen Hinweis darauf, dass unter die Kategorie G nur landwirtschaftliche Fahrzeuge bis 30 km/h fallen. Es kann damit nicht aus-
geschlossen werden, dass der Zeuge E.
den Beschuldigten unter
Bezugnahme auf die Verfügung lediglich dahingehend instruiert hat, dass die Kategorie G landwirtschaftliche Fahrzeuge umfasse ohne einen Hinweis auf die Geschwindigkeitsbegrenzung zu machen.
Letzteres lässt auch die E-Mail des Beschuldigten an I. , F. , vom 16. März 2011 vermuten (Urk. 4/2). Darin hält der Beschuldigte fest, dass er vor dem Kauf des B. mit E. Rücksprache genommen habe. Dieser habe ihm erklärt, dass ihm (dem Beschuldigten) das Lenken des B. - der aufgrund seiner Funktionen Geräteträger, Mähwerk, pflügen, giessen und weitere, einem Traktor gleichgestellt sei gestattet sei. Dies verdeutlicht, dass sich für den Be-
schuldigten im Zusammenhang mit dem Kauf des B.
lediglich die Frage
stellte, ob es sich dabei um ein landwirtschaftliches Fahrzeug/Traktor handelte, und nicht, ob es hinsichtlich der Höchstgeschwindigkeit eine Begrenzung gebe.
Aus den Aussagen von E.
lässt sich letztlich nicht viel ableiten. Er weiss
nicht mehr, ob und welche Auskünfte er erteilt hat. Dies ist nachvollziehbar, schliesslich hatte der Zeuge E. als Sachbearbeiter beim F. viele telefonische Auskünfte zu erteilen. Der Zeuge schliesst jedenfalls nicht aus, dass er dem Beschuldigten gesagt habe, dass der B. ein landwirtschaftliches Fahrzeug sei. Er habe sich bei der Auskunfterteilung stets auf seine Unterlagen ge-
stützt, in welchen er nachschauen konnte. Es wird dem Zeugen E.
nicht
vorgeworfen, dass er achtlos eine falsche Auskunft erteilt habe, aber es kann aus seinen Aussagen nicht mit Sicherheit geschlossen werden, dass seine Auskünfte vollständig und klar waren. Mit keinem Wort wird nämlich erwähnt, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei der Auskunfterteilung ein Thema gewesen sei, mithin wird nicht gesagt, dass der Beschuldigte darauf hingewiesen worden sei, dass sich die Fahrzeuge der Kategorie G dadurch auszeichnen, dass sie nur eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h fahren dürfen.
Der Verkäufer des B. , G. _, bestätigte, dass er beim Hersteller des Fahrzeuges Abklärungen getätigt habe. Dort sei ihm gesagt worden, dass dieses Fahrzeug nie auf die Kategorie G eingelöst werden könne, dies habe er (der Zeuge G. _) dem Beschuldigten weitergegeben. In der Folge erklärte er wie erwähnt, dass er (G. ) keine Zweifel gehabt habe, dass das Fahrzeug der Marke B. einzig mit der Kategorie F gelenkt werden dürfe. Erst auf Nachfragen, ob es richtig sei, dass zwischen ihm und dem Beschuldigten über die Kategorie kein Zweifel bestanden habe, bejahte dies der Zeuge (Urk. 4/6 S. 3 f.).
Sodann bejahte er die Frage, ob er dem Beschuldigten gesagt habe, dass das Fahrzeug nicht unter der Kategorie G laufe. Er erklärte weiter, dass B. - Fahrzeuge 45 km/h fahren könnten. Damit sie auf die Kategorie G eingelöst werden könnten, müssten sie auf 30 km/h plombiert und als Motorkarren eingelöst werden (Urk. 4/6 S. 3).
Diese Aussagen sind vor dem Hintergrund zu relativieren, als der Zeuge G. selber aussagte, dass bei jenem Gespräch sehr viel besprochen worden sei und er sich nicht mehr an genaue Details erinnern könne. Es selbst sprach davon, dass es bei diesen Fahrzeugtypen viele Missverständnisse gebe. Zu berücksich-
tigen ist letztlich auch, dass G.
wie gesagt der Verkäufer des Fahrzeugs
war und demnach ein Interesse daran hatte, dieses zu verkaufen. Dies hat er in seiner Zeugeneinvernahme auch bestätigt.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz (Urk. 31 S. 8) kann aufgrund dieser Zeugenaussage nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass G. dem Beschuldigten gesagt habe, das Fahrzeug könne nie auf die Kategorie G eingelöst werden; der Beschuldigte bestreitet dies auch. Laut Aussagen des Beschuldigten habe es geheissen, man müsse einen Fahrtenschreiber einbauen und das Fahrzeug plombieren (Urk. 19 S. 6; Urk. 46 S. 3 f.). Der Zeuge hat bei seiner Einvernahme jedoch nicht ausgesagt, dass er den Beschuldigten darauf hingewiesen habe, dass das Fahrzeug auf 30 km/h plombiert werden müsse. Der Beschuldigte liess den B. denn auch plombieren, aber auf 40 km/h (Urk. 4/6
S. 5 und Urk. 7). Laut Aussagen G. s habe der Beschuldigte ihm auch nie gesagt, dass er einen Führerausweisentzug gehabt habe (Urk. 4/6 S. 3). Es ist daher zu Gunsten des Beschuldigten und mangels Nachweis des Gegenteils davon auszugehen, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h
zwischen ihm und dem Zeugen G.
nicht thematisiert worden ist. Dieser
meinte auch - durchaus nachvollziehbar - der Beschuldigte müsse ja letztlich selber wissen, wie er fahren dürfe (Urk. 4/6 S. 4).
Der Vollständigkeit halber ist bezüglich des Tachografen, dem insbesondere die Funktion eines Tachometers zukommt, Folgendes zu bemerken: Fahrzeuge, die schneller als 30 km/h fahren, müssen mit einem Geschwindigkeitsmesser ausge-
stattet werden; so auch landwirtschaftliche Traktoren mit einer Höchstgeschwindigkeit bis 40 km/h (Art. 118a Abs. 1 i.V.m. Art. 119 lit. c e contrario und Art. 55 VTS).
Wie bereits erwähnt, ist aufgrund sämtlicher Umstände davon auszugehen, dass der Beschuldigte bei seiner Fahrzeugwahl das Augenmerk auf den Begriff landwirtschaftlich legte und der Geschwindigkeit kein Gewicht beimass. Die Verfügung des Strassenverkehrsamtes spricht bei der Kategorie G nur von landwirtschaftlichen Motorfahrzeugen und äussert sich nicht zur erlaubten Höchstgeschwindigkeit (Urk. 12/5) laut Aussagen von E. hat sich der Beschuldigte auf diese verlassen dürfen - und wie aufgezeigt gibt es durchaus landwirtschaftliche Fahrzeuge, die 40 km/h (oder schneller) fahren. Dass der Beschuldigte die Geschwindigkeit von 40 km/h für zulässig gehalten hat, zeigt sich daran, dass er jeweils von sich aus thematisierte, dass der B. ja nur 40 km/h fahre. Auf der Rückseite des B. hatte es sodann einen Aufkleber, der die Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h anzeigte. Hätte der Beschuldigte gewusst, dass er nur Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h lenken durfte, und hätte somit bewusst gegen diese Auflagen verstossen, wäre er wohl kaum mit einem grossen, gut sichtbaren Aufkleber herumgefahren, welcher eine andere Geschwindigkeit anzeigte, und er hätte auch nicht bei sämtlichen Einvernahmen sofort ausgesagt, dass er den B. fahren dürfe, weil dieser ja bloss 40 km/h fahre. Vor allem aber lassen sich diese Aussagen des Beschuldigten durch die Zeugenaussagen nicht restlos und zweifelsfrei widerlegen. Beim Strassenverkehrsamt war offenbar nur der Umstand, ob es sich um ein landwirtschaftliches Fahrzeug handle, Thema, und auch bei der H. , welche dem Beschuldigten das Fahrzeug verkaufte, ging es offenbar nie um die zulässige Höchstgeschwindigkeit, solches lässt sich den jeweiligen Aussagen zumindest nicht entnehmen. Es kann dem Beschuldigten damit nicht nachgewiesen werden, dass er wusste, dass unter die Kategorie G nur landwirtschaftliche Fahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h fallen.
Letztlich stellt sich die Frage, ob dem Beschuldigten rechtsgenügend nachgewiesen werden kann, dass er sich entweder direktvorsätzlich über die Auflagen
seines Führerausweisentzugs hinwegsetzte, aber zumindest eventualvorsätzlich in Kauf nahm, dies zu tun. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn er sich damals etwa auf den Standpunkt gestellt hätte, es sei ihm eigentlich egal, wie die rechtliche Lage genau sei, er mit anderen Worten auch dann mit
dem B.
herumgefahren wäre, wenn er angenommen hätte, dies könnte
möglicherweise verboten sein. Dagegen spricht indes die gesamte Beweislage. Nicht nur hat sich der Beschuldigte nachweislich mehrfach mit verschiedenen Personen über die Fahrzeugkategorien resp. die Zulässigkeit des B. _s für seine Zwecke unterhalten, was keinen Sinn ergäbe, wenn er sich einfach darüber hinwegzusetzen gedachte; vielmehr konnte er diese Personen auch namentlich bezeichnen und unterscheidet sich damit vom häufigen Fall, dass ein Täter behauptet, irgendeine nicht näher bestimmbare Amtsstelle irgendein ein Bekannter habe ihm erklärt, sein Verhalten sei zulässig. Hinzu kommt, dass der Beschuldigte in sehr knappen finanziellen Verhältnissen lebt (Urk. 4/1 S. 9; Urk. 19 S. 4). Vor diesem Hintergrund wäre in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb er sich - nota bene erst nach Abgabe seines Führerausweises im April 2010 - nach einem neuen Fahrzeug umschaut, sich mehrfach über die diesbe-
züglichen Auflagen informiert, den B.
schliesslich unter Aufnahme eines
Darlehens bei seinem Vater anschafft, diesen extra (auf 40 km/h) plombieren und zusätzlich mit einem Tachografen für Fr. 3'000.ausstatten lässt. Plausibel erklärte der Beschuldigte, er hätte dies nie getan, wenn er nicht davon ausgegangen wäre, dass das Fahren mit diesem für ihn zulässig wäre (Urk. 4/2). Der Beschuldigte war im Tatzeitpunkt sodann im Besitze anderer Fahrzeuge; so waren auf seinen Namen zwei Personenwagen und ein Sattelschlepper eingelöst (Urk. 1 S. 4). Wäre es ihm einerlei gewesen, gegen das Gesetz zu verstossen und trotz Entzug des Führerausweises zu fahren, so hätte er genauso gut die bereits in seinem Besitz befindlichen Fahrzeuge lenken können; ein Neukauf wäre für den Transport von Holz und andern Gütern offenkundig nicht nötig gewesen.
Insgesamt ist aufgrund sämtlicher Umstände davon auszugehen, dass der Beschuldigte der Ansicht war, er dürfe den B. bei den eingeklagten Fahrten lenken, was indes nicht zutraf. Somit ist von einem Sachverhaltsirrtum des Beschuldigten auszugehen. Die Tat ist demnach nach dem Sachverhalt zu
beurteilen, den sich der Täter vorgestellt hat, es sei denn, dass er den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht hätte vermeiden können.
Der Täter ist wegen der fahrlässigen Tatbegehung schuldig zu sprechen, wenn sich der Sachverhaltsirrtum bei Anwendung der pflichtgemässen Sorgfalt hätte vermeiden lassen (Art. 13 Abs. 2 StGB). Wie bereits erwähnt (oben
E. II.1. 2), ist eine fahrlässige Tatbegehung vorliegend grundsätzlich möglich (Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 95 Ziff. 2 aSVG).
Dem Täter kann als strafrechtliche Fahrlässigkeit nur das angerechnet werden, was unter den Tatumständen von ihm bei Anwendung der gebotenen Vorsicht und bei Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Erfahrungen erwartet werden darf (Donatsch, in: Donatsch/Flachsmann/Hug/Weder, Schweizerisches Strafgesetzbuch, 18. Aufl., Zürich 2010, Art. 12 N 20). Vorliegend hat der Beschuldigte unwiderlegbar mehrmals mit dem Strassenverkehrsamt Kontakt aufgenommen. Zunächst hat er sich erkundigt, was er überhaupt noch lenken darf, sodann hat er
als er ein bestimmtes Fahrzeug ins Auge gefasst hatte - nochmals mit dem Strassenverkehrsamt Kontakt aufgenommen, um abzuklären, ob er das fragliche Fahrzeug lenken dürfe. Er hat auch bei der Verkäuferfirma nachgefragt, ob der B. von ihm gelenkt werden dürfe. Diese nahm sodann mit dem Hersteller Rücksprache. Wie bereits ausgeführt, muss zu Gunsten des Beschuldigten davon
ausgegangen werden, dass ihm die Information, dass ein B. G-Fahrzeug sei, so nicht zugegangen ist.
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Der Beschuldigte hat somit die zumutbaren Anfragen bei aus seiner Sicht fachkundigen Personen von sich aus vorgenommen und auf deren Auskünfte vertraut. Eine weitergehende Sorgfaltspflicht liesse sich nur begründen, wenn der Beschuldigte Zweifel an den erteilten Auskünften hätte haben müssen. Dass solche Zweifel bestanden haben, kann dem Beschuldigten jedoch nicht nachgewiesen werden, weshalb für ihn keine Notwendigkeit bestand, sich eine schriftliche Bestätigung geben zu lassen weitere Abklärungen zu tätigen. Entgegen dem Eventualvorhalt des Staatsanwaltes in der Untersuchung (Urk. 4/7 S. 4) musste der Beschuldigte unter diesen Umständen nicht zwingend eine schriftliche Erklärung des Strassenverkehrsamts einholen. Das Bundesgericht liess in BGE
117 IV 302 E. 3a in einem ähnlich gelagerten Fall eine mündliche Nachfrage bei einer Angestellten des Strassenverkehrsamtes als hinreichend genügen. Einzig der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass die vorliegende Anklage eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tatbegehung nicht zulassen würde, weil die Elemente der Sorgfaltspflichtsverletzung nicht enthalten sind.
Somit ist die Tat zu Gunsten des Beschuldigten nach dem Sachverhalt zu beurteilen, den er sich vorgestellt hat (Art. 13 Abs. 1 StGB). Da der Beschuldigte davon ausging, dass der B. unter die Fahrzeugkategorie G fällt, welche er lenken durfte, war sein Verhalten aus seiner Sicht rechtmässig. Der Beschuldigte ist daher von Schuld und Strafe freizusprechen.
Kosten
Ausgangsgemäss sind sowohl die Kosten der Untersuchung als auch diejenigen des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens sowie des Berufungsverfahrens auf die Gerichtskasse zu nehmen, wobei die erstinstanzliche Kostenaufstellung (dort Ziff. 4) zu bestätigen ist (Art. 426 StPO e contrario und Art. 428 Abs. 1 StPO).
Entschädigung
Der Beschuldigte liess sich (erst) im Berufungsverfahren anwaltlich verteidigen (Urk. 26). Für diese ihm seit 13. September 2011 entstandenen Kosten ist er aus der Gerichtskasse zu entschädigen (Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 429 Abs. 1 StPO). Dabei erweist sich nach der massgeblichen Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 (AnwGebV) eine Prozessentschädigung von Fr. 3'300.- (inkl. MWSt und Barauslagen) als angemessen.
Demnach wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
wird vom Vorwurf des Fahrens trotz
Entzugs des Führerausweises im Sinne von Art. 95 Ziff. 2 aSVG freigesprochen.
Die erstinstanzliche Kostenfestsetzung (Ziff. 4) wird bestätigt.
Die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens sowie des Berufungsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.
Dem Beschuldigten wird für das Berufungsverfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 3'300.für seine anwaltliche Verteidigung aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland (versandt)
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung ., (PINNr. )
die Koordinationsstelle VOSTRA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA (mittels Kopie von Urk. 35)
die Kantonspolizei Zürich, , mit separatem Schreiben (§ 34a POG)
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 19. März 2012
Der Präsident:
Dr. F. Bollinger
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. J. Stark
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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