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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB110455
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB110455 vom 15.02.2012 (ZH)
Datum:15.02.2012
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Vergewaltigung etc.
Schlagwörter : Angeklagte; Geschädigte; Angeklagten; Geschädigten; Vorinstanz; Geschlechtsverkehr; Verteidigung; Berufung; Aussage; Urteil; Aussagen; Sexuell; Gericht; Anklage; Ausgesagt; Gesagt; Amtlich; Recht; Verfahren; Freiheitsstrafe; Urteils; Amtliche; Vorinstanzliche; Habe; Sexuellen; Küche; Staatsanwaltschaft; Genugtuung; Erwägungen
Rechtsnorm: Art. 19 StGB ; Art. 190 StGB ; Art. 213 StGB ; Art. 307 StGB ; Art. 34 StGB ; Art. 42 StGB ;
Referenz BGE:113 IV 56; 134 IV 97; 136 IV 1; 81 IV 209; 84 IV 10;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr. SB110455-O/U/eh

Mitwirkend: die Oberrichter Dr. F. Bollinger, Vorsitzender, und lic. iur. S. Volken, Ersatzoberrichterin lic. iur. R. Affolter sowie die juristische Sekretärin lic. iur. C. Grieder

Urteil vom 15. Februar 2012

in Sachen

Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis,

vertreten durch Leitende Staatsanwältin lic. iur. C. Wiederkehr, Anklägerin und I. Appellantin (Rückzug)

gegen

A. ,

Angeklagter und II. Appellant

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

betreffend

Vergewaltigung etc.
Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Dietikon vom 2. November 2010 (DG100056)

Anklage

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis vom 22. Oktober 2010 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 27).

Urteil und Beschluss der Vorinstanz:

Das Gericht beschliesst:

  1. Die Öffentlichkeit wird von der Teilnahme an der Hauptverhandlung ausgeschlossen.

  2. (Mitteilung)

Das Gericht erkennt:

  1. Der Angeklagte ist schuldig des Inzests im Sinne von Art. 213 Abs. 1 StGB.

  2. Der Angeklagte ist der Vergewaltigung im Sinne von Art. 190 Abs. 1 StGB nicht schuldig und wird diesbezüglich freigesprochen.

  3. Der Angeklagte wird bestraft mit 9 Monaten Freiheitsstrafe, wovon 203 Tage durch Polizeiverhaft, Untersuchungsund Sicherheitshaft bis und mit heute erstanden sind.

  4. Die Freiheitsstrafe wird vollzogen.

  5. Auf das Schadenersatzund Genugtuungsbegehren der Geschädigten wird nicht eingetreten

  6. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 4'000.00 ; die weiteren Kosten betragen:

  7. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Geschädigtenvertretung, werden dem Angeklagten auferlegt, jedoch sofort und definitiv abgeschrieben.

  8. (Mitteilungen)

  9. (Rechtsmittel)

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung des Angeklagten: (schriftlich; Urk. 85 S. 1)

    1. Der Angeklagte sei in Abänderung der Ziffern 1, 3 und 4 des Urteilsdispositivs des Bezirksgerichts Dietikon vom 2. November 2010 mit Bezug auf den Vorwurf des Inzests (Art. 213 Abs. 1 StGB) von Schuld und Strafe freizusprechen.

    2. Die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens seien in Abänderung des vorinstanzlichen Urteilsdispositivs (Ziffer 7) vollumfänglich auf die Staatskasse zu nehmen.

    3. Dem Angeklagten sei in Abänderung des vorinstanzlichen Urteilsdispositivs eine angemessene Entschädigung und Genugtuung aus der Staatskasse auszurichten.

    4. Alles unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Staatskasse.

  2. der Vertreterin der Staatsanwaltschaft: (schriftlich; Urk. 60)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils

  3. der Geschädigtenvertreterin: (schriftlich; Urk. 84A und Urk. 70)

    Es sei die Öffentlichkeit inklusive Medien von der Berufungsverhandlung auszuschliessen.

    Das Gericht erwägt:

    1. Prozessuales
      1. Gemäss Art. 453 Abs. 1 der per 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Schweizerischen Strafprozessordnung StPO werden Rechtsmittel gegen Entscheide, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden sind, nach bisherigem Recht und von den bisher zuständigen Behörden beurteilt. Demnach ist vorliegend das alte Zürcher Strafprozessrecht (StPO und GVG) anwendbar.

      2. Mit dem eingangs im Dispositiv wiedergegebenen Urteil der Vorinstanz vom

      1. November 2010 wurde der Angeklagte A.

        des Inzests schuldig gesprochen, vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen und mit einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten bestraft, wobei ihm der bedingte Strafvollzug verweigert wurde (Urk. 62 S. 29). Gegen diesen Entscheid haben die amtliche Verteidigung des Angeklagten sowie die Anklagebehörde mit Eingaben vom 4. respektive vom 11. November 2010 fristgerecht Berufung erhoben

        (§ 414 Abs. 1 StPO; Urk. 47 und 49). Die Beanstandungen der Verteidigung gingen mit Eingabe vom 24. Mai 2010 ebenfalls innert gesetzlicher Frist ein (§ 414 Abs. 4 StPO; Urk. 57). Die Anklagebehörde hat ihre Berufung mit Schreiben vom 3. Mai 2011 zurückgezogen (Urk. 56) und beantragt im Berufungsverfahren nunmehr die Bestätigung des vorinstanzlichen Entscheides (Urk. 60). Beweisergänzungsanträge wurden im Berufungsverfahren nicht gestellt (§ 420 Abs. 1 StPO; Urk. 60, 68 und 70). Die Verteidigung hat die Berufung nicht

        ausdrücklich beschränkt (Urk. 57; § 414 Abs. 3 StPO).

      2. Im Berufungsverfahren nicht angefochten sind

      • der vorinstanzliche Freispruch des Angeklagten vom Tatvorwurf der Vergewaltigung (Urteilsdispositiv-Ziff. 2.)

      • das vorinstanzliche Nichteintreten auf Schadenersatzund Genugtuungsforderungen der Geschädigten (Urteilsdispositiv-Ziff. 5) sowie

      • die vorinstanzliche Kostenfestsetzung (Urteilsdispositiv-Ziff. 6).

        Vom Eintritt der Rechtskraft dieser Anordnungen ist vorab Vormerk zu nehmen (§ 413 StPO; BGE 6B_321/2009 E. 1.2.).

    2. Schuldpunkt

      1. Dem Angeklagten A. wird in der Anklageschrift der Anklagebehörde vom

      22. Oktober 2010 zusammengefasst vorgeworfen, er habe am 9. April 2010 in der Wohnung seiner Halbschwester, der Geschädigten B. , in C. gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr an der Geschädigten vollzogen (Urk. 27 S. 2-5). Der Angeklagte hat im gesamten Verfahren bestritten, dass es zum Geschlechtsverkehr zwischen ihm und der Geschädigten gekommen sei (Prot. I S. 5; Prot. II S. 6). Die Vorinstanz hat in ihrer Beweiswürdigung erwogen, es sei rechtsgenügend erstellt, dass es am fraglichen Ort zur fraglichen Zeit zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten zum Geschlechtsverkehr gekommen sei, nicht jedoch, dass der Angeklagte die Geschädigte dabei derart unter Druck gesetzt habe, dass die Geschädigte dagegen zum Widerstand unfähig gewesen wäre; es sei zugunsten des Angeklagten von einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr auszugehen (Urk. 62 S. 19f.). In der Folge hat die Vorinstanz den Angeklagten vom Tatvorwurf der Vergewaltigung freigesprochen, jedoch des Inzests im Sinne von Art. 213 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen (Urk. 62 S. 22). Der Freispruch betreffend den Vergewaltigungsvorwurf ist in Rechtskraft erwachsen.

        1. Im Rahmen ihrer Beweiswürdigung hat die Vorinstanz zur Glaubwürdigkeit der Direktbeteiligten erwogen, der Angeklagte habe nicht unter der massgeblichen Strafdrohung zur wahrheitsgemässen Aussage verpflichtet ausgesagt und er habe als Betroffener des vorliegenden Strafverfahrens ein legitimes Interesse, die Geschehnisse in einem für ihn günstigen Lichte darzustellen. Seine Aussagen seien daher mit der angebrachten Zurückhaltung zu würdigen. Die Geschädigte sei als Auskunftsperson und damit ebenfalls nicht unter der Strafdrohung von Art. 307 StGB einvernommen, jedoch auf Art. 303 bis 305 StGB hingewiesen worden. Aufgrund ihrer Geschädigtenstellung und der durch sie gestellten Zivilforderungen sei sie nicht unbefangen und sie könne ein Interesse an einem verurteilenden Erkenntnis aufweisen. Andererseits sei kein Motiv ersichtlich, weshalb die Geschädigte den Angeklagten bewusst zu Unrecht belasten sollte (Urk. 62 S. 9). Diese Erwägungen sind zutreffend und werden von der Verteidigung auch nicht beanstandet (Urk. 57 u. 85; abgesehen vom geltend gemachten Motiv der Geschädigten: siehe dazu Ziff. 5.2. am Schluss).

        2. Zur Frage der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Angeklagten hat die Vorinstanz erwogen, dieser habe den ihm angelasteten Geschlechtsverkehr konsequent bestritten; er habe auch offen zugegeben, im inkriminierten Zeitraum mit der Geschädigten alleine bei ihr zu Hause gewesen zu sein. Seine Aussagen zu seiner eigenen Person seien nicht beschönigend. Er habe offen zugegeben, in

          D.

          [Land] Drogen genommen, delinquiert und im Gefängnis gesessen zu

          haben. Zum ihm gemäss Anklage vorgeworfenen Tathergang vom 9. April 2010 habe er sich jedoch nur spärlich geäussert; er habe es bei pauschalen Bestreitungen belassen, welche wenig Raum für Widersprüche böten. Seine Bestreitungen des Anklagesachverhalts könnten jedoch deswegen nicht als unglaubhaft bezeichnet werden. Hingegen habe der Angeklagte die Geschädigte von Aussage zu Aussage in ein schlechteres Licht gestellt. Seine Äusserungen seien zunehmend weniger sachlich, nicht mehr auf den konkreten Anklagesachverhalt bezogen und vermehrt mit eigenen Wertungen, Interpretationen und Mutmassungen versehen worden. Anfänglich habe er nicht wissen wollen, wieso die Geschädigte ihn beschuldige, sie habe es sich wahrscheinlich nur ausgedacht. Später habe er dann vorgebracht, es sei die Geschädigte gewesen, die ihm Avancen gemacht und ihn angefasst habe, er habe sie jedoch weggestossen. Sie sei sehr eifersüchtig gewesen; sie habe einfach beschlossen, ihn da reinzureiten, vielleicht weil er ihr klar gemacht habe, dass er nichts von ihr wolle. Wiederum später habe er erklärt, die Geschädigte wolle wegen des sexuellen Missbrauchs, den sie durch den Vater erlebt habe, irgend jemanden im Gefängnis sehen. Die Geschädigte lüge oft und er glaube, sie wolle etwas von ihm, aber sie könne es nicht kriegen. Sie wisse, dass er im Gefängnis gewesen sei, eine kriminelle Vergangenheit habe und man ihm nicht glauben würde. Er sei daher ein gutes Opfer, um ins Gefängnis zu kommen. Der Angeklagte habe ausserdem weitere Ausführungen zur Promiskuität der Geschädigten gemacht. Die Geschädigte bezichtige ihn, weil er ihre Annäherungsversuche abgewiesen habe. Insgesamt lasse sich aus den Aussagen des Angeklagten nicht viel zur Erstellung des Anklagesachverhaltes ableiten. Es bleibe zu prüfen, ob seine im Wesentlichen widerspruchsfreien und daher grundsätzlich glaubhaften Bestreitungen der konkreten Tatvorwürfe durch glaubhafte und überzeugende Aussagen der Geschädigten widerlegt würden. Der Verteidiger hat anlässlich der Berufungsverhandlung betreffend den Vorwurf der Vorinstanz, der Angeklagte habe sich zum Tathergang nur spärlich geäussert, geltend gemacht, jener könne doch nur verneinen und nicht ausführlich, detailliert oder substantiiert etwas bestreiten, dass er schlicht nicht getan habe (Urk. 85

          S. 4). Dieser Einwand ist berechtigt, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Vorinstanz trotz diesen Ausführungen die Aussagen des Angeklagten nicht als unglaubhaft bezeichnet hat (Urk. 62 S. 11 oben).

        3. Die Sachverhaltsdarstellungen der Geschädigten bezüglich des Raumes, in dem sich die Tat abgespielt haben soll - nämlich der Küche -, präsentierten sich gemäss der Vorinstanz einheitlich und klar; die Geschädigte habe nicht zur Dramatisierung geneigt und dem Angeklagten beispielsweise nie vorgeworfen, Gewalt angewendet zu haben. Ihre Schilderungen seien detailreich, mit der Wiedergabe ihrer inneren Stimmung versehen, enthielten keine Strukturbrüche und präsentierten eine differenzierte Darstellung des Angeklagten. In den Kernpunkten des Geschehens seien die Aussagen der Geschädigten jedoch wenig konsequent und von etlichen Widersprüchen geprägt: Zuerst habe die Geschädigte ausgesagt, der Angeklagte habe sie in die Küche gedrängt. Anschliessend habe sie jedoch gesagt, sie glaube, sie hätte etwas holen müssen. Später habe sie ausgesagt, sie sei in die Küche gegangen und der Angeklagte sei ihr gefolgt; der Angeklagte habe sie in eine Ecke gedrückt und gefragt, wo sie es machen sollten. Wiederum später habe sie ausgesagt, sie sei in die Küche gegangen, weil sie vom Angeklagten habe wegwollen und ein Wasser habe holen wollen. Das weitere Geschehen in der Küche habe die Geschädigte zunächst so geschildert, dass der Angeklagte ihr die Unterhose und die Hose ausgezogen habe. In den späteren Einvernahmen habe sie sich jedoch nicht mehr daran erinnern können, ob der Angeklagte ihr diese ausgezogen habe oder sie es selbst gewesen sei. Schliesslich habe sie ausgeführt, es könne schon sein, dass sie sich ihre Hose auf seine Anweisung hin selber ausgezogen habe. Die Erklärung der Geschädigten für das möglicherweise selbständige Ausziehen, nämlich dass sie sich sowieso nicht hätte wehren können und in der Wohnung nichts hätte machen kön- nen, erscheine als nicht sehr nachvollziehbar und lebensnah. Auch die Beschreibungen des Geschlechtsverkehrs durch die Geschädigte präsentierten sich uneinheitlich. In der ersten Einvernahme bei der Polizei habe die Geschädigte ausgesagt, der Angeklagte habe die ganze Zeit ihre Beine gespreizt hinauf gehalten. In der zweiten polizeilichen Einvernahme habe sie ausgesagt, der Angeklagte habe sie für den Geschlechtsverkehr auf die Küchenkombination in der Ecke gesetzt und ihre Beine über seine Schultern gelegt. Dass der Angeklagte sie auf die Ecke hochgehoben habe und dann in sie eingedrungen sei, habe die Geschädigte nochmals anlässlich der ersten Einvernahme bei der Staatsanwaltschaft wiederholt. Hinsichtlich der Fragen des Samenergusses des Angeklagten sowie ob und wann sie und/oder der Angeklagte nach dem Vorfall geduscht hätten, habe die Geschädigte uneinheitlich ausgesagt. Darauf hingewiesen, habe die Geschädigte erwidert, sie wisse es nicht mehr genau. Sie habe sich in zahlreiche Widersprüche verstrickt; sodann seien ihre Schilderungen mit jeder weiteren Einvernahme detaillierter geworden. Dies sei keineswegs allein auf Lücken im Erinnerungsvermögen zurückzuführen, weshalb die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Geschädigten gesamthaft betrachtet als zweifelhaft erscheine. Obwohl sich die Aussagen der Geschädigten in einzelnen Teilen widersprüchlich und unstimmig präsentierten, sei dadurch jedoch noch nicht belegt, dass es zu überhaupt keinem Geschlechtsverkehr gekommen sei. Vielmehr dränge sich anhand aller vorliegenden Aussagen der Schluss auf, dass es zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten wohl zum Geschlechtsverkehr gekommen, dieser jedoch einvernehmlich gewesen sei. Es sei nämlich kein Grund ersichtlich, weshalb die Geschädigte das Kerngeschehen, nämlich dass es zwischen ihr und dem Angeklagten am fraglichen Datum am fraglichen Ort zum Geschlechtsverkehr gekommen sei, frei erfunden haben sollte. Die Geschädigte habe trotz gewisser Widersprüchlichkeiten differenziert ausgesagt, offensichtlich auch mit sich selbst gerungen und sie habe das Faktum als solches (Sex mit dem Angeklagten) auch

          gegenüber der Zeugin E.

          erwähnt. Hätte sie den Angeklagten wissentlich

          falsch belasten wollen, wären ihre Aussagen mit Sicherheit plakativer und mit weniger Empathie für den Angeklagten erfolgt. Auch hätte es die Geschädigte wohl tunlichst vermieden, sich über ihre sexuellen Verhaltensweisen in der Vergangenheit (war sexsüchtig) zu äussern. Gegen eine gänzlich erfundene Darstellung seitens der Geschädigten spreche auch der Umstand, dass die Geschädigte ja nicht von sich aus Anzeige habe erstatten wollen. Dass es zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gekommen sei, dränge sich auch aufgrund dessen auf, dass der Angeklagte ausgeführt habe, man (die Geschädigte) müsse seinem Therapeuten wirklich alles sagen, dass man Sex gehabt habe mit dem Vater, mit dem Halbbruder, man müsse einfach alles sagen. Auch die bereits in der zweiten Einvernahme gemachte Aussage des Angeklagten, die Geschädigte habe sich in ihrer Konfusion vielleicht gedacht, dass er das Gleiche mit ihr

          mache, wie ihr Vater, würde ebenfalls nur einen Sinn ergeben, wenn es tatsächlich zum Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten gekommen sei. Aber nicht nur die Äusserungen des Angeklagten, sondern auch etliche Aussagen der Geschädigten würde gemäss Vorinstanz zur oberwähnten Schlussfolgerung führen. Bei der polizeilichen Einvernahme habe sie ausgesagt, ihr Freund habe die Polizei gerufen und sie habe den Angeklagten schliesslich ihrem Freund zuliebe angezeigt, weil dieser gesagt habe, entweder er oder der Angeklagte. Die Geschädigte habe sodann zunächst den Vorhalt bestätigt, freiwillig mit dem Angeklagten Sex gehabt zu haben und dies nun zu bereuen, weil sie ihren Freund nicht verlieren wolle und die Halbschwester des Angeklagten sei. Diese an sich überzeugende, lebensnahe und nachvollziehbare, eigene Zugabe habe sie in der Folge zweimal handschriftlich im Protokoll korrigiert. Des Weiteren habe die Geschädigte eingestanden, feucht in der Vagina geworden zu sein, als der Angeklagte ihre Brüste massiert habe. In eine ähnliche Richtung - nämlich, dass sich die Geschädigte sozusagen auf den Geschlechtsverkehr eingelassen resp. sich dazu habe überreden lassen - gehe auch ihre Äusserung, dass der Angeklagte ganz viele schöne Sachen über sie gesagt und ihr erzählt habe, auch missbraucht worden zu sein und Drogen genommen zu haben. Dies habe er getan, damit er sie zum Sex habe überreden können. Er habe sich bei ihr eingeschmeichelt, dies hätte bei ihr gefruchtet. Gemäss der Zeugin E. schliesslich habe die Geschädigte ihr in einer Psychotherapiesitzung wörtlich gesagt, dass sie gegenüber dem Angeklagten sexuell schwach geworden sei. Sie - die Zeugin - könne sich vorstellen, dass die Geschädigte am Anfang einem gewissen Charme oder der Attraktivität ein bisschen nachgegeben habe und es dann nicht mehr habe bremsen können.

        4. Insgesamt ist gemäss den Erwägungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid der Anklagesachverhalt dahingehend erstellt, dass der Angeklagte mit seinem Penis in die Vagina der Geschädigten eingedrungen und es zur Ejakulation gekommen, dies jedoch einvernehmlich geschehen sei (Urk. 62 S. 10-20).

      3. Die Verteidigung beanstandet im Berufungsverfahren den vorinstanzlichen Schuldspruch betreffend Inzest dahingehend, die Aussagen der Geschädigten

      seien nicht glaubhaft und es sei nicht darauf abzustellen; vielmehr sei gemäss den Bestreitungen des Angeklagten davon auszugehen, dass kein Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten stattgefunden habe (Urk. 57 S. 1f.). Anlässlich der Berufungsverhandlung wurde argumentiert, die Geschädigte habe widersprüchlich ausgesagt und ihre Darstellung sei unglaubhaft (Urk. 85 S. 6.). 4. Zu den theoretischen Grundsätzen der richterlichen Beweiswürdigung kann vorab zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 62 S. 5f. und S. 8f.).

        1. Die obzitierte Beweiswürdigung der Vorinstanz ist im Resultat zutreffend und zu übernehmen (§ 161 GVG). Die folgenden Erwägungen sind daher namentlich ergänzender Natur.

        2. Die Anzeige, die zum vorliegenden Strafverfahren gegen den Angeklagten führte, wurde am 13. April 2010 durch den damaligen Verlobten der Geschädigten, F. _, bei der Polizei erstattet (Urk. 1 S. 3f.). Die Geschädigte sagte mehrfach aus, sie habe die Anzeige ihrem Freund (gemeint: ihr Verlobter, der - tatsächliche - Anzeigeerstatter F. ) zuliebe, eigentlich auf dessen Drängen hin, gemacht; es gehe ihr nicht gut, auch deswegen, weil man habe die Polizei aufbieten müssen und das nicht habe persönlich lösen können (Urk. 5/1 S. 1 und S. 5f.; Urk. 5/4 S. 8). F. hat dies in seiner ersten Einvernahme dahingehend bestätigt, er habe die Polizei gerufen, nachdem ihm die Geschädigte vom Vorfall erzählt habe; vorher habe er gemerkt, dass mit seiner Verlobten etwas nicht stimme; er habe sie zur Rede gestellt, sie habe ihm den Übergriff jedoch anfänglich nicht und anschliessend nur in Bruchstücken respektive etappenweise erzählen wollen; sie habe sich mit dem Angeklagten alleine aussprechen wollen (Urk. 6/1 S. 1-4). Mithin hat nicht die Geschädigte auf die Anhebung eines Strafverfahrens gegen den Angeklagten gedrängt, sondern ihr Verlobter. Beides ist ohne Weiteres nachvollziehbar: Der Anzeigeerstatter einerseits litt unter der Vorstellung, dass seiner Verlobten Gewalt angetan worden ist und dass sie mit einem anderen Mann sexuell verkehrt hat. Die Geschädigte andererseits lebte mit dem Anzeigeerstatter in einer Beziehung, sie waren verlobt, es waren bereits umfassende Vorbereitungen für die Hochzeit getroffen worden (vgl. Urk. 41), offenbar war die Gründung einer Familie geplant (Urk. 5/1 S. 2; Urk. 5/3 s. 2). E. , bei welcher die Geschädigte in psychotherapeutischer Behandlung war, hat als Zeugin ausgesagt, die Geschädigte habe ihr am 12. April 2010 anlässlich einer Therapiesitzung wörtlich gesagt, sie sei gegenüber dem Angeklagten sexuell schwach geworden; sie habe dies ihrem Verlobten nicht sagen und keine Anzeige erstatten wollen (Urk. 9/2 S. 3f.). Die Geschädigte musste damit rechnen, dass ihre Beziehung zu F. mit den gemeinsamen Zukunftsplänen scheitern würde, wenn sie einen sexuellen Kontakt mit dem Angeklagten öffentlich machen würde. Dies traf dann auch prompt ein. Zurecht fürchtete sie zudem familiäre Probleme als Folge einer Anzeigeerstattung (Urk. 5/4 S. 8), musste eine entsprechende Anzeige doch sämtliche Familienmitglieder und ihre Beziehung untereinander und speziell zur Geschädigten belasten. Die Geschädigte hatte somit ein grosses Interesse, einen tatsächlich stattgefundenen Geschlechtsverkehr zu verheimlichen und eben keinerlei Interesse, eine entsprechende Erfindung zu verbreiten. Wohl hatte sie nachher, nachdem sie den sexuellen Kontakt preisgegeben hatte, ein Interesse, dessen Umstände zu aggravieren und sich gegenüber ihrem Verlobten insoweit zu entlasten, dass sie gar keine Wahl gehabt habe, da der Angeklagte sie genötigt habe. Damit hat sich die Vorinstanz bei ihrem wohlbegründeten Freispruch betreffend den Vergewaltigungsvorwurf ausführlich auseinandergesetzt (Urk. 62 S. 19). Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die vorliegend - noch - interessierende Frage, ob es zu einem einvernehmlichen Geschlechtsakt zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten gekommen ist. Wenn die Geschädigte somit grösstes Interesse hatte, einen sexuellen Kontakt zwischen ihr und dem Angeklagten zu verheimlichen und die Initiative zur Strafanzeige nicht von ihr kam, ist auch die Hypothese des Angeklagten und der Verteidigung zum Motiv der behaupteten Falschaussage der Geschädigten, sie wolle sich am Angeklagten stellvertretend für die Übergriffe des verstorbenen Vaters rächen (Urk. 42 S. 5f.; Urk. 4/3 S. 8 und S. 10), widerlegt. Gleiches gilt vor diesem Hintergrund für das weiter ins Feld geführte Motiv, die Geschädigte wolle sich für eine Zurückweisung des Angeklagten rächen (Urk. 85 S. 5). Mithin wies die

          Geschädigte keinerlei nachvollziehbares Motiv auf, einen nie stattgefundenen sexuellen Kontakt zum Angeklagten zu erfinden und zu verbreiten.

        3. Die diversen Schilderungen der Geschädigten betreffend den genauen Ablauf des Geschlechtsverkehrs respektive die unmittelbare Zeit davor und danach weisen über mehrere Einvernahmen wohl gewisse Widersprüche auf, dies jedoch nicht in einer Weise, dass sie insgesamt und entgegen den vorstehenden Erwägungen als unglaubhaft zu taxieren wären. Die Geschädigte hat konstant angegeben, der Geschlechtsverkehr habe in der Küche ihrer Wohnung stattgefunden, sie habe auf der Küchenkombination gesessen und der Angeklagte habe ihre Beine gespreizt und sei von vorne in sie eingedrungen. Unstimmigkeiten zu den Umständen, genau mit welcher Konversation man die Küche betreten habe, wer ihr die Hosen heruntergezogen habe respektive wer sich nach dem Geschlechtsakt in welcher Reihenfolge gereinigt habe, liegen tatsächlich vor; diese Umstände mussten jedoch für die Geschädigte entgegen der Argumentation der Verteidigung (Urk. 42 S. 11) eben gar keine zentrale Rolle spielen: Die Geschädigte gab von sich aus an, mit dem Angeklagten schon früher - d.h. vor ihrer Beziehung mit dem Verlobten (und somit aus ihrer Sicht mehr oder weniger unverfänglich) - einvernehmlichen Sex gehabt zu haben und es sei wiederholt zu Distanzlosigkeiten oder Annäherungen gekommen (Urk. 5/1 S. 7f.). Davon ausgehend, dass der vorliegend inkriminierte sexuelle Verkehr letztendlich einvernehmlich geschah, hat die Geschädigte den eigentlichen Akt auch nicht als traumatisierend empfunden; sie gab auch freimütig zu, dabei erregt gewesen zu sein (Urk. 5/1 S. 12), was eine Traumatisierung ausschliesst. Entsprechend gab es für die Geschädigte keinen Anlass, sich nebensächliche Details bewusst oder unbewusst einzuprägen oder zu merken. Das die Geschädigte bedrückende Dilemma stellte sich wohl erst nach dem Akt ein, als sie realisierte, woran sie sich beteiligt oder zumindest was sie nicht verhindert hatte. Diesbezügliche Aggravationsmerkmale sind in ihren Aussagen vorhanden, darauf weist die Verteidigung zurecht hin und dazu hat die Vorinstanz bei ihrer Beweiswürdigung zur Frage, ob es sich um erzwungenen Geschlechtsverkehr gehandelt hat, auch zutreffende Erwägungen angestellt. Dies tangiert jedoch wie bereits erwähnt nicht die

          vorliegend interessierende Frage, ob es überhaupt zum sexuellen Verkehr zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten gekommen ist.

        4. Die Verteidigung hat schliesslich argumentiert, das Verhalten der Geschädigten sei angesichts der durch sie geschilderten Tatversion nicht nachvollziehbar gewesen: So sei einerseits nichts einsehbar, weshalb die Geschädigte den Angeklagten in ihrer Wohnung aufnahm, wenn dieser sie bereits wenige Tage vor dem Tattag sexuell bedrängt haben soll; andererseits sei nicht nachvollziehbar, dass die Geschädigte nach dem behaupteten Übergriff mit dem Angeklagten allein im Wald spazieren ging (Urk. 42 S. 11ff.). Letzteres wäre nur ungewöhnlich, wenn von einem erzwungenen vorgängigen Geschlechtsverkehr ausgegangen wird; hat sich die Geschädigte jedoch - mit der Beweiswürdigung der Vorinstanz - vom Angeklagten zu einem sexuellen Kontakt verführen lassen, hatte sie keinen Grund, sich anschliessend vor diesem zu fürchten. Dass die Geschädigte den Angeklagten auch nach früheren Avancen wieder in ihr Haus liess, ist in der Tat prima vista ungewöhnlich, jedoch insgesamt mit dem allgemeinen Verhalten der Geschädigten nicht unvereinbar und passt zu den befremdlichen Verhältnissen,

          wie sie innerhalb der Familie AB.

          geherrscht haben müssen: Die

          Geschädigte empfand ihren leiblichen Vater trotz dessen Übergriffe als aufmerksam und fürsorglich (Urk. 5/4 S. 5f.) und lernte in ihrer Adoleszenz offensichtlich nicht, dass es nicht normal ist, dass ein Kind von seinem Vater über Jahre sexuell ausgebeutet wird (vgl. Urk. 5/3 S. 4). Auch ihr Bruder G. und ihr Halbbruder, der Angeklagte, konsumierten - zumindest seitens ihres Bruders G. eingestandenermassen - in Anwesenheit der sich noch im Kindesalter befindenden Geschädigten Pornofilme und onanierten dabei vor den Augen der Geschä- digten, bezogen sie somit eigentlich in eine sexuelle Handlung mit ein (Urk. 5/3 S. 8; Urk. 7/2 S. 14f.). Gemäss der Geschädigten sei das Verhältnis in der Familie stets stark sexualisiert gewesen (Urk. 5/4 S. 4). Die Geschädigte reagierte darauf, indem sie selber als junge Erwachsene einen promisken Lebensstil pflegte und offenbar in zahlreichen Sexualkontakten Zuneigung und Bestätigung suchte (Urk. 5/3 S. 12; Urk. 5/4 S. 3 und S. 24). Sie hat sodann überzeugend ausgesagt, dass es schon früher zu - einvernehmlichen - sexuellen Grenzüberschreitungen zwischen dem Angeklagten und ihr gekommen sei (Urk. 5/3 S 8). Das Verhalten

          der Geschädigten mag somit mit der Verteidigung gemessen an normalen Massstäben als befremdlich erscheinen, gemessen an der distanzlosen und nicht normalen Art, wie innerhalb der erweiterten Familie AB. mit der Sexualität umgegangen wurde, und den Defiziten, die die Geschädigte daraus eingestandenerund erstelltermassen davon trug (vgl. dazu die Aussagen ihrer Therapeutin-

          nen E.

          und H.

          in Urk. 9/2 und 9/3), erscheint es jedoch durchaus

          nachvollziehbar.

        5. Insgesamt ist mit der Beweiswürdigung der Vorinstanz der Anklagesachverhalt gestützt auf die diesbezüglich überzeugenden Aussagen der Geschädigten dahingehend rechtsgenügend erstellt, dass es am 9. April 2010 in der Küche der Wohnung der Geschädigten zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten zum Geschlechtsverkehr gekommen ist.

      6. Die korrekte rechtliche Würdigung dieses Beweisergebnisses der Vorinstanz wird durch die Verteidigung zurecht nicht beanstandet (Urk. 62 S. 22; Urk. 57). Der angefochtene Schuldpunkt ist vorliegend zu bestätigen.

      Anzufügen bleibt, dass konsequenterweise auch die - zum Tatzeitpunkt volljährige

      • Geschädigte wegen Inzest strafrechtlich belangt werden müsste, davon ausgehend, dass der Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten einvernehmlich war.

    3. Sanktion
      1. Die Vorinstanz hat den Angeklagten mit einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten bestraft (Urk. 62 S. 29). Dabei hat sie vorab den konkret anwendbaren Strafrahmen korrekt bemessen (Urk. 62 S. 23). Zu den allgemeinen Grundsätzen der richterlichen Strafzumessung innerhalb des abgesteckten Strafrahmens kann auf die diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz (Urk. 62 S. 23) sowie auf die diesbezüglich einschlägige bundesgerichtliche Rechtsprechung verwiesen werden (BGE 6B_390/2009 E. 2.3.1. mit Verweisen auf die weitere bundesgerichtliche Praxis).

      2. Zur Tatkomponente und dort zur objektiven Tatschwere hat die Vorinstanz erwogen, der Angeklagte habe durch den nichtgeschützten Geschlechtsverkehr mit seiner Halbschwester eine abstrakte Gefahr gesetzt und dieses Verhalten wiege schwerer, als wenn er ein Kondom verwendet hätte. Die Tat sei spontan, jedoch zielgerichtet und überlegt erfolgt, er sei die treibende Kraft bei der Tatbegehung gewesen und habe die Geschädigte aktiv verführt. Zugunsten des Angeklagten sei zu berücksichtigen, dass es nur einmal zu einem kurzen Geschlechtsakt zwischen ihm und seiner erwachsenen Halbschwester gekommen sei. Die objektive Tatschwere sei als nicht mehr leicht einzustufen (Urk. 62 S. 23). Dies wird von der Verteidigung im Berufungsverfahren nicht beanstandet (Urk. 57), ist zutreffend und zu übernehmen.

        Zur subjektiven Tatschwere hat die Vorinstanz erwogen, der Angeklagte habe mit egoistischem Motiv und zur eigenen sexuellen Triebbefriedigung gehandelt. Die subjektive Tatschwere sei demnach ebenfalls als nicht mehr leicht einzustufen (Urk. 62 S. 24). Auch dies ist korrekt. Wenn die Vorinstanz erwägt, der Angeklagte habe in Kenntnis der belasteten familiäre Vorgeschichte der Geschädigten und im Bewusstsein gehandelt, welche Konsequenzen der Geschlechtsverkehr mit seiner Halbschwester auf die familiären Beziehungen sowie das Verlöbnis Letzterer haben dürfte (Urk. 62 S. 24), ist dies ebenfalls inhaltlich korrekt, jedoch bei der objektiven Tatschwere zu berücksichtigen. Zur subjektiven Tatschwere ist einzig zu ergänzen, dass keinerlei Anzeichen für eine Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt vorliegen und auch nie geltend gemacht wurden (Art. 19 Abs. 2 StGB).

        Die Ansetzung einer hypothetischen Einsatzstrafe nach der Beurteilung der Tatkomponente hat die Vorinstanz unterlassen (BGE 6B_865/2009 E.1.6.; vgl. BGE 6B_460/2010 E.3.3.4.; BGE 6B_2/2011 E.4.2.3.). Diese ist auf 6 Monate Freiheitsstrafe oder 180 Tagessätze Geldstrafe anzusetzen.

      3. Zur Täterkomponente hat die Vorinstanz den Werdegang und die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten angeführt, worauf verwiesen werden kann (Urk. 62

        S. 24f.). Anlässlich der Berufungsverhandlung wurde aktualisierend ausgeführt, dass der Angeklagte inzwischen geheiratet hat und in I. [Stadt in Europa] mit

        Hilfe seines älteren Bruders eine Arbeitsstelle suchen möchte (Prot. II S. 5). Mit der Vorinstanz wirken sich die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten bei der Strafzumessung neutral aus. Eine erhöhte Strafempfindlichkeit weist er nicht auf (vgl. BGE 6B_415/2010 E.5.8. mit Verweis auf die Übersicht in BGE 6B_470/2009 vom 23. November 2009 E. 2.5). Ein Geständnis, Einsicht oder Reue kann er nicht strafmindernd für sich reklamieren (BGE 113 IV 56 E.4.c). Wenn die Vorinstanz dem Angeklagten seine zahlreichen Vorstrafen - mangels Einschlägigkeit

        • lediglich leicht straferhöhend angerechnet hat (Urk. 62 S. 25), ist dies fraglos sehr wohlwollend (BGE 136 IV 1 E. 2.6.2.). Zurecht hat sie erheblich erhöhend die Tatsache gewertet, dass der Angeklagte nur kurz nach der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug wiederum delinquiert hat.

      4. Die Beurteilung der Täterkomponente führt zu einer erheblichen Erhöhung der nach der Beurteilung der Tatkomponente bemessenen hypothetischen Einsatzstrafe. Wenn die Vorinstanz ein Strafmass von 9 Monaten Freiheitsstrafe ausgefällt hat, ist dies mit Sicherheit nicht überrissen. Eine Erhöhung im Berufungsverfahren ist schon aus prozessualen Gründen ausgeschlossen (Verbot der reformatio in peius; vgl. dazu BGE 6B_165/2011 E.3.2.f.). Ergänzend zu den Erwägungen der Vorinstanz ist anzuführen, dass angesichts der zahlreichen Freiheitsstrafen, die schon gegen den Angeklagten ausgefällt wurden und die er zumindest in wesentlichen Teilen auch verbüsst hat (Urk. 26/9), heute - obwohl theoretisch möglich (Art. 34 Abs. 1 StGB) - die Ausfällung einer Geldstrafe als mildere Sanktionsform ausser Diskussion steht (BGE 6B_721/2009 E.4.2.; BGE 134 IV 97 E.4.2.; BGE 6B_218/2010 E. 3.2.).

      5. Demnach ist das angefochtene Strafmass zu bestätigen. Der Angeklagte war während 285 Tagen inhaftiert (Urk. 27 S. 1 und Urk. 65). Demzufolge hat er die heute auszufällende Strafe bereits erstanden, was vorzumerken ist.

      6. Auch wenn der Angeklagte die auszufällende Strafe bereits erstanden hat, ist über die Frage des Strafvollzugs zu entscheiden (BSK I Schneider/Garré, Art. 42 StGB, N 9 mit Verweis auf BGE 81 IV 209 und BGE 84 IV 10): Angesichts seiner zahlreichen Vorstrafen, die den Angeklagten offensichtlich und entgegen seinen unbehelflichen Beteuerungen völlig unbeeindruckt liessen, ist ihm mit den

      entsprechenden Erwägungen der Vorinstanz der bedingte Strafvollzug ohne Weiteres zu verweigern (Urk. 62 S. 25-27; Art. 42 StGB).

    4. Kosten
  1. Ausgangsgemäss ist der vorinstanzliche Entscheid über die Kostenauflage zu bestätigen (§§ 188, 190a und 399 StPO).

  2. Im Berufungsverfahren unterliegt der Angeklagte mit seinen Anträgen vollumfänglich. Demzufolge sind ihm auch die Kosten dieses Verfahrens, exklusive derjenigen der amtlichen Verteidigung, aufzuerlegen (§ 396a StPO). Die Kosten der amtlichen Verteidigung sind auf die Gerichtskasse zu nehmen (§ 190a StPO). Gestützt auf § 166 GVG ist das Urteilsdispositiv dahingehend zu berichtigen, als dass die unentgeltliche Geschädigtenvertretung ebenso auf die Gerichtskasse zu nehmen ist.

    Die von der Staatsanwaltschaft angemeldete Berufung hat keinen Einfluss auf die Kostenverteilung, da in diesem Zusammenhang keine Mehrkosten entstanden sind: Das Urteil hätte aufgrund der Berufungsanmeldung des Angeklagten ohnehin begründet werden müssen und die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde nur fünf Tage nach Empfang des begründeten Urteils bereits wieder zurückgezogen (Urk. 47 u. 56).

  3. Der Angeklagte wird heute mit einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten bestraft. Er war während 285 Tagen inhaftiert und hat daher 15 Tage Überhaft erlitten, wofür ihm konsequenterweise eine Genugtuung zuzusprechen ist (BGE 8G.122/2002 E.6.). Anspruch auf Schadenersatz für die Zeit seiner Überhaft hat der Angeklagte nicht, da er in keiner Weise dartun kann, er hätte in jener Zeit ein Erwerbseinkommen erzielt (E. 6.2., vgl. Urk. 85 S. 10). Ausgehend von einem Tagesansatz von Fr. 100.-- ist dem Angeklagten eine Genugtuung von Fr. 1'500.-- zuzusprechen.

Das staatliche Verrechnungsrecht betreffend den zivilrechtlichen Genugtuungsanspruch des Angeklagten mit der ihm aufzuerlegenden Kostentragungspflicht bleibt vorbehalten.

Das Gericht beschliesst:

  1. Vom Rückzug der Berufung der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis vom

    3. Mai 2011 wird Vormerk genommen.

  2. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Dietikon vom

2. November 2010 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

1. ...

2. Der Angeklagte ist der Vergewaltigung im Sinne von Art. 190 Abs. 1 StGB nicht schuldig und wird diesbezüglich freigesprochen.

3. ...

4. ...

  1. Auf das Schadenersatzund Genugtuungsbegehren der Geschädigten wird nicht eingetreten.

  2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

Fr. 4'000.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 255.00 Kosten der Kantonspolizei Zürich Fr. Kanzleikosten Untersuchung

Fr. 909.00 Auslagen Untersuchung

Fr. amtliche Verteidigung Untersuchung Fr. 13'985.20 amtliche Verteidigung

Fr. 412.50 Dolmetscherkosten.

7. ...

3. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv sowie in vollständiger Ausfertigung gemäss nachfolgendem Urteil.

Das Gericht erkennt:

  1. Der Angeklagte A. Art. 213 Abs. 1 StGB.

    ist schuldig des Inzests im Sinne von

  2. Der Angeklagte wird bestraft mit 9 Monaten Freiheitsstrafe, die der Angeklagte durch Untersuchungsund Sicherheitshaft bereits erstanden hat.

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird nicht aufgeschoben.

  4. Die erstinstanzliche Kostenauflage (Urteilsdispositiv-Ziff. 7.) wird bestätigt.

  5. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

  6. Die Kosten des Berufungsverfahrens, exklusive derjenigen der amtlichen Verteidigung und derjenigen der unentgeltlichen Geschädigtenvertretung, werden dem Angeklagten auferlegt.

  7. Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Geschä- digtenvertretung werden auf die Gerichtskasse genommen.

  8. Dem Angeklagten werden Fr. 1'500.-- als Genugtuung aus der Gerichtskasse zugesprochen. Das Verrechnungsrecht des Staates bleibt vorbehalten. Die weitergehenden Schadenersatzund Genugtuungsansprüche werden abgewiesen.

  9. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Angeklagten

    • die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis

    • die Geschädigtenvertreterin im Doppel für sich und zuhanden der Geschädigten

      (Geschädigten wird eine vollständige Ausfertigung dieses Entscheides nur zugestellt, wenn sie dies innert 10 Tagen verlangen [§ 186 Abs. 2 des kantonalen Gerichtsverfassungsgesetzes].)

      in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Angeklagten

    • die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis

      sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich

    • die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A

  10. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

I. Strafkammer

Der Vorsitzende: Die juristische Sekretärin:

Oberrichter Dr. F. Bollinger lic. iur. C. Grieder

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