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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:RZ160008
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid RZ160008 vom 12.01.2017 (ZH)
Datum:12.01.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Abänderung Unterhalt (Revision)
Zusammenfassung : Ein Vater hat vor Gericht eine Abänderungsklage eingereicht, um die Unterhaltsbeiträge für seine Tochter zu ändern. Er behauptet, dass seine Tochter in der Türkei betreut wurde und dort lebte. Als Beweismittel führt er ein Schreiben an, das die Betreuung in der Türkei bestätigt. Erst nach Erhalt dieses Schreibens konnte er die neuen Tatsachen und Beweismittel vorbringen. Die Mutter der Tochter bestätigte den zeitweiligen Aufenthalt in der Türkei, bestritt jedoch eine Wohnungsmiete dort. Das Gericht genehmigte eine Vergleichsvereinbarung, ohne weitere Beweisanträge zu prüfen. Der Vater hat somit rechtzeitig und mit ausreichender Begründung die Revision des Urteils beantragt, da die neuen Beweise einen Einfluss auf die Entscheidung hätten. Das Gericht muss nun über die Zulässigkeit und Begründetheit der Revision entscheiden.
Schlagwörter : Revision; Revisions; Verfahren; Beweis; Entscheid; Türkei; Tatsache; Beklagten; Revisionsgr; Tatsachen; Beweismittel; Unterhalt; Recht; Parteien; Vergleich; Erstverfahren; Vorinstanz; Urteil; Revisionsgesuc; Revisionsgesuch; Verfahren; Familie; Zeugen; Genehmigung; Gericht; Beschwerdeverfahren
Rechtsnorm:Art. 1 ZPO ; Art. 104 ZPO ; Art. 146 StGB ; Art. 287 ZGB ; Art. 29 BV ; Art. 296 ZPO ; Art. 321 ZPO ; Art. 329 ZPO ; Art. 330 ZPO ; Art. 332 ZPO ; Art. 333 ZPO ; Art. 404 ZPO ; Art. 42 BGG ; Art. 55 ZPO ; Art. 57 ZPO ; Art. 93 BGG ;
Referenz BGE:133 II 249; 138 III 382; 142 III 413;
Kommentar:
-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: RZ160008-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin Dr. L. Hunziker Schnider, Vorsitzende, Oberrichterin Dr. M. Schaffitz und Oberrichterin Dr. D. Scherrer sowie Gerichtsschreiber lic. iur. L. Casciaro.

Urteil und Beschluss vom 12. Januar 2017

in Sachen

  1. ,

    Kläger und Beschwerdeführer

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

    gegen

  2. ,

    Beklagte und Beschwerdegegnerin

    vertreten durch Inhaberin der elterlichen Sorge C.

    vertreten durch Fürsprecher lic. iur. Y.

    betreffend Abänderung Unterhalt (Revision)

    Beschwerde gegen ein Urteil des Einzelgerichts im vereinfachten Verfahren am Bezirksgericht Dielsdorf vom 27. Juni 2016 (BR150002-D)

    Erwägungen:

    1. Sachverhalt / Prozessgeschichte / Prozessuales
  1. Sachverhalt

    1. Der (Revisions)kläger und Beschwerdeführer (fortan: Kläger) ist der Vater der am tt.mm.2009 geborenen und mittlerweile sieben Jahre alten (Revisions)beklagten und Beschwerdegegnerin (fortan: Beklagte). Seine Vaterschaft wurde mit Urteil des Einzelgerichts am Bezirksgericht Dielsdorf vom 24. Mai 2011 festgestellt (Proz.-Nr. FP090040; Urk. 3/2 S. 3). Die Mutter der Beklagten und deren gesetzliche Vertreterin mit alleiniger elterlicher Sorge ist C. . Der Kläger hat ausserdem noch ein weiteres Kind, D. , geb. tt.mm.2003, mit seiner ExFrau (geschieden seit 14. Januar 2013), für welches er Fr. 200.bzw. Fr. 250.- Unterhalt bezahlt.

    2. In Proz.-Nr. FP090040 machte die Beklagte überdies einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beklagten geltend. Der Kläger brachte in diesem Zusammenhang vor, die Mutter der Beklagten und damit auch die Beklagte wohnten in E. /Türkei, die Beklagte sei ferner über Monate von einer Wahrsagerin in F. /Türkei betreut worden. Deshalb sei unter Anwendung türkischen Rechts und unter Berücksichtigung der am Aufenthaltsort anfallenden Kosten ein Unterhaltsbeitrag von TRY 250.- (Neue Türkische Lira, entsprechend Fr. 138.am

      24. Mai 2011; gemäss: https://www.six-swiss-exchange.com/services

      /currency_converter_de.html) angemessen (Urk. 9/51 S. 4-6). Die Mutter der Beklagten führte anlässlich der Vergleichsverhandlung in Proz.-Nr. FP090040 aus, sie und die Beklagte hätten immer Wohnsitz in der Schweiz gehabt, die Beklagte sei lediglich von Januar bis Mai 2011 von ihrer Tante in F. /Türkei betreut worden (Urk. 9/Prot. S. 21). Im unbegründet und unangefochten gebliebenen Urteil vom 24. Mai 2011 wurde der Kläger schliesslich durch Genehmigung einer Konvention verpflichtet, der Beklagten für die Zeit ab der Geburt bis zum 1. Juni 2011(ca. 24 Monate) zur Abgeltung der ausstehenden Unterhaltsansprüche einen Betrag von Fr. 24'000.zu bezahlen. Ausserdem wurde er verpflichtet, der Beklagten für die Zeit von 1. Juni 2011 bis und mit Mai 2012 Fr. 650.- und hernach bis zum Abschluss einer angemessenen Erstausbildung, auch über deren Mün- digkeit hinaus, Fr. 1'100.monatlich Unterhalt zu bezahlen. Die zugrunde liegenden finanziellen Verhältnisse der Parteien wurden indessen weder im Urteil noch in der Konvention festgehalten (Urk. 9/57).

    3. Am 13. November 2013 machte der Kläger beim Einzelgericht am Bezirksgericht Uster (die Beklagte war inzwischen in G. gemeldet) eine Abänderungsklage anhängig (Proz.-Nr. FK130037). Er verlangte die Anpassung bzw. Aufhebung der Unterhaltsbeiträge (Urk. 8/25 S. 1). Zur Begründung (Urk. 8/25

      S. 2 ff.) führte er an, im Vergleich sei von einem hypothetischen Einkommen ausgegangen worden, welches er in der Folge nicht zu erwirtschaften geschafft habe. Er könne maximal das aktuelle Einkommen von Fr. 3'700.brutto erzielen. Ausserdem habe sich seine wirtschaftliche Situation durch die Scheidung weiter verschärft; es sei nur noch auf das von ihm persönlich erzielte Einkommen abzustellen und es seien die Unterhaltszahlungen von Fr. 200.bzw. Fr. 250.an die Tochter D. zu berücksichtigen (Urk. 8/25 Rz 3-7). Überdies habe der Kläger aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass die Beklagte inzwischen ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt in der Türkei habe (Urk. 8/1 S. 3, Urk. 8/25 Rz 12). Wür- de sich [dieser] Verdacht [ ] bestätigen, kämen [ ] erhebliche und dauerhafte Veränderungen der finanziellen Verhältnisse zum Tragen. Das Lohnniveau in der Türkei liege gegenüber dem in der Schweiz bei ca. 20%-25%, die Lebenshaltungskosten betrügen, sofern man nicht im Zentrum von Istanbul wohne, kaum mehr als einen Drittel der Schweizer Lebenshaltungskosten (Urk. 8/25 Rz 13). Die Beklagte liess zunächst bestreiten, dass sie sich in der Türkei aufhalte

      (Urk. 9/Prot. S. 13). Am 24. September 2014 teilte schliesslich die Beklagte, am

  2. Oktober 2014 auch der Kläger mit, dass die Beklagte zwischenzeitlich Wohnsitz in der Türkei genommen habe (Urk. 8/36 und Urk. 8/39). Das Einzelgericht wies die Abänderungsklage mit Urteil vom 3. August 2015 ab, da der Kläger keine erhebliche Veränderung der Verhältnisse nachgewiesen habe (Urk. 8/54 S. 11 und 15). Das Vorbringen, entgegen der damaligen Annahme erziele der Kläger das ihm angerechnete hypothetische Einkommen heute nicht, ziele einzig darauf ab, geltend zu machen, im Urteil bzw. im Vergleich sei von falschen Annahmen

ausgegangen worden. Damit wäre er in einem Revisions-, nicht jedoch im Abän- derungsverfahren zu hören. Hingegen habe er nicht dargetan, dass im Nachhinein Umstände wie Arbeitsmarktveränderungen gesundheitliche Probleme eingetreten seien, die die Anrechnung des hypothetischen Einkommens nicht mehr gerechtfertigt erscheinen liessen (Urk. 8/54 S. 7). Die Scheidung und die Verpflichtung zu Unterhaltszahlungen an die Tochter D. würden sodann keine erhebliche Veränderung der Verhältnisse darstellen, zumal die Tochter

D. im Zeitpunkt der Festsetzung der abzuändernden Unterhaltsbeiträge für die Beklagte bereits auf der Welt gewesen sei (Urk. 8/54 S. 8). Mit Bezug auf den Wohnsitzwechsel der Beklagten in die Türkei führte das Einzelgericht hingegen aus, ein solcher stelle grundsätzlich einen Abänderungsgrund dar. Der Kläger habe es jedoch unterlassen darzutun, von welchem Bedarf der Beklagten in der Konvention ausgegangen worden sei und wie hoch ihr Bedarf in der Türkei sei. Deshalb sei auch dieser Abänderungsgrund nicht beachtlich (Urk. 8/54 S. 11).

1.4. Gegen das Abänderungsurteil vom 3. August 2015 erhob der Kläger am

14. September 2015 Berufung an die Kammer, worauf das Berufungsverfahren Proz.-Nr. LZ150014 angelegt wurde (LZ150014-Urk. 60). Eigenen Angaben zufolge (Urk. 1 S. 3) kam der Kläger jedoch bereits am 10. September 2015 in Besitz eines Schreibens von H. vom 27. August 2015 (Urk. 3/3-5), in welchem dieser beschreibt, wie er und seine Frau die Beklagte in der Zeit vom 15. Oktober 2010 bis 28. Dezember 2013 mehrheitlich bei sich in I. /Türkei für 1'200.- Türkische Lira im Monat betreut hätten. In erster Linie gestützt auf dieses Schreiben verlangte der Kläger am 3. Dezember 2015 beim Einzelgericht am Bezirksgericht Dielsdorf auch die Revision des Unterhaltsfestsetzungsurteil vom 24. Mai 2011 (Proz.-Nr. BR150002; Urk. 1). Daraufhin wurde mit Beschluss vom 8. Januar 2016 das Berufungsverfahren bis zur Erledigung des Revisionsverfahrens sistiert (LZ150014-Urk. 79 S. 4), da eine Gutheissung des Revisionsbegehrens zur Aufhebung des ursprünglichen Entscheids führen würde, dessen Abänderung Gegenstand des Berufungsverfahrens sei, mithin dieses gegenstandslos würde (LZ150014-Urk. 79 S. 3).

  1. Prozessgeschichte und Replikrecht

    1. Wie soeben ausgeführt, stellte der Kläger beim Einzelgericht am Bezirksgericht Dielsdorf (Vorinstanz) am 3. Dezember 2015 ein Revisionsgesuch (Art. 329 ZPO) gegen Dispositivziffer 4-9 des Urteils vom 24. Mai 2011(Unterhalt und Kostenund Entschädigungsfolgen, Urk. 3/2; Urk. 1). Nach Einholung einer Stellungnahme der Beklagten (Art. 330 ZPO) wies die Vorinstanz das Revisionsgesuch mit Urteil vom 27. Juni 2016 ab (Urk. 17 S. 10). Der Kläger nahm dieses Urteil am

      8. Juli 2016 in Empfang (Urk. 15/2).

    2. Gegen die Abweisung des Revisionsgesuchs erhob der Kläger am

      8. September 2016 rechtzeitig Beschwerde (Art. 332 ZPO; Urk. 16; Beilagen und

      -verzeichnis: Urk. 18 und 19/3-11). Die Beklagte beantwortete die Beschwerde innert Frist am 7. Dezember 2016 (Urk. 25; Urk. 26, Beilagen und -verzeichnis:

      Urk. 27 und 28/1-2).

    3. Nach Art. 29 Abs. 1 und 2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK haben die Parteien eines Gerichtsverfahrens Anspruch auf rechtliches Gehör und auf ein faires Gerichtsverfahren, unter Beachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit. Diese Garantien umfassen das Recht, von allen bei Gericht eingereichten Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können, unabhängig davon, ob die Eingaben neue und/oder wesentliche Vorbringen enthalten. Es ist Sache der Parteien zu beurteilen, ob eine Entgegnung erforderlich ist nicht. Es ist Aufgabe des Gerichts, in jedem Einzelfall ein effektives Replikrecht der Parteien zu gewährleisten. Hierzu kann es einen zweiten Schriftenwechsel anordnen den Parteien Frist für eine allfällige Stellungnahme ansetzen. Es kann Eingaben aber auch lediglich zur Kenntnisnahme zustellen, wenn von den Parteien erwartet werden kann, dass sie umgehend unaufgefordert Stellung nehmen eine Stellungnahme beantragen, was namentlich bei anwaltlich Vertretenen Rechtskundigen der Fall ist. Das Gericht hat demnach bei der letztgenannten Vorgehensweise mit der Entscheidfällung so lange zuzuwarten, bis es annehmen darf, der Adressat habe auf eine weitere Eingabe verzichtet (BGer 4A_215/2014 vom

18. September 2014, E. 2.1). Von diesem Grundsatz kann indessen zulasten der

vollständig obsiegenden Partei abgewichen werden. Dieser fehlt nämlich ein schützenswertes Interesse zu replizieren, denn mit einer Replik vermöchte sie den ohnehin vollständig ihrem Rechtsbegehren entsprechenden Entscheid nicht weiter zu ihren Gunsten zu beeinflussen; folglich erwiese sich ihre Replik als redundant. Da wie im Folgenden zu zeigen ist - der Kläger mit seinem Hauptbegehren vollständig durchdringt, rechtfertigt es sich, ihm die Beschwerdeantwort erst mit dem vorliegenden Endentscheid zukommen zu lassen. Die Sache ist damit spruchreif.

  1. Uneingeschränkter Untersuchungsgrundsatz

    1. Art. 296 Abs. 1 ZPO (Untersuchungsgrundsatz bei Kinderbelangen) statuiert eine Ausnahme zu Art. 55 Abs. 1 ZPO (generelle Geltung des Verhandlungsgrundsatzes) und bezieht sich systematisch auf alle Verfahren nach der ZPO, mithin auch auf das Rechtsmittelund das Revisionsverfahren. Das Gericht erforscht dementsprechend vor allen kantonalen Instanzen in Kinderbelangen den Sachverhalt von Amtes wegen. Dies gilt sowohl im vorliegenden Beschwerdeverfahren und galt bereits im Verfahren vor Vorinstanz.

    2. Die Sammlung des Prozessstoffes obliegt bei Geltung der Untersuchungsmaxime neben den Parteien auch dem Gericht. Die Parteien haben jedoch trotz der Untersuchungsmaxime das Tatsächliche des Streites vorzutragen. Das Gericht hat aber sowohl behauptete unbestrittene anerkannte Tatsachen zu überprüfen als auch relevanten Tatsachen nachzugehen, die von den Parteien nicht ausdrücklich behauptet wurden. Das Gericht fragt die Parteien nach Beweismitteln, die ihm im Hinblick auf die rechtliche Subsumtion als wichtig erscheinen (Pfänder Baumann, DIKE-KommZPO, Art. 296 N 2). Die Untersuchungsmaxime gilt auch für Sachverhaltsfragen prozessualer Natur. Der Untersuchungsgrundsatz dient in erster Linie, entgegen der Ansicht der Beklagten (Urk. 26

      Rz. 7.4) aber nicht allein dem Schutz des Kindeswohls, und gilt somit auch zugunsten des Unterhaltspflichtigen (Thomann, Stämpflis Handkommentar, ZPO 296 N 3 und 4).

  2. Rügepflicht im Beschwerdeverfahren

    1. Im Sinne einer Eintretensvoraussetzung ist die Beschwerde gemäss Art. 321 Abs. 1 ZPO schriftlich und begründet zu erheben. Der Inhalt dieser Bestimmung erschliesst sich durch einen Vergleich mit der entsprechenden Regelung für das bundesgerichtliche Verfahren in Art. 42 Abs. 2 BGG. Praxisgemäss sind die Eintretensvoraussetzungen aber nicht so restriktiv wie gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG im bundesgerichtlichen Verfahren (ZK ZPO-Freiburghaus/Afheldt, Art. 321 N 15). So wird vom Beschwerdeführer nicht verlangt, dass er explizit verletzte Gesetzesartikel nennt. Vom Beschwerdeführer muss aber verlangt werden, dass er klar und substantiiert darlegt, welchen Mangel der angefochtene Entscheid aufweist. Insofern besteht eine Rügebzw. Begründungspflicht.

    2. Tritt die Beschwerdeinstanz auf das Rechtsmittel ein, hat sie in Rechtsfragen gemäss Art. 320 lit. a ZPO volle Kognition. Entsprechend dem Grundsatz iura novit curia wendet die Beschwerdeinstanz das dem Prozessstoff zugrunde liegende Recht ebenso wie die Vorinstanz von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO). Rechtsanwendung von Amtes wegen bedeutet, dass diesbezüglich keine Rügeobliegenheit der Parteien besteht. Eine Partei, die falsche gar keine Ausführungen zur Rechtsanwendung macht, darf keinen Rechtsnachteil erleiden. Damit ist die Beschwerdeinstanz nicht an eine unvollständige irrige rechtliche Begründung der Parteien gebunden. Insofern hat die Beschwerdeinstanz von Amtes wegen zu entscheiden, ob die Beschwerdeanträge im Ergebnis begründet sind nicht. Die Rügebzw. Begründungspflicht von Art. 321 Abs. 1 ZPO bringt indessen mit sich, dass grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen zu prüfen sind, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (vgl. BGE 133 II 249, E. 1.4.1, zu Art. 42 BGG). Bei Angelegenheiten, in denen das Gericht den Sachverhalt wie vorliegend (Art. 296 Abs. 1 ZPO) von Amtes wegen abzuklären hat, ist die Rügepflicht gemildert. Blosse Anträge genügen aber nicht, die Parteien haben auch in diesen Fällen eine prozessuale Mitwirkungspflicht (Reich, Stämpflis Handkommentar, ZPO 321 N 8, mit Verweis auf Mathys, Stämpflis Handkommentar, ZPO 311 N 17).

    3. Die Beschwerde ist ohne Weiteres ausreichend begründet im Sinne von Art. 321 Abs. 1 ZPO, weshalb darauf einzutreten ist. Im Rahmen der materiellen Prüfung sind mindestens die von den Parteien gerügten Aspekte des angefochtenen Entscheids zu überprüfen. Da die Rügebzw. Begründungspflicht aufgrund

der geltenden Untersuchungsmaxime vorliegend gelockert handzuhaben ist, kann der angefochtene Entscheid zudem auch unter nicht gerügten Gesichtspunkten überprüft werden, sofern sich dies aufdrängt.

II. Materielles
  1. Vorbringen des Klägers

    Der Kläger rügt zunächst, die Vorinstanz sei in willkürlicher Weise davon ausgegangen, er habe bereits im Unterhaltsfestsetzungsverfahren (Proz.-Nr. FP090040), sicher aber im Abänderungsverfahren (Proz.-Nr. FK130037) sichere Kenntnis vom geltend gemachten Revisionsgrund Wohnsitz der Beklagten in der Türkei gehabt (Urk. 16 S. 5). Tatsächlich habe er bis zum Eingang des Schreibens von H. am 10. September 2015 (Urk. 3/3-5) diejenigen Elemente, welche für eine Substantiierung eines Revisionsgesuchs erforderlich seien, nicht zur Hand gehabt, sondern bloss einen Verdacht gehegt (Urk. 16 S. 6). Zudem handle es sich bei dem im Unterhaltsfestsetzungsverfahren vorgetragenen Verdacht, die Beklagte habe ihren tatsächlichen Aufenthalt in der Türkei und werde von einer Wahrsagerin in F. resp. E. betreut, und den im Abänderungsverfahren vorgetragenen, auf zuverlässiger Quelle beruhenden Verdacht, die Beklagte wohne in der Türkei, um andere Behauptungen, als die im Revisionsgesuch aufgestellte Behauptung, die Beklagte sei von der Familie HJ. in

    I. /Türkei betreut worden (Urk. 16 S. 6 ff.). Schliesslich beanstandet der Kläger, die Vorinstanz begehe einen Denkfehler, wenn sie das Schreiben von

    H. mit der Begründung, es sei erst nach dem Entscheid entstanden, als Revisionsgrund ablehne (Urk. 16 S. 8 f.). Die Zeugenaussage der Familie

    HJ. sei schon vor Beginn des Erstverfahrens, also mit der Übernahme der

    Obhut über die Beklagte, angelegt gewesen. Da der Kläger die Familie HJ. aber gar nicht gekannt habe, habe er erst nach Vorliegen des Schreibens von

    H. im September 2015, welches gewissermassen als Träger des tatsächlichen Beweises fungiere, sich darauf berufen können. Der eigentliche Beweis sei die Zeugenaussage, nicht erst das später aufgesetzte Schreiben von H. (Urk. 16 S. 9). Dem Kläger sei im Übrigen auch nicht vorzuwerfen, dass er die revisionsbegründende Tatsache erst im September 2015 habe in Erfahrung bringen können. Im Unterhaltsfestsetzungswie auch im Abänderungsverfahren habe er bloss einen Verdacht gehabt, es sei im deshalb nicht zuzumuten gewesen, die entsprechenden Beweisanträge vehementer und über alle Instanzen hinweg durchzusetzen (Urk. 16 S. 9 f.).

  2. Vorbringen der Beklagten

    Die Beklagte bringt zunächst vor, die Revision hätte gegen den seinerzeit abgeschlossenen Vergleich und nicht gegen den Abschreibungsentscheid erhoben werden müssen (Urk. 26 Rz. 4.6). Sodann bringt die Beklagte vor, das Schreiben von H. habe einen unwahren Inhalt und es bleibe unklar, wie der Kläger die Familie HJ. gefunden habe (Urk. 26 Rz. 7.3/b und 8.15). Schliesslich stellt sich die Beklagte zusammengefasst auf den Standpunkt, dass der Kläger bereits im Erstverfahren wie auch im Abänderungsverfahren vorgebracht habe, die Beklagte lebe im Ausland bzw. in der Türkei (Urk. 26 Rz. 4.3, Rz. 7.3/j, Rz 8.10), und folgert daraus einerseits, das Revisionsgesuch sei zu spät gestellt worden

    (Urk. 26 Rz. 8.13), und weiter, die Revision gegen den Vergleich sei unzulässig, weil der Vergleich seinerzeit gerade unter Berücksichtigung der vom Kläger aufgestellten Behauptungen zum Auslandaufenthalt der Beklagten abgeschlossen worden sei, worauf in der Folge auch entsprechende Beweisabnahmen unterblieben seien (Urk. 26 Rz. 4.3, Rz. 4.5, Rz. 7.3/d und k, Rz. 8.10, Rz. 8.12, Rz. 8.17). Es spiele ferner keine Rolle, wo die Beklagte betreut worden sei, sondern allein, dass die Behauptung, dass sie im Ausland gewesen sei, schon früher aufgestellt worden sei (Urk. 26 Rz 8.12). Der Kläger anerkenne im Übrigen, dass er bereits im Erstverfahren vorgebracht habe, die Beklagte habe sich mindestens zwischen dem 15. Oktober 2010 und 28. Dezember 2013 mehrheitlich bei einer Pflegefamilie in der Türkei aufgehalten (Urk. 26 Rz. 7.3/a). Er habe behauptet, darüber sichere Kenntnis zu haben (Urk. 26 Rz. 7.3/k). Schliesslich bringt die Beklagte vor,

    sie habe immer bei ihrer Mutter gewohnt, und listet deren Wohnadressen von 2006-2014 auf (Urk. 26 Rz. 7.3/e-f).

  3. Revisionsverfahren

    1. Zweck der Revision

      Die Revision nach Art. 328 ff. ZPO bezweckt als ausserordentliches Rechtsmittel Gerichtsentscheide, die in materielle Rechtskraft erwachsen sind und deswegen nicht durch andere Behelfe (wie Rechtsmittel, Abänderung Ergänzung des Entscheides, neue Klage) korrigiert werden können, unter gesetzlich umschriebenen Voraussetzungen (sog. Revisionsgründe) einer erneuten Prüfung durch das erkennende Gericht zuzuführen (Schwander, DIKE-Komm-ZPO, Art. 328 N 3; BGE 138 III 382 E. 3.2.1). Ein gesetzlicher Revisionsgrund liegt unter anderem vor, wenn eine Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt entscheidende Beweismittel findet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte (Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO), ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen ein Vergehen zum Nachteil der betreffenden Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde (Art. 328 Abs. 1 lit. b ZPO).

    2. Revisionsgrund von Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO: Unechte Noven

      Ein Revisionsgrund gemäss Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO besteht nur bei Vorliegen unechter Noven, deren frühere Beibringung unmöglich war, weil diese ihr damals nicht bekannt bzw. zugänglich waren, und deren Unkenntnis der revisionswilligen Partei nicht vorzuwerfen ist (Schwander, a.a.O., Art. 328 N 25; Carcagni Roesler, Stämpflis Handkommentar ZPO 328 N 5; ZK ZPO-Freiburghaus/Afheldt, Art. 328 N 13 und 17 ff.). Unsorgfältiges Prozessieren im Erstverfahren soll nämlich nicht auf dem Revisionsweg behoben werden können (anstatt vieler: Freiburghaus/Afheldt, a.a.O., Art. 328 N 17). Tatsachen, die sich erst nach Entscheidfällung verwirklichen und die dem Prozess zugrundeliegende materielle Rechtslage verändern, stehen ausserdem in keinem Widerspruch zum Entscheid. Sie stellen folglich klarerweise keinen Revisionsgrund dar und sind vielmehr in einem Abänderungsverfahren geltend zu machen (Carcagni Roesler, a.a.O.,

      Art. 328 N 6 f.). Hingegen ist mit Bezug auf erst nach dem Entscheid entstandene Beweismittel, die schon im Erstverfahren rechtzeitig behauptete Tatsachen belegen, umstritten, wie streng die Beschränkung der Revision auf unechte Noven zu befolgen ist (Carcagni Roesler, a.a.O, Art. 328 N 8; Freiburghaus/Afheldt, a.a.O, Art. 328 N 13). Carcagni Roesler befürwortet die alte Zürcher Praxis, Beweismittel, die zum Nachweis von schon im Erstverfahren rechtzeitig behaupteten Tatsachen dienen, als Revisionsgrund zuzulassen. Die wohl herrschende Lehre lehnt aber auch die Zulassung von solchen neuen Beweismitteln ab (BK ZPO-Sterchi, Art. 328 N 13; Gehri, OFK-ZPO, Art. 328 N 3a; Gasser/Rickli, ZPO Kurzkommentar, Art. 328 N 3; Freiburghaus/Afheldt, a.a.O., Art. 328 N 13, jedenfalls mit Bezug auf nachträglich entstandene Urkunden, differenzierend bei ursprünglich falsch nicht aussagenden Zeugen). Da der Gesetzestext keinen Raum für erst nach dem Entscheid entstandene Beweismittel lässt, wird diese Auffassung zu Recht vertreten, auch wenn die Nichtzulassung solcher Beweismitteln nur mit der Beständigkeit des Entscheids, nicht jedoch mit der Nichtbelohnung unsorgfältigen Prozessierens begründet werden kann; das Nichtvorbringen eines noch nicht existenten Beweismittels ist nicht vorwerfbar. Grundsätzlich unbestritten ist jedoch die Zulassung von nachträglich entdeckten Zeugen als Revisionsgrund, die über (vor dem Entscheid) wahrgenommene Tatsachen aussagen können (BSK ZPOHerzog, Art. 328 N 38; Freiburghaus/Afheldt, a.a.O., Art. 328 N 15; Schwander,

      a.a.O., Art. 328 N 31).

    3. Tatsachen und Beweismittel als Revisionsgrund

      Das Gesetz nennt zu Recht unechte Noven bezüglich Tatsachen bezüglich Beweismittel je separat als selbständige alternative Revisionsgründe. Die revisionswillige Partei kann sich somit für eine von ihr seinerzeit vorgebrachte Tatsachenbehauptung auf ein damals existentes, aber nicht bekanntes Beweismittel berufen, umgekehrt das ihm seinerzeit bekannte Beweismittel neu für eine ihm erst jetzt bekannt gewordene Tatsache für zusätzliche Beweismöglichkeiten anrufen (Schwander, a.a.O., Art. 328 N 30). Rechtserhebliche - und damit in einem Prozess zu beweisende - Tatsachen können auch solche sein, deren Bestehen Nichtbestehen einen Schluss auf rechtserhebliche Tatsachen zulassen (sog. Indizien), solche, die einen Schluss auf den Beweiswert eines Beweismittels zulassen (sog. Hilfstatsachen). Neue Indizien können einen Revisionsgrund darstellen, wenn dadurch eine neue Indizienkette und damit ein neu zu würdigendes Beweismittel entstehen (Freiburghaus/Afheldt, a.a.O., Art. 328 N 14).

    4. Nach dem Entscheid entstandene Tatsachen und Beweismittel

      Mit Bezug auf den Zeitpunkt, ab welchem Tatsachen und Beweismittel als nach dem Entscheid entstanden zu gelten haben, führte das Bundesgericht in BGE 142 III 413, E. 2.2.6, aus: Art. 328 Abs. 1 lit. a Satz 2 ZPO, wonach Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind, als Revisionsgrund ausgeschlossen sind, bezieht sich richtig gelesen auf solche Tatsachen, die nach dem Zeitpunkt entstanden sind, in dem sie nach den anwendbaren Verfahrensregeln im früheren Verfahren zum letzten Mal vorgebracht werden konnten; in einem wie das Erstverfahren nach altem Zürcher Recht geführten Verfahren (Einleitung am 29. September 2009 vor Inkrafttreten der eidgenössischen ZPO; vgl. Art. 404 Abs. 1 ZPO) somit bis zum Abschluss des letzten Schriftenwechsels bis zum letzten Vortrag (§ 114 ZPO/ZH). Das Erstverfahren endete am 24. Mai 2011 mit der Genehmigung einer an der gleichentags durchgeführten Vergleichsverhandlung zustande gekommenen Konvention. Die Vergleichsverhandlung fand nach abgeschlossenem ersten Schriftenwechsel statt (vgl. Urk. 9/Prot. S. 17-19), welchem noch Replik und Duplik gefolgt wären (§ 121 Abs. 1 bzw. § 128 ZPO/ZH). Folglich konnten Noven bis zum Urteilszeitpunkt am 24. Mai 2011 vorgebracht werden, womit alle vor diesem Zeitpunkt entstandenen Tatsachen und Beweismittel grundsätzlich einer Revision zugrunde gelegt werden können.

    5. Sorgfaltspflicht in Verfahren mit Untersuchungsmaxime

      Zwar ist in Fällen, in welchen die Verhandlungsmaxime zur Anwendung kommt, wohl ein strengerer Massstab an die prozessuale Sorgfaltspflicht anzulegen, als wenn die Untersuchungsmaxime gilt. Selbst unter der Untersuchungsmaxime obliegt den Parteien jedoch eine Mitwirkungspflicht, weshalb sie sich keineswegs passiv verhalten dürfen, sondern sich aktiv an der Beweisführung beteiligen müssen. Missachtete der Revisionskläger diese Pflichten in vorwerfbarer Weise, darf ihm die Revision nicht bewilligt werden (OGer ZH PC130066 vom 23.12.2013, S. 10).

    6. Zweistufiges Revisionsverfahren

      1. Der Wortlaut von Art. 332 und 333 Abs. 1 ZPO lässt erkennen, dass das Revisionsverfahren im Prinzip in zwei formell unterscheidbare Abschnitte aufgegliedert ist. Zunächst entscheidet das Revisionsgericht über die Zulässigkeit und Begründetheit der Revision. Bejaht es diese, wird das Revisionsgesuch gutgeheissen und der angefochtene Entscheid mit Wirkung ex tunc aufgehoben. Mit der Aufhebung des angefochtenen Entscheids tritt die ursprüngliche Rechtshängigkeit der in Frage stehenden Streitsache wieder ein. Der Entscheid über die Zulässigkeit und Begründetheit der Revision ist aufgrund von Art. 332 ZPO mit Beschwerde anfechtbar (vgl. BSK ZPO-Herzog, Art. 333 N 1f.), was vorliegend geschehen ist.

      2. Grundsätzlich ist also nur über das Revisionsgesuch im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu entscheiden, die Beschwerdeinstanz könnte den Entscheid über die Frage von dessen Zulässigkeit aber auch mit dem neuen Entscheid in der Sache verbinden (Herzog, a.a.O., Art. 332 N 1b). Von einer solchen Verbindung der Entscheide ist jedoch immer dann abzusehen, wenn der Revisionsgrund eine weitergehende Beweisführung in der Hauptsache erfordert (vgl. BK ZPOSterchi, Art. 332 und 333 N 5).

      3. Mit der Aufhebung des früheren Entscheids im zweistufigen Revisionsverfahren ist gleichzeitig zu bestimmen, welche Teile des Erstverfahrens mit aufgehoben werden (BK ZPO-Sterchi, Art. 332 und 333 N 6). Ein solcher gutheissender Entscheid betreffend das Revisionsgesuch ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG (Herzog, a.a.O., N 1a). Im zweistufigen Revisionsverfahren wird erst im nachfolgenden Verfahrensabschnitt, welcher wieder von der Vorinstanz durchzuführen ist, gegebenenfalls nach Durchführung einer Beweisabnahme ein neuer Entscheid in der Sache gefällt (vgl. Herzog, a.a.O., N 3). Deshalb ist in der ersten Phase bloss abzuklären, ob ein genügender Revisionsgrund gegeben

        ist. Wird (unter anderem) ein neues Beweismittel als Revisionsgrund angeführt, ist dieses noch nicht abzunehmen, sondern nur zu prüfen, ob es voraussichtlich nicht unzulässig untauglich ist und ob dessen Abnahme grundsätzlich zu einer erheblichen neuen Tatsachengrundlage führen kann. Damit ist gesagt, dass im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen ist, ob wie die Beklagte vorbringt - das Schreiben von H. einen unwahren Inhalt hat, solange dies nicht offensichtlich ist. Da die Beklagte nicht näher dartut, weshalb H. die Unwahrheit ausführen sollte, bleibt deren Bestreitung des Inhalts des Schreibens in der hier interessierenden ersten Phase des Revisionsverfahrens ohne Bedeutung. Ebenfalls nicht weiter einzugehen ist auf die beklagtischen Behauptungen, wonach sich die Beklagte immer bei ihrer Mutter in der Schweiz an deren jeweiligen in Urk. 26 Rz. 7.3/f aufgelisteten Wohnadressen aufgehalten habe; diese Behauptungen bzw. Bestreitungen werden im Rahmen der zweiten Phase des Revisionsverfahrens vor Vorinstanz zu prüfen sein.

  4. Anfechtungsobjekt

    1. Die Beklagte moniert zu Unrecht, der Kläger erhebe fälschlicherweise gegen den Abschreibungsentscheid anstatt gegen den Vergleich Revision. Richtig ist zwar, dass endete ein Verfahren mit Vergleich, Klageanerkennung rückzug - Revision gegen die Parteivereinbarung bzw. die Prozesserklärung zu erheben und geltend zu machen ist, diese sei unwirksam (Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO). Im vorliegenden Fall indessen endete das Erstverfahren zwar gestützt auf eine Vereinbarung der Parteien, diese vermochte jedoch das Verfahren nicht unmittelbar zu beenden. Ein Vertrag über Kinderunterhaltsbeiträge (dazu zählt auch ein gerichtlicher Vergleich über solche) wird nämlich erst durch Genehmigung der Kindesschutzbehörde (früher: Vormundschaftsbehörde) bzw. des Gerichts verbindlich (Art. 287 Abs. 1 und 3 ZGB). Diese Genehmigung wurde im Urteil vom

      24. Mai 2011, dessen Revision verlangt wird, dergestalt erteilt, dass nicht eine Abschreibung des Verfahrens erfolgte, sondern mit Bezug auf die zukünftigen Unterhaltspflicht des Klägers (ab Juni 2011) in Dispositivziffer 4 die Unterhaltsbeiträge festgesetzt wurden (Urk. 9/57 S. 4). Der vermeintliche Abschreibungsentscheid ist folglich entgegen der Auffassung der Beklagten gar kein solcher, sondern

      vielmehr ein Sachurteil, mit welchem die Höhe der vereinbarten Unterhaltsbeiträge unter amtswegiger Sachverhaltserforschung vollumfänglich überprüft wurde. Deswegen ist sehr wohl gegen das Urteil und nicht gegen den ohne Genehmigung gar nicht gültigen Vergleich Revision zu erheben.

    2. Zur Abgeltung der aufgelaufenen Unterhaltsbeiträge (ab Geburt bis 1. Juni 2011) vereinbarten die Parteien in der Vereinbarung einen Betrag von pauschal Fr. 24'000.-. Diese Abmachung wurde im Urteil vom 24. Mai 2011 nicht explizit genehmigt, sondern es wurde davon lediglich Vormerk genommen (Urk. 9/57

      S. 4f.). Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch diese Abmachung erst durch

      Genehmigung nach vorgängiger Prüfung verbindlich wird, zumal nicht nur periodische Unterhaltsbeiträge, sondern auch eine Einmalabfindung für die Unterhaltspflicht der Genehmigung bedarf (Art. 288 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB). In der (unglücklichen) Formulierung der Vormerknahme von der Vereinbarung ist deshalb dennoch deren Genehmigung zu erblicken, da in der Vormerknahme jedenfalls keine Nichtgenehmigung gesehen werden kann und ohne Genehmigung das Erstverfahren gar nicht durch Vergleich hätte beendet werden können, wobei ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, das Erstgericht habe das Verfahren mit dem Urteil vom 24. Mai 2011 beenden wollen. Da es sich um eine im Rahmen einer gerichtlichen Vergleichsverhandlung geschlossene Vereinbarung handelt, ist im Übrigen davon auszugehen, dass diese ohnehin eine aus Sicht des Gerichts vertretbare und damit genehmigungsfähige Lösung darstellt, sodass im Ergebnis die missglückte Formulierung im Dispositiv des Urteils vom 24. Mai 2011 nicht zu schaden vermag. Zusammenfassend erhob der Kläger folglich zu Recht nicht gegen den Vergleich, sondern vielmehr gegen den Unterhaltsgenehmigungsentscheid des Erstgerichts Revision.

    3. Im Revisionsverfahren ist deshalb nicht die Frage zu beantworten, ob die Parteien beim Abschluss der Vereinbarung einem Willensmangel unterlegen sind, sondern vielmehr danach zu fragen, ob das Erstgericht in Kenntnis des Revisionsgrundes die Genehmigung allenfalls verweigert hätte. Dabei ist zu beachten, dass das Gericht zur Genehmigung einer Vereinbarung den Sachverhalt nicht in der gleichen Tiefe zu erforschen hat, wie wenn es die Unterhaltsbeiträge selbst

      festzusetzen hätte. Es genügt, wenn sich das Gericht davon zu überzeugen vermag, dass der Vergleich aufgrund der aktenkundigen Verhältnisse angemessen ist. Nicht erforderlich ist, dass das Gericht selbst zum exakt gleichen Ergebnis gekommen wäre. Mit Bezug auf die geltend zu machenden Revisionsgründe bedeutet dies, dass nicht jede Abweichung vom seinerzeitigen Aktenstand zur Revision berechtigen kann, selbst wenn das Erstgericht in Kenntnis desselben die Unterhaltsbeiträge anders festgesetzt hätte. Erforderlich ist vielmehr, dass der Revisionsgrund die vom Erstgericht in Unkenntnis desselben genehmigten Unterhaltsbeiträge geradezu unangemessen erscheinen lassen könnte.

    4. Da der Genehmigungsentscheid und nicht die Vereinbarung Anfechtungsobjekt ist, verfängt das Argument der Beklagten nicht, im Vergleich seien die Prozessund Beweisrisiken auch mit Bezug auf die Frage des Aufenthaltsortes der Beklagten bereits berücksichtigt. Solche Überlegungen liegen regelmässig Vergleichen in Forderungsund anderen der Dispositionsmaxime unterliegenden Verfahren zugrunde. Vorliegend mögen sich die Parteien (teilweise) auch von solchen Überlegungen leiten lassen haben. Das Erstgericht hatte den Genehmigungsentscheid hingegen nicht aufgrund von Prozessrisikoüberlegungen, sondern aufgrund einer summarischen, aber umfassenden Überprüfung der Angemessenheit der festgesetzten Unterhaltsbeiträge zu erlassen. Es schadet folglich dem Grundsatz nach nicht, wenn die im Revisionsverfahren nachzuweisenden Tatsachen seinerzeit von den Parteien schon thematisiert (und sogar als Prozessrisiko im Vergleich berücksichtigt) wurden. Entscheidend ist einzig, dass der Revisionsgrund geeignet erscheint, die tatsächliche Grundlage für die Genehmigung des Vergleichs zu zerstören. Konkret bedeutet dies, dass es der Erheblichkeit des Revisionsgrundes keinen Abbruch tut, wenn der Aufenthaltsort der Beklagten bereits im Erstverfahren ein Thema war und die Beweisrisiken einer jeden Partei Niederschlag in der Höhe der Unterhaltsbeiträge gefunden haben sollten, solange der nun angerufene Revisionsgrund wäre er bereits damals bekannt gewesen - das Erstgericht dazu hätte veranlassen können, die Unterhaltsverei nbarung nicht zu genehmigen. Darauf ist unten (Ziff. 7) einzugehen.

  5. Revisionsgründ e

    1. Zunächst ist darauf einzugehen, welche neuen Tatsachenbehauptungen und/oder Beweismittel der Revision überhaupt zugrunde gelegt werden (könnten). Als Revisionsgrund in Frage kommen namentlich:

      • die Tatsachenbehauptung, dass die Beklagte ihren tatsächlichen Wohnsitz in der Türkei gehabt habe;

      • die Tatsachenbehauptung, dass die Beklagte in der Zeit vom 15. Oktober 2010 bis 28. Dezember 2013 mehrheitlich von der Familie HJ. in

        I. /Türkei betreut worden sei;

      • das Schreiben von H. vom 27. August 2015 als Beweismittel;

      • die Zeugenbefragung von H. und dessen Frau J. als Beweismittel.

    2. Der Kläger führte in der Begründung des Revisionsgesuchs vor Vorinstanz im Titel von Ziffer II/1 als Revisionsgrund im Sinne von Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO ein Neues Beweismittel für behauptete Tatsache an. Namentlich führte der Kläger aus, anlässlich des Erstverfahrens habe er bereits den dringenden Verdacht geäussert, dass die Beklagte ihren tatsächlichen Aufenthalt nicht in der Schweiz, sondern in der Türkei habe. Und weiter: Heute nun liegt mit dem oben erwähnten Schreiben von H. aber der Beweis für diese damals schon behauptete Tatsache vor (Urk. 1 S. 4). Unter dem gleichen Titel und im gleichen Absatz offerierte der Kläger als Beweismittel das besagte Schreiben, aber auch H. und J. als Zeugen (nebst der Parteibefragung/Beweisaussage). Sodann führte er aus: Dieses Schreiben ist als neues Beweismittel entscheidend. Selbst wenn sich der Kläger damit vor Vorinstanz in erster Linie auf das Schreiben als Revisionsgrund stützte, erheischt die (auch mit Bezug auf prozessuale Fragen) geltende Untersuchungsmaxime sein Vorbringen vor Vorinstanz so zu lesen, wie er es mit der Beschwerdebegründung verstanden haben möchte, nämlich dass das Schreiben von H. lediglich Träger des Zeugnisses der Familie HJ. ist, in-

dessen als revisionsbegründendes Beweismittel die Zeugenbefragung von H. und J. offeriert wird (Urk. 16 S. 9).

Ausserdem ist die Tatsachenbehauptung, dass die Beklagte in der Zeit vom

15. Oktober 2010 bis 28. Dezember 2013 mehrheitlich von der Familie HJ. in I. /Türkei betreut worden sei, entgegen der Ansicht der Beklagten als eigenständige und von der Tatsachenbehauptung, dass die Beklagte ihren tatsächlichen Wohnsitz in der Türkei gehabt habe von einer Wahrsagerin in

F. betreut worden sei, unterschiedliche Behauptung entgegenzunehmen. Diese Behauptung der Betreuung der Beklagten durch die Familie HJ. ist neu und wurde erstmals vor Vorinstanz vorgebracht. Anders als die Beklagte behauptet (Urk. 26 Rz. 7.3/a), anerkennt der Kläger denn auch nicht, diese Behauptung bereits im Erstverfahren aufgestellt zu haben, was im Übrigen in zeitlicher Hinsicht unmöglich wäre (das Verfahren endete am 24. Mai 2011, die angeblich bereits behauptete Betreuung durch die Pflegefamilie soll bis 28. Dezember 2013 gedauert haben). Ebenso unzutreffend ist, dass der Kläger im Erstverfahren behauptet hat, sichere Kenntnis über den Aufenthalt der Beklagten in der Türkei zu haben.

Das Revisionsgesuch stützt sich demnach (a) auf das neue Beweismittel der Zeugenbefragung von H. und J. , mit welcher (b) die neue Tatsachenbehauptung, dass die Beklagte in der Zeit vom 15. Oktober 2010 bis

28. Dezember 2013 mehrheitlich von der Familie HJ. in I. /Türkei betreut worden sei, nachgewiesen werden soll. Diese Behauptung wiederum ist ein hinreichendes Indiz für die bereits im Erstverfahren vorgebrachte Tatsachenbehauptung, die Beklagte habe ihren tatsächlichen Wohnsitz in der Türkei.

  1. Zulässigkeit der Revisionsgründe in zeitlicher Hinsicht

    1. Die Zeugenbefragung von H. und J. zu der sich schon vor dem Urteilszeitpunkt vom 24. Mai 2011 angeblich verwirklichten Tatsache, dass diese ab 15. Oktober 2010 mehrheitlich die Betreuung der Beklagten übernommen hätten, wäre schon vor dem relevanten Zeitpunkt (24. Mai 2011; vgl. oben Ziff. 3.4) verfügbar gewesen, wenn dem Kläger die Zeugen bekannt gewesen wären. Es

      handelt sich somit um ein unechtes Novum (vgl. dazu auch oben Ziff. 3.2). Zu beachten ist allerdings, dass die Zeugenaussagen der Eheleute HJ. nur insofern unechte Noven sind, als sie sich auf die Zeit bis zum 24. Mai 2011 beziehen.

    2. Die Tatsachenbehauptung, dass die Beklagte in der Zeit vom 15. Oktober 2010 bis 28. Dezember 2013 mehrheitlich von der Familie HJ. in

      I. /Türkei betreut worden sei, bezieht sich ebenfalls immerhin teilweise -

      auf Tatsachen, die bereits vor dem relevanten Zeitpunkt (24. Mai 2011) entstanden sind. Als revisionsbegründendes unechtes Novum kann namentlich die Tatsachenbehauptung angeführt werden, dass die Beklagte in der Zeit vom 15. Oktober 2010 bis 24. Mai 2011 mehrheitlich von der Familie HJ. in

      I. /Türkei betreut worden sei.

  2. Erheblichkeit der Revisionsgründe

    1. Die bereits im Erstverfahren vom Kläger erhobene Tatsachenbehauptung, dass die Beklagte ihren tatsächlichen Wohnsitz in der Türkei habe, war schwierig zu beweisen, solange sie sich nicht konkretisieren liess. Selbst wenn zum Nachweis dieser Behauptung eine Überprüfung des Flugverkehrs der Einund Ausreisestempel in den Ausweisen der Beklagten durchgeführt worden wäre, hätten diese Beweismittel nicht einen eindeutigen Schluss zugelassen. Zum Einen hätten Einund Ausreisen auch ohne Stempel sowie auf dem Landoder Seeweg erfolgen können, zum Anderen liesse auch ein längerer Aufenthalt der damals erst etwa eineinhalbjährigen und damit noch nicht schulpflichtigen Beklagten nicht zwingend auf eine Wohnsitznahme, verbunden mit einer veränderten Bedarfssituation, schliessen.

    2. Die neue, wesentlich konkretere Tatsachenbehauptung, dass die Beklagte in der Zeit vom 15. Oktober 2010 bis 24. Mai 2011 mehrheitlich von der Familie

HJ. in I. /Türkei betreut worden sei, wäre sollte sie sich nachweisen

lassen - demgegenüber das viel stärkere Indiz für eine Wohnsitznahme in der Türkei. Dies gälte umso mehr, wenn sich nachweisen liesse, dass die Betreuung auf Dauer angelegt war, wobei in diesem Zusammenhang immerhin darauf hinzuweisen ist, dass gemäss den Ausführungen im Schreiben von H. die Mutter der Beklagten anlässlich eines Ferienaufenthalts bei den Nachbarn der Familie HJ. nach einer Betreuerin für die Beklagte gesucht habe (Urk. 3/5). Es ist

im Revisionsverfahren grundsätzlich eine Betrachtung ex ante anzustellen, mithin ist danach zu fragen, was bis zum 24. Mai 2011 mit der Familie HJ. vereinbart bzw. geplant war, und nicht darauf abzustellen, dass die Betreuung letztlich insgesamt während (angeblich) rund drei Jahren stattfand. Hätte eine auf Dauer angelegte Betreuung der Beklagten durch die Familie HJ. im Erstverfahren nachgewiesen werden können, hätte dies wohl durchaus dazu geführt, dass anstelle des Bedarfs der Beklagten in der Schweiz (z.B. gemäss den sogenannten Zürcher Tabellen berechnet), das an die Familie HJ. zu bezahlende Betreuungsgeld (nebst allfälligen weiteren Kosten in der Türkei für Krankenkasse, etc.) als Bedarf eingesetzt worden wäre. Das sich aus dem Schreiben von

H. ergebende Betreuungsgeld von TRY 1'200.im Monat entsprach am

24. Mai 2011 einem Gegenwert von Fr. 662.- (vgl. https://www.si x-swissexchange.com/ services/ currency_converter_de.html) und ist damit etwa gleich hoch wie der im zu revidierenden Urteil vom 24. Mai 2011 festgesetzte Unterhaltsbeitrag von monatlich Fr. 650.für die Zeit vom 1. Juni 2011 bis und mit Mai 2012, unterschreitet aber den für die Zeit danach festgesetzten Betrag von

Fr. 1'100.- deutlich. Ausserdem wurde vergleichsweise für die Zeit von der Geburt bis 1. Juni 2011 auch eine Nachzahlung von Fr. 24'000.-, entsprechend etwa

Fr. 1'000.pro Monat vereinbart, was ebenfalls eine Überdeckung des Bedarfs

der Beklagten bedeuten könnte (Urk. 57 S. 4). Es ist davon auszugehen, dass das Erstgericht eine solche Überdeckung des Bedarfs weder vergleichsweise vorgeschlagen noch der Kläger einem solchen Vergleich zugestimmt hätte; dar- über hinaus wären solche Unterhaltsbeiträge wohl auch unangemessen, weshalb ihnen das Erstgericht die Genehmigung versagt hätte. Folglich wäre die als Revisionsgrund angerufene neue Tatsachenbehauptung grundsätzlich tauglich gewesen, den Ausgang des Erstverfahrens zugunsten des Klägers zu beeinflussen. Sie ist deshalb als erheblich im Sinne von Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO zu bezeichnen. Das als Revisionsgrund angerufene Beweismittel der Zeugenbefragung der Familie HJ. ist sodann ein geeigneter Nachweis für diese Behauptung. Mit dem eingereichten Schreiben von H. hat der Kläger zudem dargelegt, dass

die Zeugenbefragung erfolgsversprechend im Sinne des Klägers ausfallen dürfte. Bei der Zeugenbefragung handelt es sich dementsprechend um ein entscheidendes Beweismittel im Sinne von Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO.

8. Rechtzeitigkeit des Revisionsgesuc hs

Das Revisionsgesuch ist innert 90 Tagen seit Entdeckung des Revisionsgrundes einzureichen (Art. 329 Abs. 1 ZPO). Die massgeblichen Revisionsgründe sind vorliegend die neuen Beweismittel der Zeugenbefragungen von H. und

J. und die damit zu beweisende Tatsachenbehauptung, dass die Beklagte

in der Zeit vom 15. Oktober 2010 bis 24. Mai 2011 mehrheitlich von der Familie HJ. in I. /Türkei betreut worden sei. Für die Rechtzeitigkeit des Revisionsgesuchs nicht entscheidend, da eben gerade nicht Revisionsgrund (vgl. oben Ziff. 5), ist hingegen die Tatsachenbehauptung, dass die Beklagte Wohnsitz in der Türkei gehabt habe. Es spielt demzufolge keine Rolle, ob der Kläger diese Behauptung bereits im Erstverfahren im Abänderungsverfahren erhoben hat. Der Kläger legte in seinem Revisionsgesuch dar, dass er mit Hilfe von Bekannten in der Türkei nach langer Suche endlich [habe] herausfinden können, dass sich die Beklagte wenigstens zwischen dem 15. Oktober 2010 und dem 28. Dezember 2013 mehrheitlich bei einer Pflegefamilie in der Türkei aufgehalten habe. Der Kläger habe diese Pflegefamilie zuvor nicht gekannt. Sichere Kenntnis über das Vorliegen der heute geltend gemachten Revisionsgründe habe er deshalb erst mit der Zustellung des erwähnten Schreibens am 10. September 2015 erlangen kön- nen (Urk. 1 S. 3). Damit hat der Kläger knapp, aber grundsätzlich substantiiert dargelegt, dass er die neue Tatsachenbehauptung und das neue Beweismittel nicht vor dem 10. September 2015 erheben bzw. anrufen konnte. Dies blieb dem Grundsatz nach unbestritten. Die Beklagte beschränkt sich mit Bezug auf das Ausfindigmachen von H. auf die folgende Aussage: Wie der Kläger

H. kennengelernt hat und was er dafür getan hat, um von diesem das betreffende Schreiben zu erwirken, wird zu einem späteren Zeitpunkt von Interesse sein. Und weiter: Keine Bemerkungen zur Zustellung des betreffenden Schreibens. (Urk. 10 S. 14). Der Eingang des Schreibens am 10. September 2015 ist

ferner belegt (Urk. 3/4). Damit ist davon auszugehen, dass der Kläger erst am

10. September 2015 Kenntnis von den Revisionsgründen erhalten hat. Das am

3. Dezember 2015 gestellte Revisionsgesuch (Urk. 1) ist folglich rechtzeitig.

  1. Keine unsorgfältige Prozessführung im Erstverfahren

    1. Der Kläger führte aus, er habe die Familie HJ. erst nach langer Suche mit Hilfe von Bekannten ausfindig machen können. Dies kann ihm nicht widerlegt werden. Folglich hatte er im Erstverfahren keine Möglichkeit, die Zeugen

      HJ. anzurufen und die darauf gestützte Behauptung zu erheben, die Beklagte werde von diesen betreut.

    2. Der Kläger brachte zwar bereits im Erstverfahren vor, die Beklagte würde teilweise über Monate hinweg von einer Wahrsagerin in F. /Türkei betreut, offerierte dafür diese Person, K. , als Zeugin und reichte Fotos von der Beklagten ein, welche sie in der Türkei zeigen sollen (Urk. 9/51 S. 5). Auf den fraglichen Fotos ist allerdings nicht zu erkennen, wo sich die Beklagte aufhält

      (Urk. 9/53/3). Ausserdem machte der Kläger geltend, die Mutter der Beklagten habe eine Wohnung in E. /Türkei angemietet, wohne dort und versuche durch gelegentliches Reisen in die Schweiz den Schein des Wohnsitzes in Zürich aufrechtzuerhalten (Urk. 9/51 S. 4 f.). Als Beweis für diesen Umstand reichte er Fotos der offensichtlich leerstehenden angeblichen Wohnung der Mutter der Beklagten in E. ein, benannte den Vermieter der Wohnung als Zeugen und beantragte die Edition des Mietvertrags sowie der Reisepässe der Beklagten und ihrer Mutter zur Sichtung der Einund Ausreisestempel (Urk. 9/51 S. 4). Aus den Fotos der leerstehenden Wohnung lässt sich aber weder ein Schluss auf den Aufenthaltsort der Mutter der Beklagten und noch auf den Aufenthaltsort der Beklagten ziehen. Insofern scheint auch eine Befragung des Vermieters jener Wohnung die Edition des Mietvertrags nicht verhältnismässig. Schliesslich liesse sich auch aus den Einund Ausreisestempeln, jedenfalls bei einem nicht schulpflichtigen Kind, kein eindeutiger Schluss auf einen Wohnsitzwechsel ziehen (vgl. oben Ziff. 7.1).

    3. Zu Beweisabnahmen kam es im Erstverfahren bis zur Vergleichsverhandlung vom 24. Mai 2011 nicht. Allerdings befragte der Einzelrichter anlässlich dieser Vergleichsverhandlung die Mutter der Beklagten, welche damals auch Partei war. Diese führte aus, sie habe die Beklagte im Januar 2011 für einige Monate in die Türkei gebracht. Am 7. Mai 2011 habe sie sie wieder in die Schweiz zurückgeholt. In der Türkei sei sie bei einer Tante in F. untergebracht gewesen.

      Sie habe sie in die Türkei gebracht, um in der Schweiz arbeiten zu können

      (Urk. 9/Prot. S. 21). Eine Wohnung in E. habe sie jedoch nie gemietet. Sie kenne weder die Strasse noch den Vermieter. Sie habe sich nie aus der Schweiz abgemeldet (Urk. 9/Prot. S. 20 f.). Mit Bezug auf die Zeit von Januar bis 7. Mai 2011 war folglich der Aufenthalt der Beklagten in der Türkei anerkannt (allerdings im Widerspruch zum nun eingereichten Schreiben von H. ; in der selben Periode soll die Beklagte gemäss diesem Schreiben von den Eheleuten HJ. betreut worden sein; vgl. Urk. 3/5).

    4. Bei diesem Prozessverlauf kam der Kläger im Erstverfahren seiner Pflicht, den Prozess sorgfältig zu führen, insgesamt nach. Der Einzelrichter liess es (zumindest einstweilen) bei der Befragung der Mutter der Beklagten bewenden und schlug den vom Kläger schliesslich akzeptierten Vergleich vor (Urk. 9/Prot. S. 31). Nachdem ein Aufenthalt der Beklagten in E. zwischen Januar und Mai 2011 nicht mehr bestritten war, bestand mit Bezug auf einen solchen kein Grund für die Weiterverfolgung der gestellten Beweisanträge mehr: Es gab eine Erklärung für den Verdacht des Klägers, die Beklagte halte sich in der Türkei auf. Im Zeitpunkt der Vergleichsverhandlung war die Beklagte allerdings wieder in der Schweiz. Davon ausgehend, dass der Kläger die Familie HJ. in jenem Zeitpunkt noch nicht kannte, musste er davon ausgehen bzw. konnte zumindest nicht widerlegen -, dass die Beklagte sich bloss während rund vier Monaten in der Türkei aufgehalten habe und fortan wieder in der Schweiz leben würde, zumal die Beklagte damals noch nicht schulpflichtig war und deshalb auch ein längerer Auslandsaufenthalt keine Folgen nach sich zog. Deshalb kann ihm nicht vorgeworfen werden, vorschnell der vergleichsweisen Unterhaltsregelung zugestimmt und deren Genehmigung beantragt zu haben.

  2. Fazit

    1. Der Kläger ruft zulässige und erhebliche bzw. entscheidende Revisionsgründe an und hat sein Revisionsgesuch rechtzeitig gestellt. Es ist ihm sodann nicht vorzuwerfen, dass er die neu vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel nicht bereits im Erstverfahren vorbrachte. Folglich ist in Gutheissung der Beschwerde dem Revisionsgesuch vom 3. Dezember 2015 (Urk. 1) stattzugeben und dementsprechend das vorinstanzliche Urteil vom 27. Juni 2016 (Urk. 17) samt Kostenund Entschädigungsfolgen aufzuheben (vgl. vorne Ziff. 3.6).

    2. Die Sache ist sodann zur Neubeurteilung der Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz wird die Zeugeneinvernahme von J. und

      H. durchzuführen und in der Folge den Sachverhalt unter Berücksichtigung

      der bisherigen Behauptungen und Beweismittel, der neuen Zeugeneinvernahme von J. und H. sowie gegebenenfalls unter Abnahme weiterer neuer Beweisund Gegenbeweismittel festzustellen und dem neuen Entscheid zugrunde zu legen haben. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass sich die Revision nicht gegen den Vergleich vom 24. Mai 2011 richtet, weshalb dieser für sich genommen bestehen bleibt. Allerdings entfaltet diese Vereinbarung mit Aufhebung des Urteils keine Wirkungen mehr, soweit die darin getroffenen Vereinbarungen genehmigungspflichtig sind, denn mit Wegfall des Urteils fällt auch die Genehmigung der Vereinbarung weg.

  3. Strafanzeige

    1. Mit der Beschwerde rügt der Kläger ferner, die Vorinstanz habe es pflichtwidrig bzw. unter Verstoss gegen § 167 GOG unterlassen, eine Strafanzeige gegen die Mutter der Beklagten wegen Prozessbetrugs im Sinne von Art. 146 StGB einzureichen, obwohl nach Vorliegen des Schreibens von H. ein entsprechender dringender Tatverdacht bestünde (Urk. 16 S. 11 ff.).

    2. Richtig ist, dass § 167 Abs. 1 GOG grundsätzlich eine Anzeigepflicht der Behörden und öffentlichen Angestellten vorsieht. Eine allfällige Verletzung dieser Pflicht kann aber von vornherein nicht Streitgegenstand einer Beschwerde nach

Art. 332 i.V.m. Art. 319 ff. ZPO sein. Die ZPO-Beschwerde ist ausschliesslich ein Rechtsmittel in Zivilsachen (vgl. Art. 1 ZPO). Legitimiert zur Ergreifung der Beschwerde kann nur sein, wer in seinen vom Privatrecht verliehenen Rechten verletzt ist. Die Verletzung von § 167 Abs. 1 GOG durch eine Behörde vermag zwar grundsätzlich auch die Interessen von Privaten (bspw. einer Partei) tangieren, ist aber, sofern überhaupt ein entsprechender Anspruch besteht, auf dem Weg einer Aufsichtsbeschwerde an die Aufsichtsbehörde geltend zu machen. Vorliegend wäre folglich gegebenenfalls Aufsichtsbeschwerde an das Obergericht zu erheben (§ 80 Abs. 1 lit. b GOG).

11. Subeventualbegehre n

Subeventual schliesst der Kläger auf einen neuen Sachentscheid. Da vorliegend der Sachverhalt unter Abnahme der als Revisionsgrund angerufenen Beweismittel sowie allenfalls noch weiterer (Gegen-)Beweismittel von Grund auf neu festzustellen ist, ist das Revisionsverfahren zweistufig durchzuführen und folglich ist im Beschwerdeverfahren noch kein neuer Entscheid in der Sache zu fällen. Dementsprechend ist auf die Ausführungen der Parteien, die sich auf einen solchen beziehen, nicht einzugehen.

III. Kostenund Entschädigungsfolgen
  1. Vorbehalt des Kostenverlegungsund Entschä digung sentsche ids

    Der vorliegende Entscheid über das Revisionsgesuch ist zwar nicht kassatorischer Natur, sondern es ergeht mit der Gutheissung des Revisionsgesuchs ein reformatorischer Entscheid über die Durchführung des neuen Erkenntnisverfahrens. Dennoch ist die Sache zur Durchführung des neuen Erkenntnisverfahrens und Neubeurteilung der Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erst mit dem revidierten Entscheid wird der endgültige Ausgang des Verfahrens in der Sache feststehen. Es rechtfertigt sich deshalb in analoger Anwendung von Art. 104 Abs. 4 ZPO, die Verteilung der Prozesskosten des Beschwerdeverfahrens sowie den Entscheid über die Parteientschädigung für das Beschwerdeverfahren dem neuen Entscheid der Vorinstanz vorzubehalten. Die Vorinstanz wird darüber zusammen

    mit den bei ihrer Instanz aufgelaufenen Prozesskosten für das Erstverfahren, die Behandlung des Revisionsgesuchs und das nun durchzuführende neue Erkenntnisverfahren nach Massgabe des endgültigen Verfahrensausgangs zu entscheiden haben.

  2. Entscheidgebühr für das Beschwerdeverfahren

    1. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren bestimmt sich durch einen Vergleich des zu revidierenden Urteils vom 24. Mai 2011 mit den Revisionsanträgen des Klägers in der Sache; dies entspricht dem Interesse des Klägers am Revisionsgesuch. Der Kläger wurde mit dem Erstentscheid - unter der Prämisse einer fortdauernden, unveränderten Unterhaltspflicht bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres der Beklagten zu folgender, nicht verzinster Gesamtunterhaltsleistung verurteilt (Urk. 9/57): Fr. 24'000.- (pauschal ab Geburt bis Mai 2011) +

      Fr. 7'800.- (12 x Fr. 650.für 1. Juni 2011 bis Mai 2012) + Fr. 224'400.- (204 x

      Fr. 1'100.für 1. Juni 2012 bis Mai 2029) = Fr. 256'200.-. Mit den Revisionsanträgen verlangt er die Festsetzung der folgenden Gesamtunterhaltsleistung (Urk. 1 S. 1): Fr. 8'500.- (17 x Fr. 500.für Juni 2009 bis Oktober 2010) +

      Fr. 44'600.- (223 x Fr. 200.für November 2010 bis Mai 2029) = Fr. 53'100.-. Er

      strebt somit die Reduktion seiner Gesamtunterhaltspflicht um Fr. 203'100.an, was dem Streitwert des Beschwerdeverfahrens entspricht.

    2. Die Entscheidgebühr für das Beschwerdeverfahren ist somit in Anwendung von § 12 Abs. 1 und 2 GebV OG i.V.m. § 4 Abs. 1 und Abs. 3 GebV OG sowie in sinngemässer Anwendung von § 9 Abs. 2 GebV OG (die Abweisung des Revisionsgesuchs würde sofort zu einem Endentscheid führen) auf Fr. 3'200.festzusetzen.

IV. Unentgeltliche Rechtspflege

Beide Parteien stellten für das Beschwerdeverfahren ein Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege und Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes. Mit dem heutigen Entscheid wird auf jegliche Kostenverteilung verzichtet. Wenn die Parteien je mit Gerichtskosten belastet werden sollten, dann muss das durch den Revisionsentscheid des Bezirksgerichts geschehen. Darin ist auch eine allfällige Parteientschädigung festzusetzen. Der Entscheid über die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes für das vorliegende Beschwerdeverfahrens kann deshalb ohne Weiteres ebenfalls dem neuen Entscheid der Vorinstanz vorbehalten werden. Die Vorinstanz wird nach Prüfung der finanziellen Verhältnisse der Parteien über das im vorliegenden Beschwerdeverfahren gestellte Armenrechtsgesuch entscheiden müssen (vgl. OGer ZH LE160011 vom 4. August 2016, S. 27). Auf die Ausführungen der Parteien zum eigenen bzw. zum gegnerischen Armenrechtsgesuch ist folglich nicht weiter einzugehen.

Es wird beschlossen:

  1. Die Beurteilung der Gesuche beider Parteien um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege und Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes für das Beschwerdeverfahren wird dem neuen Entscheid der Vorinstanz vorbehalten.

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Erkenntnis.

Es wird erkannt:

  1. In Gutheissung der Beschwerde wird das Urteil des Einzelgerichts am Bezirksgericht Dielsdorf vom 27. Juni 2016 aufgehoben.

  2. Das Revisionsgesuch des Klägers wird gutgeheissen.

  3. Dementsprechend wird das Urteil des Einzelrichters im ordentlichen Verfahren am Bezirksgericht Dielsdorf vom 4. Mai 2011 aufgehoben und die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens und Ausfällung eines neuen Entscheids im Sinne der Erwägungen und in Anwendung von Art. 333 Abs. 1 und 2 ZPO an die Vorinstanz zurückgewiesen.

  4. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'200.festgesetzt.

  5. Die Regelung der Prozesskosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens wird dem neuen Entscheid der Vorinstanz vorbehalten.

  6. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Kläger unter Beilage von Urk. 26, 27 und 28/1-2 sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

  7. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

    Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.

    Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 203'100.-.

    Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

    Zürich, 12. Januar 2017

    Obergericht des Kantons Zürich

    1. Zivilkammer

Die Vorsitzende:

Dr. L. Hunziker Schnider

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. L. Casciaro

versandt am: jo

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