Zusammenfassung des Urteils RZ150002: Obergericht des Kantons Zürich
In dem vorliegenden Fall vor dem Obergericht des Kantons Zürich ging es um einen Vaterschafts- und Unterhaltsprozess zwischen einem Beklagten und einem Kläger. Das Gericht ordnete die Einholung eines DNA-Gutachtens an, um die Vaterschaft zu klären. Der Beklagte erhob Beschwerde gegen diese Anordnung, da er sich in Haft befand und die Durchführung des Gutachtens auf einen späteren Zeitpunkt verschieben wollte. Das Gericht wies die Beschwerde ab und legte die Gerichtskosten dem Beklagten auf.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | RZ150002 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Zivilkammer |
Datum: | 03.03.2015 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Vaterschaft und Unterhalt |
Schlagwörter : | Vater; Recht; Vaterschaft; Verfügung; DNA-Gutachten; Entscheid; Beklagten; Gericht; Eingriff; Parteien; Vorinstanz; Frist; Zeitpunkt; Beschwerdeverfahren; Gutachtens; Grundrecht; Bundesgericht; Oberrichter; Verfahren; Wahrscheinlichkeit; Rechtspflege; Anfechtung; Brunner/Gasser/Schwander; Verhandlung; Persönlichkeitsrecht; DNA-Gutachtens; Wangenschleimhautabstrich; Interesse |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 132 ZPO ;Art. 135 ZPO ;Art. 144 ZPO ;Art. 231 ZPO ;Art. 262 ZGB ;Art. 296 ZPO ;Art. 322 ZPO ;Art. 36 BV ;Art. 93 BGG ;Art. 95 ZPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: RZ150002-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin Dr. L. Hunziker Schnider, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur. M. Spahn und Oberrichter Dr. M. Kriech sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. K. Montani Schmidt
Urteil vom 3. März 2015
in Sachen
,
Beklagter und Beschwerdeführer
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X. ,
gegen
,
Kläger und Beschwerdegegner
vertreten durch Inhaberin der elterlichen Sorge C. , vertreten durch Beistand lic. iur. Y. ,
betreffend Vaterschaft und Unterhalt
Erwägungen:
Die Parteien stehen seit dem 14. November 2014 vor Vorinstanz in einem Vaterschafts- und Unterhaltsprozess (Urk. 5/1-2). Mit Verfügung vom
November 2014 wurden die Parteien auf den 21. Januar 2015 zur Hauptverhandlung vorgeladen (Urk. 5/5/1-6). Infolge des Verschiebungsgesuchs seitens des Beklagten und Beschwerdeführers (fortan Beklagter) wurde die Verhandlung mit Verfügung vom 16. Januar 2015 auf den 11. März 2015 angesetzt (Urk. 5/14/1-8). Sodann ordnete die Vorinstanz mit Verfügung vom 29. Januar 2015 folgendes an (Urk. 16 S. 2 f. = Urk. 2 S. 2 f.):
1. Es wird ein DNA-Gutachten eingeholt zur Abklärung der Frage, ob der Beklagte als Vater des Kindes ausgeschlossen werden kann bzw. mit welcher biostatistischer Wahrscheinlichkeit er dessen Vater sei.
Als Gutachter wird der Leiter des Institutes für Rechtsmedizin der Universität Zürich bestellt.
(Schriftliche Mitteilung).
(Rechtsmittelbelehrung: Beschwerde, Frist 10 Tage).
Am 6. Februar 2015 (Datum Poststempel) erhob der Beklagte innert Frist Beschwerde mit folgenden Anträgen (Urk. 1 S. 2):
1. Die angefochtene Verfügung sei aufzuheben.
Das DNA-Gutachten sei zu einem späteren Zeitpunkt einzuholen, nach der Haftentlassung des Beschwerdeführers.
Dem Beschwerdeführer sei für das Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, er sei von Gerichtskosten frei zu halten und der Unterzeichnete sei als unentgeltlicher Rechtsbeistand einzusetzen.
Da der Beschwerdeschrift die Originalunterschrift fehlte, wurde dem Beklagten mit Verfügung vom 10. Februar 2015 entsprechend Nachfrist im Sinne von Art. 132 ZPO angesetzt (Urk. 4). Innert Frist ging die unterzeichnete Beschwerdeschrift am 23. Februar 2015 (Datum Poststempel 20. Februar 2015) ein
(Urk. 1).
Bei der angefochtenen Verfügung der Vorinstanz vom 29. Januar 2015 handelt es sich um eine prozessleitende (Beweis-)Verfügung (Rüetschi in: BK ZPO, Bd. II, Bern 2012, Art. 183 N 17 und N 51 m.w.H.; Brönnimann in: BK ZPO, a.a.O., Art. 154 N 5 und N 7). Eine solche ist gemäss Art. 319 lit. b ZPO anfechtbar in den vom Gesetz bestimmten Fällen (Art. 319 lit. b Ziff. 1 ZPO) wenn durch sie ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht (Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO).
Die Anfechtung eines prozessleitenden Entscheides, in dem ein DNA-Gutachten angeordnet wird, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Entsprechend aber ist lediglich eine Beschwerde nach Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO möglich, wobei für deren Zulassung ein drohender, nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil vorausgesetzt ist (Staehelin in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 135 N 5; Huber in: Brunner/Gasser/Schwander, ZPO, Art. 135 N 16; Frei in: BK-ZPO, Bd. I, Bern 2012 Art. 135 N 11; KUKO ZPOWeber, Art. 135 N 7). Ein solcher Nachteil ist ohne Weiteres anzunehmen, wenn
er auch durch einen für den Ansprecher günstigen Zwischenoder Endentscheid nicht mehr beseitigt werden kann. Darüber hinaus ist eine Anfechtung auch dann möglich, wenn die Lage der betroffenen Partei durch den angefochtenen Entscheid erheblich erschwert wird. Geltend gemacht werden können nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Nachteile (Blickensdorfer, in: Brunner/Gasser/Schwander, ZPO, Art. 319 N 39). In der Literatur wird unter Verweis auf die Botschaft die Auffassung vertreten, dass bei Vorladungen (Art. 133/134 ZPO), Terminverschiebungen (Art. 135 ZPO), Fristansetzungen und erstreckungen (Art. 144 ZPO) Beweisanordnungen (Art. 231 ZPO) ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil kaum je in Betracht fallen könne (Sterchi in: BK-ZPO, Bd. II, Art. 319 N 14; Blickensdorfer, a.a.O., Art. 319 N 41).
Das Vorliegen der Rechtsmittelvoraussetzungen (Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittels) ist von Amtes wegen zu prüfen, doch, wie allgemein bei der Prüfung von Prozessvoraussetzungen, nur auf Basis des dem Gericht vorgelegten Tatsachenmaterials (Müller in: Brunner/Gasser/Schwander, ZPO
Art. 60 N 1). Entsprechend muss die betroffene Partei den nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil dartun, d.h. sie ist beweispflichtig, sofern die Gefahr nicht von vornherein offenkundig ist (Sterchi, a.a.O., Art. 319 N 15). Fehlt die Rechtsmittelvoraussetzung des drohenden, nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils, so ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
Der Beklagte bringt vor, dass er sich derzeit in Haft befinde und die diesbezügliche Strafverhandlung Ende Februar 2015 stattfinden werde. Das strafrechtliche Prozedere belaste ihn in hohem Masse. Es sei ihm im jetzigen Zeitpunkt nicht zuzumuten, sich zusätzlich zu den Schwierigkeiten in diesem Bereich auch noch mit dem Problem einer virtuellen Vaterschaft auseinanderzusetzen. So bedeute das Bestehen eines Vaterschaftstests einen schwerwiegenden Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte. Entsprechend sei davon abzusehen, das DNA-Gutachten in Auftrag zu geben. Eventualiter sei das Einholen des Gutachtens auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Da er mit hoher Wahrscheinlichkeit nach der Strafverhandlung am Gericht in Freiheit entlassen werde, werde er sich dann allemal dem Vaterschaftsprozedere unterziehen können (Urk. 1 S. 2).
Vorliegend legt der Beklagte den nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil mit dem Hinweis auf sein Persönlichkeitsrecht zwar lediglich in pauschaler Weise dar. Indes liegt auf der Hand, dass die Vornahme eines Wangenschleimhautabstrichs einen leichten Eingriff in die körperliche Integrität des Betroffenen darstellt und dieser Eingriff nicht rückgängig gemacht werden könnte, sollte die Rechtsmittelinstanz im Zusammenhang mit der Anfechtung des Endentscheides zum Ergebnis gelangen, dass die Anordnung des DNA-Gutachtens zu Unrecht erfolgt ist. Dies stellt an sich einen nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil dar, weshalb auf die Beschwerde entsprechend einzutreten ist.
Abgesehen davon, dass er sich in Haft nicht mit der Frage einer möglichen Vaterschaft befassen will, bringt der Beklagte in materieller Hinsicht in keiner Weise vor, aus welchen Gründen ein Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte, insbesondere in das Grundrecht der Wahrung seiner körperlichen Integrität nach Art. 36 BV, nicht gerechtfertigt sein sollte. Vorliegend besteht mit Art. 296 Abs. 2 ZPO
eine gesetzliche Grundlage für den entsprechenden Eingriff und der damit verbundenen Grundrechtseinschränkung. Nach Art. 36 Abs. 2 BV stellt auch der Schutz von Grundrechten Dritter vorliegend das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung eine Rechtfertigung für eine Grundrechtseinschränkung dar, weshalb nicht weiter geprüft zu werden braucht, ob der Wangenschleimhautabstrich im öffentlichen Interesse liegt. Da der Beklagte nichts vorbringt, was dem Kläger das Interesse an der Kenntnis seiner Abstammung absprechen würde, und solche Gründe auch nicht auf der Hand liegen, ist von dessen berechtigtem Interesse auszugehen. Schliesslich bringt der Beklagte auch zu Recht nicht vor, die Anordnung des Wangenschleimhautabstrichs zur Klärung der Vaterschaft sei nicht verhältnismässig es werde dadurch der Kerngehalt des Rechts auf persönliche Freiheit angetastet. Daraus folgt, dass die angeordnete Massnahme vor Art. 36 BV standhält.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass schliesslich der Beklagte selber davon ausgeht, dass fraglich sei, ob er der Vater von B. , dem Kind (Kläger und Beschwerdeführer), sei. Zu beachten ist vorliegend, dass es - dem Verfahren eines Vaterschaftsprozesses entsprechend ohnehin dem Beklagten obliegen wird, bei (allenfalls) festgestellter gesetzlicher Vermutung der Vaterschaft nachzuweisen, dass seine Vaterschaft ausgeschlossen weniger wahrscheinlich als die eines Dritten ist, wenn er sich mit der Vaterschaft nicht einverstanden erklären will (Art. 262 Abs. 3 ZGB). Damit aber ist - da der Beklagte die Vaterschaft offenkundig bezweifelt - davon auszugehen, dass ein DNA-Gutachten aller Wahrscheinlichkeit nach zu erstellen sein wird. So stellt sich der Beklagte letztlich auch nicht grundsätzlich gegen die Durchführung des DNA-Gutachtens, da er angibt, sich nach der Haftentlassung dem Vaterschaftsprozess stellen zu wollen. Damit bringt er auch keine stichhaltigen Gründe vor, weshalb sich ein Eingriff derzeit nicht rechtfertigen würde. Es geht ihm allein um den Zeitpunkt der Durchführung des DNA-Gutachtens. Da der Beklagte aber selber davon ausgeht, per Ende Februar 2015 aus der Haft entlassen zu werden, und bei Erlass des vorliegenden Entscheides dieser Zeitpunkt bereits verstrichen ist, vermag dies den Entscheid der Vorinstanz nicht umzustossen.
Damit erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet, weshalb auf das Einholen einer Beschwerdeantwort der Gegenpartei verzichtet werden kann (Art. 322 Abs. 1 ZPO). Die Beschwerde ist abzuweisen.
Die Entscheidgebühr für das Beschwerdeverfahren ist in Anwendung von § 12 Abs. 1 und 2 GebV OG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 GebV OG auf Fr. 500.festzusetzen und dem unterliegenden Beklagten aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO).
Der Beklagte hat ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gestellt (Urk. 24 S. 2). Dieses ist nach dem Gesagten aufgrund der Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen.
Es wird erkannt:
Das Gesuch des Beklagten um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren wird abgewiesen.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 500.festgesetzt.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Kläger unter Beilage eines Doppels von Urk. 1, sowie an das Einzelgericht im vereinfachten Verfahren am Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung, je gegen Empfangsschein.
Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.
Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.
Zürich, 3. März 2015
Obergericht des Kantons Zürich
Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. K. Montani Schmidt
versandt am: kt
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