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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils RZ110003: Obergericht des Kantons Zürich

Der Kläger reichte eine Klage zur Anfechtung der Vaterschaft ein, die jedoch abgewiesen wurde. Er legte Beschwerde ein und forderte die Sistierung des Verfahrens sowie die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung. Das Gericht entschied zugunsten des Klägers bezüglich der Sistierung, wies jedoch die unentgeltliche Prozessführung ab. Der Kläger argumentierte, dass die Vaterschaftsvermutung entfällt, wenn die Ehe für ungültig erklärt wird. Das Bundesgericht gab ihm Recht und bewilligte die unentgeltliche Prozessführung für das Eheungültigkeitsverfahren. Letztendlich wurde die Beschwerde des Klägers teilweise abgewiesen, die Kosten wurden ihm zu 4/5 auferlegt und die unentgeltliche Rechtspflege wurde teilweise gewährt.

Urteilsdetails des Kantongerichts RZ110003

Kanton:ZH
Fallnummer:RZ110003
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid RZ110003 vom 02.04.2012 (ZH)
Datum:02.04.2012
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Anfechtung der Vaterschaft
Schlagwörter : Recht; Vater; Anfechtung; Verfahren; Vaterschaft; Rechtspflege; Frist; Beklagten; Bezirksgericht; Klage; Gericht; Kläger; Klägers; Bundesgericht; Interesse; Verfügung; Entscheid; Gesuch; Erstinstanz; Anfechtungsklage; Beschwerdeverfahren; Kindes; Antrag; Sistierung; Verfahrens; Ungültigkeit; Vaterschaftsvermutung; Anspruch
Rechtsnorm:Art. 107 ZPO ;Art. 109 ZGB ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 122 ZPO ;Art. 2 ZGB ;Art. 256c ZGB ;Art. 404 ZPO ;Art. 7 KRK ;Art. 93 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts RZ110003

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: RZ110003-O/U

Mitwirkend: die Oberrichter Dr. R. Klopfer, Vorsitzender, Dr. G. Pfister und Dr. H.A. Müller sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. S. Notz

Urteil vom 2. April 2012

in Sachen

A. ,

Kläger und Beschwerdeführer

vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X.

gegen

  1. B. ,
  2. C. ,

Beklagte und Beschwerdegegnerinnen

  1. vertreten durch Fürsprecher Y.

  2. vertreten durch Beistand Rechtsanwalt lic. iur. Z.

betreffend Anfechtung der Vaterschaft

Beschwerde gegen eine Verfügung des Einzelgerichts im ordentlichen Verfahren am Bezirksgericht Zürich, 8. Abteilung, vom 2. Mai 2011 (FP100191)

Erwägungen:

I.
  1. Am 17. September 2010 reichte der Kläger und Beschwerdeführer (fortan Kläger) eine Klage betreffend Anfechtung der Vaterschaft ein und stellte gleichzeitig ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Mit Verfügung vom 2. Mai 2011 entschied die Erstinstanz u.a. das Folgende (Urk. 2 S. 8):

    1. Der Antrag um Sistierung des Prozesses bis zum Abschluss des zwischen dem Kläger und der Beklagten 1 pendenten Verfahrens betreffend Ungültigkeit der Ehe/Scheidung (Prozess FE101134) wird abgewiesen.

    2. Das Gesuch des Klägers um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung und Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsbeistän- din wird abgewiesen.

    3. Dem Kläger wird eine Frist von 10 Tagen ab Zustellung dieses Entscheides zur Leistung einer Prozesskaution von Fr. 5'000.angesetzt, unter der Androhung, dass bei Säumnis auf die Klage nicht eingetreten wird.

      (...)

  2. Mit Eingabe vom 6. Mai 2011 erhob der Kläger Beschwerde und stellte die folgenden Anträge (Urk. 1 S. 2f.):

    1. Dispositiv Ziff. 1 der angefochtenen Verfügung der Einzelrichterin am Bezirksgericht Zürich vom 2. Mai 2011 (FP100191-L) sei aufzuheben und es sei der Antrag auf Sistierung des Verfahrens bis zum Abschluss des zwischen dem Beschwerdeführer und den Beschwerdegegnerinnen pendenten Verfahrens betreffend Ungültigkeit der Ehe/Scheidung (Prozess-Nr. FE101134-L) gutzuheissen.

    2. Es sei Dispositiv Ziff. 2 der angefochtenen Verfügung der Einzelrichterin am Bezirksgericht Zürich vom 2. Mai 2011 (FP100191-L) aufzuheben und dem Beschwerdeführer für das vorinstanzliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und unentgeltliche Rechtsvertretung zu bewilligen und in der Person der Unterzeichneten eine unentgeltliche Rechtsvertreterin zu bestellen.

    3. Eventualiter zu Antrag Ziff. 2 sei Dispositiv Ziff. 2 der angefochtenen Verfügung aufzuheben und die Angelegenheit zur Neubeurteilung des Begehrens um unentgeltliche Rechtspflege und unentgeltliche Rechtsvertretung und Bestellung der Unterzeichneten als unentgeltliche Rechtsbeiständin des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    4. Dispositiv Ziff. 3 der angefochtenen Verfügung der Einzelrichterin am Bezirksgericht Zürich vom 2. Mai 2011 (FP100191-L) sei ersatzlos aufzuheben.

    5. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

    6. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen (zzgl. MwSt. 8%) zu Lasten der Staatskasse, eventualiter zu Lasten der Beschwerdegegnerin 1.

    7. Dem Beschwerdeführer sei für das Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege und die unentgeltliche Rechtsvertretung zu bewähren und in der Person der Unterzeichneten eine unentgeltliche Rechtsvertreterin zu bestellen.

  3. Mit Verfügung vom 9. Mai 2011 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung verliehen (Urk. 4). Mit Verfügung vom 27. Mai 2011 wurde den Beschwerdegegnerinnen Frist zur Beschwerdeantwort angesetzt (Urk. 9). Am 10. Juni 2011 beantragte die Beschwerdegegnerin 1 (= Beklagte 1) die Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege und stellte ihrerseits ein entsprechendes Gesuch (Urk. 12). Die Beschwerdeantwort wurde mit Verfügung vom 16. Juni 2011 der Gegenseite zur Kenntnis gebracht. Die Beschwerdegegnerin 2 (= Beklagte 2) hat auf eine Beschwerdeantwort verzichtet.

II.
  1. Das Rechtsmittelverfahren richtet sich nach der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen eidgenössische Zivilprozessordnung (ZPO). In Bezug auf das Verfahren gilt das bisherige Verfahrensrecht bis zum Abschluss vor der betroffenen Instanz (Art. 404 Abs. 1 ZPO).

  2. Zwischen dem Kläger und der Beklagten 1 sind zwei Verfahren hängig: der Anfechtungsprozess für die Vaterschaft betreffend die Beklagte 2 und der Eheungültigkeitsprozess. Die Erstinstanz wies das Sistierungsgesuch des Klägers ab mit der Begründung, der Antrag des Klägers um Ungültigerklärung der Ehe sei als aussichtslos zu bezeichnen. Daher rechtfertige es sich nicht, das vorliegende Verfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid über die Ungültigkeit der Ehe einzustellen (Urk. 2 S. 2f.).

  3. Der Kläger macht im Beschwerdeverfahren geltend, wenn im parallel geführten Ungültigkeitsprozess die Ehe für ungültig erklärt werde, so falle die Vaterschaftsvermutung des Ehemannes dahin. Somit erübrige sich der vorliegende Anfechtungsprozess. Im vorliegenden Fall sei insbesondere was den psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers in den Jahren 2006 bis 2010 betreffe ein Beweisverfahren durchzuführen. Der damit verbundene Aufwand sollte nicht unnötig anfallen. Das Beweisverfahren würde sich jedoch erübrigen, wenn

    die Vaterschaftsvermutung nach Art. 109 Abs. 3 ZGB dahinfalle. Es treffe nicht zu, dass die Ungültigkeitsklage aussichtslos sei (Urk. 1 S. 5).

  4. Mit Urteil vom 21. Dezember 2011 hat das Bundesgericht die Beschwerde des Klägers gegen die vom Bezirksgericht und Obergericht vertretene Auffassung, wonach die auf Art. 105 Ziff. 4 ZGB gestützte Eheungültigkeitsklage als aussichtslos zu bezeichnen sei, gutgeheissen (Kopie des Entscheid 5A_711/2011

    = Urk. 16). Das Bundesgericht hat erwogen, dass es sich bisher noch nicht mit der Auslegung von Art. 105 Ziff. 4 ZGB zu befassen hatte und insbesondere habe es die im Vordergrund stehende Frage noch nicht beantwortet, ob diese Norm auf Ehen anzuwenden sei, die vor ihrem Inkrafttreten geschlossen worden seien. Das Gesetz enthalte auf diese spezifische übergangsrechtliche Frage keine klare Antwort und sei demnach auslegungsbedürftig. Diese relativ neue Rechtsfrage erfordere eine eingehende Auseinandersetzung mit den Grundsätzen zur Rückwirkung von Gesetzesbestimmungen. Sie sei nicht geeignet, im Rahmen der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Eheungültigkeitsklage eindeutig beantwortet zu werden. Sodann hat das Bundesgericht dem Kläger für das vor Bezirksgericht Zürich hängige Eheungültigkeitsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt (Urk. 16 S. 6).

  5. Der Eheungültigkeitsprozess ist somit als nicht aussichtslos zu bezeichnen. Wie der Kläger ausführt, sieht Art. 109 Abs. 3 ZGB vor, dass die Vaterschaftsvermutung entfällt, wenn die Ehe für ungültig erklärt worden ist, weil sie dazu diente, die Bestimmungen über Zulassung und Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern zu umgehen. Sollte die Ungültigkeit gestützt auf Art. 105 Ziff. 4 ZGB erfolgen, würde die Rechtsfolge von Art. 109 Abs. 3 ZGB von Gesetzes wegen eintreten. Daher ist der Beschwerdeantrag Ziffer 1 gutzuheissen und das Verfahren betreffend Anfechtung der Vaterschaft zu sistieren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Ungültigkeitsprozesses.

  6. Der Kläger führt weiter Beschwerde gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege. Die Erstinstanz hatte erwogen, der Kläger könne sich nicht auf einen wichtigen Grund im Sinne von Art. 256c Abs. 3 ZGB berufen. Auch bei dieser Bestimmung sei das Gebot von Treu und Glauben zu beachten, und die Einreichung der Anfechtungsklage habe gemäss bundesgerichtlicher Praxis mit

    aller möglichen Beschleunigung zu erfolgen. Der Kläger habe bereits im 2006 eine Anfechtungsklage erhoben, welche zufolge Säumnis als durch Rückzug erledigt abgeschrieben worden sei. Heute mache der Kläger gesundheitliche Probleme sowohl physischer wie auch psychischer Natur für das Verpassen der Fristen gemäss Art. 256c ZGB geltend. Dass es ihm aber bis zur Einreichung der vorliegenden Klage im September 2010 gesundheitlich derart schlecht gegangen sei, gehe aus seinen Ausführungen nicht hervor. So habe er an verschiedenen Saisonnierstellen gearbeitet, welche er selber gesucht habe. Auch den Alltag und die administrativen Dinge habe er mehr weniger selber erledigt. Zudem habe er sich am aufenthaltsrechtlichen Verfahren der Beklagten 1 beteiligen können. Das Untätigbleiben könne unter den gegebenen Umständen nicht entschuldbar sein. Auch eine Interessenabwägung spreche gegen die Anfechtungsklage, weshalb diese als aussichtslos zu bezeichnen sei (Urk. 2 S. 4 ff.).

  7. Der Kläger macht geltend, den Gerichtstermin für die erste Anfechtungsklage habe er aufgrund seines desolaten gesundheitlichen Zustandes und eines Aufenthalts in der Entzugsklinik D'. (wohl D. ) schlicht und einfach vergessen. Es sei explizit der Beizug der Krankenakten angeboten worden. Die herrschende Lehre sei bezüglich der Wiederherstellung der Fristen gemäss Art. 256c Abs. 3 ZGB grosszügig und anerkenne sowohl objektive als auch subjektive Hindernisse wie zum Beispiel fehlende intellektuelle Fähigkeiten etc. Gerade in jüngerer Zeit zeige sich eine deutliche Tendenz, die Wiederherstellung der Frist zur Anfechtung in verstärktem Masse zuzulassen. Insbesondere würden auch der Irrtum über das fristwahrende Vorgehen und falsche Rechtsauskünfte einer sachkundigen Stelle sowie psychologische Hindernisse bei der Bildung des Klageentschlusses die Wiederherstellung der Frist gemäss Art. 256c ZGB rechtfertigen. Dass das Gesetz die Fristwiederherstellung zeitlich unbegrenzt zulasse, spreche entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht dafür, dass dafür besonders triftige Gründe erforderlich seien (Urk. 1 S. 5 ff.).

  8. Gemäss Art. 256c Abs. 1 ZGB hat der Ehemann die Klage auf Anfechtung der Vaterschaft binnen Jahresfrist einzureichen, seitdem er die Geburt und die Tatsache erfahren hat, dass er nicht der Vater ist dass ein Dritter der Mutter um die Zeit der Empfängnis beigewohnt hat, in jedem Fall aber vor Ablauf von

    fünf Jahren seit der Geburt. Hiebei handelt es sich um Verwirkungsfristen, die weder unterbrochen werden, noch still stehen können. Immerhin lässt das Gesetz eine Anfechtung nach Ablauf der beiden Fristen zu, wenn die Verspätung mit wichtigen Gründen entschuldigt wird (Art. 256c Abs. 3 ZGB). Die Wiederherstellung der Anfechtungsfrist kann grundsätzlich unbegrenzt erfolgen, weshalb die hierfür notwendigen wichtigen Gründe nach der Praxis restriktiv auszulegen sind. Selbstverständlich ist auch hier das Gebot von Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) zu beachten, weshalb die Einreichung der Anfechtungsklage mit aller nach den Umständen möglichen Beschleunigung zu erfolgen hat (BGer. 5C.292/2005 vom 16. März 2006). Grundsätzlich hat dies im Folgemonat nach Wegfall des Verzögerungsgrundes zu geschehen (BGer. 5A_240/2011 vom 6. Juli 2011 m.H.).

  9. Der wichtige Grund für die verspätete Klageeinreichung kann sowohl objektiver wie auch subjektiver Natur sein. Als objektive Hindernisse könnten etwa in Frage kommen schwere Krankheit, Freiheitsentziehung, vorübergehende Urteilsunfähigkeit Unterbruch der Kommunikationsmittel wie Postverbindungen. Als subjektive Hindernisse könnten etwa in Betracht fallen die Hoffnung auf den Fortbestand der Ehe, die fehlende Veranlassung zu Zweifeln an der Vaterschaft, die falsche Rechtsauskunft einer sachkundigen Stelle psychologische Hindernisse bei der Bildung des Klageentschlusses (BGer. 5A_240/2011 vom 6. Juli 2011 m.H.).

  10. Gemäss Sachverhalt war für den Kläger wie auch die Ehefrau (Beklagte 1) stets klar, dass der Kläger nicht der Vater der 2006 geborenen C. (Beklagte

    2) ist (Prot. I S. 8, 16). Es liegt somit nicht der vom Bundesgericht zitierte Fall vor, wonach der Ehegatte keine hinreichende Veranlassung zu Zweifeln an seiner Vaterschaft hatte. Das spricht gegen einen wichtigen Grund im Sinne der Gesetzesbestimmung.

  11. Der Kläger beanstandet, das Eheschutzgericht habe ihn als die Nichtvaterschaft Thema im Prozess geworden sei - nicht darauf hingewiesen, dass die Vaterschaftsvermutung innert einer bestimmten Frist angefochten werden müsse, sondern das Gericht habe einfach automatisch ein zusätzliches Verfahren eröffnet (Urk. 1 S. 6). Aus diesen Vorbringen, die im Zusammenhang mit dem Eheschutzverfahren vor Bezirksgericht Hinwil im September 2006 stehen, kann der Kläger

    nichts zu seinen Gunsten ableiten. Der Kläger hat es zu vertreten, dass er sich damals nicht rechtskundig hat beraten lassen wie er das nun im Jahr 2010 getan hat. Zudem wurden dem Kläger und der Beklagten 1 gemäss Protokoll der Eheschutzverhandlung am Bezirksgericht Hinwil das Scheidungsverfahren sowie das Verfahren betreffend Anfechtung der Vaterschaft erläutet (Urk. 31, Prot. S. 6). Wenn vom Kläger ausgeführt wird, das Gericht habe einfach automatisch ein zusätzliches Verfahren eröffnet (Urk. 1 S. 7), so widerspricht diese Behauptung dem Protokoll der erwähnten Verhandlung: Damals also nach Erläuterung des Verfahrens betreffend Anfechtung der Vaterschaft hat der Kläger persönlich erklärt, Ich reiche hiermit die Klage betreffend Anfechtung der Vaterschaft beim Bezirksgericht Hinwil ein (Urk. 31, Prot. S. 6), worauf dem Kläger mitgeteilt wurde, dass er vorab einen Familienschein einzureichen und dem Kind ein Beistand zu bestellen sei (a.a.O.). Ob das Eheschutzgericht den Kläger auf die einjährige Frist hingewiesen hat, muss offen bleiben. Es bestand für das Bezirksgericht Hinwil jedenfalls keine gesetzliche Pflicht, den Kläger auf die Einjahresfrist hinzuweisen und der Kläger kann daraus keinen Gutglaubensschutz ableiten bzw. sich auf eine falsche Rechtsauskunft einer sachkundigen Stelle berufen. Die fehlende Kenntnis des Rechts, das heisst vorliegend der allgemeinen Pflicht zur Ergreifung der Anfechtungsklage, um das Kindesverhältnis aufzulösen, steht dem Lauf der Klagefrist nicht entgegen andernfalls liefe die Frist für einen Rechtsunkundigen überhaupt nie (BGer. 5A_240/2011 vom 6. Juli 2011).

  12. Der Umstand, dass der Kläger an der seinerzeitigen Hauptverhandlung betreffend Anfechtung der Vaterschaft nicht erschienen ist, lässt sich rückwirkend durch seinen damaligen Aufenthalt in der E. Klinik in D. erklären. Gemäss Angaben vor Erstinstanz war der Kläger in den Jahren 2006/2007 für ca. sechs Monate in der genannten Klinik (Urk. 21 S. 3, Prot. I S. 13). Aus dem vor Vorinstanz beantragten Beizug der Akten lässt sich jedoch nichts über die Zeit nach der Entlassung herleiten. Für das nochmalige Zuwarten mit dem Umsetzen des Entschlusses hat der Kläger letztlich bis September 2010 zugewartet. Seinen eigenen Angaben vor Vorinstanz zufolge wollte sich der Kläger nach der Entlassung aus der Klinik selbständig machen mit einem Restaurant auf dem und alsdann mit einem solchen in . Da er diese jeweils innert Kürze schliessen musste, nahm der Kläger von Herbst 2008 bis Frühjahr 2009 einen Saisonjob an,

    im Sommer 2009 arbeitete er in F. und im Winter 2009/2010 hatte er eine Saisonstelle in G. inne (Urk. 21 S. 3f.). Der Kläger hat folglich mehrere Stellen versehen, wenn auch mit Unterbrüchen; er war somit arbeitsfähig. Weiter ist auch der Erstinstanz zuzustimmen, dass der Kläger sehr wohl in der Lage war, sich im Verfahren betreffend Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Beklagten 1 gegenüber den Behörden zu äussern. So hat er in einer Einvernahme durch die Kantonspolizei Graubünden vom November 2008 zu Protokoll gegeben, dass er nicht der leibliche Vater der Beklagten 2 sei und auch keine Beziehung zu ihr habe. Im Oktober 2009 überdies haben der Kläger und die Beklagte 1 bei der Staatskanzlei vorgesprochen und angegeben, dass der Kläger während der Woche in F. erwerbstätig sei (Urk. 5/24/11 S. 2). Diese Tatsachen sprechen gegen ein möglichst rasches Handeln nach Wegfall des Verzögerungsgrundes.

  13. Psychologische Hindernisse bei der Bildung des Klageentschlusses sind nicht ersichtlich, zumal der Kläger wie dargelegt anlässlich der Eheschutzverhandung im 2006 persönlich erklärte, er wolle die Vaterschaft anfechten. Der Kläger hatte denn auch nie Zweifel daran, dass er nicht der biologische Vater der Beklagten 2 ist.

  14. Unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (5C.292/2005 vom 16. März 2006) hat die Erstinstanz schliesslich die Interessenabwägung vorgenommen und ausgeführt, im vorliegenden Fall würden die Interessen des Klägers und der Beklagten 2 als gleichwertig erscheinen. In diesem Fall sei dem Interesse des Kindes, einen Vater zu haben, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts der Vorrang zu geben (Urk. 2 S. 7). Der Kläger argumentiert, die Beklagte 2 habe einen Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Aus der UN Kinderrechtskonvention folge, dass dem Anspruch des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung beim Entscheid, ob die Frist gemäss Art. 256c Abs. 3 ZGB wiederhergestellt werden sollte, eine ausserordentlich grosse Bedeutung zuzumessen sei. Wenn die Anfechtungsklage nicht gutgeheissen werde, habe die Beklagte 2 auch keine Möglichkeit, zu merken, dass der Kläger nicht der biologische Vater sei. Sie werde mittels der Vaterschaftsvermutung über ihre eigene Abstammung getäuscht. Zudem würden sich der Kläger und die Beklagte 2 nicht kennen. Der Kläger sei nicht leistungsfähig für Unterhaltsbeiträge, weshalb die Beklagte 2

    auch keine finanziellen Interessen an der Aufrechterhaltung des Kindesverhältnis zum Kläger habe. Die Vorinstanz habe sich mit diesen Argumenten nicht auseinandergesetzt (Urk. 1 S. 10 f.).

  15. Die Annahme eines wichtigen Grundes kann sich unter Umständen rechtfertigen, wenn das Interesse des Klägers an der Anfechtung das gegenteilige Interesse des Kindes eindeutig überwiegt (BGer. 5A_240/2011 vom 6. Juli 2011). Eine gelebte Eltern-Kind-Beziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten 2 wird von keiner der Parteien behauptet. Auch weiss die Beklagte 2, dass der Kläger nicht ihr Vater ist (Prot. I S. 8). Die vom Kläger geltend gemachte Gefahr, dass die Beklagte 2 durch die gesetzliche Vaterschaftsvermutung getäuscht werde, besteht daher nicht. Was das Übereinkommen über die Rechte der Kindes (KRK) angeht, sieht Art. 7 Abs. 1 KRK vor, dass jedes Kind u.a. soweit möglich das Recht hat, seine Eltern zu kennen. Diese Bestimmung gibt dem Kind den Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung und kann unabhängig davon geltend gemacht werden, ob die Klage auf Anfechtung der Vaterschaft gutgeheissen abgewiesen wird. Zudem hat die Beklagte 2 in Art. 256c Abs. 2 ZGB eine gesetzliche Grundlage, um die Vaterschaftsvermutung im eigenen Namen bis ein Jahr nach Erreichen des Mündigkeitsalters anzufechten. Zugunsten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er ein berechtigtes Interesse hat, die rechtliche Wahrheit mit der biologischen in Übereinstimmung zu bringen. Beide Parteien leben in relativ engen finanziellen Verhältnissen, weshalb dieser Gesichtspunkt von untergeordneter Bedeutung ist. Was die Beklagte 2 angeht, so ist zu schliessen, dass die Herstellung des Kindesverhältnisses zum vorliegend in Frage kommenden leiblichen Vater mit unbekanntem Aufenthalt (Prot. I. S. 22 f.) offensichtlich mit Schwierigkeiten verbunden ist und damit eine nicht nur vorübergehende Vaterlosigkeit droht. Das Bundesgericht hat im erwähnten neuen Entscheid festgehalten, dass das Interesse des Beschwerdeführers, eine Übereinstimmung zwischen der biologischen und rechtliche Situation zu erreichen, nicht als klar überwiegendes Interesse gilt, wenn auf Seiten des Kindes insbesondere die nicht nur vorübergehende Vaterlosigkeit berücksichtigt werde (BGer. 5A_240/211 vom

6. Juli 2011 E. 7.4). In Nachachtung dieser Rechtsprechung spricht auch die Interessenabwägung im zu beurteilenden Fall gegen die Annahme eines wichtigen Grundes.

  1. Letztlich moniert der Kläger, die Erstinstanz habe anlässlich der Hauptverhandlung mündlich die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege in Aussicht gestellt (Urk. 1 S. 12). Das Gericht darf im allgemeinen die von ihm getroffenen Entscheidungen nicht in Wiedererwägung ziehen, sei es von Amtes wegen auf Antrag. Diese Bindung an den eigenen Entscheid besteht nicht schon von der Ausfällung an, sondern erst von der mündlichen schriftlichen Eröffnung an (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung,

    § 190 ZPO/ZH N 3). Der Entscheid war noch nicht formell eröffnet, weshalb die Kritik unbegründet ist.

  2. Zusammenfassend erweisen sich die Verlustgefahren des Klägers bezüglich der Anfechtungsklage als weit höher als die Gewinnaussichten. Die Klage ist daher in Übereinstimmung mit der Erstinstanz als aussichtslos zu bezeichnen und die Beschwerde mit Bezug auf Ziff. 2 abzuweisen.

  3. Dies führt auch zur Bestätigung von Ziff. 3 der angefochtenen Verfügung. Zufolge der zu beschliessenden Sistierung ist allerdings erst bei Wiederaufnahme des Verfahrens eine neue Frist zur Leistung der Kaution anzusetzen.

III.
  1. Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren kostenlos. Nach Auffassung des Bundesgerichts ist diese Bestimmung indes nicht anwendbar für das Beschwerdeverfahren (BGer. 5A_405/2011 vom 27. September 2011). Der Kläger obsiegt in Bezug auf die Frage der Sistierung. Die Beklagte 1 hat diesbezüglich keinen Antrag gestellt und beantragt die Abweisung der Beschwerde im Bezug auf die Frage der unentgeltlichen Rechtspflege. Folglich sind die Kosten zu 4/5 dem Kläger aufzuerlegen und im Übrigen auf die Staatskasse zu nehmen (Art. 107 Abs. 2 ZPO).

  2. Beide Parteien beantragen für das Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege. Gemäss Art. 117 ZPO hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.

    1. Die Bedürftigkeit des Klägers ist ausgewiesen (Urk. 2 S. 3, Urk. 8/1-3). Aus den gleichen Gründen, die zur Bestätigung der Aussichtslosigkeit der Anfechtungsklage geführt haben, ist auch die dagegen erhobene Beschwerde als aussichtslos anzusehen. Somit ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren abzuweisen, soweit es Beschwerdeantrag Ziff. 2 und Ziff. 3 betrifft, aber gutzuheissen in Bezug auf die Frage der Sistierung.

    2. Die Beklagte 1 begründet den Antrag, die finanziellen Verhältnisse hätten sich nicht verändert und entsprechend könne auf die bekannten und vorliegenden Akten verwiesen werden. Sie sei zudem als juristischer Laie auf einen Rechtsbeistand angewiesen (Urk. 12 S. 4). Die unter Ziff. 2 genannten Voraussetzungen gelten als erfüllt. Die Erstinstanz hat die Beklagte 1 als mittellos bezeichnet, wovon auch im Beschwerdeverfahren auszugehen ist und die Prozessaussichten sind nicht aussichtslos. Entsprechend ist das Gesuch gutzuheissen.

  3. Nach Art. 122 Abs. 2 ZPO wird die unentgeltliche Rechtsbeiständin der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton angemessen entschädigt, wenn die unentgeltlich prozessführende Partei obsiegt und die Parteientschädigung bei der Gegenpartei nicht voraussichtlich nicht einbringlich ist. Mit der Zahlung geht der Anspruch auf den Kanton über. Die Mittellosigkeit des Klägers ist wie erwähnt zu bejahen. Folglich ist in Anwendung der genannten Bestimmung der Rechtsvertreter der Beklagten 1 aus der Gerichtskasse mit Fr. 1'000.zuzüglich Fr. 80.- Mehrwertsteuer zu entschädigen. Der Anspruch auf diese unerhältliche Parteientschädigung geht auf die Gerichtskasse über, was festzustellen ist.

  4. Soweit dem Kläger die unentgeltliche Rechtpflege zu bewilligen ist, ist Rechtsanwältin X. im Beschwerdeverfahren mit Fr. 500.aus der Gerichtskasse zu entschädigen (Art. 122 Abs. 2 ZPO).

Es wird erkannt:

  1. Das Gesuch des Klägers um unentgeltliche Rechtspflege wird in Bezug auf den Beschwerdeantrag Ziffer 1 (Sistierungsbegehren) gutgeheissen und es wird Rechtsanwältin lic. iur. X. insoweit als unentgeltliche Rechtsvertreterin bestellt.

    Im Übrigen wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen.

  2. Das Gesuch der Beklagten 1 um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen und Fürsprecher Y. als unentgeltlicher Rechtsvertreter bestellt.

  3. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird Dispositiv-Ziff. 1 der Verfügung des Einzelgerichts im ordentlichen Verfahren am Bezirksgericht Zürich,

    1. Abteilung, vom 2. Mai 2011 aufgehoben und durch folgende Fassung ersetzt:

      1. Der Prozess wird bis zum Abschluss des zwischen dem Kläger und der Beklagten 1 pendenten Verfahrens betreffend Ungültigkeit der Ehe/Scheidung (Prozess Nr. FE101134) sistiert.

  4. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

  5. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 2'000.festgesetzt.

  6. Die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden zu 4/5 dem Kläger auferlegt und im Übrigen auf die Staatskasse genommen.

  7. Der Kläger wird verpflichtet, dem unentgeltlichen Rechtsvertreter der Beklagten 1, Fürsprecher Y. , für seine Bemühungen und Barauslagen im Beschwerdeverfahren eine Entschädigung von Fr. 1'080.zu bezahlen. Diese Entschädigung wird aus der Gerichtskasse geleistet.

    Der Anspruch auf die unerhältliche Parteienschädigung geht im Umfang von Fr. 1'080.auf die Gerichtskasse über.

  8. Die unentgeltliche Rechtsvertreterin des Klägers, Rechtsanwältin lic. iur.

    X. , wird im Sinne der Erwägungen mit Fr. 500.aus der Gerichtskasse entschädigt.

  9. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an das Bezirksgericht Zürich,

    1. Abteilung, je gegen Empfangsschein.

      Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

  10. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.

Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.

Zürich, 2. April 2012

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Der Präsident:

Dr. R. Klopfer

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. S. Notz

versandt am: ss

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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