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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils RV220006: Obergericht des Kantons Zürich

In dem vorliegenden Fall ging es um ein Verfahren vor dem Obergericht des Kantons Zürich, in dem es um eine Schutzschrift und unentgeltliche Rechtspflege in Bezug auf ein Vollstreckungsverfahren ging. Die Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin beantragte die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, was jedoch abgelehnt wurde. Daraufhin legte sie Beschwerde ein und beantragte die Abänderung der Verfügung. Letztendlich wurde die Beschwerde abgewiesen und die Gesuchstellerin für das Beschwerdeverfahren wurde die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt.

Urteilsdetails des Kantongerichts RV220006

Kanton:ZH
Fallnummer:RV220006
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid RV220006 vom 04.10.2022 (ZH)
Datum:04.10.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Vollstreckung (Schutzschrift, unentgeltliche Rechtspflege, Kostenfolgen)
Schlagwörter : Recht; Schutzschrift; Rechtspflege; Verfahren; Gesuch; Beschwerde; Schutzschriftverfahren; Gesuchs; Tochter; Vorinstanz; Beschwerdeverfahren; Parteien; Anspruch; Entscheid; Gericht; Gesuchsgegner; Rechtsmittel; Massnahme; Urteil; Vollstreckung; Anträge; Hintergr; Bundesgericht; Person; Vereinigung; Parteientschädigung
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 123 ZPO ;Art. 265 ZPO ;Art. 270 ZPO ;Art. 29 BV ;Art. 317 ZPO ;Art. 320 ZPO ;Art. 321 ZPO ;Art. 324 ZPO ;Art. 326 ZPO ;Art. 340 ZPO ;Art. 57 ZPO ;Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:121 I 314; 121 I 321; 128 I 225; 135 I 102; 137 III 470; 139 III 334; 139 III 466; 140 III 12; 140 III 501; 141 I 241; 142 III 131; 147 III 176;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts RV220006

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: RV220006-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. A. Huizinga, Vorsitzender,

die Oberrichterinnen Dr. D. Scherrer und lic. iur. B. Schärer sowie Gerichtsschreiber Dr. Chr. Arnold

Beschluss und Urteil vom 4. Oktober 2022

in Sachen

  1. ,

    Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin vertreten durch Rechtsanwältin MLaw X. ,

    gegen

  2. ,

    Gesuchsgegner und Beschwerdegegner 1 vertreten durch Rechtsanwalt MLaw Y. ,

    sowie

    Kanton Zürich,

    Beschwerdegegner 2

    vertreten durch Bezirksgericht Horgen,

    betreffend Vollstreckung (Schutzschrift, unentgeltliche Rechtspflege, Kostenfolgen)

    Beschwerde gegen eine Verfügung des Einzelgerichts im summarischen Verfahren am Bezirksgericht Horgen vom 27. April 2022 (EW220001-F)

    Erwägungen:

    1. Sachverhalt und Prozessgeschichte

      1. Die Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin (nachfolgend: Gesuchstellerin) sowie der Gesuchs- und Beschwerdegegner 1 (nachfolgend: Gesuchsgegner) sind die Eltern der am tt.mm.2012 geborenen Tochter C. . Mit Urteil vom 15. September 2021 wurde die Ehe der Parteien geschieden und die Tochter unter die alleinige Obhut der Gesuchstellerin gestellt; gleichzeitig wurde der persönliche Verkehr zwischen Vater und Tochter geregelt (Urk. 3/1). Am 25. April 2022 reichte die Gesuchstellerin bei der Vorinstanz eine Schutzschrift ein. Sie beantragte in der Sache, dass ein allfälliges Gesuch des Gesuchsgegners um Anordnung superprovisorischer Vollstreckungsmassnahmen im Zusammenhang mit dem Besuchsrecht dem telefonischen persönlichen Verkehr betreffend die gemeinsame Tochter abzuweisen sei. Gleichzeitig ersuchte die Gesuchstellerin um unentgeltliche Rechtspflege (inklusive unentgeltlicher Rechtsverbeiständung) für das Schutzschrift- und das allfällige Vollstreckungsverfahren (Urk. 1). Am

      1. April 2022 verfügte die Vorinstanz Folgendes (Urk. 4 S. 5 f. = Urk. 8 S. 5 f.):

        1. Die Eingabe der Gesuchstellerin vom 25. April 2022 wird als Schutzschrift entgegengenommen.

        1. Die Schutzschrift vom 25. April 2022 wird im Verfahren EZ220003-F beigezogen.

        2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

        3. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf Fr. 300.–.

        4. Die Kosten gemäss vorstehender Ziffer werden der Gesuchstellerin auferlegt.

        5. [Mitteilung]

        6. [Rechtsmittelbelehrung]

      1. Gegen die Verfügung vom 27. April 2022 erhob die Gesuchstellerin in- nert Frist (siehe Urk. 5/1) Beschwerde mit folgenden Anträgen (Urk. 7 S. 2):

        1. Es sei die Verfügung des Einzelgerichts im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Horgen vom 27. April 2022 im Verfahren EW220001-F wie folgt abzuändern:

        1. Es sei Dispositivziffer 3 abzuändern und es sei der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und ihr in der Person der Unterzeichneten eine unentgeltliche Rechtsbeiständin zu bestellen;

        2. Es sei Dispositivziffer 5 abzuändern und die Kosten seien zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege auf die Staatskasse zu nehmen.

      1. Eventualiter seien Dispositivziffern 3 und 5 aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

      2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zzgl. MWST zulasten der Staatskasse.

      3. Gleichzeitig stellte die Gesuchstellerin folgende prozessuale Anträge (Urk. 7 S. 3):

      1. Es sei der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und es sei ihr in der Person der Unterzeichneten eine unentgeltliche Rechtsbeiständin zu bestellen.

      2. Es sei das vorliegende Beschwerdeverfahren mit dem Beschwer- deverfahren gegen das Urteil und die Verfügung des Einzelgerichts im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Horgen vom 27. April 2022 im Verfahren Geschäfts-Nr. EZ220003-F, hängig seit heutigem Tage, zu vereinigen.

      4. Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (Urk. 1–6). Auf die Einholung einer Stellungnahme der Vorinstanz wurde verzichtet (Art. 324 ZPO). Da auch vom Gesuchsgegner keine Stellungnahme einzuholen ist (E. II.2.), erweist sich das Verfahren als spruchreif.

    2. Prozessuales

  1. Prozessuale Bemerkungen zur Beschwerde

    1. Mit der Beschwerde können unrichtige Rechtsanwendung und offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden

      (Art. 320 ZPO). Die Beschwerde ist begründet einzureichen (Art. 321 Abs. 1 ZPO). Dazu gehört, dass in der Beschwerde im Einzelnen dargelegt werden muss, was genau am angefochtenen Entscheid unrichtig sein soll. Was nicht in einer den gesetzlichen Begründungsanforderungen genügenden Weise beanstandet wird, braucht von der Rechtsmittelinstanz nicht überprüft zu werden. Das gilt zumindest insoweit, als ein Mangel nicht geradezu ins Auge springt (BGE 147 III 176 E. 4.2.1; OGer ZH RT180080 vom 29.08.2018, E. I.4). Abgesehen von dieser Relativierung gilt aber auch im Beschwerdeverfahren der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen (iura novit curia; Art. 57 ZPO). Die Beschwerdeinstanz ist deshalb weder an die in den Parteieingaben vorgetragenen Argumente noch an die Erwägungen der Erstinstanz gebunden. Sie kann die Beschwerde auch aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen mit einer von der Argumentation der Erstinstanz abweichenden Begründung abweisen (sog. Motivsubstitution; BGE 147 III 176 E. 4.2.1; OGer ZH RT200156 vom 17.11.2020, E. 2.2; OGer ZH RT200124 vom 03.11.2020, E. 2.2).

    2. Im Beschwerdeverfahren sind neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel ausgeschlossen (Art. 326 Abs. 1 ZPO); eine Aus- nahme gilt für Noven, zu denen erst der Entscheid der Vorinstanz Anlass gegeben hat (BGE 139 III 466 E. 3.4 [S. 471]; BGer 4A_51/2015 vom 20. April 2015,

      E. 4.5.1). Zulässig sind sodann neue rechtliche Vorbringen, weil solche keine Noven im Sinne von Art. 326 Abs. 1 ZPO sind (siehe BK ZPO I-Hurni, Art. 57 N 6; BGer 4A_519/2011 vom 28. November 2011, E. 2.1 [betreffend Art. 317 Abs. 1 ZPO]) und die Beschwerdeinstanz das Recht von Amtes wegen anwenden muss (Art. 57 ZPO; OGer ZH RT180059 vom 24.05.2018, E. II.4.1; OGer ZH RT150086 vom 17.08.2015, E. 4.1).

  2. Stellung des Gesuchsgegners

    1. Die Partei, gegen welche sich die Schutzschrift richtet, erhält von dieser nur Kenntnis, wenn sie das entsprechende Verfahren einleitet (Art. 270 Abs. 2 ZPO). Entsprechend ist sie im Schutzschriftverfahren nicht Partei. Gleichwohl wird sie im Rubrum als solche aufgeführt, um eine allfällige Zuordnung zu erleichtern. Im Verfahren betreffend unentgeltliche Rechtspflege kommt einer Gegenpartei

      des Hauptsachenprozesses keine Parteistellung zu (BGE 139 III 334 E. 4.2; BGer 5A_381/2013 vom 19. August 2013, E. 3.2).

    2. Vor diesem Hintergrund ist vom Gesuchsgegner keine Beschwerdeantwort einzuholen.

  3. Vereinigung

    1. Die Gesuchstellerin bringt vor, sie habe im vorliegend gegenständlichen Schutzschriftverfahren die unentgeltliche Rechtspflege und in einem allfälligen kontradiktorischen Verfahren eine Parteientschädigung sowie die unentgeltliche Rechtspflege beantragt (Urk. 7 Rz. 8). Im Schutzschriftverfahren habe sich die Gesuchstellerin gezwungen gesehen, die unentgeltliche Rechtspflege zu beantragen, da nicht absehbar gewesen sei, ob tatsächlich ein abzuwehrendes Gesuch eingehen würde. Wäre dies nicht erfolgt, hätte die Gesuchstellerin keine Möglichkeit gehabt, sich mittels Parteientschädigung für die durch Einreichung der Schutzschrift entstandenen Aufwendungen schadlos zu halten (Urk. 7 Rz. 9). Im Schutzschriftverfahren sei das Gesuch abgewiesen worden. Im ebenfalls eröffneten kontradiktorischen Verfahren, welches unter der Geschäfts-Nr. EZ220003-F geführt worden sei, sei der Antrag auf Zusprechung einer Parteientschädigung trotz Obsiegen der Gesuchstellerin abgewiesen worden; auch ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege sei abgewiesen als gegenstandslos abgeschrieben worden (Urk. 7 Rz. 10). Beide Entscheide überzeugten nicht, weshalb beide mit Beschwerde angefochten worden seien. Um inkohärenten Beschwerdeentschei- den vorzubeugen, werde um die Vereinigung beider Beschwerdeverfahren ersucht (Urk. 7 Rz. 11).

    2. Das Gericht kann zwei selbständig eingereichte Klagen vereinigen, wenn der Prozess dadurch vereinfacht wird (Art. 125 lit. c ZPO). Dies gilt auch für Rechtsmittel ( OGer ZH LE200061 vom 09.04.2021, E. II.1.1.).

    3. Die beiden Beschwerden richten sich gegen zwei Endentscheide der Vorinstanz, die verschiedene Verfahren betreffen: Einerseits geht es um ein Schutzschriftverfahren, andererseits um ein Vollstreckungsverfahren. Auch wenn

die Fragestellungen ähnlich sind, ist nicht ersichtlich, inwiefern eine Vereinigung den Prozess vereinfachen würde. Zudem stellen sich die Fragen betreffend das Schutzschriftverfahren unabhängig davon, ob die Gegenpartei ein superprovisorisches Gesuch stellt. Vor diesem Hintergrund ist der Vereinigungsantrag abzuweisen.

  1. Die unentgeltliche Rechtspflege im Schutzschriftverfahren

    1. Fehlende Aussichtslosigkeit

      1. Die Vorinstanz erwog, eine Person habe Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfüge sowie ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheine (Art. 117 ZPO). Als aussichtslos anzusehen seien Anträge, welche beträchtlich geringere Gewinnaussichten als Verlustgefahren aufwiesen. Dagegen würden Anträge, bei welchen sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage hielten, nicht als aussichtslos gelten. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestünden, beurteile sich aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung der Prozessaussichten, wobei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgebend seien. Vorliegend habe sich die Hinterlegung einer Schutzschrift von Anfang an als nicht zielführend erwiesen. Eine superprovisorische Vollstreckung sei nämlich gesetzlich nicht vorgesehen und eine Schutzschrift diene lediglich dazu, ei- nem Superprovisorium entgegenzutreten. Daher sei das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abzuweisen und es könne offen bleiben, ob die Gesuchstellerin aufgrund der Akten als mittellos im Sinne des Gesetzes erscheine (Urk. 8 S. 4 f.).

      2. Die Gesuchstellerin rügt, dass eine Schutzschrift nicht nur gegen die Anordnung superprovisorischer Massnahmen, sondern auch gegen eine andere Massnahme eingereicht werden könne. So sei sie etwa auch gegen die Gewährung der aufschiebenden Wirkung im Rechtsmittelverfahren zulässig. Weiter erlaube Art. 340 ZPO ausdrücklich sichernde Massnahmen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb solchen nicht mittels Schutzschrift vorgebeugt werden könnte, zumal die Gesuchstellerin auch ausdrücklich Anträge gegen die Anordnung allfälliger super-

        provisorischer Massnahmen gestellt habe. Dass der Gesuchsgegner keine Anträge auf sichernde Massnahmen einreichen würde, habe die Gesuchstellerin nicht wissen können und müssen. Auch habe sie sich nicht darauf verlassen können, dass die Vorinstanz in einer superprovisorischen Vollstreckung des Besuchsrechts faktisch ein endgültiges Urteil erlassen würde (Urk. 7 Rz. 29).

      3. Gegenstand des Schutzschriftverfahrens ist allein die Aufbewahrung der Schutzschrift zum Zweck des späteren Beizugs im Massnahmeverfahren. Die gerichtliche Tätigkeit ist damit rein administrativer Natur (Andri Hess-Blumer, Die Schutzschrift nach eidgenössischem und zürcherischem Recht, Diss. Zürich, 2001, S. 180). Insbesondere hat sich das Gericht (noch) nicht mit den darin aufgeführten Argumenten auseinanderzusetzen. Es ist vor diesem Hintergrund auch nicht zulässig, aufgrund dieser Argumente zu schliessen, dass es aussichtslos gewesen sei, die Schutzschrift einzureichen (anders OGer ZH LF190013 vom 21.03.2019, E. 3.4.3.). Art. 270 ZPO sieht nicht vor, dass das Gericht die Entgegennahme und Aufbewahrung der Schutzschrift einer Hauptpartei verweigern könnte (anders bei der Schutzschrift einer Nebenintervenientin: OGer ZH RU170045 vom 20.10.2017, in: ZR 116 [2017] Nr. 74, E. 3.4). Wer als Hauptpartei eine Schutzschrift einreicht, kann damit im Schutzschriftverfahren nicht unterliegen. Entsprechend erscheint es auch nicht zulässig, ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege – soweit es sich auf das Schutzschriftverfahren bezieht – mit der Begründung abzuweisen, die Schutzschrift sei aussichtslos.

    2. Unentgeltliche Rechtspflege für das Schutzschriftverfahren

      1. Die Vorinstanz erwog, dass in Frage zu stellen sei, ob bei der Hinterlegung von Schutzschriften überhaupt ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege bestehe ob ein solcher ausschliesslich in einem allfälligen kontradiktorischen Verfahren zu behandeln wäre (Urk. 8 S. 4).

      2. Die Gesuchstellerin wendet ein, die Zivilprozessordnung lasse keinen Raum, das Institut der unentgeltlichen Rechtspflege für einzelne Verfahren kategorisch auszuschliessen. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb ein solcher Anspruch im Schutzschriftverfahren nicht gegeben sein solle, zumal er regelmässig

        in demjenigen Verfahren gegeben sein dürfte, in welchem die Schutzschrift beizuziehen wäre. Die Tatsache, dass ein kontradiktorisches Verfahren noch nicht anhängig gemacht worden sei, sei jedenfalls kein sachlicher Grund für den Ausschluss der unentgeltlichen Rechtspflege. Auch in Fällen freiwilliger Gerichtsbarkeit in einfachen Verfahren wie dem Schlichtungsverfahren bestehe nämlich grundsätzlich ein Anspruch. Zudem liege es in der Natur der Sache, dass im Zeitpunkt der Einreichung mangels eines kontradiktorischen Verfahrens unklar sei, ob der Hinterleger für seine Aufwendungen von der Gegenpartei entschädigt würde. Damit würde mittellosen Hinterlegern der Zugang zum Schutzschriftinstitut ganz grundsätzlich verwehrt. Soweit im Schutzschriftverfahren auf weitere Voraussetzungen als die Mittellosigkeit und die fehlende Aussichtslosigkeit abgestellt wür- de, würden in unzulässiger Weise weitere als die in Art. 117 ZPO erwähnten Voraussetzungen aufgestellt (Urk. 7 Rz. 46).

      3. Soweit sich die Lehre überhaupt dazu äussert, bejaht sie die Möglichkeit, für das Schutzschriftverfahren um unentgeltliche Rechtspflege zu ersuchen (Daniel Wuffli, Die unentgeltliche Rechtspflege in der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Diss. Bern, 2015, Rz. 35). Die Art. 117 ff. ZPO konkretisieren den verfassungsmässigen Anspruch nach Art. 29 Abs. 3 BV auf Gesetzesstufe. Die Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 117 f. ZPO stimmen dabei mit jenen der Minimalgarantie von Art. 29 Abs. 3 BV überein (BGE 142 III 131 E. 4.1). Die unentgeltliche Rechtspflege wird nur für Verfahren gewährt, mit denen die bedürftige Partei Rechtsansprüche durchsetzen will (BGE 140 III 12

        E. 3.4) bzw. in denen ihr ein Rechtsverlust droht (BGE 141 I 241 E. 3.3.1; BGE 135 I 102 E. 3.2.3; BGE 121 I 314 E. 3b). Das Bundesgericht erwog bezüglich des Verfahrens der vorsorglichen Beweisführung zur Abklärung der Prozessaussichten (Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO), dass kein Rechtsverlust drohe, wenn die vorsorgliche Abnahme des begehrten Beweises verweigert werde. Es stünden keine (materiellrechtlichen) Rechte und Pflichten der Parteien zur Beurteilung (BGE 140 III

        12 E. 3.3.3). Deshalb bestehe kein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Das Gericht habe denn auch nicht zu beurteilen, wie aussichtsreich die von der gesuchstellenden Partei erwogene Klage sei (BGE 140 III 12 E. 3.3.4 und 3.4). Die bundesgerichtliche Praxis zur vorsorglichen Beweisführung wird in der Lehre

        teilweise kritisiert (Wuffli, a.a.O., Rz. 38 ff.; Andreas Galli, Bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Schweizerischen Zivilprozessrecht 2014 [Teil 1], AJP 2014,

        S. 1525 ff., S. 1535 f.). Es wird insbesondere vorgebracht, dass der bedürftigen Partei ein mittelbarer Rechtsverlust drohe; sie müsse nämlich ohne vorgängige beweismässige Absicherung eine Klage einreichen und riskiere damit hohe Prozesskosten (Wuffli, a.a.O., Rz. 39; ähnlich Galli, a.a.O., S. 1535). Ob die Kritik begründet ist, kann vor dem Hintergrund der nachfolgenden Erwägung offenbleiben.

      4. Wie erwähnt erschöpft sich das Schutzschriftverfahren in der Aufbewahrung der Schutzschrift zum Zweck des späteren Beizugs im Massnahmeverfahren (E. III.1.3.). Es werden keine Rechte und Pflichten der Parteien beurteilt. Wer keine Schutzschrift einreicht, riskiert zwar superprovisorische Anordnungen; ohne (Möglichkeit zur) Anhörung der gesuchsgegnerischen Partei darf indessen kein definitiver Entscheid ergehen (siehe Art. 265 Abs. 2 ZPO). Vor diesem Hintergrund droht weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Rechtsverlust, wenn keine Schutzschrift eingereicht wird. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Art. 29 Abs. 3 BV keinen Anspruch auf unentgeltliche Rechtsberatung ausserhalb eines Verfahrens gewährt (BGE 128 I 225 E. 2.4.3; BGE 121 I 321 E. 2b). Selbst wenn man einen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege bejahen wollte, würde sich dieser nur auf Aufwände im Zusammenhang mit dem Schutzschriftverfahren beziehen. Nicht erfasst wären namentlich die Abklärungen und das Verfassen der Stellungnahme für das Verfahren in der Sache. Diese Aufwände wären im Rahmen jenes Verfahrens geltend zu machen. Wie es sich verhält, wenn ein solches nicht rechtshängig gemacht wird, braucht vorliegend nicht geklärt zu werden.

      5. Zusammenfassend ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abwies. Folglich ist die Beschwerde abzuweisen.

  2. Kosten- und Entschädigungsfolgen sowie unentgeltliche Rechtspflege

    1. Kosten- und Entschädigungsfolgen des Beschwerdeverfahrens

      1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Gesuchstellerin kostenpflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Kostenfreiheit gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO gilt nämlich nur für das erstinstanzliche (Gesuchs-)Verfahren, nicht aber für das Rechtsmittelverfahren (BGE 140 III 501 E. 4.3.2; BGE 137 III 470 E. 6.5.5). Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr ist auf Fr. 500.– festzusetzen (§ 12 Abs. 1 und 2 GebV OG sowie § 8 Abs. 2 GebV OG).

      2. Da die Gesuchstellerin unterliegt, ist ihr keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 106 Abs. 1 ZPO).

    2. Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren

      1. Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege hat, wer nicht über die erfor- derlichen Mittel verfügt und wessen Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO). Die unentgeltliche Rechtspflege umfasst auch die gerichtliche Bestellung einer Rechtsvertretung, wenn dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO). Bei der Ermittlung des notwendigen Lebensunterhaltes ist nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abzustellen, sondern den individuellen Umständen Rechnung zu tragen. Zum Existenzbedarf zählen der Grundbedarf, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen (AHV/IV, Krankenpflegeversicherung), Transportkosten zum Arbeitsbzw. Ausbil- dungsplatz sowie die Steuern (ZK ZPO-Emmel, Art. 117 N 9). Nicht dazu gehören Auslagen für Hobbies, da sie im Grundbetrag enthalten sind (BlSchK 2009,

        S. 193). Letzterer ist indessen, soweit es die Umstände des Einzelfalls gebieten, um 15 bis 30 % zu erhöhen (ZK ZPO-Emmel, Art. 117 N 10). Aus dem Effektivitätsgrundsatz folgt, dass für die Beurteilung der Mittellosigkeit nur Vermögen berücksichtigt werden darf, das tatsächlich vorhanden und frei verfügbar we- nigstens realisierbar ist (BK ZPO-Bühler, Art. 117 N 68; Huber, DIKE-Komm-ZPO, Art. 117 N 19). Dabei ist der gesuchstellenden Partei ein Notgroschen zu belassen. Dessen Höhe bemisst sich nach den konkreten Verhältnissen, namentlich dem Alter, der Gesundheit, den familiären Verpflichtungen, den Erwerbsaussichten sowie der Möglichkeit einer künftigen wirtschaftlichen Erholung. Die Kantone gewähren Freibeträge zwischen Fr. 5'000.– und Fr. 25'000.– (OGer ZH LE200061 vom 09.04.2021, E. V.1.4.; OGer ZH PC160049 vom 17.01.2017, E. 6c).

      2. Mit Blick auf die bis anhin unklare Rechtslage (E. III.) erscheinen die Rechtsbegehren der Gesuchstellerin nicht als aussichtslos. Sie ist sodann zur Wahrung ihrer Rechte auf ihre Anwältin angewiesen.

      3. Die Gesuchstellerin erzielt bei der D. GmbH ein monatliches Einkommen von netto Fr. 4'171.05 (inklusive Fr. 200.– Kinderzulagen; Urk. 11/4). Nach eigenen Angaben hat sie keinen 13. Monatslohn (Urk. 7 Rz. 52), was glaubhaft erscheint: So zahlte sie 2021 insgesamt Fr. 3'514.– an Beiträgen an AHV/IV/EO/ALV/NBUV (Urk. 11/5). Dies entspricht bei zwölf Monaten Fr. 292.85 pro Monat, welcher Betrag auch aus den Lohnabrechnungen ersichtlich ist (Urk. 11/4). Mit Urteil vom 15. September 2021 wurde der Kindsvater verpflichtet, für die Tochter monatliche Alimente (Barunterhalt) von Fr. 500.– zu bezahlen. Die Unterhaltsbeiträge basieren auf dem Landesindex der Konsumentenpreise, Stand Ende Mai 2021 von 101.0 [recte: 101.9] Punkten (Basis Dezember 2015 = 100 Punkte) und sind erstmals auf den 1. Januar 2022 dem Stand des Indexes per Ende November des Vorjahres anzupassen (Urk. 3/1). Sie belaufen sich demzufolge aktuell auf Fr. 500.– / 101.9 x 102.5 = Fr. 502.95. Am 25. November 2021 erhielt die Gesuchstellerin für ihre Tochter C. Fr. 500.– vom Amt für Jugend und Berufsberatung; am 25. Januar 2022 und am 23. Februar 2022 beliefen sich die Beträge auf je Fr. 502.95 (Urk. 11/15). Es ist demnach davon auszugehen, dass die Alimente bevorschusst werden. Insgesamt beträgt das Einkommen der Gesuchstellerin und ihrer Tochter Fr. 4'674.–.

      4. Der Grundbetrag der Gesuchstellerin beträgt Fr. 1'350.– (BlSchK 2009,

        S. 193), die Wohnungsmiete (inklusive Parkplatz von Fr. 60.–) Fr. 1'625.– (Urk. 11/6), die Krankenkassenprämien (KVG und VVG abzüglich individueller Prämienverbilligung von Fr. 84.55) Fr. 351.– (Urk. 11/7–8), die Gesundheitskosten Fr. 65.– (Urk. 11/8), die Hausrat- und Haftpflichtversicherung Fr. 30.– (Urk. 11/9), die Kommunikationskosten Fr. 150.– und die Fahrtkosten Fr. 300.– (monatliche Zahlungen an den Vater E. , dem das Auto gehört; Urk. 7

        Rz. 60; Urk. 11/15). Die geltend gemachten Kosten von Fr. 154.– für auswärtige Verpflegung und Fr. 170.– für Steuern (Urk. 7 Rz. 61 f.) sind glaubhaft. Mit Blick auf die knappen Einkommensverhältnisse erscheint vorliegend ein Zuschlag auf den Grundbetrag von 15 % (oder Fr. 203.–) angemessen. Zusammenfassend ist von einem Bedarf der Gesuchstellerin in Höhe von Fr. 4'398.– auszugehen. Zu berücksichtigen ist, dass dabei kein Wohnanteil ausgeschieden wurde, da der Bedarf der Tochter (dazu sogleich) zu addieren sein wird.

      5. Der Grundbetrag der Tochter beträgt Fr. 600.– (BlSchK 2009, S. 193), die Krankenkassenprämien (KVG und VVG abzüglich individueller Prämienverbilligung von Fr. 60.75) Fr. 65.– (Urk. 11/8; Urk. 11/10) und die Gesundheitskosten Fr. 18.– (Urk. 11/8). Die Rechnung bezüglich der Kosten von Fr. 120.– für Aufgabenhilfe und Nachhilfestunden datiert vom 12. April 2021 (Urk. 11/11) und ist daher nicht aktuell. Darüber hinaus sind keine entsprechenden Belastungen auf den Kontoauszügen ersichtlich (Urk. 11/15). Nicht zu berücksichtigen sind sodann Fr. 30.– für Tanzen, Fr. 30.– für Geigenmiete und Fr. 122.– für die Musikschule (Urk. 7 Rz. 63), da es sich um Hobbies handelt. Hingegen ist der Grundbetrag um 15 % (oder Fr. 90.–) zu erweitern. Es resultiert ein Bedarf der Tochter von Fr. 773.–.

      6. Dem Gesamteinkommen von Fr. 4'674.– steht somit ein Gesamtbedarf von Fr. 5'171.– gegenüber. Die Gesuchstellerin hatte per 10. März 2022 Fr. 1'242.51 auf ihrem Konto mit der IBAN CH1 bei der CREDIT SUISSE (Schweiz) AG (Urk. 11/15) und per 25. März 2022 Fr. 8'696.39 auf ihrem Sparkonto mit der IBAN CH2 bei derselben Bank (Urk. 11/16). Sie kommt zu einem erheblichen Teil selber für die Kosten ihrer mittlerweile zehnjährigen Tochter auf. Vor diesem Hintergrund sind ihr die Beträge auf den beiden Konten als Notgroschen zu belassen.

      7. Zusammenfassend ist der Gesuchstellerin für das Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen und es ist ihr in der Person von Rechtsanwältin MLaw X. eine unentgeltliche Rechtsbeiständin zu bestellen. Die Nachzahlungspflicht gemäss Art. 123 ZPO bleibt vorbehalten.

Es wird beschlossen:

  1. Der Vereinigungsantrag der Gesuchstellerin wird abgewiesen.

  2. Der Gesuchstellerin wird die unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwer- deverfahren bewilligt und es wird ihr in der Person von Rechtsanwältin MLaw X. eine unentgeltliche Rechtsbeiständin bestellt.

  3. Schriftliche Mitteilung und Rechtsmittelbelehrung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 500.– festgesetzt.

  3. Die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Gesuchstellerin auferlegt, jedoch zufolge der ihr gewährten unentgeltlichen Rechtspflege einstweilen auf die Gerichtskasse genommen; die Nachzahlungspflicht gemäss Art. 123 ZPO bleibt vorbehalten.

  4. Für das zweitinstanzliche Verfahren werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Beschwerdegegner 2 unter Beilage der Doppel von Urk. 7, Urk. 10 und Urk. 11/1–16, je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert

30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder

Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich in der Hauptsache um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit. Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.

Zürich, 4. Oktober 2022

Obergericht des Kantons Zürich

  1. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:

Dr. Chr. Arnold versandt am:

jo

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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