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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils RV210008: Obergericht des Kantons Zürich

Es handelt sich um ein Gerichtsverfahren vor dem Obergericht des Kantons Zürich, bei dem es um die Vollstreckbarerklärung eines Urteils des High Court of Justice aus dem Jahr 2018 geht. Die Beschwerdegegnerin AG hat gegen das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil Beschwerde eingelegt, die jedoch vom Obergericht abgewiesen wurde. Es ging um die Echtheit des Urteils sowie um die Frage, ob das Urteil dem schweizerischen Ordre public widerspricht. Das Gericht entschied, dass das Urteil des High Court of Justice nicht offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz verstösst. Die Kosten des Verfahrens wurden der unterliegenden Partei auferlegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts RV210008

Kanton:ZH
Fallnummer:RV210008
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid RV210008 vom 27.09.2021 (ZH)
Datum:27.09.2021
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 4A_560/2021
Leitsatz/Stichwort:Vollstreckbarerklärung
Schlagwörter : Gesuch; Gesuchsgegnerin; Urteil; LugÜ; Court; Stempel; Garantie; Justice; Entscheid; Bundesgericht; Recht; Urteils; Kopie; Original; Exequatur; Mutter; Vorinstanz; Gericht; Gesellschaft; Muttergesellschaft; Vollstreckbarerklärung; Verfahren; Bezirksgericht; Sinne; Echtheit; Akten; Ordre; Parteien; ürde
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 111 ZPO ;Art. 3 ZGB ;Art. 326 ZPO ;Art. 327a ZPO ;Art. 678 OR ;Art. 680 OR ;Art. 8 MWSTG ;Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:132 III 668; 135 III 334; 138 III 82; 140 III 533;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts RV210008

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: RV210008-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin Dr. D. Scherrer, Vorsitzende,

die Oberrichter Dr. M. Kriech und lic. iur. A. Huizinga sowie Gerichtsschreiber Dr. Chr. Arnold

Urteil vom 27. September 2021

in Sachen

  1. AG,

    Gesuchsgegnerin und Beschwerdeführerin

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X1. und / Rechtsanwältin lic. iur. X2. ,

    gegen

  2. Limited,

    Gesuchstellerin und Beschwerdegegnerin

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y1. und / Rechtsanwältin lic. iur. Y2. ,

    betreffend Vollstreckbarerklärung

    Beschwerde gegen ein Urteil des Einzelgerichts im summarischen Verfahren am Bezirksgericht Hinwil vom 24. Februar 2020 (EZ200002-E)
    Rückweisung: Urteil des Bundesgerichts vom 26. Februar 2021 (vormaliges Verfahren: RV200011-O)

    Erwägungen:

    1. Sachverhalt und Prozessgeschichte
      1. Mit Urteil vom 6. September 2018 verpflichtete der High Court of Justice, Chancery Division, die Gesuchsgegnerin und Beschwerdeführerin (nachfolgend: Gesuchsgegnerin), der Gesuchstellerin und Beschwerdegegnerin (nachfolgend: Gesuchstellerin) GBP 4'306'605.33 zu bezahlen (Urk. 3/7-8 = Urk. 29/3/7- 8).

      2. Mit Eingabe vom 13. Februar 2020 verlangte die Gesuchstellerin vor Vorinstanz die Vollstreckbarerklärung des obgenannten Urteils (Urk. 1). Diesem Begehren kam die Vorinstanz mit Urteil vom 24. Februar 2020 nach (Urk. 9 = Urk. 12).

        1. Am 26. März 2020 erhob die Gesuchsgegnerin gegen das Urteil des Vollstreckungsgerichts vom 24. Februar 2020 Beschwerde im Sinne von Art. 327a ZPO in Verbindung mit Art. 43 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (Lugano-Übereinkommen, LugÜ; SR 0.275.12) mit folgenden Anträgen (Urk. 11 S. 2):

          1. Das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 24. Februar 2020 (Geschäfts-Nr. EZ200002-E) sei aufzuheben.

          1. Das Gesuch der Gesuchstellerin (Beschwerdegegnerin) um Vollstreckbarerklärung des Urteils des High Court of Justice, Chancery Division, vom 6. September 2018 sei abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

          2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzügl. MWST) zu Lasten der Beschwerdegegnerin.

        2. Mit Urteil vom 15. September 2020 (Geschäfts-Nr.: RV200011-O) hob die Kammer das vorinstanzliche Urteil auf und wies das Exequaturgesuch ab (Urk. 22 S. 8).

      1. Die Gesuchstellerin gelangte in der Folge mit Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht (BGer 4A_551/2020 vom 26. Februar 2021, lit. C. [=

        Urk. 28 S. 3]). Dieses erwog, dass dem Exequaturantrag eine Ausfertigung der Entscheidung beizulegen sei, welche die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfülle (Art. 53 Abs. 1 LugÜ). Mit Beweiskraft sei die Echtheit der Ausfertigung gemeint. Auch eine beglaubigte Kopie könne den Echtheitsnachweis erbringen, solange das Vollstreckungsgericht keine Zweifel an der Aussagekraft der ihm vorgelegten Dokumente habe (BGer 4A_551/2020 vom 26. Februar 2021,

        E. 2.1 [= Urk. 28 S. 4]). Die Gesuchstellerin weise in ihrer Beschwerde zweifelsfrei nach, dass das Obergericht seiner Würdigung dasjenige Exemplar zugrunde gelegt habe, das sich in den Akten des Bezirksgerichts betreffend Vollstreckbarerklärung (EZ200002-E) befinde. Dabei handle es sich um eine Kopie der (behauptetermassen) beglaubigten Kopie des Urteils des High Court, welche die Gesuchstellerin mit ihrem Gesuch um Vollstreckbarerklärung und Arrestnahme dem Bezirksgericht eingereicht habe. Dieses mit dem Gesuch eingereichte Exemplar befinde sich in den Akten des Bezirksgerichts betreffend Arrest (EQ200001-E). Das Bezirksgericht habe zwei separate Verfahren angelegt und die Originalbeilagen im Arrestverfahren einakturiert, während es im Exequaturverfahren lediglich Kopien der Gesuchsbeilagen einakturiert habe. Das Obergericht habe in der Folge die Akten des Exequaturverfahrens erhalten und den Echtheitsnachweis anhand der Kopie geprüft (BGer 4A_551/2020 vom 26. Februar 2021, E. 2.2 [= Urk. 28

        S. 5]). Es werde den Echtheitsnachweis aufgrund der Originalgesuchsbeilage be- urteilen müssen. Dabei sei es möglich, dass es darin ein den formellen Anforderungen von Art. 53 Abs. 1 LugÜ genügendes Exemplar erblicken werde. Sollte dies der Fall sein, werde es den weiteren Einwand der Verletzung des schweizerischen Ordre public zu prüfen haben (BGer 4A_551/2020 vom 26. Februar 2021,

        E. 2.3 f. [= Urk. 28 S. 6]). Das Bundesgericht hiess die Beschwerde in der Folge teilweise gut, hob das Urteil der Kammer vom 15. September 2020 auf und wies die Sache zur Neubeurteilung ans Obergericht zurück (Urk. 28 S. 7). Dabei hielt es fest, dass die Anwendbarkeit des Lugano-Übereinkommens nicht mehr in Frage gestellt werde (Urk. 28 S. 2; siehe auch BGer 5A_697/2020 vom 2. März 2021, E. 6.1.2).

      2. Die Akten des Arrestverfahrens EQ200001-E wurden beigezogen (Urk. 29/1-7). Mit Verfügung vom 20. April 2021 wurde der Gesuchsgegnerin Frist

        angesetzt, um sich zur Originalgesuchsbeilage (Urteil des High Court of Justice, Chancery Division, vom 6. September 2018) zu äussern (Urk. 30). Die Stellung- nahme datiert vom 20. Mai 2021 (Urk. 34) und wurde der Gesuchstellerin zur Kenntnis gebracht (Urk. 36). Letztere äusserte sich am 15. Juni 2021 dazu (Urk. 37). Ihre Stellungnahme wurde am 17. Juni 2021 der Gesuchsgegnerin zugestellt (Urk. 38). Weitere Eingaben der Parteien erfolgten nicht.

      3. Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

    2. Materielle Beurteilung
  1. Echtheit des Urteils des High Court of Justice vom 6. September 2018

    1. Die Gesuchsgegnerin führt in ihrer Stellungnahme vom 20. Mai 2021 aus, dass auch die Originalgesuchsbeilage keine Beglaubigung enthalte. Sie trage lediglich einen schwarzen Stempel des High Court of Justice oben rechts auf der ersten Seite mit dem Datum vom 6. Februar 2019. Dieser Stempel enthalte jedoch keinerlei Hinweis darauf, dass damit die Echtheit des Dokuments beglaubigt werden solle. Es handle sich vielmehr um einen einfachen Datumsstempel. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, durch wen bzw. durch welche Institution die Beglaubigung ausgestellt worden wäre (Urk. 34 Rz. 4). Es werde auch bestritten, dass es sich bei der Originalgesuchsbeilage um ein Originalexemplar um ei- ne amtliche Abschrift des den Entscheid erlassenden Gerichts handle. Zum einen behaupte dies die Gesuchstellerin selber nicht. Zum anderen könne der schwarze Stempel oben rechts auf der ersten Seite auch hierfür keinen genügenden Beweis erbringen. Insbesondere könne aufgrund der schwarzen Farbe des Stempels nicht ausgeschlossen werden, dass es sich wiederum um eine gewöhnliche Kopie handle. Im Übrigen enthalte die Originalgesuchsbeilage keinerlei Merkmale, aufgrund derer geschlossen werden könne, dass es sich dabei um ein vom Gericht ausgefertigtes Exemplar (Original amtliche Abschrift) handle, wie etwa einen Stempel mit Siegelprägung Ähnliches (Urk. 34 Rz. 8).

    2. Die Gesuchstellerin erwidert, dass die vorgelegte Ausfertigung einen schwarzen Stempel des High Court of Justice, das heisst des erkennenden aus-

      ländischen Gerichts, trage. Dabei handle es sich nicht nur um einen einfachen Datumsstempel. Das Gericht habe vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Ausfertigung um eine korrekte Abschrift bzw. beglaubigte Kopie seiner eigenen Entscheidung handle (Urk. 37 Rz. 2). Zudem habe die Gesuchsgegnerin zu keinem Zeitpunkt den Erlass, die Existenz und den Inhalt der Entscheidung des High Courts bezweifelt bestritten (Urk. 37 Rz. 4). Für die zusätzlich verlangten Formalitäten, wie einen Stempel mit Siegelprägung Ähnliches, bestehe keine Grundlage (Urk. 37 Rz. 5).

    3. Weist das Bundesgericht eine Sache zur neuen Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück, so sind diese Erwägungen für die untere Instanz verbindlich (BGE 135 III 334 E. 2.1; BGer 2C_54/2013 vom 28. März 2013, E. 1.3; BGer 5A_539/2017 vom 3. April 2018, E. 4.1.1). Insbesondere ist entgegen dem Vorbringen in der Beschwerdeschrift (Urk. 11 Rz. 31 und 33) festzustellen, dass eine beglaubigte Kopie den Anforderungen von Art. 53 Abs. 1 LugÜ genügt, sofern das Vollstreckungsgericht keine Zweifel an der Aussagekraft der ihm vorgelegten Dokumente hat (E. I.4.).

    4. Die erste Seite des Urteils des High Court of Justice vom 6. September 2018 ist mit einem schwarzen Stempel versehen, welcher den 6. Februar 2019 als Datum aufführt (Urk. 29/3/7 S. 1). Hält man die Rückseite unter eine Lichtquelle und betrachtet sie in einem flachen Winkel, so wird einzig dieser Stempel durch das Papier hindurch sichtbar. Wäre der Stempel nur auf den Entscheid kopiert worden, würde er so blass erscheinen wie der restliche Text. Damit ist erstellt, dass effektiv ein Stempel angebracht wurde. Derselbe Stempel mit demselben Datum befindet sich im Übrigen auch auf dem Formular gemäss Art. 54 LugÜ (Urk. 3/9 = Urk. 29/3/9). Ausgestellt wurde dieses einen Tag früher, nämlich am

      5. Februar 2019. Sein Zweck besteht allein darin, zusammen mit der Ausfertigung des Entscheids beim Exequaturgericht eingereicht zu werden (Art. 53 LugÜ). Der Stempel enthält den Namen des Gerichts, welches das Urteil erlassen hat. Es besteht vor diesem Hintergrund kein Zweifel daran, dass der High Court of Justice mit diesem Stempel beglaubigen wollte, dass es sich beim vorgelegten Urteil um eine korrekte Abschrift handle. Im Übrigen bringt die Gesuchstellerin zu Recht

      vor, dass die Gesuchsgegnerin zu keinem Zeitpunkt den Erlass, die Existenz und den Inhalt der Entscheidung des High Courts bezweifelt bestritten hätte (siehe Urk. 11 Rz. 29-35; Urk. 34 Rz. 2-9).

    5. Zusammenfassend ist festzustellen, dass es sich beim Urteil des High Court of Justice vom 6. September 2018, welches sich in den Akten des Arrestverfahrens befindet (Urk. 29/3/7), um ein Dokument handelt, das den Anforderungen von Art. 53 Abs. 1 LugÜ genügt.

  2. Schweizerischer Ordre public

    1. Die Vorinstanz prüfte in Einklang mit Art. 41 LugÜ in Verbindung mit Art. 34 Ziff. 1 LugÜ nicht, ob das Urteil des High Court of Justice dem schweizerischen Ordre public widerspricht (siehe Urk. 12 S. 2 f.).

    2. Die Gesuchsgegnerin bringt vor, Hintergrund der Streitigkeit vor den englischen Gerichten sei ein Garantievertrag vom 27. März 2008 gewesen. Mit diesem habe die Gesuchsgegnerin der Gesuchstellerin die Erfüllung von Verpflichtungen der C. Limited garantiert. Diese letztgenannte Gesellschaft sei mit der Gesuchsgegnerin konzernmässig verbunden (Urk. 11 Rz. 37). Die Gesuchsgegnerin habe die Garantie entschädigungslos und damit nicht zu Drittbe- dingungen gewährt. Damit komme der Garantie Ausschüttungscharakter zu. Die Abgabe und Erfüllung der Garantie verstosse daher gegen Art. 678 Abs. 2 OR (verdeckte Gewinnausschüttung) und gegen Art. 680 Abs. 2 OR (Verbot der Einlagerückgewähr). Dies gelte, sofern nicht ein formeller Ausschüttungsbeschluss der Generalversammlung vorliege und sofern nicht frei verfügbares Eigenkapital im Umfang des Garantiebetrags vorhanden sei (Urk. 11 Rz. 38). Letztere Voraussetzung sei weder bei Abgabe der Garantie noch bei Erlass des Urteils des High Court of Justice gegeben gewesen, noch sei diese Voraussetzung heute [am

      26. März 2020] erfüllt (Urk. 11 Rz. 39). Bei den schweizerischen Bestimmungen des Kapital- und Gläubigerschutzes handle es sich um fundamentale Grundsätze; jeder Gläubiger dürfe sich darauf verlassen, dass eine Aktiengesellschaft über das garantierte Aktienkapital verfüge und dass Ausschüttungen nur unter Beachtung der dafür geltenden Vorschriften getätigt würden (Urk. 11 Rz. 43).

    3. Die Gesuchstellerin erwidert, das streitgegenständliche Urteil betreffe einen Garantievertrag vom 27. März 2008. Darin habe sich die Gesuchsgegnerin im Sinne einer crossstream Sicherheit verpflichtet, bei Ausbleiben einer rechtzeitigen Begleichung bestimmter Zahlungsverpflichtungen ihrer Schwestergesell-

      schaft C.

      Limited diese Zahlungen selbst zu leisten (Urk. 18 Rz. 29). Es

      treffe nicht zu, dass die Gesuchsgegnerin gegen die Kapitalschutzvorschriften von Art. 678 OR und Art. 680 OR verstossen würde, wenn sie die Garantie gewähre und erfülle. Die Zahlungen belasteten die Bilanz (und entsprechend das frei verfügbare Eigenkapital) nämlich wirtschaftlich nicht, da sich die Gesuchsgegnerin hierfür selbst bei ihrer indirekten Muttergesellschaft D. mit Sitz in E. , Malaysia, gestützt auf eine entsprechende Vereinbarung (Deed of Indemnity) schadlos halten könne. Dieser Deed of Indemnity sei zeitgleich zum Garantievertrag abgeschlossen worden. Dabei beruhten beide Verträge auf dem klaren Verständnis, dass die materielle Garantieleistung von der Muttergesellschaft erbracht werde und lediglich die formelle Abwicklung über die Gesuchsgegnerin erfolgen solle (Urk. 18 Rz. 30). Die Gesuchsgegnerin sei dazwischengeschaltet worden,

      weil eine Garantie der Muttergesellschaft zugunsten von C.

      Limited nicht

      möglich gewesen sei, da es sich bei der Muttergesellschaft um eine Gesellschaft aus einem Nichtmitgliedstaat der OECD gehandelt habe (Urk. 18 Rz. 32). Die Gesuchsgegnerin trage somit die Verpflichtungen unter dem Garantievertrag wirtschaftlich nicht selbst, sondern habe für darunter geleistete Zahlungen einen vollen Rückerstattungsanspruch gegenüber ihrer Muttergesellschaft (Urk. 18 Rz. 35). Die Muttergesellschaft habe zuletzt einen Umsatz über USD 200 Mio. generiert (Urk. 18 Rz. 36). Es bestünden daher in Bezug auf ihre Bonität keine Zweifel, was die Gesuchsgegnerin denn auch nicht behauptet habe (Urk. 18 Rz. 37). Im Übrigen könne man selbst bei einer signifikanten Abweichung des ausländischen Rechts von den Grundsätzen des schweizerischen Rechts nicht automatisch von einem Verstoss gegen den Ordre public ausgehen (Urk. 18 Rz. 41). Art. 34 Ziff. 1 LugÜ verlange denn auch einen offensichtlichen Widerspruch (Urk. 18 Rz. 42).

    4. Die Gläubigerin kann im Rechtsbehelfsverfahren gemäss Art. 43 LugÜ Noven im Zusammenhang mit den Anerkennungshindernissen unbeschränkt vorbringen (Arnold, Das Exequaturverfahren im Anwendungsbereich des Lugano-

      Übereinkommens vom 30. Oktober 2007 aus schweizerischer Sicht, Diss. Lausanne 2020, Rz. 457-459 mit weiteren Hinweisen). Die vorerwähnten Behauptungen der Gesuchstellerin in der Beschwerdeantwort sind daher auch in dem Umfang zu hören, in dem sie nicht ohnehin im Gesuch (Urk. 1 Rz. 8-15) vorgetragen wurden. Da die Gesuchsgegnerin keine Beschwerdereplik eingereicht hat, blieben sie zudem - unter Vorbehalt impliziter Bestreitung in der Beschwerdeschrift - unbestritten. Die Ausnahme vom Novenverbot (Art. 326 Abs. 1 ZPO) gilt ohne Weiteres auch für die Schuldnerin, die sich vor erster Instanz noch gar nicht äussern konnte; letztere trägt zudem die Beweislast, wenn sie geltend macht, dass Verweigerungsgründe vorliegen (BGE 138 III 82 E. 3.5.3).

    5. Gemäss Art. 45 Abs. 1 LugÜ darf die Rechtsmittelinstanz das Exequatur nur aus einem der in den Art. 34 f. LugÜ aufgeführten Gründe verweigern. Ein solcher Grund liegt vor, wenn die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung des ausländischen Entscheids dem schweizerischen Ordre public offensichtlich widersprechen würde (Art. 34 Ziff. 1 LugÜ). Dies ist der Fall, wenn ein ausländisches Urteil in eklatantem Widerspruch zum Grundgedanken der inländischen Rechtsordnung der ihr zugrunde liegenden Gerechtigkeitsvorstellung steht (BSK LugÜ-Schuler/Marugg, Art. 34 N 15). Der Kapitalschutz ist eines der wichtigsten Prinzipien des schweizerischen Aktienrechts (BGE 132 III 668 E. 3.2; BGE 140 III 533 E. 4.1). Nach Art. 678 Abs. 2 OR sind Aktionäre, Mitglieder des Verwaltungsrates und diesen nahestehende Personen zur Rückerstattung anderer Leistungen der Gesellschaft verpflichtet, soweit diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen. Als nahestehende Personen gelten insbesondere andere Gesellschaften des gleichen Konzerns, wozu auch Schwestergesellschaften zählen (Rusch, Interzession im Interesse des Aktionärs, Sicherheitenbestellung für Verbindlichkeiten von Mutter- und Schwestergesellschaften in der Schweiz, Diss. Zürich 2004, S. 104; BSK OR II-Vogt, Art. 678 N 8). Die Gesellschaft kann auch in Geschäftsbeziehungen mit Dritten Leistungen an Aktionäre [oder diesen nahestehende Personen] erbringen: So kann sie beispielsweise Personaloder Realsicherheiten zur Besicherung ei- nes Darlehens bestellen, welches ein Dritter an den Aktionär gewährt, für den Aktionär die Haftung für gewisse Schäden übernehmen (Maurer/Handle,

      Pflichten und Verantwortlichkeit der Revisionsstelle im Zusammenhang mit konzerninternen Darlehen, Besprechung des Urteils 4A_248/2012 des schweizerischen Bundesgerichts vom 7. Januar 2013, GesKR 2013, S. 287 ff., S. 291 f.). Von einer crossstream security spricht man bei einer Interzession zugunsten einer Schwestergesellschaft; eine Aktiengesellschaft übernimmt gegenüber einem Gläubiger die Haftung für die Schwestergesellschaft (Rusch, a.a.O., S. 1). Soweit solche Sicherheiten Ausschüttungscharakter aufweisen, muss die Generalversammlung über die Gewährung entscheiden (Fischer, Die Gewährung von Upstream- und Crossstream-Sicherheiten, Eine aktienrechtliche Analyse zur Zustän- digkeit, Expert Focus 2018, S. 597 ff., S. 600). Umstritten ist, ob eine Ausschüttung auch dann vorliegen kann, wenn der Vermögenswert zurückkommt (bejahend: BGE 140 III 533 E. 4.5; verneinend: Druey, Cash Pool - Verdeckte Gewinnausschüttung und verdecktes Konzernrecht, Entscheid des schweizerischen Bundesgerichts 4A_138/2014 vom 16. Oktober 2014 i.S. A. AG gegen B. AG in Nachlassliquidation {BGE 140 III 533}, SZW 2015, S. 64 ff., S. 66). Das Verbot der verdeckten Gewinnausschüttung (Art. 678 Abs. 2 OR) wie auch das Verbot der Einlagerückgewähr (Art. 680 Abs. 2 OR) betreffen das Innenverhältnis: Sie beschränken die Vertretungsbefugnis, nicht aber die Vertretungsmacht der für die Gesellschaft handelnden Organe (Rusch, a.a.O., S. 57); das Geschäft kommt nur bei fehlender Gutgläubigkeit des Dritten in die Vertretungsbefugnis nicht zustan- de, wobei in solchen Fällen bereits erhaltene Leistungen nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückzuerstatten sind (Rusch, a.a.O., S. 57). Der gute Glaube wird vermutet (Art. 3 Abs. 1 ZGB).

    6. Die Gesuchsgegnerin hat nicht behauptet, dass die Gesuchstellerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bösgläubig gewesen wäre (siehe Urk. 11 Rz. 36-45), im Gegenteil: Sie anerkennt implizit, dass ein Ausschüttungsbeschluss der Generalversammlung vorgelegen habe (Urk. 11 Rz. 38 f.). Die Gesuchstellerin gehört sodann nicht zum Konzern und ist daher keine nahestehende Dritte im Sinne von Art. 678 Abs. 1 OR. Noch weniger ist sie Aktionärin im Sinne von Art. 680 Abs. 2 OR. Bereits deshalb kann sich die Gesuchsgegnerin nicht auf Art. 678 Abs. 2 OR Art. 680 Abs. 2 OR berufen. Weiter blieb die Behauptung der Gesuchstellerin, wonach die Muttergesellschaft solvent sei und die Gesuchs-

      gegnerin im Falle einer Inspruchnahme des Garantievertrags schadlos halten würde (Urk. 18 Rz. 34-36), unbestritten. Es ist daher fraglich, ob der Garantievertrag vom 27. März 2008, mit dem die Gesuchsgegnerin gegenüber der Gesuchstellerin für Verbindlichkeiten der C. Limited einstand (Urk. 3/3), Ausschüttungscharakter aufweist. Selbst wenn man dies bejahen sowie Art. 678 Abs. 2 OR und Art. 680 Abs. 2 OR als Bestandteil des Ordre public ansehen würde, wäre ein Verstoss in der vorliegenden Konstellation nicht offensichtlich.

    7. Zusammenfassend widerspricht das Exequatur des Urteils des High Court of Justice vom 6. September 2018 nicht offensichtlich der öffentlichen Ord- nung der Schweiz.

  3. Ergebnis

Die Einwände der Gesuchsgegnerin erweisen sich als unbegründet. Ihre Beschwerde ist daher abzuweisen.

III. Kosten- und Entschädigungsfolgen
  1. Die Prozesskosten des Beschwerdeverfahrens sind ausgangsgemäss der mit ihren Rechtsmittelanträgen unterliegenden Gesuchsgegnerin aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Der Streitwert beträgt GBP 4'306'605.33 (siehe Urk. 3/7 Ziff. 9 und 42), was rund Fr. 5.45 Mio. entspricht (siehe Urk. 1 Rz. 39).

  2. Die Gerichtsgebühr ist streitwertunabhängig (Art. 52 LugÜ). Sie ist unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes und des Schwierigkeitsgrades auf Fr. 5'000.festzusetzen. Von einer Erhöhung gegenüber dem ersten Urteil vom

15. September 2020 (Urk. 22 S. 7) ist trotz des höheren Aufwandes abzusehen, da sich der Mangel, der zur Rückweisung führte, dem Einflussbereich der Parteien entzog. Die Gerichtsgebühr ist mit dem von der Gesuchsgegnerin geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe (Urk. 16) zu verrechnen (Art. 111 Abs. 1 ZPO).

3. Die Regelung der Parteientschädigung wird nicht von Art. 52 LugÜ erfasst. Es ist diesbezüglich die Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 (AnwGebV; LS 215.3) heranzuziehen (OGer ZH RV140013 vom

20.03.2015, E. 4.3). Der Streitwert beläuft sich auf umgerechnet rund Fr. 5.45 Mio. (E. III.1.), was in Anwendung von § 4 Abs. 1 AnwGebV eine ordentliche Gebühr von Fr. 72'275.ergibt. Diese Grundgebühr ist infolge der summarischen Natur des Verfahrens auf einen Fünftel bzw. Fr. 14'455.zu reduzieren (§ 9 AnwGebV). Eine weitere Reduktion um einen Drittel erfolgt in Anwendung von § 2 Abs. 2 AnwGebV, womit eine Parteientschädigung von (gerundet) Fr. 9'600.resultiert. Ei- ne Mehrwertsteuer ist nicht geschuldet, da die Gesuchstellerin im Ausland domiziliert ist (siehe Art. 1 Abs. 2 lit. a und Art. 8 Abs. 1 MWSTG; ausführlich dazu OGer ZH RE190015 vom 12.06.2020, E. 3.4.3 [S. 24 f.]); sie wurde entsprechend auch nicht beantragt (Urk. 18 S. 2).

Es wird erkannt:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 5'000.festgesetzt.

  3. Die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Gesuchsgegnerin auferlegt und mit ihrem Kostenvorschuss verrechnet.

  4. Die Gesuchsgegnerin wird verpflichtet, der Gesuchstellerin für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 9'600.zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert

30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt mehr als Fr. 30'000.-.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.

Zürich, 27. September 2021

Obergericht des Kantons Zürich

  1. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:

Dr. Chr. Arnold versandt am:

lm

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