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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils RU220032: Obergericht des Kantons Zürich

Eine Klägerin kaufte am 22. Juni 2021 ein Fahrzeug von einem Beklagten, der einen Autohandel betreibt. Nachdem der Beklagte nicht zur Schlichtungsverhandlung erschien, wurde ein Urteilsvorschlag gemacht, der persönlich zugestellt wurde. Der Beklagte beschwerte sich über die fehlende Zustellung an seinen Anwalt, was als Rechtsverweigerung angesehen wurde. Das Obergericht des Kantons Zürich trat jedoch nicht auf die Beschwerde ein. Die Beschwerde wurde schliesslich als unbegründet abgewiesen, und der Beklagte wurde zur Zahlung der Entscheidgebühr von CHF 350.– verpflichtet.

Urteilsdetails des Kantongerichts RU220032

Kanton:ZH
Fallnummer:RU220032
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid RU220032 vom 21.06.2022 (ZH)
Datum:21.06.2022
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 4D_38/2022
Leitsatz/Stichwort:Rechtsverweigerung im Verfahren Forderung aus Kaufvertrag / Wandelung / Konsumentenschutz
Schlagwörter : Beklagten; Urteil; Urteilsvorschlag; Vorinstanz; Zustellung; Rechtsverweigerung; Rechtsanwalt; Verfahren; Urteilsvorschlags; Entscheid; Vorladung; Vertretung; Kantons; Bundesgericht; Obergericht; Friedensrichteramt; E-Mail; Nebenakten; Eingabe; Beschwerdeverfahren; Gericht; Urkunde; Adressat; Oberrichterin; Verhandlung; Schlichtungsverhandlung; Eröffnung; Rechtsvertreter
Rechtsnorm:Art. 136 ZPO ;Art. 137 ZPO ;Art. 321 ZPO ;Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:132 I 249; 143 III 28;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts RU220032

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: RU220032-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach und Oberrichterin lic. iur. R. Bantli Keller sowie Gerichtsschreiber MLaw B. Lakic

Urteil vom 21. Juni 2022

in Sachen

  1. ,

    Beklagter und Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt X.

    gegen

  2. ,

Klägerin und Beschwerdegegnerin,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.

betreffend Rechtsverweigerung

im Verfahren Forderung aus Kaufvertrag / Wandelung / Konsumentenschutz

Beschwerde betreffend Verfahren GV.2021.00080 / SB.2021.00097 des Friedensrichteramtes C.

Erwägungen:

    1. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (nachfolgend Klägerin) kaufte vom Beklagten und Beschwerdeführer (nachfolgend Beklagter), der einen Autohandel betreibt, am 22. Juni 2021 ein Fahrzeug ab. Mit Schlichtungsbegehren vom

      1. September 2021 gelangte die Klägerin an das Friedensrichteramt C. (nachfolgend: Vorinstanz) und verlangte im Hauptpunkt die Wandelung des Kaufvertrags (act. 10/1). Nachdem dem Beklagten die erste Vorladung zur Verhandlung vom 24. September 2021 nicht auf dem Postweg zugestellt werden konnte, wurde die Verhandlung neu auf den 22. Oktober 2021 um 10:00 Uhr festgesetzt (act. 10/4-7). Die entsprechende Vorladung konnte dem Beklagten – unter Beizug der Kantonspolizei Bern – am 23. September 2021 erfolgreich zugestellt werden (act. 10/8-9).

    2. Am 21. Oktober 2021 um 18:39 Uhr ging bei der Vorinstanz eine E-Mail des Sekretariats der D. ein (act. 10/10). Der E-Mail war ein Dispensationsgesuch des Beklagten angehängt, das durch Rechtsanwalt X. unterzeichnet war (am 22. Oktober 2021 ging das Gesuch postalisch bei der Vorinstanz ein; act. 10/12). Eine Vollmacht wurde allerdings nicht eingereicht. Mit E-Mail vom gleichen Tag wies die Vorinstanz das Dispensationsgesuch ab, weil es zu kurzfristig gestellt worden sei (act. 10/11). Nachdem der Beklagte an der Schlichtungsverhandlung vom 22. Oktober 2021 nicht erschienen war, erging gleichentags ein Urteilsvorschlag (act. 10/13 f.). Dieser wurde dem Beklagten persönlich am 4. November 2021 zugestellt (act. 10/17).

    3. Mit Schreiben vom 24. November 2021 gelangte Rechtsanwalt X. an die Vorinstanz und verlangte eine gehörige Eröffnung des Urteilsvorschlags an ihn als Rechtsvertreter des Beklagten (act. 1 f. der vorinstanzlichen Nebenakten Eingaben ausserhalb eines laufenden Verfahrens = act. 4/4). Die Vorinstanz erklärte daraufhin, dass ihr noch kein Vertretungsverhältnis angezeigt worden sei, woraufhin Rechtsanwalt X. eine ihn legitimierende Vollmacht vom

      6. Oktober 2021 einreichte (act. 3 f. der vorinstanzlichen Nebenakten). Die Vorinstanz teilte daraufhin mit, das Verfahren sei bereits abgeschlossen und das

      Vertretungsverhältnis sei erst nach dem Versand der Urteilsvorschlags angezeigt worden (act. 5 der vorinstanzlichen Nebenakten = act. 4/5).

    4. Mit Eingabe vom 21. Januar 2021 erhob der Beklagte Beschwerde ans Obergericht des Kantons Zürich und verlangte die Aufhebung des Urteilsvorschlags vom 22. Oktober 2021, eventualiter die Anweisung an die Vorinstanz, den Urteilsvorschlag dem beauftragten Anwalt des vertretenen Beklagten zu eröffnen (act. 8/21). Mit Beschluss vom 15. Februar 2022 trat die Beschwerdeinstanz nicht auf die Beschwerde ein (act. 8/28).

    5. Mit Schreiben vom 25. Februar 2022 gelangte der Beklagte erneut an die Vorinstanz und ersuchte, den Urteilsvorschlag seinem Anwalt entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zuzustellen (act. 10/21). Die Vorinstanz antwortete dem Beklagten mit E-Mail vom 9. März 2022, worin sie auf den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 15. Februar 2022 verwies und auf eine weitere Stellungnahme verzichtete (act. 10/22).

    6. Mit Eingabe vom 24. März 2022 erhob der Beklagte Beschwerde an die Kammer wegen Rechtsverweigerung mit folgenden Anträgen (act. 2):

      1. Es sei festzustellen, dass die Verweigerung, das Verhandlungsergebnis der Schlichtungsverhandlung vom 22.10.2021 an den Rechtsvertreter der vertretenen Partei zuzustellen, eine formelle Rechtsverweigerung darstellt.

      2. Das Friedensrichteramt C. sei anzuweisen, den Urteilsvorschlag vom 22.10.2021 dem Anwalt der vertretenen Partei zu eröffnen.

    7. Die vorinstanzlichen Akten und die Akten des ersten Beschwerdeverfahrens (Geschäfts-Nr. RU220011-O) wurden beigezogen

(act. 8/19-29 und act. 10/1-23 inkl. Nebenakten). Das Verfahren ist spruchreif. Auf die Ausführungen des Beklagten ist nur insoweit einzugehen, als sie für das Beschwerdeverfahren relevant sind.

  1. Der Beklagte begründet seine Rechtsverweigerungsbeschwerde zusammengefasst damit, dass der Vorinstanz das Mandatsverhältnis zwischen

    ihm und Rechtsanwalt X. vor der Schlichtungsverhandlung vom 22. Oktober 2021 bekannt gewesen sei. Damit hätte die Zustellung des entsprechenden Urteilsvorschlags an Rechtsanwalt X. erfolgen müssen. Die Eröffnung des Urteilsvorschlags stehe bis heute aus. Solange der Urteilsvorschlag nicht gehörig zugestellt worden sei, sei das vorinstanzliche Verfahren nicht abgeschlossen. Da die Vorinstanz auf zahlreiche Aufforderungen durch den Beklagten nicht eingetreten sei, sei eine Beschwerde wegen Rechtsverweigerung unumgänglich (act. 2 Rz. 9 ff.).

  2. Fälle von Rechtsverweigerung Rechtsverzögerung sind jederzeit mit Beschwerde anfechtbar (vgl. Art. 319 lit. c i.V.m. Art. 321 Abs. 4 ZPO). Gegenstand der Rechtsverweigerungs- und Rechtsverzögerungsbeschwerde bildet dabei ausschliesslich die formelle Rechtsverweigerung, die sich in einer unrechtmässigen Verweigerung Verzögerung eines anfechtbaren Entscheides äussert (vgl. ZK ZPO-FREIBURGHAUS/AFHELDT, 3. Auflage 2016, Art. 319 N 17).

Nach Ansicht des Beklagten liegt eine Rechtsverweigerung vor, da die Vorinstanz ihren Urteilsvorschlag nicht an seinen Rechtsvertreter – und damit seiner Ansicht nach rechtswirksam – zugestellt habe und dies nicht nachholen wolle. Unbestritten und aktenkundig ist, dass die Vorinstanz dem Beklagten persönlich ihren Urteilsvorschlag vom 22. Oktober 2021 zugestellt hat (vgl. act. 2 Rz. 3 und act. 10/17). Bevor sich die Frage einer Rechtsverweigerung überhaupt stellt, ist folglich zunächst die Zustellung des Urteilsvorschlags an den Beklagten persönlich zu würdigen.

4.1. Nach Art. 136 ZPO stellt das Gericht Urkunden – in Form von Vorladungen, Verfügungen und Entscheiden sowie Eingaben der Gegenpartei – den betroffenen Personen zu. Ist eine Partei vertreten, so erfolgt die Zustellung an die Vertretung (Art. 137 ZPO). Wurde für das Verfahren rechtmässig ein Vertreter bestellt, so fällt eine direkte Zustellung an die Partei ausser Betracht und eine solche gilt grundsätzlich als nicht gehörig erfolgt. Die Anwendbarkeit von Art. 137 ZPO mit der Folge, dass die Zustellung von Urkunden an die Vertretung zu erfolgen hat, setzt voraus, dass die Vertretung im Zeitpunkt des Versands besteht

und dem Gericht auch bekanntgegeben worden ist (BGE 143 III 28 E. 2.2.1. mit weiteren Hinweisen).

Ob im Zeitpunkt des Versands des fraglichen Urteilsvorschlags eine Vertretung im Sinne von Art. 137 ZPO bestand und der Vorinstanz auch (rechtzeitig) bekanntgegeben wurde, kann vorliegend offen bleiben; die Beschwerde ist – selbst wenn eine rechtsgenügende Mandatsanzeige bejaht würde – aus nachfolgenden Gründen ohnehin abzuweisen.

      1. Die Zustellung einer gerichtlichen Urkunde (ob Vorladung, Verfügung Entscheid), welche formwidrig, an eine zur Entgegennahme nicht berechtigte Person anderweitig nicht gehörig erfolgt, zeitigt zwar keine Rechtswirkungen und muss fehlerlos wiederholt werden. Die Unwirksamkeit ist von Amtes wegen zu beachten. Erlangt der Adressat allerdings dennoch Kenntnis von der Zustellung und erleidet er durch die mangelhafte Zustellung keine Rechtsnachteile, wird der Mangel geheilt; die Wirkungen der Zustellung treten jedoch diesfalls erst in dem Zeitpunkt ein, in welchem dem Adressaten die Sendung tatsächlich zugegangen ist (HUBER, DIKE-Komm-ZPO, 2. Auflage 2016, Art. 138 N 71). Dieser Grundsatz ist für die Rechtsgebiete des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts sowie des Bundesverwaltungsrechts seit Längerem anerkannt (vgl. BGE 132 I 249 E. 6 S. 253 mit Hinweisen). Dasselbe gilt im Rahmen von Zivilverfahren: Bei der Beurteilung, welche Wirkung einer mit einem bestimmten Formfehler behafteten Eröffnung zukommt, müssen die Interessen berücksichtigt werden, welche mit der verletzten Norm geschützt werden sollen und gegebenenfalls verletzt worden sind. Im Allgemeinen bezwecken die Zustellungsbestimmungen hauptsächlich, sicherzustellen, dass die betreffenden Urkunden dem (richtigen) Adressaten zukommen. So hielt das Bundesgericht in diesem Zusammenhang fest, die Einrede der Nichtigkeit einer – nicht ordnungsgemäss zugestellten – Vorladung sei missbräuchlich, da die Vorladung dem Beklagten dennoch zur Kenntnis gelangt sei (BGE 132 I 249 E. 7; vgl. ferner BGer 4A_367/2007 E. 3.3. im Zusammenhang mit einer zur Kenntnis genommenen Publikation; vgl. auch OGer ZH LF200004 vom 26. Februar 2020

        m.w.H.). Die Wahrung der Zustellung an die vertretene Partei gemäss Art. 137 ZPO stellt somit keinen Selbstzweck dar.

      2. Wie bereits im Beschluss der Kammer vom 15. Februar 2022 erwogen, liegt Rechtsanwalt X. – nach Ansicht des Beklagten der (richtige) Adressat

– der vorinstanzliche Urteilsvorschlag vom 22. Oktober 2021 seit dem

24. November 2021 vor (act. 8/28 E. 5. mit Verweis auf act. 8/25/7 = act. 4/4). Entsprechend hätte der Beklagte seine Rechte hinreichend wahren können, indem er resp. Rechtsanwalt X. den Urteilsvorschlag nach Erhalt am

24. November 2021 innert 20 Tagen abgelehnt hätte. Folglich wäre dem Beklagten kein Rechtsnachteil entstanden, selbst wenn anzunehmen wäre, die Zustellung an ihn persönlich sei gesetzeswidrig. Damit wäre der gerügte Mangel geheilt worden, weshalb sich die Berufung auf den Formmangel als rechtsmissbräuchlich erweist.

4.3. Der Urteilsvorschlag vom 22. Oktober 2021 wurde damit rechtswirksam an den Beklagten zugestellt; sei es durch die Zustellung an ihn persönlich – unter der Annahme, die Zustellung an den Beklagten persönlich sei gesetzeswidrig – spätestens durch Heilung des Formmangels, als der Urteilsvorschlag Rechtsanwalt X. zur Kenntnis gelangte. Der Vorinstanz kann damit keine Rechtsverweigerung vorgeworfen werden. Folglich erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen.

5. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr bemisst sich grundsätzlich gestützt auf den Streitwert sowie unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes und der Schwierigkeit des Falls (§ 2 GebV OG). Bei einem Streitwert von CHF 5'000.– (vgl. act. 10/14 unten) ist die Entscheidgebühr auf CHF 350.– festzulegen. Ausgangsgemäss wird der Beklagte für das Beschwerdeverfahren kostenpflichtig. Parteientschädigungen sind für das Beschwerdeverfahren keine zuzusprechen: Dem Beklagten nicht, weil er unterliegt, der Klägerin nicht, da ihr keine zu entschädigenden Umtriebe entstanden sind.

Es wird erkannt:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf CHF 350.– festgesetzt und dem Beklagten auferlegt.

  3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Klägerin unter Beilage des Doppels von act. 2, sowie an das Friedensrichteramt C. , je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in

Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt CHF 5'000.–.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:

MLaw B. Lakic versandt am:

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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