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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils RU210114: Obergericht des Kantons Zürich

Die Regionale Staatsanwaltschaft Berner-Jura Seeland stellte das Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen eine unbekannte Täterschaft ein, was von der Straf- und Zivilklägerin A.________ angefochten wurde. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Bern entschied, dass keine strafrechtlich relevante Sorgfaltspflichtverletzung nachgewiesen werden konnte und das Verfahren daher eingestellt wird. Die Beschwerdeführerin wurde kostenpflichtig.

Urteilsdetails des Kantongerichts RU210114

Kanton:ZH
Fallnummer:RU210114
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid RU210114 vom 21.04.2022 (ZH)
Datum:21.04.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Testamentsanfechtung
Schlagwörter : Friedensrichteramt; Beklagten; Klage; Verfahren; Recht; Säumnis; Verfügung; Säumnisfolge; Berufung; Klagebewilligung; Friedensrichteramtes; Abschreibung; Schlichtungsverhandlung; Parteien; Klagerückzug; Eingabe; Testament; Rechtsvertreter; Verfahrens; Zustellung; Gericht; Stadt; Kreise; Schlichtungsgesuch; Frist; Schlichtungsverfahren; Ausstellung
Rechtsnorm:Art. 101 ZPO ;Art. 113 ZPO ;Art. 124 ZPO ;Art. 147 ZPO ;Art. 206 ZPO ;Art. 209 ZPO ;Art. 234 ZPO ;Art. 241 ZPO ;Art. 308 ZPO ;Art. 4 ZGB ;Art. 520 ZGB ;Art. 521 ZGB ;Art. 62 ZPO ;Art. 93 BGG ;
Referenz BGE:136 III 123;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts RU210114

Obergericht des Kantons Zürich

  1. Zivilkammer

    Geschäfts-Nr.: RU210114-O/U

    Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. R. Bantli Keller und Oberrichterin lic. iur.

    1. Strähl sowie Gerichtsschreiberin MLaw M. Schnarwiler

Urteil vom 21. April 2022

in Sachen

A. ,

Klägerin und Berufungsklägerin

vertreten durch Rechtsanwalt ass. iur. X. ,

gegen

  1. B. ,

  2. C. ,

  3. D. ,

Beklagte und Berufungsbeklagte

1 vertreten durch Rechtsanwältin Dr. iur. Y. , betreffend Testamentsanfechtung

Berufung gegen eine Verfügung des Friedensrichteramtes der Stadt Zürich, Kreise 11 und 12 vom 27. Oktober 2021 (GV2020.00483 / SB2021.00327)

Erwägungen:

      1. it Eingabe vom 11. Dezember 2020 reichte die Klägerin ein gegen die Beklagten 1–5, allesamt mit Wohnsitz in der Türkei, gerichtetes Schlichtungsgesuch beim Friedensrichteramt Kreise 11 und 12 der Stadt Zürich (fortan Friedensrichteramt) ein. In der Sache geht es um die Anfechtung des auf den 9. September 2018 datierten Testamentes der am tt.mm.2019 verstorbenen und zuletzt in Zürich wohnhaft gewesenen E. , geb. E'. (act. 1; act. 3/8). Mit genanntem Testament hatte die Erblasserin alle bisherigen Testamente für ungültig erklärt und die Beklagte 1 als Alleinerbin eingesetzt (act. 6/1 [Urteil des Einzelgerichtes Erbschaftssachen des Bezirksgerichtes Zürich betr. Testamentseröffnung vom 21. September 2020], u. act. 6/3). In einem früheren Testament vom

        4. Februar 2016 hatte die Erblasserin – soweit dies den vorinstanzlichen Akten entnommen werden kann – noch die Klägerin zusammen mit deren Ehemann als Alleinerben eingesetzt (act. 9). Offenbar handelt es sich bei der Klägerin um die mit Urteil des 3. Familiengerichtes in Antalya vom 22. Mai 2007 adoptierte Tochter der Erblasserin (vgl. act. 3/5).

      2. Nachdem die Klägerin den von ihr mit Verfügung vom 15. Dezember 2020 verlangten Kostenvorschuss (act. 7) geleistet hatte (act. 10), setzte das Friedensrichteramt die Schlichtungsverhandlung auf den 7. Juni 2021 an (act. 11). Dies

        u.a. mit dem Hinweis, dass bei Säumnis der beklagten Partei die Schlichtungsbehörde verfahre, wie wenn keine Einigung zu Stande gekommen sei (act. 11). Die rechtshilfeweise Zustellungen der Vorladungen an die Beklagten 1, 3 und 4 in die Türkei gelangen am 18. März 2021 [Beklagte 3; vgl. act. 13], am 30. März 2021

        [Beklagte 4; vgl. act. 24] und am 31. März 2021 [Beklagte 1, vgl. act. 14]. Die rechtshilfeweise Zustellungen an die Beklagten 2 und 5 gelangen nicht (act. 30– 31). Mit Eingabe vom 17. Mai 2021 zeigte Rechtsanwältin Y. an, die Beklagte 1 zu vertreten (act. 15 f.).

      3. Am Tag der Schlichtungsverhandlung, dem 7. Juni 2021, teilte die Rechtsvertreterin der Beklagten 1 dem Friedensrichteramt mit, erkrankt zu sein und nicht an der Verhandlung teilnehmen zu können (act. 19). Um 14.00 Uhr fand vorla- dungsgemäss die Schlichtungsverhandlung statt, anlässlich derer der Rechtsvertreter der Klägerin teilnahm. Die Beklagten erschienen allesamt nicht. Hinsichtlich der Beklagten 1 hält das Protokoll fest, deren Rechtsvertreterin habe ein Verschiebungsgesuch ein ärztliches Zeugnis in Aussicht gestellt (act. 20). Ein Verschiebungsgesuch ein ärztliches Zeugnis ging in der Folge nicht ein (vgl. auch act. 26).

      4. Am 1. Juli 2021 erfragte das Friedensrichteramt bei der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvertretung deren Sicht bezüglich des weiteren Verlaufs des Schlichtungsverfahrens. Insbesondere wurde dem Vertreter vorgeschlagen, die Parteien in sechs bis sieben Monaten für einen erneuten Schlichtungsversuch vorzuladen. Man einigte sich darauf, dass der Vertreter nach Rücksprache mit der Klägerin bis am 6. Juli 2021 Bescheid geben werde (act. 25). Am 6. und 7. Juli 2021 war es dem Friedensrichteramt nicht möglich, den Rechtsvertreter telefonisch zu erreichen (act. 26 f.). Nachdem das Friedensrichteramt den Rechtsvertreter der Klägerin schliesslich am 9. Juli 2021 telefonisch erreicht hatte, erklärte dieser, sich noch gleichentags mit der Klägerin zu besprechen und am Montag (12. Juli 2021) eine Eingabe einzureichen (act. 28). Nachdem beim Friedensrichteramt nichts eingegangen war, versuchte es, den Rechtsvertreter am 13. Juli 2021 erneut zu erreichen. Seine Kanzleisekretärin erklärte, er sei nun bis Ende Juli 2021 in den Ferien (act. 29). Am 10. September 2021 erfolgte eine weitere Kontaktaufnahme durch das Friedensrichteramt mit dem Rechtsvertreter. Dieser erklärte, aktuell viel zu tun zu haben und stellte eine Eingabe betreffend weiteres Vorgehen in Aussicht (act. 32). Eine Eingabe erfolgte nicht.

      5. it Verfügung vom 24. September 2021 setzte das Friedensrichteramt der Klägerin eine zehntägige Frist an, um schriftlich mitzuteilen, ob sie eine erneute Vorladung zu einer Schlichtungsverhandlung wünsche ob sie betreffend die nicht säumigen Parteien einseitig auf das Schlichtungsverfahren verzichte. Dies unter der Androhung, bei Säumnis werde angenommen, die Klägerin habe kein Interesse mehr am Verfahren und ziehe die Klage einstweilen zurück. Diese Verfügung wurde der Klägerin am 27. September 2021 zugestellt (act. 33). Sie liess sich nicht vernehmen. Mit Verfügung vom 27. Oktober 2021 schrieb das Friedens-

richteramt das Verfahren als durch einseitigen Klagerückzug erledigt ab (act. 34 = act. 37 = act. 39, nachfolgend zitiert als act. 37).

      1. Gegen diese Verfügung vom 27. Oktober 2021 erhob die Klägerin mit elektronisch eingereichter Eingabe vom 29. November 2021 rechtzeitig ein als Beschwerde bezeichnetes Rechtsmittel mit folgendem Rechtsbegehren (act. 38, vgl. zur Rechtzeitigkeit act. 34/1 und act. 41–43):

        1.) Die Verfügung der Beschwerdegegnerin [des Friedensrichteramtes der Stadt Zürich, Kreise 11 und 12] vom 27. Oktober 2021 in der Dossier Nr. GV.2020.00483 sei derart aufzuheben, als dass das Verfahren nicht abgeschrieben wird und die Vorinstanz zur Ausstellung einer Klagebewilligung für die Klägerin gegen die Beklagten 1, 3 und 4 verpflichtet wird.

        eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Beschwer- degegnerin [das Friedensrichteramt] zurückzuweisen

        2) Alles unter Prozesskosten, also Gerichtskosten und die Parteientschädigungen (zzgl. MWST) zu Lasten der Beschwerdegegnerin [des Friedensrichteramtes].

      2. Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (act. 1–35).

      3. Vorab ist festzuhalten, dass die Klägerin lediglich die Ausstellung der Klagebewilligungen gegen die Beklagten 1, 3 und 4 verlangt. Gegen die Abschreibung des Verfahrens bezüglich der Beklagten 2 und 5 wehrt sie sich nicht explizit. Sie verlangt insbesondere nicht, der Entscheid wäre in Bezug auf diese aufzuheben bzw. das Verfahren vor dem Friedensrichteramt weiterzuführen. Damit akzeptiert sie letztlich die Abschreibung des Verfahrens bezüglich der Beklagten 2 und 5, weshalb darauf hier nicht mehr einzugehen ist. Die Beklagten 2 und 5 wurden daher im hiesigen Verfahren nicht als Parteien im Rubrum aufgenommen, son- dern nur die Beklagten 1, 3 und 4.

      4. it Verfügung vom 16. Dezember 2021 wurde den Beklagten 1, 3 und 4 je Frist zur Beantwortung der Berufung angesetzt und es wurde die Prozessleitung delegiert. An die Beklagten 3 und 4 erfolgte die Zustellung der Verfügung rechtshilfeweise in die Türkei (act. 44). Innert Frist (vgl. für die Zustellung act. 45/1–3) ging keine Berufungsantwort ein. Die Sache erweist sich als spruchreif.

2.1 Bei der angefochtenen Verfügung vom 27. Oktober 2021 handelt es sich um einen Abschreibungsentscheid gestützt auf einen (einstweiligen) Klagerückzug. Nach Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO können solche Parteidispositionen auf Grund zivilrechtlicher Willensmängel mit Revision angefochten werden. Die Kammer lässt eine Berufung Beschwerde an das Obergericht gemäss bisheriger Praxis in- des dann zu, wenn die Rüge des Rechtsmittelklägers Fehler bei der Erledigung des Verfahrens an sich betreffen (so wenn streitig war, ob die Parteierklärung tatsächlich formell gültig abgegeben wurde, ob ein Vertreter bevollmächtigt war ob eine Widerrufsfrist ungenutzt abgelaufen ist; vgl. z.B. OGer NP130033 vom 20. März 2014; OGer PD110003 vom 4. März 2011 = ZR 110/2011 Nr. 34;

OGer PF110004 vom 9. März 2011).

Der Abschreibungsentscheid der Schlichtungsbehörde ist somit – je nach- dem, ob das Streitwerterfordernis gemäss Art. 308 Abs. 2 ZPO erfüllt ist – mit Berufung Beschwerde anfechtbar. Da vorliegend die Klägerin selbst von einem Streitwert von über Fr. 20'000.– ausgeht, das Friedensrichteramt gar einen noch höheren Streitwert annahm (vgl. act. 7), ist das Streitwerterfordernis für die Berufung erreicht. Das vorliegende Rechtsmittel ist daher – entgegen der Rechtmittelbelehrung des Friedensrichteramtes – als Berufung entgegenzunehmen.

3.1 Die Klägerin bringt gegen die Abschreibung des Verfahrens durch das Frie- densrichteramt infolge einstweiligen Klagerückzugs vor, sie habe anlässlich der Schlichtungsverhandlung um Ausstellung der Klagebewilligung ersucht. Das Frie- densrichteramt habe nach der Verhandlung auf den Nachweis weiterer Zustellurkunden gewartet, da lediglich einem Teil der Beklagten die rechtshilfeweise Zustellung habe nachgewiesen werden können. Obwohl das Friedensrichteramt gewusst habe, dass für die Beklagten 1, 3 und 4 ein Zustellnachweis vorgelegen habe, habe es die Klagebewilligung nicht ausgestellt, sondern auf einen einstweiligen Klagerückzug insinuiert. Dem Friedensrichteramt liege aber keine Klagerückzugserklärung der Klägerin vor, handle es sich doch beim Klagerückzug um eine einseitige, bedingungsfeindliche, unbeschränkt zulässige Erklärung der klagenden Partei, und eine Fingierung gebe es in der Zivilprozessordnung nicht (act. 38).

      1. Das Friedensrichteramt drohte der Klägerin mit Verfügung vom

        24. September 2021 als Säumnisfolge an, die Klage gelte als einstweilen zurückgezogen und das Verfahren werde abgeschrieben, wenn die Klägerin nicht innert Frist mitteile, ob sie eine erneute Vorladung zur Schlichtungsverhandlung wünsche ob sie betreffend die nicht säumigen Beklagten einseitig auf das Schlichtungsverfahren verzichte (act. 33), und es schrieb das Verfahren sodann nach nicht erfolgter Rückmeldung der Klägerin ab (act. 37, vgl. hiervor E. 1.1.5).

      2. Soweit die Klägerin geltend macht, es sei nicht zulässig, dass das Friedensrichteramt den Klagerückzug fingiere und damit die angedrohte Säumnisfolge letztlich als unzulässig erachtet, ergibt sich, was folgt:

        Der Grundsatz von Art. 147 ZPO besagt, dass das Verfahren bei Säumnis einer Partei ohne die versäumte Handlung weitergeführt wird, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt (sog. Präklusivwirkung, Art. 147 Abs. 2 ZPO). Denkbar sind neben dem Grundsatz von Art. 147 Abs. 2 ZPO und den im Gesetz normierten, von diesem Grundsatz abweichenden Säumnisfolgen (z.B. Art. 101 Abs. 3 ZPO [Nachfrist bei Nichtleisten Vorschuss], Art. 206 ZPO [Abschreibung bzw. Klagebewilligung Nichterscheinen an der Schlichtungsverhandlung], Art. 234 Abs. 1 ZPO [Berücksichtigung der nach Massgabe des Gesetzes eingereichten Eingaben bei Säumnis der Partei an der Hauptverhandlung], etc.; vgl. für weitere Beispiele: BSK ZPO-GOZZI, 3. Aufl. 2017, Art. 147 N 15 ff.) aber in der Praxis durchaus Fälle, in welchen die Säumnisfolgen vom Gericht – hier dem Frie- densrichteramt – festgelegt werden.

        Wenn das Friedensrichteramt als Säumnisfolge androhte, es werde davon ausgegangen, die klagende Partei habe kein Interesse mehr an diesem Verfahren und ziehe ihre Klage einstweilen zurück (vgl. act. 33), so meinte es keinen vorbehaltlosen Klagerückzug im Sinne von Art. 241 Abs. 2 ZPO, sondern einen solchen im Schlichtungsverfahren unter Vorbehalt bzw. einstweilen entsprechend Art. 206 Abs. 1 ZPO (OGer ZH RU140017 vom 1. Mai 2014, E. 2.). Dieser besagt: Bei Säumnis der klagenden Partei gilt das Schlichtungsgesuch als zurückgezogen; das Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben. Da sich diese Bestimmung indes nur auf das Nichterscheinen am Schlichtungstermin bezieht

        (BSK ZPO-INFANGER, 3. Aufl. 2017, Art. 206 N 9 ff.; ausdrücklich auch in: BK ZPO-ALVAREZ/PETER, 2012, Art. 206 N 6), handelt es sich bei der hier konkret angedrohten Säumnisfolge nicht um eine gesetzliche, sondern um eine vom Frie- densrichteramt festgelegte Säumnisfolge. Ergeben sich die Säumnisfolgen nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern werden sie durch das Gericht bzw. das Friedensrichteramt festgelegt, so haben sie sich an das Verhältnismässigkeitsprinzip zu halten. Sie dürfen insbesondere nicht weiter gehen, als es für ein geordnetes Verfahren erforderlich ist bzw. als der Zweck es erfordert (BSK ZPO- GOZZI, 3. Aufl. 2017, Art. 147 N 14a; MERZ, DIKE-Komm-ZPO, 2. Aufl. 2016,

        Art. 147 N 20).

      3. Im konkreten Fall ist hinsichtlich der angedrohten (und dann eingetretenen) Säumnisfolge zumindest bezüglich der Beklagten 1, 3 und 4 die Verhältnismässigkeit bzw. Zweckmässigkeit aus mehreren Gründen nicht gewahrt:

        1. So ist die Prozessleitung Sache des Gerichts bzw. des Friedensrichteramtes (Art. 124 ZPO) und sie liegt in dessen pflichtgemässem Ermessen (Art. 4 ZGB). Das Friedensrichteramt ersuchte die Klägerin mehrmals vergeblich um Auskunft, wie diese das Verfahren weiterführen wolle (vgl. hiervor E. 1.1.4). Lässt sich eine Partei trotz mehrmaliger Nachfrage nicht vernehmen, bleibt es letztlich Aufgabe des Friedensrichteramtes, das Verfahren nach billigem Ermessen und unter Nachachtung der prozessualen Bestimmungen fortzuführen. Dabei ginge es zu weit, aus der Säumnis der Klägerin auf eine prozessleitende Anordnung des Friedensrichteramtes hin unbesehen auf deren Desinteresse am Verfahren zu schliessen und es abzuschreiben.

        2. Hinzu kommt vorliegend – und darauf weist die Klägerin in ihrer Berufungsschrift zu Recht hin – dass sie sich hinsichtlich derjenigen Beklagten, welche an der Schlichtungsverhandlung säumig waren, bereits anlässlich der Verhandlung zum weiteren Vorgehen geäussert hatte. So ist im Protokoll des Friedensrichteramtes festgehalten, dass die Klägerin an ihrer Klage vollumfänglich festhalte und das Friedenrichteramt um Ausstellung einer Klagebewilligung betreffend der Beklagten 1 und 3 und allenfalls weiterer unentschuldigt nicht erschienenen Parteien (zum Zeitpunkt der Schlichtungsverhandlung war nicht bekannt, dass die

          Zustellung an die Beklagte 4 ebenfalls geglückt war, vgl. act. 24) ersuche (vgl. act. 20 S. 3). Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Friedensrichteramt in der Folge nicht wie von der Klägerin gewünscht die Klagebewilligung bezüglich der Berufungsbeklagten 1, 3 und 4 ausstellte (Art. 206 Abs. 2 ZPO i.V.m. Art. 209 ZPO). Dies erst recht, als es sich gemäss Schlichtungsgesuch in der Sache um eine Klage auf Ungültigkeit eines Testamentes handeln könnte (act. 1; Art. 519 Abs. 1 und Art. 520 Abs. 1 ZGB). Da ein Urteil über eine Ungültigkeitsklage nur zwischen den Prozessparteien wirkt, steht es im Belieben des Ungültigkeitsklägers, ob und allenfalls wie weit er die letztwillige Verfügung gelten lassen will und damit auch, welche Parteien, die aus einer angefochtenen Verfügung von Todes wegen erbrechtliche Vorteile ziehen, er einklagen will. Es besteht damit weder für Klagende noch für Beklagte eine notwendige Streitgenossenschaft (BGer 5A_986/2018 vom 7. Januar 2020, E. 4.2.1. f. m.w.H., u.a. auf BGE 136 III 123,

          E. 4.4.1; BGer 5A_763/2018 vom 1. Juli 2019, E. 8.3.1.3). Damit ist es – insbesondere, wenn dies dem Wunsch der klagenden Partei entspricht – auch unproblematisch, die Klagebewilligung nur bezüglich eines Teils der Beklagten auszustellen (vgl. auch OGer ZH PP180046 vom 17. Mai 2019, E. 4.1 f.). Nicht nachvollziehbar und jedenfalls nicht verhältnismässig erscheint es, der Klägerin als Säumnisfolge die Abschreibung des gesamten Verfahrens anzudrohen, obwohl die Voraussetzungen für die Erteilung der Klagebewilligung bezüglich einzelner Beklagten erfüllt waren.

        3. Sodann bleibt darauf hinzuweisen, dass die Klägerin durch Abschreibung des Verfahrens des Datums der Rechtshängigkeit (Art. 62 Abs. 1 ZPO) verlustig ginge. Dies könnte gravierende Auswirkungen für den Fristenlauf bei der Ungültigkeitsklage haben. So verjährt (bzw. verwirkt, vgl. BSK ZGB II-FORNI/PIATTI,

          6. Aufl. 2019, Art. 521 N 1) das Recht auf Erhebung der Ungültigkeitsklage ein Jahr von dem Zeitpunkt an gerechnet, da der Kläger von der Verfügung von To- des wegen und dem Ungültigkeitsgrund Kenntnis erhalten hat (Art. 521 Abs. 1 ZGB). Da die Klägerin ihr Schlichtungsgesuch am 11. Dezember 2020 eingereicht hatte und damit zwischenzeitlich bereits mehr als ein Jahr seit der Einreichung vergangen ist, hätte sie bei einem neuen Anhängigmachen des Schlichtungsgesuchs einer direkten Klageeinleitung beim Gericht (in Anwendung von

          Art. 199 Abs. 2 lit. a ZPO, auf welche Bestimmung das Friedensrichteramt mit Verfügung vom 24. September 2021 hinwies, vgl. act. 33) ihr materielles Recht verwirkt. Dadurch wirkt die vom Friedensrichteramt angedrohte Säumnisfolge umso schwerer und erscheint auch unter diesem Aspekt keinesfalls als verhältnismässig.

      4. Aus all dem folgt, dass die angedrohte Säumnisfolge zumindest in Bezug auf die Beklagten 1, 3 und 4 unverhältnismässig war und für sie keine Rechtswirkung entfaltet. Der Abschreibungsentscheid des Friedensrichteramtes ist bezüglich der Beklagten 1, 3 und 4 aufzuheben. Das Friedensrichteramt wird der Klägerin – wie von ihr gewünscht – bezüglich der Beklagten 1, 3 und 4 die Klagebewilligung auszustellen haben. Bezüglich der Beklagten 2 und 5 braucht die Frage, inwiefern die Säumnisfolge angemessen war, wie gezeigt nicht beantwortet zu wer- den, da sich die Klägerin nicht gegen die Abschreibung des Verfahrens gegen diese wehrt (E. 1.2.2). Es bleibt damit bezüglich der Beklagten 2 und 5 beim vorinstanzlichen Ergebnis.

Die Berufung ist gutzuheissen und der vorinstanzliche Entscheid ist bezüglich der Beklagten 1, 3 und 4 aufzuheben. Die Sache ist zwecks Ausstellung der Klagebewilligung gegen die Beklagten 1, 3 und 4 an das Friedensrichteramt zurückzuweisen.

    1. Umständehalber sind für dieses Verfahren keine Kosten zu erheben.

    2. Im Schlichtungsverfahren sind von vorneherein keine Parteientschädigungen zuzusprechen (vgl. Art. 113 Abs. 1 ZPO), was auch für das Rechtsmittelverfahren gilt (vgl. OGer ZH PD110005 vom 23. Juni 2011, PD110010 vom

31. Oktober 2011, E. 4a).

Es wird erkannt:

  1. Die Verfügung des Friedensrichteramtes Kreise 11 und 12 der Stadt Zürich vom 27. Oktober 2021 wird bezüglich der Beklagten 1, 3 und 4 aufgehoben,

    und die Sache wird zur Erteilung der Klagebewilligung bezüglich der Ge- nannten an das Friedensrichteramt zurückgewiesen.

  2. Die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren fallen ausser Ansatz.

  3. Es werden für das zweitinstanzliche Verfahren keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie – unter Rücksendung der erstinstanzlichen Akten – an das Friedensrichteramt Kreise 11 und 12 der Stadt Zürich, je gegen Empfangsschein.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert wurde nicht ermittelt.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw M. Schnarwiler versandt am:

25. April 2022

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