Zusammenfassung des Urteils RT220033: Obergericht des Kantons Zürich
In dem Urteil vom 28. April 2022 des Obergerichts des Kantons Zürich in Sachen Rechtsöffnung wurde die Beschwerde der Gesuchstellerin abgewiesen. Die Gesuchstellerin hatte verlangt, dass ihr monatliche Unterhaltsbeiträge aus der Erbschaft ihres ehemaligen Ehegatten zustehen. Die Vorinstanz wies das Begehren jedoch ab. Die Gesuchstellerin legte Beschwerde ein, die jedoch ebenfalls abgewiesen wurde, da sie ihr Wahlrecht bezüglich der Kapitalisierung der Restrente bereits ausgeübt hatte. Die Gerichtskosten von CHF 750 wurden der Gesuchstellerin auferlegt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | RT220033 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Zivilkammer |
Datum: | 28.04.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Rechtsöffnung |
Schlagwörter : | Gesuch; Gesuchsgegnerin; Wahlrecht; Vergleich; Vorinstanz; Parteien; Unterhaltsbeiträge; Vergleichsgespräche; Schuld; Urteil; Rechtsöffnung; Betreibung; Kapitalisierung; Bundesgericht; Restrente; Entscheid; Noven; Rente; Ausübung; Berechnung; Schuldner; Scheidungsurteil; Akten; Schriftenwechsel; Alternativermächtigung; Gläubiger; Forderung |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 111 ZPO ;Art. 152 ZPO ;Art. 2 ZGB ;Art. 229 ZPO ;Art. 321 ZPO ;Art. 322 ZPO ;Art. 72 OR ;Art. 90 BGG ;Art. 95 ZPO ; |
Referenz BGE: | 128 III 70; 134 III 348; 135 III 315; 138 II 311; 144 II 473; 146 III 237; 63 II 84; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: RT220033-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin Dr. D. Scherrer, Vorsitzende, Oberrichterin
Dr. L. Hunziker Schnider und Ersatzoberrichter Dr. M. Nietlispach sowie Gerichtsschreiberin MLaw L. Hengartner
Urteil vom 28. April 2022
in Sachen
,
Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
Gesuchsgegnerin und Beschwerdegegnerin
vertreten durch C. ,
Erbe und Willensvollstrecker
dieser vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y.
betreffend Rechtsöffnung
Erwägungen:
Mit schriftlich begründetem Urteil vom 21. Januar 2022 wies die Vorinstanz das Begehren der Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin (fortan Gesuchstellerin) um definitive Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 47'297.70 nebst Zins zu 5% seit dem 3. August 2021 sowie Fr. 500.– und Fr. 138.90 in der Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamtes Zürich 7, Zahlungsbefehl vom 3. August 2021, ab (Urk. 24 = Urk. 28 S. 9). Hintergrund ist eine Forderung der Gesuchstellerin gegen die Erbschaft ihres ehemaligen Ehegatten B. (fortan Gesuchsgegnerin): Mit Scheidungsurteil vom 20. April 1999 des Bezirksgerichts Zürich wurde B. verpflichtet, der Gesuchstellerin eine lebenslängliche, passiv vererbliche monatliche Unterhaltsrente in Höhe von zunächst Fr. 7'000.– während eines Jahres ab Rechtskraft des Scheidungsurteils und anschliessend Fr. 5'000.– auszurichten. Ferner wurde die Gesuchstellerin für berechtigt erklärt, nach dem Tod von B. die Kapitalisierung und Auszahlung der Restrente nach den Regeln der Barwerttafeln von Stauffer/Schaetzle zu verlangen (Urk. 5/7 S. 2, S. 4). Mit Schreiben vom 12. Oktober 2020 verlangte die Gesuchstellerin von der Gesuchsgegnerin die Kapitalisierung der Restrente (Urk. 16). Nachdem die Gesuchsgegnerin die Forderung nicht bezahlt hatte, verlangte die Gesuchstellerin die definitive Rechtsöffnung für die monatlichen Unterhaltsbeiträge von Dezember 2020 bis August 2021 (Urk. 1 Rz. 10 ff.). Dieses Begehren wies die Vorinstanz mit Urteil vom 21. Januar 2022 ab (Urk. 28 S. 9).
Hiergegen erhob die Gesuchstellerin mit Eingabe vom 11. Februar 2022 rechtzeitig (Art. 321 Abs. 2 ZPO und Urk. 25a) Beschwerde mit den folgen- den Anträgen (Urk. 27 S. 2):
1. Der Entscheid des Bezirksgerichts Zürich vom 21. Januar 2022, Geschäfts-Nr. EB211062, sei aufzuheben.
Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Eventualiter sei das Verfahren zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
und den folgenden Rechtsbegehren (Urk. 27 S. 2):
1. Es sei in der Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamtes Zürich 7 (Zahlungsbefehl vom 3. August 2021) der Rechtsvorschlag des Beschwer- degegners aufzuheben und definitive Rechtsöffnung zu erteilen für:
unbezahlt gebliebene Unterhaltsbeiträge, gemäss rechtskräftigem Scheidungsurteil vom 20. April 1999 (Bezirksgericht Zürich, Prozess- Nr. U/CE940943) im Umfang von:
Fr. 47'297.70, zuzüglich Zins zu 5 % seit 3. August 2021 sowie für
Fr. 500.00 Spruchgebühr Arrestbefehl vom 23. August 2021
Fr. 138.90 Kostenrechnung des Betreibungsamtes vom
11. August
2021
2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich Mehrwertsteuer) zulasten des Beschwerdegegners.
Mit Verfügung vom 18. Februar 2022 wurde auf das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung nicht eingetreten und von der Gesuchstellerin ein Kostenvorschuss in Höhe von Fr. 750.– eingefordert (Urk. 30). Dieser ging fristgerecht ein (Urk. 31).
Die vorinstanzlichen Akten sowie die Akten des Arrestverfahrens wur- den beigezogen (Urk. 1-25; Urk. 26/1-5). Da sich die Beschwerde – wie nachfolgend aufzuzeigen sein wird – sogleich als offensichtlich unbegründet erweist, er- übrigt sich das Einholen einer Beschwerdeantwort (Art. 322 Abs. 1 ZPO).
Gemäss Art. 251 lit. a ZPO untersteht das Rechtsöffnungsverfahren den Regeln des Summarverfahrens. Für dieses sieht die Zivilprozessordnung grundsätzlich keinen doppelten Schriftenwechsel vor. Vielmehr tritt der Aktenschluss in der Regel bereits mit dem Abschluss des ersten Schriftenwechsels ein. Es besteht insofern kein Anspruch der Parteien darauf, sich zweimal zur Sache zu äussern. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass mit der gebotenen Zurückhaltung ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet werden kann, wenn er sich nach den Umständen als erforderlich erweist. Nach dem ersten bzw. allenfalls zweiten Schriftenwechsel können Noven nur noch unter den engen Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO vorgebracht werden (BGE 146 III 237, E. 3.1. m.w.H.). Wer
sich auf Noven beruft, hat (in der Noveneingabe) deren Zulässigkeit nachzuweisen. Die Partei, welche das Novenrecht beansprucht, hat im Einzelnen insbeson- dere darzutun, warum ein früheres Vorbringen nicht möglich war und worin die hierfür unternommenen Anstrengungen bestanden haben; sie ist insoweit behauptungs- und beweisbelastet (BGer 4A_38/2020 vom 22. Juli 2020, E. 5.1.3.; OGer ZH RT180120 vom 12.02.2019, E. 3.3.3. m.w.H.).
Vertrauliche Vergleichsgespräche
Die Vorinstanz erwog, Rechtsanwältin X1.
habe im Namen der
Gesuchstellerin mit Schreiben vom 12. Oktober 2020 erklärt, die Kapitalisierung der Rente zu wünschen (Urk. 28 S. 6). Die Einwände der Gesuchstellerin vermöchten nichts am klaren Wortlaut ihres Schreibens vom 12. Oktober 2020 zu verändern. Darin habe die Gesuchstellerin die Kapitalisierung der Restrente be- dingungslos und unter Fristansetzung verlangt. Inwiefern dies ein Angebot darstellen solle, welches zu einem Vergleich führen könnte, sei nicht ersichtlich. Daran ändere auch nichts, dass die Gesuchstellerin im genannten Schreiben zu- nächst den Wunsch geäussert habe, die Rente zu kapitalisieren, und sie in einer dem Schreiben vorangehenden E-Mail am 24. September 2020 noch eine Rückmeldung seitens der Gesuchsgegnerin habe abwarten wollen. Auch nicht nachvollziehbar erscheine, dass die Frist lediglich dazu gedient haben solle, das Angebot zu befristen, um die Gesuchsgegnerin zu einem Vergleich zu motivieren (Urk. 28 S. 7).
Die Gesuchstellerin rügt, um den Sachverhalt richtig festzustellen, hätte das Schreiben vom 12. Oktober 2020 aus seinem konkreten Sinngefüge heraus interpretiert werden müssen (Urk. 27 Rz. 14). Die Berücksichtigung des Kontextes dränge sich nur schon auf, weil im Schreiben vom 12. Oktober 2020 explizit auf eine E-Mail vom 24. September 2020 verwiesen werde. In dieser habe die Gesuchstellerin den Rechtsanwalt der Gesuchsgegnerin um eine klare und verbindliche Rückmeldung zu einer allfälligen Kapitalisierung der Rente ersucht. Sie habe über ihre damalige Rechtsanwältin vom Gegenanwalt verlangt, klar und
verbindlich mitzuteilen, von welcher Kapitalsumme Ihr Mandant heute ausgeht. Darin komme zum Ausdruck, dass sich die Parteien stets darüber im Klaren gewesen seien, dass die Kapitalsumme nur über einen Vergleich realisierbar sei (Urk. 27 Rz. 15). Das Schreiben vom 12. Oktober 2020 sei ein vertrauliches Vergleichsdokument und dessen Einreichen beim Gericht stelle eine Verletzung von Art. 12 lit. a BGFA dar. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung vermöge ein Verstoss gegen die Berufsregeln eine Rechtswidrigkeit nach Art. 152 Abs. 2 ZPO zu begründen, weshalb das Schreiben im vorliegenden Verfahren keine Beachtung finden dürfe. Bei der Interpretation des Schreibens sei das Augenmerk auf das Ganze zu richten. Ohne Berücksichtigung des Zusammenhangs könne nicht beurteilt werden, was es mit dem Schreiben vom 12. Oktober 2020 auf sich habe. Erst aus dem dargelegten Kontext werde deutlich, dass es sich beim fraglichen Schreiben um ein Vergleichsangebot gehandelt habe, welches die Gesuchsgeg- nerin jedoch ausgeschlagen habe. Über diese Tatsache könne die harte Formulierung, die den vorläufigen Endpunkt der langwierigen Vergleichsgespräche dargestellt habe, nicht hinwegtäuschen (Urk. 27 Rz. 18).
Den vorinstanzlichen Erwägungen zur Qualifikation des Schreibens vom 12. Oktober 2020 ist vollumfänglich zuzustimmen. Zwar unterliegen Vergleichsgespräche zwischen Rechtsanwälten ohne weiteres der Vertraulichkeit (BGE 144 II 473, E. 4.6.1.). Dass Parteien bzw. deren Anwälte aussergerichtlich miteinander kommunizieren, macht die entsprechende Korrespondenz allerdings nicht automatisch zu (vertraulichen) Vergleichsgesprächen. Die vormalige Rechtsvertreterin der Gesuchstellerin, Rechtsanwältin X1. , brachte weder im E-Mail vom 24. September 2020 noch im Schreiben vom 12. Oktober 2020 zum Ausdruck, dass es sich hierbei um Vergleichsgespräche handle. Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, brachte die Gesuchstellerin mit Schreiben vom
Oktober 2020 offensichtlich keinen Vorschlag, sondern eine klare Forderung unter Fristansetzung mit Sendungsverfolgung vor: So hielt sie der Klarheit halber fest, dass sie die Kapitalisierung im Betrag von Fr. 838'444.– verlange und dieser Betrag bis am 20. Oktober 2020 auf ihr Konto zu überweisen sei (Urk. 16). Eine ausdrückliche Forderung unter Ansetzung einer kurzen, rund einwöchigen Frist kann ohne weitere Anhaltspunkte nach Treu und Glauben nicht als Angebot
verstanden werden. Auch der Kontext bzw. das E-Mail vom 24. September 2020 sprechen dagegen, dass die Parteien Vergleichsgespräche geführt haben sollen. So verlangte die Gesuchstellerin im genannten E-Mail eine verbindliche Rückmel- dung (Urk. 22/3). Wesensmerkmal von Vergleichsgesprächen ist jedoch gerade, dass Vorschläge unterbreitet werden können, ohne dass diese zu bindenden Verpflichtungen führen. Mit der Forderung nach einer verbindlichen Rückmeldung gab die Gesuchstellerin zu verstehen, dass sie die Gesuchsgegnerin auf ihrer Antwort behaften wolle, womit es sich bei der entsprechenden Korrespondenz nicht um Vergleichsgespräche handeln konnte. Damit hat die Vorinstanz den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig festgestellt, indem sie das Schreiben nicht als Vergleichsdokument qualifizierte. Hätte die Gesuchstellerin bzw. deren Anwältin gewollt, dass diese Schreiben vertraulich bleiben, so wäre sie nach Art. 26 der Standesregeln des Schweizerischen Anwaltsverbandes – welchem
Rechtsanwältin X1.
angehört – verpflichtet gewesen, dies klar zum Ausdruck zu bringen (vgl. auch BGer 2C_500/2020 vom 17. März 2021, E. 4.4.). Da sich dies beiden Schreiben nicht entnehmen lässt, ist mit der Vorinstanz festzuhalten, dass es sich beim Schreiben vom 12. Oktober 2020 nicht um ein vertrauliches Vergleichsdokument handelt und dieses somit im vorliegenden Prozess berücksichtigt werden kann.
Alternativermächtigung und Wahlrecht
Die Vorinstanz erwog, der Gesuchstellerin sei die Möglichkeit eingeräumt worden, anstatt der primär geschuldeten Unterhaltsbeiträge nach dem Ableben von B. die Kapitalisierung der Restrente zu verlangen. Damit stünden die Leistungen nicht wahlweise nebeneinander zur Verfügung, sondern alternativ subsidiär (Urk. 28 S. 6). Auch wenn die Gesuchsgegnerin in der Betreibung der Unterhaltszahlungen für August bis November 2020 keinen Rechtsvorschlag erhoben habe, könne daraus nicht abgeleitet werden, dass ihrer Meinung nach weiterhin Unterhaltsbeiträge geschuldet sein sollten. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, würde dies nichts daran ändern, dass die Ausübung des Wahlrechts nicht von einer Zustimmung abhängig sei. Ebenfalls ins Leere gehe das Argument der Gesuchstellerin, sie habe das Wahlrecht bereits zugunsten der periodischen
Unterhaltsbeiträge ausgeübt, indem sie diese nach dem Tod des Ex-Ehemanns weiterhin geltend gemacht habe: Das Wahlrecht habe nur zugunsten der Kapitalleistung ausgeübt werden können und sei zeitlich auch nicht befristet gewesen. So lange das Wahlrecht nicht ausgeübt worden sei – wie es vorliegend geschehen sei –, seien die monatlichen Unterhaltsleistungen vorgesehen gewesen. Die Gesuchstellerin habe mit Schreiben vom 12. Oktober 2020 von der ihr in der mit Urteil vom 20. April 1999 genehmigten Scheidungsvereinbarung eingeräumten Alternativermächtigungsbefugnis Gebrauch gemacht. Diese Erklärung sei unwiderruflich. Nach Ausübung dieser Befugnis sei fortan bloss noch die Kapitalleistung geschuldet. Dass sich die Parteien über die Berechnungsweise der Restrente nicht einig gewesen seien, sei dabei nicht von Relevanz (Urk. 28 S. 7 f.).
Die Gesuchstellerin rügt, es habe nie ein ausübbares Wahlrecht vorgelegen. Ein Wahlrecht setze mindestens zwei Optionen voraus. Im vorliegenden Fall habe der vermeintlichen Wahlmöglichkeit zu Gunsten der Kapitalisierung seit jeher der Fakt im Weg gestanden, dass sich die Parteien über die Art der Berech- nung der Kapitalzahlung nicht einig gewesen und nicht einig geworden seien (Urk. 27 Rz. 21). Dieses Problem habe die Vergleichsgespräche erst erforderlich gemacht. Wenn in Bezug auf die Art der Berechnung der kapitalisierten Restrente Klarheit respektive Übereinstimmung vorgelegen hätte, hätte die Gesuchstellerin jederzeit das Wahlrecht ausüben können und wäre nicht auf eine Zustimmung der Gegenseite angewiesen gewesen. Der Vorinstanz sei daher nicht zuzustimmen, wenn sie festhalte, es sei nicht von Relevanz, dass sich die Parteien über die Berechnungsweise der Restrente nicht einig gewesen seien (Urk. 27 Rz. 22). Selbst wenn die Gesuchstellerin im Rahmen einer Alternativermächtigung tatsächlich ein Wahlrecht hätte ausüben können, so hätte die Vorinstanz die falschen rechtlichen Schlüsse gezogen. Sie habe sich nämlich auf den Standpunkt gestellt, die Gesuchstellerin habe unwiderruflich eine Erklärung zu Gunsten der kapitalisierten Rente abgegeben (Urk. 27 Rz. 24). Der Bundesgerichtentscheid, auf welchen sich die
Vorinstanz zur Begründung der vermeintlichen Unwiderruflichkeit berufen habe, sei jedoch für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Anders als in BGE 63 II 84 habe die Gesuchstellerin eine Kapitalsumme als Ersatzleistung nie verfolgt und
somit nicht beide Leistungen geltend gemacht. Andererseits seien im vorliegen- den Fall schlicht keine schützenswerten Schuldnerinteressen der Gesuchsgegnerin ersichtlich, zumal sie sich seit Jahren weigere, überhaupt eine Leistung zu erbringen (Urk. 27 Rz. 27). Wesentlich überzeugender erscheine die Lehrmeinung von Tuhr/Peter, gemäss welchen das Verlangen der Ersatzleistung nicht als rechtsgestaltendes Rechtsgeschäft gelte und daher nicht unwiderruflich sei. Der Gläubiger, der die Ersatzleistung verlangt habe, könne, wenn der Schuldner nicht darauf eingehe, die Hauptleistung fordern. Im vorliegenden Fall habe die Gesuchsgegnerin keine Leistung angeboten und auch keine akzeptiert, sei also auf nichts eingegangen. Folglich ermangele es an einer inneren Rechtfertigung, die Interessen der Gesuchsgegnerin zu schützen und umgekehrt den Anspruch auf die Hauptleistung abzuweisen. Es gehe nicht an, dass die Gesuchsgegnerin ei- nerseits die Unterhaltsbeiträge nicht mehr bezahlen müsse und gleichzeitig die Auszahlung der kapitalisierten Rente verweigern könne. Da im vorliegenden Fall kein schützenswertes Schuldnerinteresse vorliege, könne der Entscheid BGE 63 II 84 nicht einschlägig sein (Urk. 27 Rz. 28).
Entgegen der Gesuchstellerin (Urk. 27 Rz. 21 f.) steht weder die Tatsache, dass sich die Parteien über die Höhe der kapitalisierten Rente nicht einig geworden sind, noch der Umstand, dass deren Berechnungsart allenfalls unklar ist, einem ausübbaren Wahlrecht entgegen. Das Scheidungsurteil legt klar und unmissverständlich fest, dass der Gesuchstellerin ein Wahlrecht zugunsten einer kapitalisierten Rente zusteht und dass deren Höhe mit Hilfe der Barwerttafeln von Stauffer/Schaetzle zu berechnen ist. Es lässt sich dem Scheidungsurteil in keiner Weise entnehmen, dass eine Einigung der Parteien Voraussetzung für die Aus- übung des Wahlrechts darstellt. Zur Bestimmung der Kapitalforderung sind die für massgebend erklärten Berechnungsgrundlagen – die Barwerttafeln – durch die Parteien (im Streitfall) durch den ordentlichen Richter anzuwenden und auszulegen. Wenn die Gesuchstellerin geltend macht, die Berechnungsart sei trotz des Verweises auf die Barwerttafeln unklar und deswegen liege gar kein gültiges Wahlrecht vor, wendet sie sich im Ergebnis gegen das Scheidungsurteil die diesem zugrunde liegende Scheidungsvereinbarung, welche sie als unklar fehlerbzw. lückenhaft erachtet. Ein rechtskräftiges Urteil kann jedoch – selbst
wenn es unklar fehlerhaft wäre – durch das Rechtsöffnungsgericht weder abgeändert noch ergänzt und auch nicht ausgelegt werden (BGE 135 III 315,
E. 2.3; BGer 5A_261/2018 vom 4. Februar 2019, E. 3.1.). Insofern ist lediglich massgebend, dass das Scheidungsgericht die Vereinbarung der Parteien – mitsamt der Klausel betreffend das Wahlrecht der Gesuchstellerin – genehmigt und zum Urteil erhoben hat. Damit wurde der Gesuchstellerin mit Urteil vom 20. April 1999 rechtskräftig ein Wahlrecht zugunsten einer Kapitalabfindung eingeräumt, deren Höhe nach den Barwerttafeln von Stauffer/Schaetzle zu berechnen ist.
Die Qualifikation der fraglichen Klausel als Alternativermächtigung wird von der Gesuchstellerin nicht gerügt und erweist sich als zutreffend. Damit bleibt zu klären, ob es sich beim Wahlrecht der alternativen Ermächtigung um ein Gestaltungsrecht handelt, welches unwiderruflich ist. Ein Teil der Lehre bejaht dies (beispielsweise Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, Schweizerisches Obligationenrecht AT, 11. Auflage, Zürich 2020, Rz. 2268 ff.; ZK-Schraner, Art. 72 OR N 73). Gemäss Ansicht anderer Autoren, beispielsweise von Tuhr/Peter, auf welche sich die Gesuchstellerin beruft (Urk. 27 Rz. 28), gelte das Anbieten der Ersatzleistung durch den Schuldner das Verlangen derselben durch den Gläubiger nicht als gestaltendes Rechtsgeschäft und sei daher nicht unwiderruflich. Der Gläubiger, welcher die Ersatzleistung verlangt habe, könne, wenn der Schuldner nicht darauf eingehe, die Hauptleistung fordern (von Tuhr/Peter, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, 1984, S. 82; so auch BK- Weber 2005, Art. 72 OR N 72 mit Verweis auf von Tuhr/Peter). Das Bundesgericht hat die Ansicht von Tuhrs, welche dieser gleichermassen in einer früheren Auflage vertrat (von Tuhr, OR II Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligatio- nenrechts [1924–1925], S. 67), jedoch mit Entscheid vom 27. April 1937 verworfen. So hielt es fest, die Wahlerklärung des Gläubigers – in diesem Fall die Wahlerklärung zugunsten der Konventionalstrafe und damit Verzicht auf Einhaltung des Konkurrenzverbots – im Rahmen einer alternativen Ermächtigung sei stets eine empfangsbedürftige Willenserklärung von rechtsgestaltender Wirkung und daher unwiderruflich. Ob im umgekehrten Fall der Gläubiger, welcher die Realerfüllung gewählt habe, nachträglich auf die Strafe zurückgreifen dürfe, könne dahingestellt bleiben. Es sei lediglich darauf hinzuweisen, dass diese Lösung sich
nicht mit dem Grundsatz der Unwiderruflichkeit rechtsgestaltender Willenserklärungen vereinbaren lasse und auch für den Erklärungsempfänger eine schwerwiegende Unsicherheit der Rechtslage mit sich bringe (BGE 63 II 84). Das Bun- desgericht liess in diesem obiter dictum erkennen, dass es nicht primär die Tatsache, dass ein Gläubiger beide Leistungen verfolgt, als massgebend erachtete, sondern die Rechtssicherheit und die Unwiderruflichkeit von Gestaltungsgeschäften. Das Bundesgericht hält seither daran fest, dass es sich beim Wahlrecht der Alternativermächtigung um ein Gestaltungsrecht handelt und die Ausübung eines solchen grundsätzlich unwiderruflich ist (BGE 138 II 311, E. 4.2. mit Verweis auf 134 III 348, E. 5.2.3.; 128 III 70, E. 2.; BGer 4A_306/2018 vom 29. Januar 2019,
E. 5.3.2; betreffend Alternativermächtigung des Schuldners vgl. OGer ZH LB200033 vom 22.01.2021, E. II.7.). Dieser Ansicht ist zu folgen, zumal sie für ei- ne einheitliche Rechtsordnung sorgt – so ist beispielsweise auch die Wahlerklärung gemäss Art. 72 OR, deren Regeln die alternative Ermächtigung im Wesentlichen folgt (BGE 134 III 348, E. 5.2.3.), gemäss einhelliger Meinung ein unwiderrufliches Gestaltungsgeschäft (BSK OR I-Schroeter, Art. 72 N 11; OFK-Kren Kostkiewicz, OR 72 N 1; CHK-Wullschleger OR 72 N 4; BK-Weber, Art. 72 OR N 29; von Tuhr/Peter, a.a.O., S. 79, und weitere). Auch schützt dies den Schuld- ner, welcher sich auf die einmal getätigte Wahl des Gläubigers soll verlassen können (so BGE 128 III 70, E. 2), und dient somit der Rechtssicherheit. In Anwendung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Erklärung der Gesuchstellerin zugunsten der Kapitalabfindung als unwiderrufliches Gestaltungsgeschäft zu qualifizieren.
Der Grundsatz der Unwiderruflichkeit erfährt jedoch Ausnahmen: Beispielsweise ist der Widerruf zulässig, wenn der Erklärungsgegner das Gestaltungsrecht dessen wirksame Ausübung bestreitet, weil dann nur der von ihm für richtig gehaltene Zustand hergestellt wird. Dabei genügt die Bestreitung des Gestaltungsrechts dessen wirksamer Ausübung, weil die Gegenpartei damit hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, dass sie am Vertrag (oder hier: an der ursprünglichen Schuld) festhalten will. Wer sich so verhält, soll sich nach dem Grundsatz von Art. 2 Abs. 1 ZGB nicht gleichzeitig darauf berufen dürfen, durch die Gestaltungserklärung sei er seiner Erfüllungspflicht enthoben worden (BGE
128 III 70, E. 2). Die Gesuchsgegnerin hat nach dem Schreiben vom 12. Oktober 2020 die in Betreibung gesetzten monatlichen Unterhaltsbeiträge für August 2020 bis November 2020 bezahlt und sich erst in der Gesuchsantwort im Rechtsöff- nungsverfahren betreffend die Unterhaltsbeiträge ab Dezember 2020 auf den Standpunkt gestellt, es seien aufgrund der Ausübung des Wahlrechts keine Unterhaltsbeiträge mehr geschuldet. Ob dieses Verhalten als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist, wie die Gesuchstellerin vorbringt (Urk. 27 Rz. 30 ff.), ob die Gesuchstellerin das Wahlrecht widerrufen hat, kann jedoch nicht beurteilt werden, da die hierfür massgeblichen Behauptungen und Beweismittel verspätet in den Prozess eingeführt worden sind. Dass die Gesuchsgegnerin die Unterhaltsrenten für August 2020 bis November 2020 bezahlt habe, brachte die Gesuchstellerin im vorinstanzlichen Verfahren unter Beilage des entsprechenden Zahlungsbefehls erst in der Stellungnahme vom 7. Dezember 2021 und somit nach Aktenschluss vor (Urk. 19 Rz. 5; Urk. 22/2). Aus der eindeutig formulierten Verfügung der Vorinstanz vom 26. November 2021 geht hervor, dass kein zweiter Schriftenwechsel angeordnet wurde, sondern lediglich das rechtliche Gehör der Gesuchstellerin gewahrt werden sollte (Urk. 17). Dementsprechend stellte die Vorinstanz die Stellungnahme der Gesuchstellerin mitsamt Beilagen der Gesuchsgegnerin auch erst mit dem Endentscheid zu (Urk. 28 S. 9), was sie im Falle eines zweiten Schriftenwechsels nicht getan hätte. Der anwaltlich vertretenen Gesuchstellerin musste daher bewusst gewesen sein, dass der Aktenschluss bereits eingetreten war und allfällige Noven lediglich noch unter den Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO zulässig waren. Die Gesuchstellerin, welche in Bezug auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen dieser Noven behauptungs- und beweisbelastet war, legte jedoch mit keinem Wort dar bzw. behauptete nicht, dass es sich bei ihren neuen Vorbringen und Beweismitteln um zulässige Noven gehandelt habe und sie diese trotz zumutbarer Sorgfalt nicht früher habe vorbringen können. Daher kön- nen sie im vorliegenden Prozess nicht berücksichtigt werden, weshalb auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Gesuchsgegnerin ausgemacht werden kann.
Abschliessend ist festzuhalten, dass die Ausübung des Wahlrechts durch die Gesuchstellerin im Schreiben vom 12. Oktober 2020 dazu führte, dass
die ursprüngliche auf monatliche Unterhaltsrenten lautende Schuldverpflichtung untergegangen ist, weshalb für die in Betreibung gesetzten Unterhaltsbeiträge ab Dezember 2020 keine Rechtsöffnung erteilt werden kann. Die Beschwerde der Gesuchstellerin ist daher abzuweisen.
Die Entscheidgebühr für das Beschwerdeverfahren ist in Anwendung von Art. 48 i.V.m. Art. 61 Abs. 1 GebV SchKG auf Fr. 750.– festzusetzen. Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss der Gesuchstellerin aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO) und mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss zu verrechnen (Art. 111 Abs. 1 ZPO).
Für das Beschwerdeverfahren sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen, der Gesuchstellerin zufolge ihres Unterliegens (Art. 106 Abs. 1 ZPO), der Gesuchsgegnerin mangels relevanter Umtriebe (Art. 95 Abs. 3 ZPO).
Es wird erkannt:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 750.– festgesetzt.
Die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Gesuchstellerin auferlegt und mit ihrem Kostenvorschuss verrechnet.
Für das Beschwerdeverfahren werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Gesuchsgegnerin unter Beilage eines Doppels von Urk. 27, sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.
Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 47'297.70.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.
Zürich, 28. April 2022
Obergericht des Kantons Zürich
Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw L.Hengartner versandt am:
jo
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