Kanton: | ZH |
Fallnummer: | RT160196 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Zivilkammer |
Datum: | 27.02.2017 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Rechtsöffnung |
Zusammenfassung : | Die Unia Arbeitslosenkasse hat Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Rechtsöffnungsgesuchs eingereicht. Das Einzelgericht wies das Gesuch ab, da die Unterschrift auf einem Verwaltungsakt fehlte. Die Unia argumentierte, dass ein Einspracheentscheid als Rechtsöffnungstitel gelten sollte. Das Obergericht des Kantons Zürich stimmte der Beschwerde zu und wies den Fall zur erneuten Prüfung an das Einzelgericht zurück. Die Kosten des Verfahrens sind noch nicht abschliessend geregelt. |
Schlagwörter : | Rechtsöffnung; Vorinstanz; Entscheid; Einsprache; Einspracheentscheid; Kasse; Gesuch; Kassenverfügung; Gesuchsgegnerin; Rechtsöffnungstitel; Verfahren; Betreibung; Verfügung; Urteil; Beschwerdeverfahren; Zahlungsbefehl; Frist; Unterschrift; Sachverhalt; Sinne; Verfahrens; Bundesgericht; Oberrichter; Bezirksgericht; Feststellung; Sachverhalts; Gericht; Rüge; Einspracheentscheide |
Rechtsnorm: | Art. 320 ZPO ; Art. 326 ZPO ; Art. 52 ATSG ; Art. 53 ATSG ; Art. 54 ATSG ; Art. 80 KG ; Art. 93 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: RT160196-O/U.doc
Mitwirkend: Oberrichterin Dr. L. Hunziker Schnider, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur. M. Spahn und Oberrichter Dr. M. Kriech sowie Gerichtsschreiberin lic.iur. G. Ramer Jenny
Beschluss vom 27. Februar 2017
in Sachen
Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin
gegen
Gesuchsgegnerin und Beschwerdegegnerin
betreffend Rechtsöffnung
Erwägungen:
Mit Urteil vom 14. November 2016 wies die Vorinstanz das Rechtsöffnungsgesuch der Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin (fortan Gesuchstellerin) in der Betreibung Nr. des Betreibungsamtes Zürich 11 (Zahlungsbefehl vom
Oktober 2016) ab (Urk. 4 = Urk. 7).
Dagegen erhob die Gesuchstellerin mit Eingabe vom 24. November 2016 fristgerecht (Urk. 5, Briefumschlag zu Urk. 6) Beschwerde mit folgenden Anträgen (Urk. 6 S. 1):
1. Das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 14. November 2016 sei aufzuheben.
In der Betreibung Nr. des Betreibungsamtes Zürich 1 sei der Kasse definitive Rechtsöffnung über den Betrag von CHF 7'198.10 zu erteilen.
Dies unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten von Frau A. , geb. tt.01.1960, Staatsangehörige der Türkei, wohnhaft an der [Adresse] (Schuldnerin).
Evenutell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Gesuchstellerin leistete den ihr mit Verfügung vom 16. Dezember 2016 auferlegten Kostenvorschuss von Fr. 450.- unter Berücksichtigung der Betreibungsferien rechtzeitig (Urk. 11, Urk. 12). Mit Verfügung vom 12. Januar 2016 wurde der Gesuchsgegnerin Frist zur Erstattung der Beschwerdeantwort angesetzt (Urk. 13). Nachdem die Verfügung von der Gesuchsgegnerin bei der Post nicht abgeholt worden war (Urk. 14), wurde sie ihr durch das Stadtammannamt Zürich 11 am 7. Februar 2017 erfolgreich zugestellt (Urk. 13). Eine Beschwerdeantwort reichte die Gesuchsgegnerin innert Frist nicht ein.
Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (Urk. 1-5).
2. Mit der Beschwerde können unrichtige Rechtsanwendung und offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO). Dabei gilt das Rügeprinzip (Freiburghaus/Afheldt, in: Sutter-Somm et al., ZPO Komm., Art. 321 N 15), d.h. die Beschwerde führende Partei hat im Einzelnen
darzulegen, an welchen Mängeln (unrichtige Rechtsanwendung, offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts) der angefochtene Entscheid ihrer Ansicht nach leidet. Neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (Art. 326 Abs. 1 ZPO).
Die Vorinstanz erwog im angefochtenen Entscheid, die Gesuchstellerin stütze ihr Gesuch um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung auf die Kassenverfügung vom 7. Juli 2015, worin die Gesuchsgegnerin zur Rückerstattung von zu viel ausbezahlten Leistungen in der Höhe von Fr. 7'198.10 verpflichtet worden ist (Urk. 3/1). Dabei handle es sich um einen individuellen Verwaltungsakt, dessen Gültigkeit eine Unterschrift voraussetze. Die Vorinstanz verwarf in der Folge gestützt auf die ihr vorliegenden Urkunden die Vollstreckbarkeit des besagten Rechtsöffnungstitels mit der Begründung, aus der Eingabe der Gesuchstellerin lasse sich nicht entnehmen, ob die Kassenverfügung bei ihrer Eröffnung mit einer Unterschrift versehen gewesen sei nicht. Habe die Unterschrift bereits bei der Eröffnung gefehlt, liege von vornherein kein tauglicher Rechtsöffnungstitel vor. Fehle sie nur auf der dem Gericht als Rechtsöffnungstitel eingereichten Verfügung, sei deren Authentizität zu bemängeln. Da die Gesuchstellerin bereits in früheren Verfahren mehrfach auf diesen Formfehler hingewiesen worden und sie keine unbeholfene Partei sei, sei ihr keine Frist zur Verbesserung anzusetzen. Entsprechend sei das Rechtsöffnungsbegehren der Gesuchstellerin abzuweisen (Urk. 7 S. 3 f.).
Die Gesuchstellerin bringt mit ihrer Beschwerde vor, gegen die Kassenverfügung vom 7. Juli 2015 habe die Gesuchsgegnerin Einsprache erhoben, welche mit Einspracheentscheid vom 27. Oktober 2015 abgewiesen worden sei. Die Kopie des (unterzeichneten) Einspracheentscheids samt Rechtskraftbescheinigung habe die Gesuchstellerin (zusammen mit der Kassenverfügung vom 7. Juli 2015) dem Gesuch um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung an die Vorinstanz beigelegt. Sie habe sich denn auch auf diesen Einspracheentscheid als relevanten Rechtsöffnungstitel gestützt. Indem die Vorinstanz fälschlicherweise von der Kassenverfügung vom 7. Juli 2016 als Rechtsöffnungstitel ausgegangen sei, habe sie den Sachverhalt aktenwidrig und unrichtig festgestellt. Dabei handle es sich um
eine rechtserhebliche Tatsache, weshalb die Beschwerde gutzuheissen sei (Urk. 6 S. 4 f.).
Die Rüge ist stichhaltig. Zwar wird im Zahlungsbefehl als Forderungsurkunde lediglich die Kassenverfügung vom 7. Juli 2015 genannt (Urk. 2). Sodann enthält das sehr kurz gehaltene und der Begründungspflicht nur knapp genügende Rechtsöffnungsbegehren der Gesuchstellerin unter der Marginalie Rechtsöffnungstitel eine numerische Nennung sämtlicher beigelegter Urkunden (Urk. 3/1- 6), darunter auch die Mahnung vom 12. Juli 2016 und den Zahlungsbefehl. Dass diese nicht als Rechtsöffnungstitel taugen, dürfte der Gesuchstellerin als in Rechtsöffnungsverfahren nicht unbeholfener Partei bekannt sein (Urk. 1). Immerhin aber führt die Gesuchstellerin unter der genannten Marginalie neben der Kassenverfügung vom 7. Juli 2015 auch den Einspracheentscheid vom 27. Oktober 2015 mit Rechtskraftbescheinigung an (Urk. 1; Urk. 3/1 und 2). Die Feststellung im angefochtenen Entscheid, die Gesuchstellerin stütze ihr Gesuch auf die Kassenverfügung vom 7. Juli 2015, ist vor diesem Hintergrund zu eng gefasst und trifft so nicht zu. Da die Gesuchstellerin den Einspracheentscheid vom
27. Oktober 2015 als Rechtsöffnungstitel bezeichnete und der Vorinstanz vorlegte, wäre er ebenfalls auf seine Titelqualität zu untersuchen gewesen. Dies hat die Vorinstanz unterlassen. Die Erwähnung des Einspracheentscheids im Zahlungsbefehl war nicht zwingend erforderlich (vgl. BGer 5A_586/2008, E. 3, vom 22. Oktober 2008).
Zu prüfen sind vorliegend sozialversicherungsrechtliche Entscheide im Verwaltungsverfahren. Bei der Kassenverfügung vom 7. Juli 2015 handelt es sich um eine Rückforderungsverfügung der Arbeitslosenversicherung gestützt auf Art. 95 Abs. 1 AVIG und Art. 25 Abs. 1, Art. 52 Abs. 1 und Art. 53 Abs. 1 und 2 ATSG. Dagegen hat die Gesuchsgegnerin Einsprache im Sinne von Art. 52 ATSG und Art. 10 ff ATSV erhoben. Diese wurde mit Einspracheentscheid vom 27. Oktober 2015 abgewiesen, die Verfügung vom 7. Juli 2015 wurde bestätigt und der Betrag von Fr. 7'198.10 zurückgefordert (Urk. 3/2 S. 1, Dispositiv-Ziffern 1 und 2 i. V.m.
E. 5). Beim Einspracheentscheid handelt es sich somit um einen materiellen Entscheid, mit welchem erneut über den Rückforderungsanspruch der Gesuchstellerin befunden wurde. Materielle Einspracheentscheide im Verwaltungsverfahren sind reformatorischer Natur. Allfällige Entwicklungen des Sachverhalts sind bis zu deren Erlass mitzuberücksichtigen. Infolgedessen treten diese Einspracheentscheide nach herrschender Auffassung an die Stelle der angefochtenen Verfügung (vgl. dazu Kieser, ATSG Kommentar, (3.A.), Art. 52 N 54, N 60 mit weiteren Hinweisen).
Auf Geldzahlung gerichtete vollstreckbare Verfügungen und Einspracheentscheide in den dem ATSG unterstehenden Verfahren sind vollstreckbaren Urteilen im Sinne von Art. 80 SchKG gleichgestellt (Art. 54 Abs. 2 ATSG). Nach dem Ausgeführten ersetzt der von der Gesuchstellerin vorgelegte Einspracheentscheid vom 27. Oktober 2015 die Kassenverfügung vom 7. Juli 2015 und stellt vorliegend den massgeblichen Titel für die in Betreibung gesetzte Forderung dar. Entsprechend ist dessen Prüfung für den Ausgang des vorliegenden Rechtsöffnungsverfahrens rechtserheblich. Nachdem der Entscheid unterzeichnet ist (Urk. 3/2), er- übrigen sich Ausführungen zum Gültigkeitserfordernis einer Unterschrift bei sozialversicherungsrechtlichen Verfügungen.
Die Rüge der Gesuchstellerin erweist sich somit als begründet. Die Beschwerde ist gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben.
Der Gesuchsgegnerin wurde im vorinstanzlichen Verfahren keine Gelegenheit zur Stellungnahme zum Rechtsöffnungsgesuch gegeben (vgl. Urk. 7 S. 2), was aufgrund des umfassenden Novenverbots im Beschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden kann (Art. 326 ZPO). Entsprechend ist die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 327 Abs. 3 lit. a ZPO).
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt Fr. 7'198.10. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr ist in Anwendung von Art. 48 i.V.m. Art. 61 Abs. 1 GebV SchKG auf Fr. 450.festzusetzen.
Die Verteilung der Prozesskosten des Beschwerdeverfahrens bleibt praxisgemäss dem neuen Entscheid der Vorinstanz vorbehalten. Dies gilt auch für die
Verteilung der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, welche nach Massgabe des Verfahrensausgangs von der Vorinstanz neu zu verlegen sind.
Es wird beschlossen:
Das Urteil des Einzelgerichts Audienz am Bezirksgericht Zürich vom
14. November 2016 wird aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 450.festgesetzt.
Die Regelung der Prozesskosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens wird dem neuen Entscheid der Vorinstanz vorbehalten.
Es wird vorgemerkt, dass die Gesuchstellerin einen Kostenvorschuss von Fr. 450.geleistet hat.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein, an die Vorinstanz unter Beilage der erstinstanzlichen Akten.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 7'198.10.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.
Zürich, 27. Februar 2017
Obergericht des Kantons Zürich
Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. G. Ramer Jenny
versandt am:
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