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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:RA220002
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid RA220002 vom 17.08.2022 (ZH)
Datum:17.08.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Arbeitsrechtliche Forderung
Schlagwörter : Beschwerde; Arbeit; Probezeit; Hinweis; Beschwerdeverfahren; Verlängerung; Zuweisen; Kündigung; Beklagten; Urteil; Vorinstanz; Rechtsmittel; Sinne; Eventualbegründung; Zuzuweisen; Wäre; Lockdown; Angefochtenen; Streitwert; Hauptbegründung; Gesetzlich; Kündigungsfrist; Partei; Bundesgericht; Kantons; Oberrichter; Verfahren; Berufung; Beträgt; Erstinstanzliche
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 308 ZPO ; Art. 320 ZPO ; Art. 326 ZPO ; Art. 335b OR ; Art. 90 BGG ; Art. 95 ZPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: RA220002-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. A. Huizinga, Vorsitzender, Oberrichterin Dr. S. Janssen und Oberrichterin lic. iur. B. Schärer sowie Gerichtsschreiber lic. iur. A. Baumgartner

Beschluss vom 17. August 2022

in Sachen

  1. GmbH,

    Beklagte und Beschwerdeführerin

    gegen

    Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Klägerin und Beschwerdegegnerin

    betreffend arbeitsrechtliche Forderung

    Beschwerde gegen ein Urteil des Einzelgerichts im vereinfachten Verfahren am Arbeitsgericht Bülach vom 21. Februar 2022 (AH210031-C)

    Erwägungen:

    1. a) Mit Urteil der Vorinstanz vom 21. Februar 2022 wurde die Beklagte und Beschwerdeführerin (fortan Beklagte) verpflichtet, der Klägerin und Beschwerde- gegnerin (fortan Klägerin) Fr. 2'702.95 zu bezahlen, nebst Zins zu 5 % auf

      Fr. 1'147.90 ab dem 26. November 2020 und auf Fr. 1'555.05 ab dem 23. Januar

      2021 (Urk. 11 = Urk. 14).

      1. Innert Frist erhob die Beklagte mit Eingabe vom 21. März 2022 Berufung mit dem Antrag, es sei Dispositivziffer 1 des angefochtenen Urteils aufzuheben und die Klage abzuweisen (Urk. 13).

      2. Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (Urk. 1-12).

    2. a) In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Berufung nur zuläs- sig, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindes- tens Fr. 10'000.– beträgt (Art. 308 Abs. 2 ZPO), ansonsten ist die Beschwerde zu ergreifen (Art. 319 lit. a ZPO). Im vorinstanzlichen Verfahren betrug der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren Fr. 2'702.95 (Urk. 14 S. 9 E. 7.1), weshalb die beschliessende Kammer vorliegend – entsprechend der Rechtsmit- telbelehrung der Vorinstanz (Urk. 14 S. 10 Dispositivziffer 5) – ein Beschwerde- verfahren gemäss Art. 319 ff. ZPO und nicht, wie von der Beklagten vorgebracht (Urk. 13 S. 1 f.), ein Berufungsverfahren eröffnet hat.

      1. Mit der Beschwerde können unrichtige Rechtsanwendung und offensicht- lich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO).

      2. Auf die Ausführungen der Beklagten in ihrer Eingabe vom 21. März 2022 (Urk. 13) ist nachfolgend nur insoweit einzugehen, als sich dies für die Entscheid- findung als notwendig erweist.

    3. Gemäss Art. 326 Abs. 1 ZPO sind im Beschwerdeverfahren neue Be- weismittel ausgeschlossen. Dies wird mit dem Charakter der Beschwerde be- gründet, die sich als ausserordentliches Rechtsmittel im Wesentlichen auf die

      Rechtskontrolle beschränkt und nicht das erstinstanzliche Verfahren fortsetzen soll. Das Novenverbot ist grundsätzlich umfassend (Freiburghaus/Afheldt, in: Sut- ter-Somm/Hasenböhler/ Leuenberger, ZPO-Komm., Art. 326 N 3 f.).

      Die erstmals im Beschwerdeverfahren eingereichte Urkunde 15/1 ist im Sin- ne von Art. 326 Abs. 1 ZPO als verspätet zu betrachten und kann daher im Beschwerdeverfahren nicht mehr berücksichtigt werden.

    4. a) Die Vorinstanz führte im angefochtenen Urteil als Hauptbegründung an, der von der Beklagten angegebene Grund für die Verlängerung der Probezeit, die im Zuge der Bekämpfung der COVID-Pandemie behördlich angeordneten Be- triebsschliessungen, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Infolgedessen habe sich die Probezeit von B. deswegen nicht verlängern können. Dies gelte umso mehr, als dass während des Lockdowns weder die Schliessung von Reini- gungsunternehmen schlechthin noch die Schliessung von Hotels je behördlich angeordnet worden sei (unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 2 lit. n COVID-19- Verordnung 2 [Stand zwischen 17. März 2020 und 30. April 2020]). Eine allenfalls pandemiebedingte verringerte Nachfrage nach Reinigungsdienstleistungen und die dadurch allenfalls verursachte Unmöglichkeit, B. Arbeit zuzuweisen, ha- be somit keinen Einfluss auf die Länge der Probezeit. Folglich habe sich die Pro- bezeit nicht verlängert. Sie sei am 31. März 2020 abgelaufen. B. sei dem- nach am 1. Oktober 2020, als die Beklagte den Arbeitsvertrag gekündigt habe (unter Hinweis auf Urk. 3/6), nicht mehr in der Probezeit, sondern im ersten An- stellungsjahr gewesen. Im ersten Anstellungsjahr habe die Kündigungsfrist einen Monat betragen und das Arbeitsverhältnis habe auf Ende eines Kalendermonats aufgelöst werden können (unter Hinweis auf Urk. 3/2 Ziff. 8). Weil die Kündigung B. unstrittig am 1. Oktober 2020 ausgesprochen worden sei, habe das Ar- beitsverhältnis – unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist – am 30. November 2020 geendet (Urk. 14 S. 6 E. 4.2.3 lit. a).

Im Sinne einer Eventualbegründung erwog die Vorinstanz, selbst wenn da- von ausgegangen würde, die Beklagte habe mit dem – übrigens undatierten und keinen Zeitpunkt bezeichnenden – Schriftstück Verlängerung Probezeit (unter Hinweis auf Urk. 3/4) Ziffer 7 des Arbeitsvertrages abgeändert (unter Hinweis auf

Urk. 3/2) und damit mit B. einen weiteren Verlängerungsgrund im Sinne von Art. 335b Abs. 3 OR vereinbart, hätte sich diese im Zeitpunkt der Kündigung am

1. Oktober 2020 nicht mehr in der Probezeit befunden. Dies aus folgendem Grund: Die Beklagte habe die Verlängerung der Probezeit mit der ausbleibenden Arbeit begründet (unter Hinweis auf Urk. 3/4). Die Probezeit hätte sich somit ma- ximal um jene Dauer verlängern können, während der die Beklagte B. infol- ge schwacher Auftragslage keine Arbeit habe zuweisen können. Da B. ef- fektiv bis am 13. März 2020 gearbeitet habe (unter Hinweis auf Prot. Vi S. 6; da- nach habe sie eine volle Kurzarbeitsentschädigung erhalten [unter Hinweis auf Urk. 2 Rz. 5]) und es der Beklagten nach eigenen Angaben möglich gewesen sei, ihren Arbeitnehmern ab September 2020 wieder Arbeit zuzuweisen (unter Hin- weis auf Prot. Vi S. 6), hätte die Verlängerungsperiode somit mutmasslich vom

14. März 2020 bis 31. August 2020 gedauert. Nachdem die ursprünglich verein- barte Probezeit von drei Monaten – ohne Verlängerung – am 31. März 2020 ab- gelaufen wäre (unter Hinweis auf Urk. 3/2 Ziff. 2 und 7), wäre diese durch die ausbleibende Möglichkeit, B. Arbeit zuzuweisen, ab 14. März 2020 effektiv um 18 Tage verkürzt worden. Unter Berücksichtigung der Verlängerungsperiode hätte die Probezeit somit ab 1. September 2020 noch 18 Tage, mithin bis 18. September 2020 gedauert. Dass B. ab 1. September 2020 effektiv nicht gearbeitet habe, sei irrelevant. Es wäre der Beklagten nämlich möglich gewesen, B. Arbeit zuzuweisen, und es hätte kein Arbeitsmangel im Sinne der Ver- einbarung mehr bestanden, der eine Verlängerung der Probezeit hätte rechtferti- gen können. Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang zudem darauf, dass das fehlende Einverständnis von B. zu einem Einsatz ausserhalb der Region Zürich belanglos sei. Die Beklagte hätte angesichts der Vereinbarung in Ziffer 3 des Arbeitsvertrages, wonach sie den Arbeitsort unabhängig von der Zustimmung von B. bestimme (unter Hinweis auf Urk. 3/2), nämlich nicht der Zustim- mung B. bedurft, um ihr Arbeit an einem Arbeitsort ausserhalb der Region Zürich zuzuweisen. Aus dem Gesagten folge, dass selbst wenn die Parteien eine Verlängerung der Probezeit für die Dauer, während der die Beklagte B. kei- ne Arbeit infolge schlechter Auftragslage habe zuweisen können, vereinbart hät- ten, die Probezeit sich deswegen bis maximal am 18. September 2020 verlängert

hätte. Daraus folge, dass auch in diesem Falle zum Zeitpunkt der Kündigung am

  1. Oktober 2020 die Probezeit bereits abgelaufen gewesen wäre, und die Beklag- te anlässlich der Kündigung am 1. Oktober 2020 die Kündigungsfrist von einem Monat hätte berücksichtigen müssen (Urk. 14 S. 6 f. E. 4.2.3 lit. b).

    b) Die Beklagte bringt in ihrer Rechtsmitteleingabe vom 21. März 2022 – soweit verständlich – vor, sie habe mit der Frage zur Anwendung von Art. 335b Abs. 3 OR das SECO konfrontiert. Das SECO habe ihr vorgeschlagen, dass es sich dabei um eine nicht freiwillig übernommene gesetzliche Pflicht gemäss

    Art. 335b Abs. 3 OR handle, da am Lockdown weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber schuld sei. Sie habe das Gesetzbuch durchsucht. In keinem Artikel werde darin auf vorgesehene Massnahmen im Falle einer Pandemie oder eines Lockdowns hingewiesen, da dies im 2020 erstmals aufgetreten sei. Im angefoch- tenen Urteil seien die vorgeschriebenen gesetzlichen Vorgaben lediglich 1 zu 1 übernommen worden, ohne die neue Situation betreffend Lockdown zu berück- sichtigen. Im Zusammenhang mit dieser Situation seien viele neue Regeln ohne gesetzliche Grundlage hervorgebracht worden. Die Probezeit diene dazu, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber innerhalb der drei Monate kennenlernen könn- ten. Dies sei durch den Lockdown verhindert worden. Für sie wäre es die beste Lösung gewesen, allen Mitarbeitern mit einer Kündigungsfrist von sieben Tagen zu kündigen, da sie dann keine Zusatzversicherungskosten zu tragen gehabt hät- te. Da sie jedoch auch die Mitarbeiter habe schützen wollen, habe sie eine solche schriftliche Vereinbarung geschlossen, damit die Mitarbeiter einen sicheren Ar- beitsplatz für den Fall hätten, dass die Massnahmen aufgehoben würden (Urk. 13 S. 2).

    1. Die Beschwerdebegründung der Beklagten nimmt vorliegend einzig auf die Hauptbegründung (Urk. 14 S. 6 E. 4.2.3 lit. a) des angefochtenen Urteils Be- zug. Mit der Eventualbegründung (Urk. 14 S. 6 f. E. 4.2.3 lit. b) setzt sich die Be- klagte in ihrer Rechtsmitteleingabe vom 21. März 2022 (Urk. 13 S. 2) mit keinem Wort auseinander. Durch die vorinstanzliche Haupt- und Eventualbegründung wird die Klage der Klägerin unabhängig voneinander gutgeheissen. Würde die Beschwerde einzig in Bezug auf die Hauptbegründung gutgeheissen, so hätte die

      Beklagte die klägerische Forderung aufgrund der erstinstanzlichen Eventualbe- gründung trotzdem zu bezahlen. Aus diesem Grund hätte sich die Beklagte für ei- ne allfällige vollständige Gutheissung ihrer Beschwerde inhaltlich mit der Haupt- begründung und der Eventualbegründung auseinandersetzen müssen. Da sie dies nicht getan hat, ist auf ihre Beschwerde nicht einzutreten.

    2. Der Streitwert beträgt Fr. 2'702.95, weshalb das Beschwerdeverfahren kostenlos ist (Art. 114 lit. c ZPO). Mangels wesentlicher Umtriebe ist der Klägerin für das Beschwerdeverfahren keine Entschädigung zuzusprechen (vgl. Art. 95 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte ihrerseits hat als unterliegende Partei keinen Anspruch auf Entschädigung (vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO), wobei sie im Beschwerdeverfahren ohnehin keinen diesbezüglichen Antrag stellte (Urk. 13).

Es wird beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird nicht eingetreten.

  2. Das Beschwerdeverfahren ist kostenlos.

  3. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Parteientschädigungen zuge- sprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Klägerin unter Beilage der Doppel der Urk. 13 und 15/1 sowie einer Kopie der Urk. 15/2, und an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmit- telfrist an die Vorinstanz zurück.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

    Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

    Es handelt sich um eine vermögensrechtliche arbeitsrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 2'702.95.

    Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.

    Zürich, 17. August 2022

    Obergericht des Kantons Zürich

    1. Zivilkammer

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. A. Baumgartner versandt am:

ya

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