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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:RA220001
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid RA220001 vom 08.09.2022 (ZH)
Datum:08.09.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Arbeitsrechtliche Forderung
Schlagwörter : Arbeit; Beschwerde; Recht; Beklagten; Kilometer; Vorinstanz; Partei; Verfahren; Entschädigung; Betrag; Höhe; Parteien; Fahrzeug; Bezahlen; Pauschale; Monatlich; Klage; Gericht; Beschwerdeverfahren; Effektiv; Urteil; Arbeitnehmer; Effektive; Beruf; Fahrzeugs; Effektiven; Auslagen; Berechnung; Beweis; Monatliche
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 318 ZPO ; Art. 320 ZPO ; Art. 321 ZPO ; Art. 326 ZPO ; Art. 327a OR ; Art. 327b OR ; Art. 42 OR ; Art. 8 ZGB ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:131 III 439; 143 III 297;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: RA220001-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. A. Huizinga, Vorsitzender, Oberrichterin

Dr. S. Janssen und Oberrichterin lic. iur. Ch. von Moos Würgler sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. C. Faoro

Beschluss und Urteil vom 8. September 2022

in Sachen

  1. ,

    Beklagte und Beschwerdeführerin

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur., LL.M. X. ,

    gegen

  2. ,

Klägerin und Beschwerdegegnerin

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. et lic. oec. Y. , betreffend arbeitsrechtliche Forderung

Beschwerde gegen ein Urteil des Arbeitsgerichtes Zürich, 4. Abteilung, im vereinfachten Verfahren vom 12. November 2021 (AH200124-L)

Erwägungen:

1.

    1. Die Beklagte und Beschwerdeführerin (fortan Beklagte) ist eine Aktienge- sellschaft mit Sitz in C. und bezweckt gemäss ihrem aktuellen Handelsre- gistereintrag jedes Handelsgeschäft im Zusammenhang mit dem Verkauf und der Lieferung von Produkten, insbesondere verzehrfertigen Lebensmitteln, und der Lieferung von Waren und/oder damit verbundenen Dienstleistungen an Konzern- gesellschaften oder Dritte. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (fortan Kläge- rin) war für die Beklagte als Essenskurierin zunächst in einem auf drei Monate be- fristeten Arbeitsverhältnis auf Stundenlohnbasis tätig. Dieses Arbeitsverhältnis wurde in der Folge fortgesetzt und die Beklagte zahlte der Klägerin ab Februar 2019 einen Bruttostundenlohn von Fr. 21.–, welcher sich aus Fr. 19.– Lohn zu- züglich Fr. 2.– Entschädigung für die Benutzung des eigenen Fahrzeugs zusam- mensetzte. Am 19. August 2019 schlossen die Parteien einen unbefristeten Ar- beitsvertrag. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2019 kündigte die Beklagte das Ar- beitsverhältnis per 30. November 2019 (Urk. 1 Rz. 27 und Rz. 49; Urk. 8 Rz. 6, 7, 18 und 25; Urk. 10/2-3; Urk. 14 Rz. 7; Urk. 5/3 und Urk. 5/4).

    2. Am 9. September 2020 (Datum Poststempel) erhob die Klägerin beim Ar- beitsgericht Zürich unter Beilage der Klagebewilligung des Friedensrichteramts der Stadt Zürich, Kreise 11 und 12, vom 8. Juni 2020 (Urk. 3) eine Klage mit fol- genden Rechtsbegehren (Urk. 1 S. 2 sinngemäss):

      1. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von CHF 28'588.63 brutto nebst Zins zu 5% seit 1. März 2020 zu be- zahlen.

      2. Eventualiter sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen vom Gericht durch Schätzung festzulegenden Betrag zzgl. Zins zu 5% seit 1. März 2020 zu bezahlen.

      3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen, letztere zuzüglich des aktuellen Normal-Mehrwertsteuersatzes von derzeit 7.7 %, zulasten der Beklagten.

        An der Hauptverhandlung vom 10. Februar 2021 erklärte die Klägerin, ihr Rechts- begehren auf Fr. 12'165.– reduzieren zu wollen (vgl. Prot. I S. 45). Schliesslich

        stellte sie das folgende (modifizierte) Rechtsbegehren (Urk. 37 Rz. 10 S. 4 und Urk. 51 S. 2):

        1. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von CHF 6'903.25 brutto zu bezahlen zuzüglich Zins zu 5% seit

        1. März 2020.

        2. Eventualiter sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen vom Gericht durch Schätzung festzulegenden Betrag zu bezah- len, dies zuzüglich Zins zu 5% seit 01. März 2020.

        3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen, letztere zuzüglich MwSt. von derzeit 7.7%, zulasten der Beklagten.

          Im Übrigen kann betreffend den Verlauf des vorinstanzlichen Verfahrens auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 57 S. 3 f. = Urk. 60 S. 3 f.). Am 12. November 2021 entschied die Vorinstanz über die Klage wie folgt (Urk. 57 S. 22 f. = Urk. 60 S. 22 f.):

          [Verfügung:]

          1. Vom Klagerückzug im Umfang von CHF 21'685.38 wird Vormerk genommen und der Prozess in diesem Umfang als dadurch erle- digt abgeschrieben.

          2. Über die Kosten- und Entschädigungsfolgen wird mit nachfolgen- dem Urteil entschieden.

          3. [Schriftliche Mitteilung.]

          [Erkenntnis:]

          1. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin CHF 5'127.05 (brutto gleich netto) nebst Zins zu 5 % seit 1. März 2020 zu bezahlen.

          2. Im Mehrumfang wird die Klage abgewiesen.

          3. Es werden keine Kosten erhoben.

          4. Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten eine Parteientschä- digung von CHF 1'938.– zu bezahlen.

          5. [Schriftliche Mitteilung.]

          6. [Rechtsmittelbelehrung: Berufung, 30 Tage.]

    3. Hiergegen erhob die Beklagte am 3. Januar 2022 rechtzeitig (vgl. Urk. 58/2; Art. 321 Abs. 1 ZPO) Beschwerde und stellte die folgenden Anträge (Urk. 59 S. 2):

      1. Es sei das Urteil des Arbeitsgerichts Zürich, 4. Abteilung, vom

      12. November 2021 im Verfahren mit der Geschäfts- Nr. AH200124-L/U aufzuheben;

      1. Es sei die Klage abzuweisen und der Beschwerdeführe- rin/Beklagten für das erstinstanzliche Verfahren eine volle Partei- entschädigung in Höhe von CHF 5'814.– zuzusprechen;

      2. Eventualiter sei die Sache an das Arbeitsgericht Zürich,

      3. Abteilung, zurückzuweisen und die Klage neu zu beurteilen;

      4. Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerde- gegnerin/Klägerin.

      Prozessualer Antrag:

      1. Der Beschwerde sei, vorab ohne Anhörung der Beschwerdegeg- nerin/Klägerin, superprovisorisch die aufschiebende Wirkung zu gewähren.

      Mit Verfügung vom 6. Januar 2022 wurde das Gesuch um Gewährung der auf- schiebenden Wirkung abgewiesen (Urk. 64 Disp. Ziff. 1). Die Beschwerdeantwort datiert vom 25. Februar 2022 (Datum Poststempel: 28. Februar 2022; Urk. 70). Darin stellte die Klägerin die folgenden Anträge (Urk. 70 S. 2):

      1. Auf die Beschwerde sei nicht einzutreten.

      1. Es sei die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen und das Urteil des Arbeitsgerichts Zürich mit der Geschäftsnummer AH200124-L vom 12. November 2021 sei zu bestätigen.

      2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen, letztere zuzüglich

      7.7 % Mehrwertsteuer zulasten der Beklagten.

      Am 28. Februar 2022 stellte die Klägerin mit separater Eingabe ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege per 17. November 2021 (Urk. 66). Die Beschwerdeantwort wurde der Beklagten mit Verfügung vom 28. März 2022 zur Kenntnisnahme zugestellt (Urk. 74). Weitere Eingaben sind nicht erfolgt.

    4. Das Verfahren erweist sich als spruchreif. Die vorinstanzlichen Akten wur- den beigezogen (Urk. 1-58).

2.

    1. Im angefochtenen Entscheid belehrte die Vorinstanz die Berufung als zuläs- siges Rechtsmittel (Urk. 60 Disp. Ziff. 6). Gegen das vorinstanzliche Urteil ist je- doch – worauf bereits mit Verfügung vom 6. Januar 2022 hingewiesen wurde

      (Urk. 64 S. 2) – nicht die Berufung, sondern die Beschwerde gegeben. Da die Be- klagte korrekterweise eine Beschwerde erhoben hat (vgl. Urk. 59), erübrigen sich Weiterungen hierzu.

    2. Mit der Beschwerde können unrichtige Rechtsanwendung und offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO). Es gilt das Rügeprinzip (ZK ZPO-Freiburghaus/Afheldt, Art. 321 N 15), d.h. die beschwerdeführende Partei hat im Einzelnen darzulegen, an welchen Mängeln (unrichtige Rechtsanwendung, offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachver- halts) der angefochtene Entscheid ihrer Ansicht nach leidet. Was nicht in dieser Weise gerügt wird, hat Bestand. Neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren grundsätzlich ausgeschlos- sen (Art. 326 Abs. 1 ZPO). Was im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet oder eingereicht wurde, kann im Beschwerdeverfahren nicht mehr nachgeholt werden. Es herrscht grundsätzlich ein umfassendes Novenverbot sowohl für ech- te als auch für unechte Noven (BGer 5A_872/2012 vom 22. Februar 2013, E. 3; ZK ZPO-Freiburghaus/Afheldt, Art. 326 N 4).

3.

    1. Strittig war im vorinstanzlichen Verfahren einzig die Entschädigung der Klä- gerin für die Benützung ihres Motorfahrzeugs im Sinne von Art. 327b OR in der Zeit vom 1. Februar bis 18. November 2019. Währenddem die Klägerin sich auf den Standpunkt stellte, die im Rahmen des Arbeitsvertrags vereinbarte und von der Beklagten vergütete Pauschalentschädigung von Fr. 2.– pro Stunde für die Benutzung des eigenen Fahrzeugs habe die entstandenen effektiven Auslagen nicht gedeckt, bestritt die Beklagte jegliche über die bereits bezahlte Entschädi- gung hinausgehenden Ansprüche.

    2. Im angefochtenen Entscheid verpflichtete die Vorinstanz die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von insgesamt Fr. 5'127.05. Hierzu erwog sie im Wesentlichen, dass keine erheblichen Zweifel bestünden, dass die Klägerin in der streitigen Zeit ein eigenes Fahrzeug besessen und dieses für ihre Arbeitstä- tigkeit bei der Beklagten eingesetzt habe (Urk. 60 E. IV./3.1. S. 9-12). Gestützt auf die vorliegenden Unterlagen sowie die Ausführungen der Parteien sei davon aus-

zugehen, dass die Klägerin vom 1. Februar bis 18. November 2019 im Rahmen ihrer Arbeitstätigkeit eine Strecke von insgesamt 9'671.75 km zurückgelegt habe, wobei auch die jeweils gefahrene Strecke vom Wohnort zum Arbeitsort und zu- rück zu berücksichtigen sei (Urk. 60 E. IV./3.2. S. 12-17). Was die Entschädigung betreffe, so könne statt umständlicher Berechnungen auch eine feste Kilometer- entschädigung (oder eine Monatspauschale) vereinbart werden. Da Art. 327b Abs. 1 OR zugunsten des Arbeitnehmers zwingend sei, müsse die Kilometerpau- schale so hoch sein, dass sie im Durchschnitt eine volle Deckung der dem Arbeit- nehmer erwachsenden effektiven Kosten bewirke. Im Allgemeinen würden sich die vereinbarten Kilometerpauschalen an den von den Steuerbehörden anerkann- ten Sätzen orientieren. Diese seien auch massgebend, wenn der Richter die ef- fektiven Unkosten mangels genauer Belege frei schätzen müsse. Im Steuerrecht betrage die Pauschale maximal Fr. 0.70 pro Kilometer (mit Verweis auf das Kreis- schreiben 25 der Schweizerischen Steuerkonferenz vom 18. Dezember 2009 [rec- te: 18. Januar 2008] über Muster-Spesenreglemente für Unternehmen und für Non-Profit-Organisationen sowie die Wegleitung der Schweizerischen Steuerkon- ferenz [SSK] und der Eidgenössischen Steuerverwaltung [ESTV] zum Ausfüllen des Lohnausweises bzw. der Rentenbescheinigung, Formular 11). Diese steuer- rechtlichen Kilometerpauschalen seien zwar – wie die Beklagte geltend mache – im Arbeitsrecht gesetzlich nicht vorgesehen. Allerdings ermöglichten sie prakti- kable Lösungen, welche sich über Jahre hinweg bewährt hätten, ohne dass kom- plizierte Berechnungen angestellt werden müssten, die letztlich nicht zwingend zu genaueren Resultaten führten. In Bezug auf die Kilometerentschädigung seien je- denfalls nicht zu strenge Anforderungen an die Berechnungsparameter zu stellen. In jedem Fall müsse die Kilometerpauschale die effektiven Kosten decken, und dem Arbeitnehmer könne nicht das Risiko zugemutet werden, selber für die Auf- wendungen aufkommen zu müssen, die ihm durch die Verrichtung seiner Arbeits- tätigkeit entstanden seien. Es sei also ohne Weiteres von den von der Klägerin geltend gemachten 70 Rappen pro Kilometer auszugehen. Dies umso mehr, als sich aus der von der Beklagten eingereichten Medienmitteilung des TCS ergebe, dass ab 2019 sogar ein Betrag von durchschnittlich Fr. 0.71 pro Kilometer ge- rechtfertigt wäre. Unter Zugrundelegung der Kilometerpauschale von Fr. 0.70 resultiere somit ein Betrag von Fr. 6'770.25 (0.70 [Rappen pro Kilometer] x 9'671.75 [km]; Urk. 60 E. IV./3.3. S. 17 f.). Hiervon sei die bereits erhaltene Pauschalent- schädigung abzuziehen. Nachdem sich die berechnete Strecke nur auf die Zeit vom 1. Februar bis 31. Oktober 2019 beziehe, sei auch nur die für diesen Zeit- raum bezahlte Entschädigung in Höhe von Fr. 1'643.20 (821.60 Stunden x Fr. 2.–

) anzurechnen. Entsprechend ergebe sich ein geschuldeter Betrag von Fr. 5'127.05 (brutto gleich netto). Da diesem Betrag effektive Auslagen entgegen- stünden, dürften keine Beiträge für Sozialversicherungen abgezogen werden (Urk. 60 E. IV./3.4. S. 18 f.). Zudem sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen Verzugszins von 5 % seit 1. März 2020 zu bezahlen (Urk. 60 E. IV./3.5. S. 19 f.).

3.3.

      1. In ihrer Beschwerde macht die Beklagte zunächst zusammengefasst gel- tend, die Vorinstanz habe betreffend die Kilometerentschädigung zu Unrecht auf Pauschalen abgestellt. Sie hätte vielmehr die für die effektiven Kosten nötigen Be- rechnungsparameter – wie das konkrete Modell des verwendeten Fahrzeugs, dessen Alter, Neuwert sowie die jährliche Fahrleistung – feststellen müssen. Folg- lich habe die Vorinstanz sowohl den rechtserheblichen Sachverhalt falsch festge- stellt als auch das Recht unrichtig angewandt. Im Lichte von Art. 247 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 ZPO und der Klarheit der Vorgaben von Art. 327b OR dürfe das Gericht keine Simplifizierungen anwenden, welche ihm – und der Klägerin – die pro- zessualen Aufgaben ohne rechtliche Grundlagen erleichtern. Entsprechend sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuwei- sen (Urk. 59 Rz. 12-21; s.a. Urk. 59 Rz. 46 und Rz. 49).

        Dem hält die Klägerin in ihrer Beschwerdeantwort – soweit relevant – entge- gen, dass die Bestimmung des individuellen Restwerts eines Fahrzeugs insbe- sondere für Unternehmen in der Grösse der Beklagten nicht praktikabel sei. Auch die Steuergesetze würden keine solchen Individualisierungen vorsehen, sondern vielmehr auf entsprechende Tarife verweisen. Eine individualisierte Betrachtung der relevanten Parameter – wie es die Beklagte verlange – würde abgesehen da- von ohnehin zu einer Anhebung der Pauschale führen, was angesichts der beab-

        sichtigten Gewinnmaximierung kaum im Interesse der Beklagten läge. Zudem ha- be die Nutzung des eigenen Fahrzeugs lediglich als eine vorübergehende Notlö- sung gegolten und die Kalkulation der Entschädigung habe auf einem bloss vo- rübergehenden Zeitmoment basiert, weshalb die vereinbarte Entschädigung auch durch die letztlich dauerhafte Nutzung und den dadurch um ein Vielfaches erhöh- ten Verschleiss angehoben werden müsste. Ausserdem orientiere sich die Höhe der steuerrechtlichen Pauschalen an Klein- und Mittelklassewagen und beim Au- tomobilhersteller D. handle es sich um einen Produzenten solcher Wagen. Entsprechend spiele es auch keine Rolle, um welches Modell es sich genau ge- handelt habe. Überdies sei festzuhalten, dass die Beklagte die von der Vorinstanz angeführte Medienmitteilung des TCS, der sich ein Durchschnittspreis von Fr. 0.71 pro Kilometer entnehmen lasse, selbst eingereicht habe. Und schliesslich sei auch nicht zu bemängeln, dass die Vorinstanz die Unkosten frei geschätzt ha- be. Wie bereits die Vorinstanz ausgeführt habe, orientierten sich die vereinbarten Kilometerpauschalen im Allgemeinen an den von den Steuerbehörden anerkann- ten Sätzen, wobei diese auch massgebend seien, wenn der Richter die effektiven Unkosten mangels genauer Belege frei schätzen müsse. Insofern sei einmal mehr ersichtlich, dass auch das Gericht von einer strikten individuellen Berechnung auf Basis von Modell, Alter und Neuwert des Fahrzeugs weitestgehend absehe und auf Pauschalen abstelle, was im Lichte der zuvor erwähnten Unschärfen bzw. Problemstellungen (namentlich Missbrauchspotenzial und mangelnde Praktikabili- tät) nicht zu beanstanden sei. Abgesehen davon basierten die steuerrechtlichen Ansätze auch auf bestimmten Parametern und würden nicht willkürlich durch die Steuerbehörden festgelegt. Dem steuerlichen Ansatz lägen zudem die durch- schnittlichen Kosten eines Mittelklassewagens mit einer jährlichen Gesamtfahr- leistung von rund 15'000 km (Neupreis ca. Fr. 30'000.–) zugrunde, wobei dieser Abzug angesichts der tatsächlichen Kosten zu tief angesetzt sei. Für den vorlie-

        gend sechsjährigen D.

        E.

        [Modell] mit einem Neuwert von

        Fr. 30'000.– sei dieser Ansatz demnach angemessen (Urk. 70 Rz. 3-9 S. 4-10).

      2. Benützt der Arbeitnehmer im Einverständnis mit dem Arbeitgeber für seine Arbeit ein von diesem oder ein von ihm selbst gestelltes Motorfahrzeug, so sind ihm die üblichen Aufwendungen für dessen Betrieb und Unterhalt nach Massgabe

des Gebrauchs für die Arbeit zu vergüten (Art. 327b Abs. 1 OR). Übliche Be- triebskosten sind die Kosten für Benzin, Öl, Batterien, Bereifung, Winterausrüs- tung; Unterhaltskosten sind die Kosten für Reinigung, Reparaturen, Kontrollen und Wartung sowie gemäss h.L. die Kosten für den Ein- oder Abstellplatz (BK Rehbinder/Stöckli, Art. 327b OR N 4; Brunold, Die Arbeitsauslagen im schweizeri- schen Individualarbeitsrecht, Bern 2014, N 386 f.). Um sich die meist umständli- che Berechnung zu ersparen, können Arbeitnehmer und Arbeitgeber untereinan- der auch eine Pauschale aushandeln, wie beispielsweise einen pauschalen Zu- schlag zum Stundenlohn oder eine feste Kilometerentschädigung (vgl. Brunold, a.a.O., N 429; BK-Rehbinder/Stöckli, Art. 327b OR N 6). Vereinbarte Kilometer- pauschalen orientieren sich dabei im Allgemeinen an den von den Steuerbehör- den anerkannten Sätzen. Diese sind auch massgebend, wenn der Richter man- gels genauer Belege über die effektiven Unkosten diese frei schätzen muss (BK- Rehbinder/Stöckli, Art. 327b OR N 6; Brunold, a.a.O., N 430; vgl. aber Streiff/von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl. 2012, Art. 327b OR N 3, wonach zur Beurteilung der Angemessenheit von Pau- schalen steuerliche Regelungen, insbesondere solche über Abzüge für die Ver- wendung privater Fahrzeuge für den Arbeitsweg oder für den öffentlichen Ver- kehr, kaum verwendbar seien). Aufgrund des relativ zwingenden Charakters von Art. 327b Abs. 1 OR hat die Pauschale jedoch mindestens die durchschnittlichen Betriebs- und Unterhaltskosten für das Fahrzeug zu decken. Andernfalls kann der Arbeitnehmer nebst dem Pauschalbetrag noch die Entschädigung der darüber hinausgehenden Kosten verlangen (Brunold, a.a.O., N 433).

Ist der Auslagenersatz pauschaliert und wird die Pauschale als zu niedrig angesehen, so muss der Arbeitnehmer behaupten und beweisen, warum sie un- zureichend ist (BK-Rehbinder/Stöckli, Art. 327a OR N 10; vgl. BGE 131 III 439

E. 5.1; Art. 8 ZGB). Mithin obliegt es damit grundsätzlich dem Arbeitnehmer, zu behaupten und zu beweisen, wie viele Kilometer er in der fraglichen Zeit insge- samt mit seinem Privatfahrzeug zurückgelegt hat, wie viele der (gesamthaft) ge- fahrenen Kilometer auf Dienstfahrten entfallen sind, sowie, welche Kosten in der fraglichen Zeit für das verwendete Fahrzeug angefallen sind (vgl. betr. Aufteilung der Kosten auf Privat- und Dienstfahrten: BK-Rehbinder/Stöckli, Art. 327b OR

N 5; Brunold, a.a.O., N 397; Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 327b N 2). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts darf jedoch vom Arbeitnehmer in Bezug auf die Höhe der Auslagen kein strenger Beweis verlangt werden. Effektiv gehabte Auslagen, die ziffernmässig nicht mehr beweisbar sind, sind vom Richter in analoger Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR zu schätzen (vgl. BGE 131 III 439 E. 5.1).

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu Art. 42 Abs. 2 OR hat die Befugnis des Richters, den Schaden aufgrund einer blossen Schätzung als aus- gewiesen zu erachten, aber nicht zum Zweck, dem Kläger die Beweislast generell abzunehmen oder ihm die Möglichkeit zu eröffnen, ohne nähere Angaben Scha- denersatzforderungen in beliebiger Höhe zu stellen. Vielmehr muss der Kläger al- le Umstände, die für den Eintritt des Schadens sprechen und dessen Abschät- zung erlauben oder erleichtern, soweit möglich und zumutbar behaupten und be- weisen; Art. 42 Abs. 2 OR entbindet den Kläger nicht von seiner Substantiie- rungsobliegenheit (vgl. BGE 143 III 297 E. 8.2.5.2; 128 III 271 E. 2.b.aa.; 122 III 219 E. 3a). Art. 42 Abs. 2 OR verpflichtet damit das Gericht nicht, von Amtes we- gen Anhaltspunkte zu beschaffen, auf die es sein Urteil stützen kann (CHK-Müller OR 42 N 7). Liefert der Geschädigte nicht alle im Hinblick auf die Schätzung des Schadens notwendigen Angaben, ist eine der Voraussetzungen von Art. 42 Abs. 2 OR nicht gegeben und die Beweiserleichterung kommt nicht zum Zuge. Es ge- nügt aber, dass der Geschädigte das Mögliche getan hat, um sein nicht beweis- bares Anliegen glaubhaft darzulegen (BK-Brehm, Art. 42 OR N 50 und N 50a). Begnügt sich die klagende Partei damit, eine gerichtliche Schadensschätzung zu verlangen, obwohl deren Voraussetzungen nicht gegeben sind, und verpasst sie es, taugliche Beweisanträge zur bestmöglichen Feststellung des Schadens zu stellen, so wird die Klage wegen mangelnder Substantiierung der Forderung ab- gewiesen (BSK OR I-Kessler, Art. 42 N 10b m.w.H.; s.a. BK-Brehm, Art. 42 OR N 51).

3.4. Vorliegend stellte die Vorinstanz hinsichtlich der Vergütung für die zurückge- legten Kilometer – ohne weitere Prüfung der Umstände – auf die im Steuerrecht vorgesehenen Ansätze ab. Dies ist nach dem zuvor Ausgeführten unzulässig.

Denn die steuerlichen Ansätze stellen – ebenso wie die vom TCS jährlich publi- zierten durchschnittlichen Betriebskosten für ein Musterauto (vgl. www.tcs.ch/de/testberichte-ratgeber/ratgeber/kontrollen-unterhalt/kilometer- kosten.php, zuletzt aufgerufen am 15. August 2022) – lediglich Orientierungshilfen dar, sofern das Gericht die effektiven Auslagen mangels Belegen in analoger An- wendung von Art. 42 Abs. 2 OR schätzen muss. Hierfür muss das Gericht aber zunächst die Umstände des konkreten Falles kennen. Derartige Feststellungen finden sich – wie die Beklagte zu Recht bemängelt – im angefochtenen Urteil in- des nicht. Insbesondere hat die Vorinstanz auch keine Feststellungen hinsichtlich des von der Klägerin benützten Fahrzeugs getroffen, womit das Argument der Klägerin, den steuerlichen Ansätzen lägen die durchschnittlichen Kosten eines Mittelklassewagens mit einer jährlichen Gesamtfahrleistung von rund 15'000 km (Neupreis ca. Fr. 30'000.–) zugrunde und diese Ansätze seien damit für den vor- liegend sechsjährigen D. E. mit einem Neuwert von Fr. 30'000.– an- gemessen, ins Leere geht. Was die Klägerin im Übrigen in ihrer Berufungsant- wortschrift vorbringt, verfängt unter Verweis auf das vorstehend Ausgeführte ebenfalls nicht. Insbesondere verkennt sie, dass die Parteien eines Arbeitsver- trags eine Pauschalentschädigung vereinbaren können und in den meisten Fällen aus Praktikabilitätsüberlegungen auch tun werden. Verlangt aber die Arbeitneh- merin in der Folge einen höheren Auslagenersatz, so obliegt es ihr, die entspre- chenden Anspruchsgrundlagen zu behaupten und belegen. Zudem bestehen im Arbeitsrecht und Steuerrecht unterschiedliche Rechtsgrundlagen, weshalb die steuerlichen Ansätze nicht unbesehen zugrunde gelegt werden können. Indem die Vorinstanz somit ohne Grundlage die Kosten für die zurückgelegten Kilometer geschätzt hat, hat sie das Recht unrichtig angewandt. Die Beschwerde erweist sich insoweit als begründet und die Dispositiv-Ziffern 1-4 des vorinstanzlichen Ur- teils sind aufzuheben.

Auf eine Rückweisung des Verfahrens an die Vorinstanz kann jedoch im Sinne von Art. 327 Abs. 3 lit. b ZPO verzichtet werden, da es die Klägerin im vor- instanzlichen Verfahren unterlassen hat, die massgebenden Tatsachen, welche eine Schätzung überhaupt erst erlauben würden, zu behaupten sowie hierfür die entsprechenden Beweismittel anzurufen, und der Aktenschluss bereits eingetre-

ten ist. Insbesondere hat die Klägerin – obwohl durchaus möglich und zumutbar – weder vorgebracht und belegt, welche fixen Kosten (bspw. für die Verkehrssteuer, Versicherungen, Vignette etc.) ihr im Jahr 2019 im Zusammenhang mit ihrem Fahrzeug angefallen sind, noch hat sie sich beispielsweise zur jährlichen Laufleis- tung des Fahrzeugs geäussert (vgl. auch Urk. 51 Rz. 11, worin die Klägerin aus- drücklich festhält, dass sich die Einreichung weiterer Belege zum Privatfahrzeug erübrige, da sie für den Beweis der entstandenen Auslagen nicht erforderlich sei-

en). Sie machte einzig geltend, dass sie einen sechsjährigen D.

E.

mit einem Neuwert von vielleicht Fr. 40'000.– für ihre Arbeitstätigkeit benutzt ha- be (Prot. I S. 10 und S. 32; s.a. Urk. 51 Rz. 9 f.). Diese Behauptungen wurden von der Beklagten jedoch bestritten (Urk. 59 Rz. 12 f. mit Verweis auf Prot. I S. 10;

s.a. Prot. I S. 41 f.) und die Klägerin hat für die bestrittenen Behauptungen keinen rechtsgenügenden Beweis offeriert, obschon ihr dies ohne Weiteres möglich ge- wesen wäre, beispielsweise durch Vorlage des Kaufvertrags oder des Fahrzeug- ausweises. Sie verwies einzig auf den Printscreen eines Chats, dem sich jedoch in dieser Hinsicht nichts zu ihren Gunsten entnehmen lässt (Urk. 51 Rz. 9 mit Verweis auf Urk. 5/12 S. 2). Auch ist nicht zu bemängeln, dass die Vorinstanz den Sachverhalt in Anwendung des geltenden sozialen Untersuchungsgrundsatzes gemäss Art. 247 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 ZPO nicht von Amtes wegen abgeklärt hat, zumal sich das Gericht bei anwaltlich vertretenen Parteien – wie hier – wie im or- dentlichen Prozess zurückhalten darf und soll (vgl. BK ZPO II-Killias, Art. 247 N 33 m.w.H.). Da die Klägerin somit den Nachweis für eine ungenügende Vergü- tung nicht erbracht hat, ist ihre Klage abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis braucht auf die weiteren im Beschwerdeverfahren er- hobenen Rügen der Beklagten (fehlende Würdigung der Vereinbarung der Partei- en, falsche Berechnung der zurückgelegten Strecken, Nichtberücksichtigung der für November 2019 ausbezahlten Entschädigung sowie unzutreffende Kostenre- gelung, siehe Urk. 59 Rz. 22-45) sowie die entsprechenden Ausführungen der Klägerin (Urk. 70 Rz. 10-26) nicht weiter eingegangen zu werden.

4.

    1. Fällt die Beschwerdeinstanz – wie vorliegend – einen reformatorischen Ent- scheid, entscheidet sie in Analogie zu Art. 318 Abs. 3 ZPO auch über die Pro- zesskosten des erstinstanzlichen Verfahrens (BK ZPO II-Sterchi, Art. 327 N 23).

    2. Das Verfahren ist kostenlos. Die Höhe der von der Vorinstanz festgesetzten (vollen) Parteientschädigung (Fr. 5'814.– exkl. Mehrwertsteuer; Urk. 60 E. V./2.

      S. 20 ff. und Urk. 60 Disp. Ziff. 4) blieb unangefochten. Ebenfalls nicht bean- standet wurde, dass die Vorinstanz der Beklagten keinen Mehrwertsteuerzu- schlag zugesprochen hat (vgl. Urk. 60 E. V./2. S. 22). Entsprechend bleibt es da- bei.

    3. Die Prozesskosten auferlegte die Vorinstanz gestützt auf Art. 107 Abs. 1 lit. a ZPO zu 1/3 der Beklagten und zu 2/3 der Klägerin (Urk. 60 E. V./2. S. 20 ff.). Da die Klägerin (nunmehr) vollumfänglich unterliegt, sind die Prozesskosten aus- gangsgemäss in vollem Umfang ihr aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Ein Ab- weichen von den Grundsätzen der Kostenverlegung gemäss Art. 106 ZPO recht- fertigt sich bei dieser Ausgangslage – entgegen der offenbaren Ansicht der Kläge- rin (vgl. Urk. 70 Rz. 26) – nicht. Entsprechend ist die Klägerin zu verpflichten, der Beklagten für das erstinstanzliche Verfahren eine volle Parteientschädigung in Höhe von Fr. 5'814.– zu bezahlen.

5.

5.1. Für das Beschwerdeverfahren sind ebenfalls keine Gerichtskosten zu erhe- ben (Art. 114 lit. c ZPO). Die im Beschwerdeverfahren vollumfänglich unterliegen- de Klägerin ist aber zu verpflichten, der Beklagten für das zweitinstanzliche Ver- fahren eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Diese ist ausgehend von einem Streitwert im Beschwerdeverfahren von Fr. 5'127.05 (brutto gleich netto) in Anwendung von § 13 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 sowie

§ 11 Abs. 1 der Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 (AnwGebV) auf Fr. 800.– (exkl. MwSt.) festzusetzen. Ein Mehrwertsteuerzuschlag wurde von der Beklagten nicht beantragt (vgl. Urk. 59, Ziffer 4 der Anträge) und ist somit nicht zuzusprechen.

5.2.

      1. Die Klägerin ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren. Hierzu macht sie im Wesentlichen geltend, ihr monat- liches Einkommen betrage Fr. 4'039.45 und ihr monatlicher Bedarf sei auf Fr. 3'436.67 zu beziffern. Der resultierende Überschuss erlaube es jedoch kaum, die (bereits) bestehenden Schulden zu begleichen. Über nennenswertes Vermö- gen verfüge sie ebenfalls nicht. Zudem seien ihre Anträge nicht von vornherein aussichtslos und sie sei angesichts der Umstände zwingend auf eine Rechtsver- beiständung angewiesen (Urk. 66).

      2. In Bezug auf die Klägerin ist von folgenden finanziellen Verhältnissen aus- zugehen:

        a)

        Einkommen

        abzüglich:

        Fr.

        4'039.45

        b)

        Grundbetrag

        Fr.

        1'100.00

        b)

        Zuschlag zum Grundbetrag (25 %)

        Fr.

        275.00

        c)

        Wohnkosten

        Fr.

        925.00

        c)

        Krankenkasse (KVG)

        Fr.

        357.65

        d)

        Krankheitskosten

        Fr.

        0.00

        e)

        Mobilitätskosten

        Fr.

        95.85

        f)

        Kommunikation

        Fr.

        70.00

        g)

        Ratenzahlungen

        Fr.

        302.50

        h)

        Unterstützungsbeiträge

        Fr.

        0.00

        i) Weiterbildungskosten Fr. 0.00

        Total Bedarf Fr. 3'126.00

        1. Gestützt auf die eingereichten Unterlagen erscheint glaubhaft, dass die Klä- gerin ein monatliches Einkommen von Fr. 4'039.45 netto erzielt (vgl. Urk. 69/10).

        2. Gemäss dem eingereichten (Unter-)Mietvertrag lebt die Klägerin offensicht- lich in einer Wohngemeinschaft mit einer anderen erwachsen Person (vgl. Urk. 69/2; siehe auch Urk. 40 Rz. 8). Entsprechend ist ein Grundbetrag von Fr. 1'100.– und nicht – wie von der Klägerin geltend gemacht (Urk. 66 Rz. 6) – von Fr. 1'200.– einzusetzen (siehe Ziff. II./1.1 der Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums gemäss dem Kreisschreiben der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vom 16. Septem- ber 2009, nachfolgend: Kreisschreiben). Aufgrund der Umstände ist der Klägerin

          überdies ein Zuschlag zum Grundbetrag im Umfang von 25 %, mithin von Fr. 275.– (25 % von Fr. 1'100.–), zu gewähren.

        3. Die geltend gemachten Wohnkosten in Höhe von Fr. 925.– erscheinen ge- stützt auf die eingereichten Unterlagen als glaubhaft und sind daher in diesem Umfang im Bedarf zu berücksichtigen (vgl. Urk. 69/2 und Urk. 69/18). Gleiches gilt mit Bezug auf die monatlichen Kosten für die Prämien der obligatorischen Kran- kenversicherung in Höhe von Fr. 357.65 (vgl. Urk. 69/4).

        4. Die Klägerin macht geltend, dass ihr im Jahr 2021 Krankheitskosten in Höhe von Fr. 7'123.80 angefallen seien, wovon sie Fr. 456.90 selbst habe tragen müs- sen. Entsprechend seien ihr monatlich Fr. 38.08 im Bedarf anzurechnen (vgl. Urk. 66 Rz. 9). Die Franchise ist als Beteiligung an den selbst getragenen Krank- heitskosten nur zu berücksichtigen, wenn solche effektiv angefallen sind oder unmittelbar bevorstehen, was vom Gesuchsteller als überwiegend wahrscheinlich darzustellen ist (vgl. Wuffli/Fuhrer, Handbuch unentgeltliche Rechtspflege im Zi- vilprozess, 2019, N 308). Vorliegend hat die Klägerin nicht rechtsgenügend darge- tan, dass bzw. weshalb auch im Jahr 2022 mit derartigen Krankheitskosten zu rechnen ist. Entsprechend ist hierfür kein Betrag im Bedarf zu berücksichtigen.

        5. Die Klägerin wohnt in F.

          und arbeitet offenbar in Zürich (vgl.

          Urk. 69/10). Vor diesem Hintergrund erscheinen die von ihr geltend gemachten monatlichen Kosten für den öffentlichen Verkehr von Fr. 95.85 (Fr. 1'150.– pro Jahr / 12; drei Zonen; vgl. Urk. 66 Rz. 10) als angemessen. Entsprechend ist die- ser Betrag im Bedarf vorzusehen.

        6. Der von der Klägerin geltend gemachte Betrag von Fr. 70.– für Kommunika- tionskosten (vgl. Urk. 66 Rz. 11) erscheint den Umständen angemessen und ist daher im Bedarf zu berücksichtigen.

        7. Die Klägerin behauptet im Weiteren, diverse Schuldpositionen in monatli- chen Raten von insgesamt Fr. 302.50 zu begleichen (Urk. 66 Rz. 12). Den hierzu eingereichten Unterlagen lassen sich zwar Zahlungen in der behaupteten Höhe entnehmen (vgl. Urk. 69/3 und Urk. 69/18). Indes geht daraus nicht hervor, wofür

          diese Zahlungen genau geleistet werden. Es kann mithin nicht nachvollzogen werden, ob es sich hierbei tatsächlich um die Tilgung bereits aufgelaufener Schulden oder aber um jeden Monat anfallende Lebenskosten der Klägerin han- delt. So macht die Klägerin geltend, monatliche Raten in Höhe von Fr. 150.– an die G. GmbH zu bezahlen (Urk. 66 Rz. 12). Allerdings lässt sich den Akten entnehmen, dass die nämliche Gesellschaft monatlich Fr. 150.– für die Lagerung von Möbeln verlangt (siehe Urk. 40 Rz. 8 und Urk. 42/19). Da aber selbst bei voll- umfänglicher Berücksichtigung der Zahlungen ein genügend hoher Überschuss resultiert, ist dieser Betrag einstweilen im Bedarf zu belassen.

        8. Rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge für minderjährige Kinder und ge- trennt lebende oder geschiedene Ehegatten gehören auf Seiten des Unterhalts- pflichtigen zu seinem prozessualen Notbedarf und sind in die Bedarfsrechnung aufzunehmen, sofern sie bisher tatsächlich geleistet worden sind und davon aus- zugehen ist, dass dies weiterhin geschieht (BK ZPO I-Bühler, Art. 117 N 164). Gleiches gilt mit Bezug auf Unterhaltsbeiträge an volljährige Kinder bis zum Zeit- punkt, in welchem eine angemessene Ausbildung ordentlicherweise abgeschlos- sen werden kann (vgl. Wuffli/Fuhrer, a.a.O., N 336). Unterstützungsleistungen an Verwandte und Dritte sind auch insoweit in die Bedarfsrechnung einzusetzen, als sie nur moralisch geschuldet sind. Voraussetzung ist aber, dass sie bisher regel- mässig und nicht in unverhältnismässiger Höhe geleistet wurden. Ihre effektive Zahlung muss belegt und der Empfänger aufgrund seiner ökonomischen Lage da- rauf angewiesen sein (BK ZPO I-Bühler, Art. 117 N 167; a.M. ZK ZPO-Emmel, Art. 117 N 9).

          Die Klägerin behauptet, sie lasse ihren Eltern einen Unterstützungsbeitrag in Höhe von zwei Mal Fr. 500.– pro Jahr bzw. Fr. 83.33 pro Monat sowie ihrer Toch- ter einen solchen von monatlich EUR 100.00 bzw. Fr. 104.26 zukommen und will die entsprechenden Beträge im Bedarf angerechnet wissen (Urk. 66 Rz. 13 f.). Al- lerdings macht die Klägerin weder geltend, dass sie rechtlich zur Unterstützung verpflichtet wäre, noch bringt sie vor, dass ihre Eltern sowie ihre Tochter auf diese Zahlungen finanziell angewiesen wären. Demgemäss sind diese Beträge nicht zu berücksichtigen. Abgesehen davon hat sie die behaupteten Zahlungen an die El-

          tern auch nicht belegt und bezahlt den Betrag gemäss ihren eigenen Angaben (siehe Urk. 66 Rz. 13) aus ihrem Vermögen und nicht aus ihrem Einkommen. Folglich ist der diesbezüglich geltend gemachte Betrag auch aus diesen Gründen nicht im prozessualen Notbedarf anzurechnen.

        9. Die Klägerin macht geltend, sie absolviere eine Weiterbildung an der Euro- päischen Fernhochschule H. . Die monatlichen Kosten würden sich auf EUR 251.00 bzw. Fr. 260.– belaufen. Aufgrund des für den Arbeitgeber geschaf- fenen Mehrwerts werde die Weiterbildung genehmigt, wobei die Finanzierung von der Klägerin selbst vorgenommen werde. Da die Weiterbildungskosten in direk- tem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Klägerin stünden, seien sie zum Notbedarf hinzuzurechnen (Urk. 66 Rz. 15).

        Mit dem Beruf zusammenhängende Weiterbildungskosten zählen zu den notwendigen Berufsauslagen und sind im Ausmass, in welchem sie nicht durch den Arbeitgeber getragen werden, zum Notbedarf hinzuzurechnen. Demgegen- über sind allgemeine Weiterbildungen ohne direkten Zusammenhang zum Beruf nicht zu berücksichtigen (Wuffli/Fuhrer, a.a.O., N 346).

        Von der Klägerin wird nicht weiter ausgeführt, dass und weshalb diese Wei- terbildung mit ihrem Beruf direkt zusammenhängen soll, und dies liegt auch nicht ohne Weiteres auf der Hand, zumal bereits offenbleibt, welchen Beruf die Klägerin ausübt. Auch aus der zur Untermauerung ihrer Vorbringen eingereichten Bestäti- gung der Europäischen Fernhochschule H. (Urk. 69/9) kann die Klägerin in diesem Zusammenhang nichts zu ihren Gunsten ableiten. Unter diesen Umstän- den rechtfertigt sich eine Berücksichtigung dieser Kosten nicht.

      3. Eine Gegenüberstellung von Einkommen und prozessualem Notbedarf zeigt, dass der Klägerin monatlich finanzielle Mittel von gerundet Fr. 913.– (Fr. 4'039.45 ./. Fr. 3'126.00 ) zur Verfügung stehen. Mit diesem Überschuss ver- mag die Klägerin sowohl die von ihr für das erst- sowie das zweitinstanzliche Ver- fahren zu bezahlende Parteientschädigung von insgesamt Fr. 6'614.– (Fr. 5'814.–

+ Fr. 800.–) als auch die für das zweitinstanzliche Verfahren angefallenen eige- nen Anwaltskosten innert eines Jahres zu tilgen, zumal Letztere sich nach dem

kantonalen Gebührentarif richten und in Berücksichtigung von § 13 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 sowie § 11 Abs. 1 und 2 AnwGebV einen Betrag in der Grössenordnung von Fr. 2'000.– nicht übersteigen dürften. Mangels Bedürftigkeit ist das Gesuch der Klägerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren daher abzuweisen.

Es wird beschlossen:

  1. Das Gesuch der Klägerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren wird abgewiesen.

  2. Schriftliche Mitteilung und Rechtsmittelbelehrung mit nachfolgendem Er- kenntnis.

Es wird erkannt:

  1. In Gutheissung der Beschwerde werden die Dispositiv-Ziffern 1-4 des Urteils des Arbeitsgerichtes Zürich, 4. Abteilung, vom 12. November 2021 aufgeho- ben und durch folgende Fassung ersetzt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Es werden keine Kosten erhoben.

  3. Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten eine Parteientschädigung von Fr. 5'814.– zu bezahlen.

  4. [entfällt]

  1. Das Beschwerdeverfahren ist kostenlos.

  2. Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 800.– zu bezahlen.

  3. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmit- telfrist an die Vorinstanz zurück.

  4. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert

30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche arbeitsrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 5'127.05.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.

Zürich, 8. September 2022

Obergericht des Kantons Zürich

  1. Zivilkammer

Der Vorsitzende:

lic. iur. A. Huizinga

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. C. Faoro

versandt am: ip

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