Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PS230227 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 23.01.2024 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Insolvenzerklärung |
Zusammenfassung : | Die Cour d'Appel Pénale hat über die Revision eines Urteils entschieden, das H.________ wegen verschiedener Vergehen verurteilt hatte. H.________ hat die Revision beantragt, da er angibt, an einer psychischen Störung zu leiden, die seine strafrechtliche Verantwortung beeinflussen könnte. Die Cour d'Appel Pénale hat die Revision als unzulässig erklärt, da die vorgebrachten Gründe nicht als neu im Sinne des Gesetzes gelten. Die Gerichtskosten in Höhe von 660 CHF wurden H.________ auferlegt. |
Schlagwörter : | Konkurs; Konkurseröffnung; Nichtigkeit; Generalversammlung; Konkurseröffnungsentscheid; SchKG; Generalversammlungsbeschluss; Insolvenzerklärung; Gericht; Parteien; Kanton; Verfahren; Meilen; Vorinstanz; Parteientschädigung; Entscheid; Amtes; Generalversammlungsbeschlusses; Tatsache; Rechtsmittel; Kantons; Urteil; Gläubiger; Akten; Schuldnerin; Tatsachen; ärin |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ; Art. 107 ZPO ; Art. 147 ZPO ; Art. 174 KG ; Art. 191 KG ; Art. 232 KG ; Art. 326 ZPO ; Art. 61 KG ; Art. 706b OR ; Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | 137 III 460; 138 III 471; 139 III 334; 140 III 385; 142 III 110; 145 III 436; 148 II 564; 149 III 186; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: PS230227-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende,
Oberrichter lic. iur. et phil. D. Glur und Ersatzrichterin
lic. iur. N. Jeker sowie Gerichtsschreiberin MLaw L. Jauch
Urteil vom 23. Januar 2024
in Sachen
,
Beschwerdeführerin
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. HSG X. ,
gegen
AG,
Gesuchstellerin und Beschwerdegegnerin betreffend InsolvenzErklärung
Erwägungen:
1.
Mit Eingabe vom 8. November 2023 (gleichentags persönlich überbracht; act. 1; samt Beilagen, act. 24) erklärte sich die Gesuchstellerin und Beschwerdegegnerin (fortan: Beschwerdegegnerin) beim Einzelgericht des Bezirksgerichts Meilen (fortan: Vorinstanz) Zahlungsunfähig und beantragte die KonkursEröffnung gemäss Art. 191 SchKG. Mit Urteil vom 8. November 2023, 11:15 Uhr, eröffnete die Vorinstanz über die Beschwerdegegnerin den Konkurs und beauftragte das Konkursamt Küsnacht mit dem Vollzug (act. 6 = act. 9 [Aktenexemplar] = act. 11).
Mit Eingabe vom 20. November 2023 (ebenso Datum des Poststempels; act. 10; samt Beilagen, act. 11, act. 12, act. 13/317) erhob die Beschwerdeführerin als Gläubigerin die vorliegende Beschwerde, wobei sie in der Sache die Aufhebung des vorinstanzlichen KonkursEröffnungsentscheids verlangt. Zugleich beantragte sie, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nach Art. 174
Abs. 3 SchKG zu erteilen und es seien die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen zu treffen (vgl. act. 10 S. 2).
Mit Verfügung vom 24. November 2023 (act. 15) wurde das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen. Ferner wurde der Beschwerdeführerin Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 750 angesetzt, welcher rechtzeitig eingegangen ist (act. 17).
Mit Verfügung vom 15. Dezember 2023 (act. 18) wurde der Beschwerdegegnerin eine Frist von 10 Tagen zur Beantwortung der Beschwerde angesetzt. Diese Verfügung wurde der Beschwerdegegnerin am 18. Dezember 2023 zugestellt (act. 19), womit die Beschwerdefrist am 28. Dezember 2023 abgelaufen ist. Da die Beschwerdegegnerin sich nicht hat vernehmen lassen, wird das Verfahren androhungsgemäss ohne die versäumte Beschwerdeantwort weitergefährt (vgl. Art. 147 Abs. 2 ZPO).
Mit Eingabe vom 22. Januar 2024 (ebenso Datum des Poststempels; act. 22; samt per E-Mail nachgereichter Vollmacht, act. 2324) zeigte die Be-
schwerdeführerin an, dass sie neu von Rechtsanwältin lic. iur. HSG X. vertreten wird, weshalb das Rubrum entsprechend anzupassen ist.
Die vorinstanzlichen Akten wurden von Amtes wegen beigezogen (act. 17). Das Verfahren erweist sich als spruchreif.
2.
Ein KonkursEröffnungsentscheid kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO angefochten werden (Art. 174 Abs. 1 SchKG i.V.m. Art. 319 ff. ZPO). Der vorinstanzliche KonkursEröffnungsentscheid wurde der Beschwerdeführerin als Gläubigerin nicht direkt mitgeteilt, jedoch am tt.mm.2023 im Handelsregister eingetragen (act. 20). Die vorläufige Konkursanzeige wurde am tt.mm.2023 im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) publiziert (act. 21). Die Beschwerde vom 20. November 2023 erfolgte damit rechtzeitig, wobei offen bleiben kann, ob gestützt auf die noch ausstehende definitive Konkursanzeige gemäss Art. 232 SchKG unter BeRücksichtigung besonderer Beschwerde- Gründe, namentlich Nichtigkeit und/oder Rechtsmissbräuchlichkeit der Insolvenz- Erklärung, eine spätere Beschwerde zulässig gewesen wäre.
Nach dem Wortlaut von Art. 174 Abs. 1 SchKG sind die Parteien zur Beschwerde gegen einen KonkursEröffnungsentscheid legitimiert. Damit sind die Schuldnerin sowie die am KonkursEröffnungsverfahren beteiligten Gläubiger gemeint (vgl. BSK SchKG-GIROUD/THEUS SIMONI, Art. 174 N 14). Hingegen sind DrittGläubigerinnen grundsätzlich nicht beschwerdeberechtigt (vgl. BGE 149 III 186 E. 3.2.3 und E. 3.4.3).
Die Beschwerdeführerin hat als Gläubigerin naturgemäss nicht am vorinstanzlichen KonkursEröffnungsverfahren gemäss Art. 191 SchKG teilgenommen. Sie leitet ihre Beschwerdelegitimation indessen aus dem Umstand ab, dass sie sich einerseits auf die Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses und an- dererseits auf die Rechtsmissbräuchlichkeit der InsolvenzErklärung beruft, welche dem KonkursEröffnungsentscheid zugrunde liegen. Zusammengefasst macht die Beschwerdeführerin geltend, sie habe am 19. September 2022 mit C. , dem damaligen Alleinaktionür und einzigen Verwaltungsratsmitglied der Beschwerdegegnerin, einen Aktienkaufvertrag (Share Purchase Agreement) abgeschlossen. Dabei hätten die Parteien vereinbart, dass die Beschwerdeführerin 15 Namenaktien der Beschwerdegegnerin je Fr. 1'000 zum Kaufpreis von Fr. 250'000 erwerben würde, wobei 70% des Kaufpreises, also Fr. 175'000, für eine Kapitalerhöhung bei der Beschwerdegegnerin eingesetzt werden sollten. In der Folge habe
die Beschwerdeführerin den gesamten vereinbarten Kaufpreis bezahlt, 15 Name- naktien der Beschwerdegegnerin übertragen erhalten und sei als Aktionürin in deren Aktienbuch eingetragen worden. Die vereinbarte Kapitalerhöhung sei aller- dings nicht erfolgt. Da sich die Beschwerdegegnerin geweigert habe, den Betrag von Fr. 175'000 zurückzuzahlen, habe die Beschwerdeführerin Betreibung eingeleitet und nach erfolgtem Rechtsvorschlag am 4. Oktober 2023 ein Schlichtungsgesuch gegen die Beschwerdegegnerin und gegen C. eingereicht. Die Schlichtungsverhandlung sei auf den 1. Dezember 2023 angesetzt worden. Die Tatsache, dass die Beschwerdegegnerin kurz vor der Schlichtungsverhandlung die KonkursEröffnung beantragt habe, zeuge von Rechtsmissbrauch (vgl. act. 10
S. 35). Zudem sei die Beschwerdeführerin zur ausserordentlichen Generalversammlung vom 3. November 2023, an der die Zahlungsunfähigkeit der Beschwer- degegnerin festgestellt und deren Auflösung beschlossen worden sei, weder eingeladen worden noch habe sie daran teilgenommen. Aus diesem Grund sei dieser Generalversammlungsbeschluss nichtig (vgl. act. 10 S. 5). Die Konkurseröff- nung beruhe demnach auf einem nichtigen Generalversammlungsbeschluss und einer rechtsmissbräuchlichen InsolvenzErklärung. Zudem bedeute die Konkurser- öffnung für die Beschwerdeführerin einen schweren Nachteil, da sie ihr verunmögliche, ihre Rechte gegen die Beschwerdegegnerin im Rahmen des erwähnten Schlichtungsverfahrens durchzusetzen (vgl. act. 10 S. 7).
Die Nichtigkeit eines staatlichen Akts z.B. eines Gerichtsentscheids ist von staatlichen Behörden jederzeit von Amtes wegen zu beachten, sofern sie für die zu treffende Anordnung vorfrageweise relevant ist. Die übergeordnete Rechtsmittelinstanz kann die Nichtigkeit eines staatlichen Akts zudem jederzeit von Amtes wegen im Dispositiv feststellen, etwa auf Anzeige einer nicht betroffenen bzw. nicht zu einem Rechtsmittel legitimierten Drittperson (vgl. OGer ZH PS230062 vom 8. Mai 2023 E. 2; BGer 4A_385/2021 vom 13. Januar 2022 E. 7.1.2). Auch die Nichtigkeit privatrechtlicher Akte ist vorfrageweise von Amtes wegen zu beachten (vgl. E. 3.3 zur zulässigkeit von Noven zwecks Begründung der Nichtigkeit). Hingegen setzt deren Feststellung im Dispositiv ein entsprechendes Begehren und ein Rechtsschutzinteresse voraus (vgl. BGer 4A_295/2021 vom 28. März 2022 E. 4.4 mit Bezug auf nichtige Generalversammlungsbeschlüsse einer Aktiengesellschaft; BGer 4A_385/2021 vom 13. Januar 2022 E. 7.1.2;
BGer 5A_686/2016 vom 28. März 2017 E. 2.1).
Vorliegend beruft sich die Beschwerdeführerin auf die Nichtigkeit eines privatrechtlichen Akts, Nämlich des Generalversammlungsbeschlusses der Beschwerdegegnerin vom 3. November 2023. Sie macht nicht geltend, der darauf beruhende KonkursEröffnungsentscheid sei ebenfalls nichtig, sondern begehrt dessen Aufhebung. Wie nachfolgend darzulegen ist, zieht die Nichtigkeit des Ge- neralversammlungsbeschlusses welche im vorliegenden Fall vorfrageweise zu bejahen ist jedoch auch die Nichtigkeit des KonkursEröffnungsentscheids nach sich (vgl. E. 3 f.), was im Lichte der zitierten Rechtsprechung von Amtes wegen zu beachten ist. Weitergehende Erwägungen zur Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin erübrigen sich.
3.
Art. 706b OR zählt exemplarisch auf, welche Beschlüsse der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft nichtig sind. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können neben den ausDrücklich aufgefährten schweren Mängeln inhaltlicher Natur auch schwerwiegende formelle Mängel in der Beschlussfassung zur Nichtigkeit führen. Insbesondere stellt die fehlende Einladung auch nur einer Aktionürin zur Generalversammlung einen schwerwiegenden formellen Mangel dar, und zwar unabhängig davon, ob die Nichteingeladene die gefassten Beschlüsse mit ihrer Stimmkraft hätte verhindern können. Dasselbe gilt für die Beschlussfassung als (vermeintliche) Universalversammlung in Abwesenheit auch nur einer Aktionürin. Beide Mängel bewirken die Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse (vgl. BGE 137 III 460 E. 3.3.2).
Vorliegend behauptet die Beschwerdeführerin, sie sei als Aktionürin der Beschwerdegegnerin in deren Aktienbuch eingetragen, jedoch zur ausserordentlichen Generalversammlung vom 3. November 2023 weder per Brief noch per
E-Mail, Telefax anderweitig eingeladen worden (vgl. act. 10 S. 5, 9). Ebenso wenig habe sie daran teilgenommen. Der gefasste Beschluss liege ihr nicht vor, weshalb für sie nicht ersichtlich sei, ob die ausserordentliche Generalversammlung angeblich ordentlich einberufen worden sei als Universalversammlung stattgefunden habe (vgl. act. 10 S. 9).
Bei den Behauptungen der Beschwerdeführerin handelt es sich um neue Tatsachen (Noven). Im Beschwerdeverfahren gilt im Hinblick auf Tatsachen, welche die Nichtigkeit eines privatrechtlichen RechtsGeschäfts begründen, grundsätzlich das umfassende Novenverbot gemäss Art. 326 Abs. 1 ZPO. Die Beschwer- deinstanz hat die Nichtigkeit eines privatrechtlichen RechtsGeschäfts nur insoweit (von Amtes wegen) zu berücksichtigen, als sie sich auf den vorinstanzlich festgestellten (bzw. den im Zuge einer erfolgreichen SachverhaltsRüge korrigierten) Sachverhalt stätzt (vgl. BGer 4A_469/2021 vom 22. April 2022 E. 4.1;
BGer 4A_20/2020 vom 26. Februar 2020 E. 6.2). Vorliegend rechtfertigt es sich indessen, die von der Beschwerdeführerin neu vorgebrachten Tatsachen zuzulassen, zumal sie am vorinstanzlichen Verfahren gar nicht teilgenommen hat und entsprechend keine Gelegenheit hatte, sich zu äussern (vgl. OGer ZH RB210008 vom 13. Dezember 2022 E. II/1c m.w.H.). Zudem dienen die vorgebrachten Tatsachen indirekt auch zur Begründung der Nichtigkeit des angefochtenen Konkurs- Eröffnungsentscheids (vgl. zur Ausnahme vom Novenverbot zwecks Begründung der Nichtigkeit eines Gerichtsentscheids: BGer 5A_744/2022 vom 9. Juni 2023 E. 3.3; BGE 145 III 436 E. 3).
Die Beschwerdegegnerin hat sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht vernehmen lassen (vgl. E. 1.4). Die von der Beschwerdeführerin behaupteten Tatsachen sind entsprechend unbestritten geblieben. darüber hinaus decken sie sich mit der Aktenlage: So ergibt sich die Aktionürsstellung der Beschwerdeführerin aus der von ihr eingereichten Kopie des Aktienkaufvertrags vom 19. September 2022 (act. 13/4) sowie aus dem Auszug aus dem Aktienbuch der Beschwerdegegnerin vom 25. Oktober 2022 (act. 13/3). Dem öffentlich beurkundeten Generalversammlungsbeschluss der Beschwerdegegnerin vom 3. November 2023 lässt sich sodann entnehmen, dass die Versammlung als Universalversammlung abgehalten wurde (act. 2).
Nach dem Gesagten ist erstellt, dass die vermeintliche Universalversammlung der Beschwerdegegnerin vom 3. November 2023 in Abwesenheit einer Aktio-
nürin, Nämlich der Beschwerdeführerin, durchgefährt wurde. Somit erweist sich der gefasste Beschluss, wonach die Gesellschaft aufzulösen und zu diesem Zweck beim Bezirksgericht Meilen eine InsolvenzErklärung nach Art. 191 SchKG abzugeben sei, als nichtig.
Wie nachfolgend aufzuzeigen ist, zieht die Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses vom 3. November 2023 die Nichtigkeit des vorinstanzlichen KonkursEröffnungsentscheids nach sich.
4.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Gerichtsentscheid nichtig, wenn der ihm anhaftende Mangel besonders schwer wiegt, offensichtlich zumindest leicht erkennbar ist und die Feststellung der Nichtigkeit die Rechtssicherheit nicht ernsthaft gefährdet. Als NichtigkeitsGründe fallen vorab die funktionelle sachliche Unzuständigkeit der entscheidenden Behörde sowie krasse Verfahrensfehler in Betracht. Inhaltliche Mängel einer Entscheidung führen nur ausnahmsweise zu deren Nichtigkeit (vgl. BGE 148 II 564 E. 7.2; BGE 145 III 436 E. 4).
Mit Bezug auf den angefochtenen KonkursEröffnungsentscheid ist zu- nächst festzuhalten, dass eine Schuldnerin, welche gestützt auf Art. 191 SchKG die KonkursEröffnung über sich selber beantragt, ihre Zahlungsunfähigkeit erklären muss. Handelt es ich bei der Schuldnerin um eine Aktiengesellschaft, muss sie dem Gericht hierzu einen öffentlich beurkundeten Auflösungsbeschluss der Generalversammlung vorlegen, in welchem diese die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft feststellt und die Abgabe einer InsolvenzErklärung zwecks konkursamtlicher Liquidation beschliesst (Art. 736 Abs. 1 Ziff. 2 OR), sowie eine vom Verwaltungsrat unterzeichnete InsolvenzErklärung (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 6 OR; vgl. zum Ganzen BSK SchKG-BRUNNER/BOLLER/FRITSCHI, Art. 191 N 13a; JAG-
METTI/TALBOT, InsolvenzErklärung juristischer Personen und überschuldungsanzeige, ZZZ 59/2022 S. 264 ff., 266 f.; ähnlich BGer 5A_246/2020 vom 28. Mai 2020 E. 3.1; BGer 5A_625/2015 vom 18. Januar 2016 E. 3.2.3). Die Schuldnerin braucht ihre Zahlungsunfähigkeit jedoch weder zu beweisen noch glaubhaft zu
machen (vgl. BGer 5A_40/2007 vom 23. Mai 2007 E. 4.1; BSK SchKG-BRUN- NER/BOLLER/FRITSCHI, Art. 191 N 9; JAGMETTI /TALBOT, InsolvenzErklärung juristischer Personen und überschuldungsanzeige, ZZZ 59/2022 S. 264 ff., 268). Demgemäss ist das Gericht im Rahmen von Art. 191 SchKG grundsätzlich nicht gehalten, zu prüfen, ob die Schuldnerin tatsächlich Zahlungsunfähig ist.
Beim angefochtenen KonkursEröffnungsentscheid (act. 9) stätzte sich die Vorinstanz korrekterweise einzig auf den öffentlich beurkundeten Generalversammlungsbeschluss vom 3. November 2023 betreffend Auflösung der Gesellschaft (act. 2) sowie die darauf aufbauende InsolvenzErklärung der Beschwerdegegnerin (act. 1). Da sich dieser Generalversammlungsbeschluss als nichtig erweist (vgl. E. 3.5), ist dem KonkursEröffnungsentscheid die Grundlage entzogen. Dies stellt einen derart schwerwiegenden und offensichtlichen Mangel dar, dass der KonkursEröffnungsentscheid als nichtig zu erachten ist. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Vorinstanz die Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses gestützt auf die vorinstanzliche Aktenlage gar nicht erkennen konnte. Schliesslich steht auch die Rechtssicherheit der Annahme der Nichtigkeit nicht entgegen.
5. Im Ergebnis ist festzustellen, dass der vorinstanzliche KonkursEröffnungsentscheid nichtig ist. Damit fällt der Konkurs mit Wirkung ex tunc (Rückwirkend) dahin.
6.
Die Beschwerdeführerin beantragt die Auflage der Kosten und eine Parteientschädigung zulasten der Staatskasse. Sie begründet dies damit, dass ein qualifizierter Verfahrensfehler (nichtiger Generalversammlungsbeschluss) vorliege (vgl. act. 10 S. 16).
Gemäss Art. 107 Abs. 2 ZPO kann das Gericht Gerichtskosten, die weder eine Partei noch Dritte veranlasst haben, aus BilligkeitsGründen dem Kanton auferlegen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kommt eine derartige Kostenauflage jedoch nur in Betracht, wenn ein von der unterliegenden rechtsmittelbeklagten Partei nicht mitverschuldeter grober Verfahrensfehler (Justizpanne)
zur Gutheissung des Rechtsmittels führt und die rechtsmittelbeklagte Partei dar- über hinaus zu erkennen gibt, dass sie sich mit dem angefochtenen Entscheid nicht identifiziert bzw. sich nicht gegen dessen Aufhebung stellt (vgl.
BGer 5A_60/2023 vom 4. April 2023 E. 3.1 und E. 3.2.3; BGE 138 III 471 E. 7).
Vorliegend hat die Beschwerdegegnerin den nichtigen vorinstanzlichen KonkursEröffnungsentscheid verschuldet, indem sie gestützt auf einen nichtigen Generalversammlungsbeschluss einen Antrag auf KonkursEröffnung gemäss Art. 191 SchKG gestellt hat. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren hat sie sich nicht vernehmen lassen und sich entsprechend auch nicht vom Konkurseröff- nungsentscheid distanziert. Von einer Justizpanne kann zudem keine Rede sein, da es der Vorinstanz im Gegensatz zur Beschwerdegegnerin nicht möglich gewesen wäre, die Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses zu erken- nen. Angesichts dessen, dass der nunmehr für nichtig erklärte Konkurseröff- nungsentscheid auf Antrag und im Interesse der Beschwerdegegnerin ergangen
ist, ist sie vorliegend als unterliegend zu erachten. Folglich rechtfertigt es sich, die zweitinstanzliche Entscheidgebühr in Anwendung von Art. 52 lit. b SchKG i.V.m. Art. 61 Abs. 1 SchKG auf Fr. 750 festzusetzen und gestützt auf Art. 106 Abs. 1 ZPO der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen.
Die Zivilprozessordnung sieht eine Parteientschädigung zulasten des Kantons nicht ausDrücklich vor. Art. 107 Abs. 2 ZPO erlaubt es lediglich, dem Kanton aus BilligkeitsGründen Gerichtskosten aufzuerlegen. Hingegen bietet diese Bestimmung grundsätzlich keine Grundlage dafür, den Kanton zur Leistung einer Parteientschädigung zu verpflichten (vgl. OGer ZH PS220210 vom 24. August 2023 E. 3.1; vgl. auch BGE 140 III 385 E. 4.1, wonach es jedenfalls nicht willkürlich ist, Art. 107 Abs. 2 ZPO nur in Bezug auf Gerichtskosten anzuwenden; offengelassen in BGer 5A_60/2023 vom 4. April 2023 E. 3.3). Nichtsdestotrotz hat das Bundesgericht die Zusprechung einer Parteientschädigung zulasten des Kantons in bestimmten Konstellationen geschätzt, namentlich in Rechtsmittelverfahren, in denen der Erstinstanz eine ähnliche Stellung wie einer Gegenpartei zukommt, beispielsweise bei Rechtsmitteln gegen Entscheide, die im nichtstreitigen Einparteienverfahren ergangen sind (vgl. BGE 142 III 110 E. 3.3) bei Fällen von
Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung (vgl. BGE 142 III 110 E. 3.2 m.w.H.); ebenso in einem Fall, in welchem sich die Erstinstanz zu Unrecht für sachlich unzuständig erklärte, obschon keine der Parteien einen entsprechenden Antrag gestellt hatte (vgl. BGE 138 III 471 E. 7).
Vorliegend ist keine vergleichbare Konstellation gegeben. Die Beschwerdegegnerin hat den nichtigen KonkursEröffnungsentscheid verschuldet, tritt im Beschwerdeverfahren als formelle Gegenpartei auf und unterliegt (vgl. E. 6.3). Folglich ist der Antrag der Beschwerdeführerin auf eine Parteientschädigung zulasten der Staatskasse abzuweisen. Eine Parteientschädigung zulasten der Beschwer- degegnerin kann ihr mangels Antrag nicht zugesprochen werden (BGE 139 III 334 E. 4.3).
Es wird erkannt:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Einzelgerichts des Bezirksgerichts Meilen vom 8. November 2023, 11:15 Uhr, betreffend InsolvenzErklärung, mit dem über die Beschwerdegegnerin der Konkurs eröffnet wurde, nichtig ist.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 750 festgesetzt und mit dem von der Beschwerdeführerin geleisteten Vorschuss verrechnet. Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin Fr. 750 zu ersetzen.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an
die Beschwerdeführerin,
die Beschwerdegegnerin unter Beilage von Kopien von act. 2224,
die Vorinstanz,
das Konkursamt Küsnacht,
das Handelsregisteramt des Kantons Zürich (im Urteilsdispositiv und mit besonderer Anzeige),
das Betreibungsamt Meilen-Herrliberg-Erlenbach (mit besonderer Anzeige),
die Grundbuchämter des Bezirks Meilen (Küsnacht, Männedorf, Meilen, Riesbach-Zürich und Stöfa; mit besonderer Anzeige).
Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist in- nert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder
Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um einen Entscheid des Konkursoder Nachlassrichters der Konkursoder Nachlassrichterin im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. d BGG.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw L. Jauch versandt am:
23. Januar 2024
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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