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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:PS230227
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid PS230227 vom 23.01.2024 (ZH)
Datum:23.01.2024
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Insolvenzerklärung
Schlagwörter : Beschwerde; Konkurs; Beschwerdegegnerin; öffnung; Konkurseröffnung; Schwerdeführerin; Beschwerdeführerin; Nichtigkeit; Generalversammlung; Konkurseröffnungsentscheid; Nichtig; SchKG; Generalversammlungsbeschluss; Partei; Insolvenzerklärung; Gericht; Parteien; Vorinstanzlich; Vorinstanzliche; Kanton; Verfahren; Meilen; Vorinstanz; Parteientschädigung; Entscheid; Vorinstanzlichen; Amtes; Generalversammlungsbeschlusses; Rechtsmittel; Nichtige
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 107 ZPO ; Art. 147 ZPO ; Art. 174 KG ; Art. 191 KG ; Art. 232 KG ; Art. 326 ZPO ; Art. 61 KG ; Art. 706b OR ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:137 III 460; 138 III 471; 139 III 334; 140 III 385; 142 III 110; 145 III 436; 148 II 564; 149 III 186;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: PS230227-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende,

Oberrichter lic. iur. et phil. D. Glur und Ersatzrichterin

lic. iur. N. Jeker sowie Gerichtsschreiberin MLaw L. Jauch

Urteil vom 23. Januar 2024

in Sachen

  1. ,

    Beschwerdeführerin

    vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. HSG X. ,

    gegen

  2. AG,

Gesuchstellerin und Beschwerdegegnerin betreffend Insolvenzerklärung

Beschwerde gegen ein Urteil des Einzelgerichtes im summarischen Verfah- ren (Konkurssachen) des Bezirksgerichtes Meilen vom 8. November 2023 (EK230294)

Erwägungen:

1.

    1. Mit Eingabe vom 8. November 2023 (gleichentags persönlich überbracht; act. 1; samt Beilagen, act. 2–4) erklärte sich die Gesuchstellerin und Beschwerdegegnerin (fortan: Beschwerdegegnerin) beim Einzelgericht des Bezirksgerichts Meilen (fortan: Vorinstanz) zahlungsunfähig und beantragte die Konkurseröffnung gemäss Art. 191 SchKG. Mit Urteil vom 8. November 2023, 11:15 Uhr, eröffnete die Vorinstanz über die Beschwerdegegnerin den Konkurs und beauftragte das Konkursamt Küsnacht mit dem Vollzug (act. 6 = act. 9 [Aktenexemplar] = act. 11).

    2. Mit Eingabe vom 20. November 2023 (ebenso Datum des Poststempels; act. 10; samt Beilagen, act. 11, act. 12, act. 13/3–17) erhob die Beschwerdeführe- rin als Gläubigerin die vorliegende Beschwerde, wobei sie in der Sache die Aufhe- bung des vorinstanzlichen Konkurseröffnungsentscheids verlangt. Zugleich bean- tragte sie, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nach Art. 174

      Abs. 3 SchKG zu erteilen und es seien die zum Schutz der Gläubiger notwendi- gen vorsorglichen Massnahmen zu treffen (vgl. act. 10 S. 2).

    3. Mit Verfügung vom 24. November 2023 (act. 15) wurde das Gesuch um Er- teilung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen. Ferner wurde der Beschwerde- führerin Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 750.– angesetzt, wel- cher rechtzeitig eingegangen ist (act. 17).

    4. Mit Verfügung vom 15. Dezember 2023 (act. 18) wurde der Beschwerde- gegnerin eine Frist von 10 Tagen zur Beantwortung der Beschwerde angesetzt. Diese Verfügung wurde der Beschwerdegegnerin am 18. Dezember 2023 zuge- stellt (act. 19), womit die Beschwerdefrist am 28. Dezember 2023 abgelaufen ist. Da die Beschwerdegegnerin sich nicht hat vernehmen lassen, wird das Verfahren androhungsgemäss ohne die versäumte Beschwerdeantwort weitergeführt (vgl. Art. 147 Abs. 2 ZPO).

    5. Mit Eingabe vom 22. Januar 2024 (ebenso Datum des Poststempels; act. 22; samt per E-Mail nachgereichter Vollmacht, act. 23–24) zeigte die Be-

      schwerdeführerin an, dass sie neu von Rechtsanwältin lic. iur. HSG X. ver- treten wird, weshalb das Rubrum entsprechend anzupassen ist.

    6. Die vorinstanzlichen Akten wurden von Amtes wegen beigezogen (act. 1–7). Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

2.

    1. Ein Konkurseröffnungsentscheid kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO angefochten werden (Art. 174 Abs. 1 SchKG i.V.m. Art. 319 ff. ZPO). Der vorinstanzliche Konkurseröffnungsentscheid wurde der Beschwerde- führerin als Gläubigerin nicht direkt mitgeteilt, jedoch am tt.mm.2023 im Handels- register eingetragen (act. 20). Die vorläufige Konkursanzeige wurde am tt.mm.2023 im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) publiziert (act. 21). Die Beschwerde vom 20. November 2023 erfolgte damit rechtzeitig, wobei offen blei- ben kann, ob gestützt auf die noch ausstehende definitive Konkursanzeige ge- mäss Art. 232 SchKG oder unter Berücksichtigung besonderer Beschwerde- gründe, namentlich Nichtigkeit und/oder Rechtsmissbräuchlichkeit der Insolvenz- erklärung, eine spätere Beschwerde zulässig gewesen wäre.

    2. Nach dem Wortlaut von Art. 174 Abs. 1 SchKG sind die Parteien zur Beschwerde gegen einen Konkurseröffnungsentscheid legitimiert. Damit sind die Schuldnerin sowie die am Konkurseröffnungsverfahren beteiligten Gläubiger ge- meint (vgl. BSK SchKG-GIROUD/THEUS SIMONI, Art. 174 N 14). Hingegen sind Drittgläubigerinnen grundsätzlich nicht beschwerdeberechtigt (vgl. BGE 149 III 186 E. 3.2.3 und E. 3.4.3).

    3. Die Beschwerdeführerin hat als Gläubigerin naturgemäss nicht am vorin- stanzlichen Konkurseröffnungsverfahren gemäss Art. 191 SchKG teilgenommen. Sie leitet ihre Beschwerdelegitimation indessen aus dem Umstand ab, dass sie sich einerseits auf die Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses und an- dererseits auf die Rechtsmissbräuchlichkeit der Insolvenzerklärung beruft, welche dem Konkurseröffnungsentscheid zugrunde liegen. Zusammengefasst macht die Beschwerdeführerin geltend, sie habe am 19. September 2022 mit C. , dem damaligen Alleinaktionär und einzigen Verwaltungsratsmitglied der Beschwerde- gegnerin, einen Aktienkaufvertrag (Share Purchase Agreement) abgeschlossen. Dabei hätten die Parteien vereinbart, dass die Beschwerdeführerin 15 Namenak- tien der Beschwerdegegnerin à je Fr. 1'000.– zum Kaufpreis von Fr. 250'000.– er- werben würde, wobei 70% des Kaufpreises, also Fr. 175'000.–, für eine Kapitaler- höhung bei der Beschwerdegegnerin eingesetzt werden sollten. In der Folge habe

      die Beschwerdeführerin den gesamten vereinbarten Kaufpreis bezahlt, 15 Name- naktien der Beschwerdegegnerin übertragen erhalten und sei als Aktionärin in de- ren Aktienbuch eingetragen worden. Die vereinbarte Kapitalerhöhung sei aller- dings nicht erfolgt. Da sich die Beschwerdegegnerin geweigert habe, den Betrag von Fr. 175'000.– zurückzuzahlen, habe die Beschwerdeführerin Betreibung ein- geleitet und – nach erfolgtem Rechtsvorschlag – am 4. Oktober 2023 ein Schlich- tungsgesuch gegen die Beschwerdegegnerin und gegen C. eingereicht. Die Schlichtungsverhandlung sei auf den 1. Dezember 2023 angesetzt worden. Die Tatsache, dass die Beschwerdegegnerin kurz vor der Schlichtungsverhandlung die Konkurseröffnung beantragt habe, zeuge von Rechtsmissbrauch (vgl. act. 10

      S. 3–5). Zudem sei die Beschwerdeführerin zur ausserordentlichen Generalver- sammlung vom 3. November 2023, an der die Zahlungsunfähigkeit der Beschwer- degegnerin festgestellt und deren Auflösung beschlossen worden sei, weder ein- geladen worden noch habe sie daran teilgenommen. Aus diesem Grund sei die- ser Generalversammlungsbeschluss nichtig (vgl. act. 10 S. 5). Die Konkurseröff- nung beruhe demnach auf einem nichtigen Generalversammlungsbeschluss und einer rechtsmissbräuchlichen Insolvenzerklärung. Zudem bedeute die Konkurser- öffnung für die Beschwerdeführerin einen schweren Nachteil, da sie ihr verun- mögliche, ihre Rechte gegen die Beschwerdegegnerin im Rahmen des erwähnten Schlichtungsverfahrens durchzusetzen (vgl. act. 10 S. 7).

    4. Die Nichtigkeit eines staatlichen Akts – z.B. eines Gerichtsentscheids – ist von staatlichen Behörden jederzeit von Amtes wegen zu beachten, sofern sie für die zu treffende Anordnung vorfrageweise relevant ist. Die übergeordnete Rechts- mittelinstanz kann die Nichtigkeit eines staatlichen Akts zudem jederzeit von Am- tes wegen im Dispositiv feststellen, etwa auf Anzeige einer nicht betroffenen bzw. nicht zu einem Rechtsmittel legitimierten Drittperson (vgl. OGer ZH PS230062 vom 8. Mai 2023 E. 2; BGer 4A_385/2021 vom 13. Januar 2022 E. 7.1.2). Auch die Nichtigkeit privatrechtlicher Akte ist vorfrageweise von Amtes wegen zu be- achten (vgl. E. 3.3 zur Zulässigkeit von Noven zwecks Begründung der Nichtig- keit). Hingegen setzt deren Feststellung im Dispositiv ein entsprechendes Begeh- ren und ein Rechtsschutzinteresse voraus (vgl. BGer 4A_295/2021 vom 28. März 2022 E. 4.4 mit Bezug auf nichtige Generalversammlungsbeschlüsse einer Aktiengesellschaft; BGer 4A_385/2021 vom 13. Januar 2022 E. 7.1.2;

      BGer 5A_686/2016 vom 28. März 2017 E. 2.1).

    5. Vorliegend beruft sich die Beschwerdeführerin auf die Nichtigkeit eines pri- vatrechtlichen Akts, nämlich des Generalversammlungsbeschlusses der Beschwerdegegnerin vom 3. November 2023. Sie macht nicht geltend, der darauf beruhende Konkurseröffnungsentscheid sei ebenfalls nichtig, sondern begehrt dessen Aufhebung. Wie nachfolgend darzulegen ist, zieht die Nichtigkeit des Ge- neralversammlungsbeschlusses – welche im vorliegenden Fall vorfrageweise zu bejahen ist – jedoch auch die Nichtigkeit des Konkurseröffnungsentscheids nach sich (vgl. E. 3 f.), was im Lichte der zitierten Rechtsprechung von Amtes wegen zu beachten ist. Weitergehende Erwägungen zur Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin erübrigen sich.

3.

    1. Art. 706b OR zählt exemplarisch auf, welche Beschlüsse der Generalver- sammlung einer Aktiengesellschaft nichtig sind. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können neben den ausdrücklich aufgeführten schweren Mängeln inhaltlicher Natur auch schwerwiegende formelle Mängel in der Beschlussfassung zur Nichtigkeit führen. Insbesondere stellt die fehlende Einladung auch nur einer Aktionärin zur Generalversammlung einen schwerwiegenden formellen Mangel dar, und zwar unabhängig davon, ob die Nichteingeladene die gefassten Beschlüsse mit ihrer Stimmkraft hätte verhindern können. Dasselbe gilt für die Beschlussfassung als (vermeintliche) Universalversammlung in Abwesenheit auch nur einer Aktionärin. Beide Mängel bewirken die Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse (vgl. BGE 137 III 460 E. 3.3.2).

    2. Vorliegend behauptet die Beschwerdeführerin, sie sei als Aktionärin der Beschwerdegegnerin in deren Aktienbuch eingetragen, jedoch zur ausserordentli- chen Generalversammlung vom 3. November 2023 weder per Brief noch per

      E-Mail, Telefax oder anderweitig eingeladen worden (vgl. act. 10 S. 5, 9). Ebenso wenig habe sie daran teilgenommen. Der gefasste Beschluss liege ihr nicht vor, weshalb für sie nicht ersichtlich sei, ob die ausserordentliche Generalversammlung angeblich ordentlich einberufen worden sei oder als Universalversammlung stattgefunden habe (vgl. act. 10 S. 9).

    3. Bei den Behauptungen der Beschwerdeführerin handelt es sich um neue Tatsachen (Noven). Im Beschwerdeverfahren gilt im Hinblick auf Tatsachen, wel- che die Nichtigkeit eines privatrechtlichen Rechtsgeschäfts begründen, grundsätz- lich das umfassende Novenverbot gemäss Art. 326 Abs. 1 ZPO. Die Beschwer- deinstanz hat die Nichtigkeit eines privatrechtlichen Rechtsgeschäfts nur insoweit (von Amtes wegen) zu berücksichtigen, als sie sich auf den vorinstanzlich festge- stellten (bzw. den im Zuge einer erfolgreichen Sachverhaltsrüge korrigierten) Sachverhalt stützt (vgl. BGer 4A_469/2021 vom 22. April 2022 E. 4.1;

      BGer 4A_20/2020 vom 26. Februar 2020 E. 6.2). Vorliegend rechtfertigt es sich indessen, die von der Beschwerdeführerin neu vorgebrachten Tatsachen zuzulas- sen, zumal sie am vorinstanzlichen Verfahren gar nicht teilgenommen hat und entsprechend keine Gelegenheit hatte, sich zu äussern (vgl. OGer ZH RB210008 vom 13. Dezember 2022 E. II/1c m.w.H.). Zudem dienen die vorgebrachten Tat- sachen indirekt auch zur Begründung der Nichtigkeit des angefochtenen Konkurs- eröffnungsentscheids (vgl. zur Ausnahme vom Novenverbot zwecks Begründung der Nichtigkeit eines Gerichtsentscheids: BGer 5A_744/2022 vom 9. Juni 2023 E. 3.3; BGE 145 III 436 E. 3).

    4. Die Beschwerdegegnerin hat sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht vernehmen lassen (vgl. E. 1.4). Die von der Beschwerdeführerin behaupte- ten Tatsachen sind entsprechend unbestritten geblieben. Darüber hinaus decken sie sich mit der Aktenlage: So ergibt sich die Aktionärsstellung der Beschwerde- führerin aus der von ihr eingereichten Kopie des Aktienkaufvertrags vom 19. Sep- tember 2022 (act. 13/4) sowie aus dem Auszug aus dem Aktienbuch der Beschwerdegegnerin vom 25. Oktober 2022 (act. 13/3). Dem öffentlich beurkunde- ten Generalversammlungsbeschluss der Beschwerdegegnerin vom 3. November 2023 lässt sich sodann entnehmen, dass die Versammlung als Universalver- sammlung abgehalten wurde (act. 2).

    5. Nach dem Gesagten ist erstellt, dass die vermeintliche Universalversamm- lung der Beschwerdegegnerin vom 3. November 2023 in Abwesenheit einer Aktio-

närin, nämlich der Beschwerdeführerin, durchgeführt wurde. Somit erweist sich der gefasste Beschluss, wonach die Gesellschaft aufzulösen und zu diesem Zweck beim Bezirksgericht Meilen eine Insolvenzerklärung nach Art. 191 SchKG abzugeben sei, als nichtig.

Wie nachfolgend aufzuzeigen ist, zieht die Nichtigkeit des Generalversamm- lungsbeschlusses vom 3. November 2023 die Nichtigkeit des vorinstanzlichen Konkurseröffnungsentscheids nach sich.

4.

    1. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Gerichtsentscheid nichtig, wenn der ihm anhaftende Mangel besonders schwer wiegt, offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und die Feststellung der Nichtigkeit die Rechtssicherheit nicht ernsthaft gefährdet. Als Nichtigkeitsgründe fallen vorab die funktionelle oder sachliche Unzuständigkeit der entscheidenden Behörde sowie krasse Verfahrensfehler in Betracht. Inhaltliche Mängel einer Entscheidung führen nur ausnahmsweise zu deren Nichtigkeit (vgl. BGE 148 II 564 E. 7.2; BGE 145 III 436 E. 4).

    2. Mit Bezug auf den angefochtenen Konkurseröffnungsentscheid ist zu- nächst festzuhalten, dass eine Schuldnerin, welche gestützt auf Art. 191 SchKG die Konkurseröffnung über sich selber beantragt, ihre Zahlungsunfähigkeit erklä- ren muss. Handelt es ich bei der Schuldnerin um eine Aktiengesellschaft, muss sie dem Gericht hierzu einen öffentlich beurkundeten Auflösungsbeschluss der Generalversammlung vorlegen, in welchem diese die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft feststellt und die Abgabe einer Insolvenzerklärung zwecks konkur- samtlicher Liquidation beschliesst (Art. 736 Abs. 1 Ziff. 2 OR), sowie eine vom Verwaltungsrat unterzeichnete Insolvenzerklärung (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 6 OR; vgl. zum Ganzen BSK SchKG-BRUNNER/BOLLER/FRITSCHI, Art. 191 N 13a; JAG-

      METTI/TALBOT, Insolvenzerklärung juristischer Personen und Überschuldungsan- zeige, ZZZ 59/2022 S. 264 ff., 266 f.; ähnlich BGer 5A_246/2020 vom 28. Mai 2020 E. 3.1; BGer 5A_625/2015 vom 18. Januar 2016 E. 3.2.3). Die Schuldnerin braucht ihre Zahlungsunfähigkeit jedoch weder zu beweisen noch glaubhaft zu

      machen (vgl. BGer 5A_40/2007 vom 23. Mai 2007 E. 4.1; BSK SchKG-BRUN- NER/BOLLER/FRITSCHI, Art. 191 N 9; JAGMETTI /TALBOT, Insolvenzerklärung juristi- scher Personen und Überschuldungsanzeige, ZZZ 59/2022 S. 264 ff., 268). Dem- gemäss ist das Gericht im Rahmen von Art. 191 SchKG grundsätzlich nicht gehal- ten, zu prüfen, ob die Schuldnerin tatsächlich zahlungsunfähig ist.

    3. Beim angefochtenen Konkurseröffnungsentscheid (act. 9) stützte sich die Vorinstanz – korrekterweise – einzig auf den öffentlich beurkundeten Generalver- sammlungsbeschluss vom 3. November 2023 betreffend Auflösung der Gesell- schaft (act. 2) sowie die darauf aufbauende Insolvenzerklärung der Beschwerde- gegnerin (act. 1). Da sich dieser Generalversammlungsbeschluss als nichtig er- weist (vgl. E. 3.5), ist dem Konkurseröffnungsentscheid die Grundlage entzogen. Dies stellt einen derart schwerwiegenden und offensichtlichen Mangel dar, dass der Konkurseröffnungsentscheid als nichtig zu erachten ist. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Vorinstanz die Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses gestützt auf die vorinstanzliche Aktenlage gar nicht erkennen konnte. Schliesslich steht auch die Rechtssicherheit der Annahme der Nichtigkeit nicht entgegen.

5. Im Ergebnis ist festzustellen, dass der vorinstanzliche Konkurseröffnungs- entscheid nichtig ist. Damit fällt der Konkurs mit Wirkung ex tunc (rückwirkend) dahin.

6.

    1. Die Beschwerdeführerin beantragt die Auflage der Kosten und eine Partei- entschädigung zulasten der Staatskasse. Sie begründet dies damit, dass ein qualifizierter Verfahrensfehler (nichtiger Generalversammlungsbeschluss) vor- liege (vgl. act. 10 S. 16).

    2. Gemäss Art. 107 Abs. 2 ZPO kann das Gericht Gerichtskosten, die weder eine Partei noch Dritte veranlasst haben, aus Billigkeitsgründen dem Kanton auf- erlegen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kommt eine derartige Kostenauflage jedoch nur in Betracht, wenn ein von der unterliegenden rechtsmit- telbeklagten Partei nicht mitverschuldeter grober Verfahrensfehler (Justizpanne)

      zur Gutheissung des Rechtsmittels führt und die rechtsmittelbeklagte Partei dar- über hinaus zu erkennen gibt, dass sie sich mit dem angefochtenen Entscheid nicht identifiziert bzw. sich nicht gegen dessen Aufhebung stellt (vgl.

      BGer 5A_60/2023 vom 4. April 2023 E. 3.1 und E. 3.2.3; BGE 138 III 471 E. 7).

    3. Vorliegend hat die Beschwerdegegnerin den nichtigen vorinstanzlichen Konkurseröffnungsentscheid verschuldet, indem sie gestützt auf einen nichtigen Generalversammlungsbeschluss einen Antrag auf Konkurseröffnung gemäss Art. 191 SchKG gestellt hat. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren hat sie sich nicht vernehmen lassen und sich entsprechend auch nicht vom Konkurseröff- nungsentscheid distanziert. Von einer Justizpanne kann zudem keine Rede sein, da es der Vorinstanz – im Gegensatz zur Beschwerdegegnerin – nicht möglich gewesen wäre, die Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses zu erken- nen. Angesichts dessen, dass der nunmehr für nichtig erklärte Konkurseröff- nungsentscheid auf Antrag und im Interesse der Beschwerdegegnerin ergangen

      ist, ist sie vorliegend als unterliegend zu erachten. Folglich rechtfertigt es sich, die zweitinstanzliche Entscheidgebühr in Anwendung von Art. 52 lit. b SchKG i.V.m. Art. 61 Abs. 1 SchKG auf Fr. 750.– festzusetzen und gestützt auf Art. 106 Abs. 1 ZPO der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen.

    4. Die Zivilprozessordnung sieht eine Parteientschädigung zulasten des Kan- tons nicht ausdrücklich vor. Art. 107 Abs. 2 ZPO erlaubt es lediglich, dem Kanton aus Billigkeitsgründen Gerichtskosten aufzuerlegen. Hingegen bietet diese Bestimmung grundsätzlich keine Grundlage dafür, den Kanton zur Leistung einer Parteientschädigung zu verpflichten (vgl. OGer ZH PS220210 vom 24. August 2023 E. 3.1; vgl. auch BGE 140 III 385 E. 4.1, wonach es jedenfalls nicht willkür- lich ist, Art. 107 Abs. 2 ZPO nur in Bezug auf Gerichtskosten anzuwenden; offen- gelassen in BGer 5A_60/2023 vom 4. April 2023 E. 3.3). Nichtsdestotrotz hat das Bundesgericht die Zusprechung einer Parteientschädigung zulasten des Kantons in bestimmten Konstellationen geschützt, namentlich in Rechtsmittelverfahren, in denen der Erstinstanz eine ähnliche Stellung wie einer Gegenpartei zukommt, beispielsweise bei Rechtsmitteln gegen Entscheide, die im nichtstreitigen Einpar- teienverfahren ergangen sind (vgl. BGE 142 III 110 E. 3.3) oder bei Fällen von

      Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung (vgl. BGE 142 III 110 E. 3.2 m.w.H.); ebenso in einem Fall, in welchem sich die Erstinstanz zu Unrecht für sachlich unzuständig erklärte, obschon keine der Parteien einen entsprechenden Antrag gestellt hatte (vgl. BGE 138 III 471 E. 7).

    5. Vorliegend ist keine vergleichbare Konstellation gegeben. Die Beschwerde- gegnerin hat den nichtigen Konkurseröffnungsentscheid verschuldet, tritt im Beschwerdeverfahren als formelle Gegenpartei auf und unterliegt (vgl. E. 6.3). Folg- lich ist der Antrag der Beschwerdeführerin auf eine Parteientschädigung zulasten der Staatskasse abzuweisen. Eine Parteientschädigung zulasten der Beschwer- degegnerin kann ihr mangels Antrag nicht zugesprochen werden (BGE 139 III 334 E. 4.3).

Es wird erkannt:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Einzelgerichts des Bezirksgerichts Meilen vom 8. November 2023, 11:15 Uhr, betreffend Insolvenzerklärung, mit dem über die Beschwerdegegnerin der Konkurs eröffnet wurde, nichtig ist.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 750.– festgesetzt und mit dem von der Beschwerdeführerin geleisteten Vorschuss verrechnet. Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin Fr. 750.– zu ersetzen.

  3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an

    • die Beschwerdeführerin,

    • die Beschwerdegegnerin unter Beilage von Kopien von act. 22–24,

    • die Vorinstanz,

    • das Konkursamt Küsnacht,

    • das Handelsregisteramt des Kantons Zürich (im Urteilsdispositiv und mit besonderer Anzeige),

    • das Betreibungsamt Meilen-Herrliberg-Erlenbach (mit besonderer An- zeige),

    • die Grundbuchämter des Bezirks Meilen (Küsnacht, Männedorf, Mei- len, Riesbach-Zürich und Stäfa; mit besonderer Anzeige).

      Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist in- nert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder

Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um einen Entscheid des Konkurs- oder Nachlassrichters oder der Konkurs- oder Nachlassrichterin im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. d BGG.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw L. Jauch versandt am:

23. Januar 2024

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