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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils PS220125: Obergericht des Kantons Zürich

Der Beschwerdeführer bat um Verschiebung einer Ergänzungspfändung, die das Betreibungsamt ablehnte. Die Vorinstanz gab der Beschwerde des Beschwerdeführers statt und bestellte einen Rechtsvertreter für die Pfändung. Der Beschwerdeführer wehrte sich dagegen und argumentierte, dass keine rechtliche Grundlage für die Bestellung eines Rechtsvertreters im Betreibungsverfahren bestehe. Das Obergericht des Kantons Zürich entschied zugunsten des Beschwerdeführers und hob die Bestellung des Rechtsvertreters auf. Es wurden keine Kosten erhoben.

Urteilsdetails des Kantongerichts PS220125

Kanton:ZH
Fallnummer:PS220125
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid PS220125 vom 28.11.2022 (ZH)
Datum:28.11.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Beschwerde (Beschwerde über das Betreibungsamt Winterthur-Stadt)
Schlagwörter : SchKG; Beschwerde; Pfändung; Rechtsvertreter; Schuldner; Vorinstanz; Ergänzungspfändung; Verfahren; Schuldbetreibung; Konkurs; Betreibungsamt; Beschwerdeführers; Entscheid; Betreibungsverfahren; Aufsichtsbehörde; Winterthur; Kanton; Urteil; Rechtsanwalt; Obergericht; Kantons; Betreibungshandlungen; Bestimmungen; Schuldners; Ziffer; Oberrichter; Winterthur-Stadt; Verfügung; Eingabe
Rechtsnorm:Art. 110 KG ;Art. 20a KG ;Art. 22 KG ;Art. 320 ZPO ;Art. 326 ZPO ;Art. 69 ZPO ;Art. 90 BGG ;Art. 91 KG ;
Referenz BGE:112 III 14;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts PS220125

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs

Geschäfts-Nr.: PS220125-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichter Dr. M. Sarbach und Oberrichter Dr. E. Pahud sowie Gerichtsschreiber MLaw B. Lakic

Urteil vom 28. November 2022

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer

betreffend Beschwerde

(Beschwerde über das Betreibungsamt Winterthur-Stadt)

Beschwerde gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Winterthur vom 13. Juli 2022 (CB220010)

Erwägungen:

    1. Mit Schreiben vom 16. Juni 2022 ersuchte der Beschwerdeführer beim Betreibungsamt Winterthur-Stadt um Verschiebung der auf den 23. Juni 2022 angesetzten Ergänzungspfändung in seiner Liegenschaft (act. 2/3). Mit Verfügung vom 17. Juni 2022 wies das Betreibungsamt den Antrag des Beschwerdeführers ab (act. 2/1). Dagegen erhob der Beschwerdeführer bei der Vorinstanz als untere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs mit Eingabe vom

      20. Juni 2022 Beschwerde (act. 1 und act. 1a). Zudem ersuchte er um Erteilung der aufschiebenden Wirkung.

    2. Mit Verfügung vom 21. Juni 2022 erteilte die Vorinstanz unter anderem der Beschwerde aufschiebende Wirkung und setzte dem Beschwerdeführer eine einmalige und nicht erstreckbare Frist an, um einen Rechtsbeistand zu bestellen, zu bevollmächtigen und ihr entsprechend Mitteilung zu machen (act. 3). Mit Eingabe vom 4. Juli 2022 nahm der Beschwerdeführer Stellung, ohne einen Rechtsbeistand zu bestellen (act. 5). Mit Urteil vom 13. Juli 2022 hiess die Vorinstanz die Beschwerde gut, soweit sie darauf eintrat (Dispositiv-Ziffer 1 von act. 8 = act. 11 = act. 13; fortan act. 11). Zudem wurde dem Beschwerdeführer in der Person von Rechtsanwalt lic. iur. X. für die Ergänzungspfändung und weitere Betreibungshandlungen (auch gegenüber seiner Ehefrau) ein Rechtsvertreter bestellt (Dispositiv-Ziffer 2 von act. 11).

    1. Gegen die Bestellung eines Rechtsvertreter wehrt sich der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 28. Juli 2022 (Datum Poststempel) fristgerecht beim Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs (act. 12; zur Rechtzeitigkeit vgl. act. 9). In prozessualer Hinsicht beantragte er, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

    2. Mit Verfügung vom 29. Juli 2022 wurde der Beschwerde die aufschieben- de Wirkung gewährt und die Prozessleitung delegiert (act. 15). Die vorinstanzlichen Akten wurden von Amtes wegen beigezogen (act. 1 – 9). Das Verfahren ist spruchreif. Auf die Ausführungen des Beschwerdeführers und der Vorinstanz ist

nur soweit einzugehen, als sie für den vorliegenden Beschwerdeentscheid relevant sind.

3.1. Das Verfahren der Aufsichtsbeschwerde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen richtet sich nach den Bestimmungen von Art. 20a Abs. 2 SchKG. Soweit Art. 20a Abs. 2 SchKG keine Bestimmungen enthält, regeln die Kantone das Verfahren (Art. 20a Abs. 3 SchKG; BSK SchKG I-COMETTA/MÖCKLI, 3. Aufl. 2021, Art. 20a N 38). Im Kanton Zürich richtet sich das Beschwerdeverfahren gemäss

§ 18 EG SchKG nach § 83 f. GOG. Dabei ist der Sachverhalt von Amtes wegen zu untersuchen und es sind die Bestimmungen der ZPO sinngemäss anwendbar (§ 83 Abs. 3 GOG). Es gilt jedoch – unter Vorbehalt von Nichtigkeitsgründen (Art. 22 SchKG) – die Dispositionsmaxime (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 3 SchKG). Da- nach darf die Aufsichtsbehörde einer Partei nicht mehr und nichts anderes zusprechen, als sie verlangt. Der Beschwerdeführer bestimmt, was er von den Be-

hörden zu erhalten sucht; daran sind diese gebunden (KUKO SchKG-DIETH/WOHL,

2. Aufl. 2014, Art. 20a N 9 m.w.H.). Für den Weiterzug an das Obergericht gelten insbesondere die Bestimmungen über die Beschwerde gemäss Art. 319 ff. ZPO (§ 84 GOG).

3.2 Die Beschwerde ist bei der Rechtsmittelinstanz innert der Rechtsmittelfrist schriftlich, mit Anträgen versehen und begründet einzureichen (Art. 321

Abs. 1 ZPO). Mit der Beschwerde kann die unrichtige Rechtsanwendung und die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO). Neue Tatsachen und Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (Art. 326 ZPO, vgl. OGer ZH PS110019 vom 21. Februar 2011 E. 3.4; OGer ZH PS180175 vom 18. Dezember 2018 E. 4.3).

    1. Die Vorinstanz bestellte dem Beschwerdeführer für die Ergänzungspfän- dung und weitere Betreibungshandlungen – auch gegenüber seiner Ehefrau – von Amtes wegen einen Rechtsvertreter. Sie begründete ihren Entscheid zusammengefasst damit, der Beschwerdeführer sei mehrmals – auch bereits in einem Entscheid vom 4. März 2022 in einem früheren aufsichtsrechtlichen Verfahren – aufgefordert worden, im gegen ihn laufenden Betreibungsverfahren einen Vertreter zu bezeichnen, sollte er seine geschäftlichen Angelegenheiten in diesem Zusammenhang nicht selbst besorgen können. Nachdem er dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei und aufgrund eines Berichts des Kantonsspitals Winterthur davon ausgegangen werden müsse, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers weiter verschlechtere, sei ernsthaft zu befürchten, er werde sei- ne persönlichen Angelegenheiten in der gegen ihn laufenden Ergänzungspfän- dung nicht mehr selbst besorgen können. Sie sehe sich daher verpflichtet, ihm für die Ergänzungspfändung und das weitere Betreibungsverfahren einen Rechtsvertreter zu bestellen (act. 11 S. 4 f.).

    2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, es fehle an jeglichem Beweis dafür, dass er nicht mehr voll urteilsoder handlungsfähig sei. Dass dem nicht so sei, belege die Tatsache, dass er, wenn auch eingeschränkt, als Rechtsanwalt tätig und in der Lage gewesen sei, die diesem Rechtsmittelverfahren zugrunde liegende Beschwerde zu redigieren, die von der Vorinstanz gutgeheissen worden sei. Um ihm die Fähigkeit abzusprechen, in Betreibungssachen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr handeln zu können, müsste bewiesen werden, dass sein Gesundheitszustand ein Handeln in Betreibungssachen ausschliesse. Davon könne aufgrund der Aktenlage keine Rede sein (act. 12 S. 4 2. Absatz). Die Vorinstanz behaupte nicht, der Beschwerdeführer leide an einer eingeschränkten Hirntätigkeit. Er habe bisher mit Ausnahme der Ergänzungspfändung an sämtlichen Betreibungshandlungen selbst teilgenommen. Dass er sich dabei nicht lege artis verhalten habe, behaupte auch die Vorinstanz nicht. Entsprechend erweise sich die Bestellung eines Rechtsvertreters als unangemessen (act. 12 S. 4 3. Absatz).

  1. Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen die Einsetzung eines Rechtsvertreters für das Betreibungsverfahren und stellt sich auf den Standpunkt, diese sei sach- und rechtswidrig (vgl. act. 12 S. 4 5. Absatz). Eine rechtliche Grundlage, ei- nem Schuldner für das Betreibungsverfahren einen Rechtsvertreter zu bestellen, bietet das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs nicht. Auch das kantonale Einführungsgesetz zu diesem Bundesgesetz enthält keine solche Bestimmung. Die Zivilprozessordnung sieht in ihrem Art. 69 Abs. 1 zwar vor, dass das Gericht eine Partei – bei Unvermögen, den Prozess selbst zu führen – auffordern kann, eine Vertretung zu beauftragen und es bei Säumnis selbst eine Vertretung bestellen kann. Diese Bestimmung ist allerdings nur für das aufsichtsrechtliche Beschwerdeverfahren selbst anwendbar (§ 83 Abs. 3 GOG i.V.m. Art. 69 ZPO); im Rahmen eines SchKG-Verfahrens gilt diese Bestimmung nur im Zusammenhang einer gerichtlichen Angelegenheit (vgl. Art. 1 lit. c ZPO). Mit anderen Worten bietet auch Art. 69 ZPO keine rechtliche Grundlage, für die vorliegend in Frage stehende Ergänzungspfändung resp. weitere Betreibungshandlungen ausserhalb eines gerichtlichen Verfahrens einen Rechtsvertreter zu bestellen.

    Mangels Rechtsgrundlage ist der vorinstanzliche Entscheid in Bezug auf die Bestellung von Rechtsanwalt lic. iur. X. als Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das Betreibungsverfahren aufzuheben.

  2. Der vorinstanzliche Entscheid und das dem zugrunde liegende Betreibungsverfahren gibt zu weiteren Ausführungen Anlass.

    1. Ergänzungspfändungen gemäss Art. 110 Abs. 1 SchKG unterliegen den gewöhnlichen Pfändungsregeln (BGer 7B.175/2005 vom 20. Dezember 2005

      E. 3.2). In Bezug auf die Pflichten des Schuldners gilt entsprechend Art. 91 SchKG. Gemäss Abs. 1 Ziffer 1 dieser Bestimmung hat der Schuldner der Pfän- dung entweder persönlich beizuwohnen sich dabei vertreten zu lassen.

      Aus der Pflicht, der Pfändung beizuwohnen sich vertreten zu lassen, kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, die Pfändung könne nur stattfin- den, wenn eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist. Wohnt der Schuldner der Pfändung nicht bei und lässt er sich auch nicht vertreten, kann die Pfändung den- noch vorgenommen werden, wenn diese vorschriftsgemäss angekündigt wurde, pfändbare Gegenstände vorhanden sind, und der Schuldner im Anschluss an den Pfändungsvollzug gehörig benachrichtigt wird (BSK SchKG I-SIEVI, a.a.O., Art. 91 N 6); der Betreibungsschuldner, dem die Pfändung ordnungsgemäss angekündigt worden ist, kann deren Vollzug nicht dadurch vereiteln, dass er sich zum festgesetzten Zeitpunkt nicht am angegebenen Ort einfindet (BGE 112 III 14 E. 5a). Mit anderen Worten stellen die Anwesenheit und/oder Vertretung bei der Pfändung keine Gültigkeitsvoraussetzung für die Pfändung und keine Rechte des Schuldners dar, auf die er einen absoluten und bedingungslosen Anspruch hat. Eine Pfändung kann auch dann vollzogen werden, wenn der Schuldner vor dieser geltend macht, er könne ihr – aus welchen Gründen auch immer – nicht beiwohnen, und auch keinen Vertreter bezeichnet. Das Betreibungsamt hat bei Verschiebungsgesuchen in solchen Konstellationen – unter Abwägung der involvierten Güter des Schuldners und der Gläubiger – einen Ermessensentscheid zu fällen.

    2. Vorliegend handelt es sich um eine Ergänzungspfändung, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass dem zuständigen Betreibungsamt die vermögensrechtlichen Verhältnisse des Schuldners bekannt sind. Mit der Ergänzungspfändung soll ferner bloss die Privatliegenschaft des Beschwerdeführers an der B. -strasse …, in C. , gepfändet und einer Schätzung unterzogen wer- den (vgl. act. 3 E. 2 i.V.m. act. 2/1). Entsprechend stellt sich die Frage, inwiefern die persönliche Anwesenheit und Auskünfte des Beschwerdeführers überhaupt notwendig sind, sind doch Behörden (wie Steuerämter, Grundbuchämter etc.) im gleichem Umfang auskunftspflichtig wie der Schuldner (vgl. Art. 91 Abs. 5 SchKG). Das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers wird trotz Abwesenheit insofern gewahrt, als ihm im Anschluss an den Pfändungsvollzug die Pfändungsurkunde zuzustellen sein wird. Erst wenn Hinweise vorliegen würden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Gesundheitszustandes seine Rechte im Betreibungsverfahren nicht mehr wahren könnte, das Betreibungsamt auf Auskünfte angewiesen wäre, die es nur von ihm erhältlich machen, er aber mangels Handlungsresp. Urteilsfähigkeit nicht geben könnte, müssten weitergehende Massnahmen geprüft werden. Wie dargelegt könnte ihm dannzumal mangels gesetzlicher Grundlage kein Rechtsvertreter bestellt werden, sondern es müssten vielmehr erwachsenenschutzrechtliche Massnahmen geprüft werden. Ob dies vorliegend angebracht wäre, ist hier nicht zu prüfen.

  3. Für das vorliegende Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG). Auch wenn Rechtsanwalt lic. iur. X. keine Partei dieses Verfahrens ist, ist er von diesem Entscheid betroffen. Entsprechend ist ihm ein Exemplar zuzustellen.

Es wird erkannt:

  1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 2 des Urteils des Bezirksgerichts Winterthur als untere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 13. Juli 2022 wird ersatzlos aufgehoben.

  2. Es werden keine Kosten erhoben.

  3. Schriftliche Mitteilung an den Beschwerdeführer, an Rechtsanwalt

    lic. iur. X. und an die Vorinstanz unter Rücksendung der erstinstanzlichen Akten sowie an das Betreibungsamt Winterthur-Stadt, je gegen Empfangsschein.

  4. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 10 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um einen Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:

MLaw B. Lakic versandt am:

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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