Zusammenfassung des Urteils PS200146: Obergericht des Kantons Zürich
Die Beschwerdeführerin, die Schweizerische Eidgenossenschaft, hat gegen ein Urteil des Einzelgerichts Audienz des Bezirksgerichtes Zürich Beschwerde eingelegt, da ihr Begehren auf Arrest abgelehnt wurde. Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass das Gericht den Durchgriffstatbestand nicht ausreichend geprüft hat und legt ein rechtskräftiges Strafurteil vor, um ihre Forderung zu untermauern. Das Obergericht des Kantons Zürich hat die Beschwerde gutgeheissen, das Urteil des Bezirksgerichtes aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung zurückverwiesen. Es wurden keine Gerichtskosten erhoben, und keine Parteientschädigung zugesprochen. Die Beschwerdegegnerin, A., hat den Prozess verloren.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PS200146 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 21.08.2020 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Arrest |
Schlagwörter : | Arrest; Ersatzforderung; Vorinstanz; Beschwerdegegner; Urteil; SchKG; Vermögenswert; Entscheid; Vermögenswerte; Durchgriff; Kriminelle; Beschlag; Gericht; Urteil; Sinne; Vollstreckung; Durchgriffs; Ersatzforderungsbeschlagnahme; Einzelgericht; Gesellschaft; Beschlagnahme; MARCEL; SCHOLL; Kommentar; Kriminelles; Organisationen |
Rechtsnorm: | Art. 272 KG ;Art. 279 KG ;Art. 281 KG ;Art. 320 ZPO ;Art. 321 ZPO ;Art. 322 ZPO ;Art. 326 ZPO ;Art. 442 StPO ;Art. 52 KG ;Art. 71 StGB ;Art. 98 BGG ; |
Referenz BGE: | 107 III 29; 144 III 541; |
Kommentar: | Schweizer, Vest, Basler Kommentar Schweizerische Strafprozessordnung, Art. 171 StPO, 2011 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: PS200146-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur. et phil. D. Glur und Oberrichter Dr. M. Sarbach sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. K. Houweling-Wili
Urteil vom 21. August 2020
in Sachen
vertreten durch Bundesanwaltschaft Bern,
gegen
Gesuchsund Beschwerdegegner,
betreffend Arrest
Beschwerde gegen ein Urteil des Einzelgerichtes Audienz des Bezirksgerichtes Zürich vom 16. Juni 2020 (EQ200103)
Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführerin gelangte am 12. Juni 2020 (Datum Poststempel) an das Einzelgericht Audienz des Bezirksgerichtes Zürich mit dem Begehren, es sei ein Anteil von 5 % der Guthaben der B. SA, [Adresse] auf dem Konto Nr. 1 bei der C. AG, D. [Ort], bis zur Höhe der Arrestforderung von Fr. 12'439'383.00 nebst Zins zu 5 % seit dem 23. April 2020 und Kosten zu verarrestieren (act. 1). Mit Urteil vom 16. Juni 2020 wies das Einzelgericht dieses Begehren ab (act. 4 = act. 7).
Gegen dieses Urteil erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom
26. Juni 2020 (Datum Poststempel) Beschwerde bei der Kammer mit den Anträgen, es sei das angefochtene Urteil aufzuheben und sei die Sache an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung zurückzuweisen, eventualiter sei das bei der Vorinstanz gestellte Arrestbegehren gutzuheissen, unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten des Beschwerdegegners (act. 8).
Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen. Auf weitere prozessleitende Anordnungen wurde verzichtet. Insbesondere gilt, dass der Arrestschuldner im Verfahren betreffend Arrestbewilligung nicht anzuhören und generell nicht über den Prozess in Kenntnis zu setzen ist (BGE 107 III 29 E. 2 und 3). Folglich ist vom Beschwerdegegner weder eine Beschwerdeantwort im Sinne von Art. 322 Abs. 1 ZPO einzuholen noch ist ihm Mitteilung vom vorliegenden Entscheid zu machen.
2.
Gegen erstinstanzliche Endentscheide in Arrestsachen ist die Beschwerde zulässig (Art. 319 lit. a ZPO i.V.m. Art. 309 lit. b Ziff. 6 ZPO; ZK ZPOREETZ/THEILER, 3. A., Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 309 N 34). Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach Art. 319 ff. ZPO. Die Beschwerde ist bei der Rechtsmittelinstanz innert der Rechtsmittelfrist schriftlich, mit Anträgen versehen und begründet einzureichen (Art. 321 Abs. 1 ZPO). Mit der Beschwerde kann die unrichtige Rechtsanwendung und die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO). Neue Tatsachen und Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (Art. 326 ZPO; OGer ZH PS170259 vom 18.12.2017). Die Kammer lässt indes ausnahmsweise Noven auch im Beschwerdeverfahren zu, wenn die erste Instanz den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör verletzte und nicht nachfragte; dies, um eine Heilung zu ermöglichen (vgl. bereits die Rechtsprechung zur kantonalen ZPO in ZR 100 [2001] Nr. 27 S. 88; bestätigt für die eidg. ZPO in OGer ZH RU130042 vom 10. Juli 2013, E. 2.1; PC150069 vom 7. April 2016, E. 2.3; RU170022 vom 27. Juni
2017, E. 3.3). Unbeschränkt zulässig sind zudem neue rechtliche Vorbringen.
Die vorliegende Beschwerde vom 26. Juni 2020 wurde innert der Rechtsmittelfrist schriftlich und begründet bei der Kammer als der zuständigen Rechtsmittelinstanz eingereicht. Die Beschwerdeführerin rügt die unrichtige Rechtsanwendung durch die Vorinstanz. Auf die einzelnen Vorbringen wird nachfolgend insoweit einzugehen sein, als dies für die Entscheidfindung erforderlich ist. Im Übrigen ist die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Entscheid beschwert und zur Beschwerde legitimiert. Es ist daher auf die Beschwerde einzutreten.
Die Beschwerdeführerin reicht mit der Beschwerde neu das bei der Vorinstanz lediglich anonymisiert vorgelegte Urteil des Bundesstrafgerichts vom
10. Oktober 2013, die Ergänzung vom 29. November 2013 sowie die Berichtigung vom 30. Mai 2014 (act. 3/1) nunmehr vollständig ein (act. 10/2). Das ist nach dem vorstehend Ausgeführten zulässig, nachdem die Vorinstanz festgestellt hatte, dass dem Gericht eine ungeschwärzte und nicht anonymisierte Urkunde einzureichen sei und daher grundsätzlich Frist zur Behebung des Mangels anzusetzen wäre, in der Folge aber darauf verzichtete, der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben (vgl. act. 7 S. 2).
3.
Der Arrest setzt das Glaubhaftmachen einer Arrestforderung, eines Arrestgrundes und von Arrestgegenständen voraus (Art. 272 Abs. 1 SchKG). In Bezug auf Letzteres gilt, dass die zu verarrestierenden Gegenstände rechtlich - nicht bloss wirtschaftlich - dem Schuldner gehören müssen. Nur ausnahmsweise darf Dritteigentum mit Arrest belegt werden. Dies ist der Fall, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass die Vermögenswerte nur formell auf den Namen eines Dritten lauten, der sie als Strohmann für den Schuldner hält. Ausserdem rechtfertigt sich der Durchgriff durch eine Gesellschaft auf den dahinter stehenden Aktionär, wenn der Schuldner seine Vermögenswerte rechtsmissbräuchlich einer von ihm beherrschten Gesellschaft übertragen hat (BGer 5A_629/2011 vom 26.4.2012
E. 5.1 m.w.H.; OGer ZH PS160002 vom 25.1.2016 Erw. 2.4; OGer ZH PS110066 vom 11.8.2011 Erw. 2.5.3 m.w.H.; BSK SchKG II-STOFFEL, 2. Aufl. 2010, Art. 272
N 32).
Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 272 Abs. 1 SchKG bedeutet weniger als Beweisen, hingegen mehr als blosses Behaupten. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn das Gericht sie aufgrund der ihm vorgelegten Elemente für wahrscheinlich hält, d.h. wenn es den Eindruck gewinnt, dass der behauptete Sachverhalt wirklich vorliegt, ohne ausschliessen zu müssen, dass es sich auch anders verhalten könnte. Vorausgesetzt ist damit zum einen ein schlüssiges Vorbringen und zum anderen, dass die Tatsachendarlegungen dem Gericht als wahrscheinlich erscheinen. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsbeweis dürfen nicht zu hoch angesetzt werden, doch ist mindestens eine Beweisführung in den Grundzügen erforderlich. Blosse Behauptungen des Arrestgläubigers genügen also nicht, auch wenn sie in sich schlüssig sind. Vielmehr müssen objektive Anhaltspunkte vorliegen, die auf das Vorhandensein der behaupteten Tatsachen schliessen lassen (BSK SchKG II-S TOFFEL, 2. Aufl. 2010, Art. 272 N 4 ff.; KUKO SchKG-MEIER-DIETERLE, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 272 N 14; BSK ZGB I-
LARDELLI/VETTER, 6. Aufl. 2018, Art. 8 N 20 f.).
Die Vorinstanz erachtete vor diesem Hintergrund im angefochtenen Entscheid den Arrestgegenstand bzw. den Durchgriffstatbestand, also die wirtschaftliche Einheit zwischen der B. SA und dem Beschwerdegegner sowie das rechtsmissbräuchliche Vorgehen des Beschwerdegegners in diesem Sinne, als nicht glaubhaft gemacht. Sie erwog dazu, es handle sich vorliegend um einen doppelten Durchgriff durch die B. SA auf die Gesellschaft E. und weiter auf den Beschwerdegegner. Es würden aber jegliche Behauptungen der Beschwerdeführerin zur Beherrschung der E. durch den Beschwerdegegner und die weiteren Durchgriffsvoraussetzungen fehlen. Es sei auch nicht Sache des Gerichts, im beigelegten umfangreichen, nicht übersetzten Strafurteil nach allfälligen Begründungen zu suchen. Abgesehen davon reiche der Anteil von 5 % an der B. SA bei Weitem nicht aus, um von einer Beherrschung der Gesellschaft auszugehen. Auch wenn die B. SA eine reine Domizilgesellschaft ohne Angestellte und ohne wirtschaftliche Aktivität wäre und ihre einzige Funktion sei, die Vermögenswerte im Interesse der wirtschaftlich Berechtigten zu halten, habe die Beschwerdeführerin nicht behauptet, das betreffende Bankkonto sei das einzige Aktivum der B. SA. Eine derart geringe Beteiligung erlaube grundsätzlich nicht, den entsprechenden Anteil an einem beliebigen Aktivum der Gesellschaft zu beschlagnahmen. Sodann werde der vertrauliche Vertrag vom
9. September 2005, der die Grundlage der Beteiligung des Beschwerdegegners an der B. SA begründen solle, nicht näher erläutert. Aus der Gesuchsbegründung gehe nicht hervor, dass darin mit den Mitbeteiligten vereinbart worden sei, der 5 % Anteil würde sich nur auf die Vermögenswerte auf dem fraglichen Bankkonto beziehen (act. 7 S. 3 f.). Schliesslich verzichtete die Vorinstanz unter diesen Umständen auf die Prüfung, ob der Arrest aus weiteren Gründen nicht bewilligt werden könnte (act. 7 S. 5).
Dagegen bringt die Beschwerdeführerin zusammengefasst vor, der im Arrest geltend gemachte Durchgriffstatbestand sei mit dem vorgelegten rechtskräftigen Strafurteil, welches den (doppelten) Durchgriffstatbestand verbindlich beurteilt habe, glaubhaft gemacht worden. Die konkreten Stellen seien in deutscher Übersetzung angeführt worden, damit seien die erforderlichen Behauptungen aufgestellt und mit dem Strafurteil belegt worden. Diese Behauptungen würden auch den Substantiierungsanforderungen genügen (act. 8 S. 6 f.). Das Strafurteil sei von der Vollstreckungsbehörde zu respektieren und ihrem Entscheid zugrunde zu le-
gen. Andernfalls werde der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung verletzt, wonach insbesondere sich widersprechende Entscheide im Rahmen des Möglichen zu vermeiden seien. Auch verletze die Vorinstanz den Grundsatz, dass Verfahrensrecht und damit auch das Vollstreckungsrecht der Durchsetzung des materiellen Rechts zu dienen habe (act. 8 S. 8). Das Strafurteil habe die Beschlagnahme dieser Vermögenswerte der B. SA zwecks Vollstreckung der Ersatzforderung verfügt bzw. bestätigt. (act. 8 S. 12).
4.
Die Beschwerdeführerin verlangt die Arrestlegung für eine mit rechtskräftigem Urteil des Bundesstrafgerichts vom 10. Oktober 2013, der Ergänzung vom
29. November 2013 und der Berichtigung vom 30. Mai 2014 festgestellte Ersatzforderung der Beschwerdeführerin gegen den Beschwerdegegner in Höhe von Fr. 12'439'383.--. Gleichzeitig wurde mit diesem Urteil die Beschlagnahme von
5 % des Saldos auf dem Konto Nr. 1 lautend auf B. SA im Hinblick auf die Durchsetzung der Ersatzforderung gegen den Beschwerdegegner aufrechterhalten (act. 10/2 und act. 3/1b).
Vorab ist Folgendes festzuhalten: Entgegen der Vorinstanz ist nicht entscheidend, dass der Beschwerdegegner an der B. SA nur einen Anteil von 5% innehat, jene mithin nicht beherrscht, und es ist überdies irrelevant, ob das betreffende Konto das einzige Aktivum der B. SA sei nicht: Die Beschwerdeführerin verlangt an jenem Konto zwecks Sicherung der Vollstreckung seiner Ersatzforderung die Verarrestierung von 5% des Saldos. Das ist unproblematisch.
Die Ersatzforderung nach Art. 71 Abs. 1 StGB ist eine öffentlich-rechtliche Forderung gegenüber dem Ersatzforderungsschuldner. Die Zwangsvollstreckung dieser Ersatzforderung geschieht nach den Bestimmungen des SchKG (Art. 442 Abs. 1 StPO), wobei es sich um eine normale Forderung dritter Klasse handelt (MARCEL SCHOLL, in: Kommentar Kriminelles Vermögen - Kriminelle Organisationen, Zürich 2018, Art. 71 N 181 und N 210). Daran ändert auch nichts, wenn die Vermögenswerte des Betroffenen im Hinblick auf die Durchsetzung der Ersatzforderung mit Beschlag belegt werden, weil die Beschlagnahme kein Vorzugsrecht zu Gunsten des Staates begründet (Art. 71 Abs. 3 StGB; BSK StGB-BAUMANN,
4. Aufl. 2019, Art. 70/71 N 69). Aus diesem Grund ist die Betreibung der durch Beschlag belegten Ersatzforderung auf dem Weg der Pfändung fortzusetzen (und nicht auf dem Wege der Pfandverwertung) und die Ersatzforderungsbeschlagnahme gleicht in ihrer Wirkung grundsätzlich derjenigen eines Arrestes, welcher gemäss Art. 281 Abs. 3 SchKG ebenfalls kein Vorzugsrecht begründet (MARCEL SCHOLL, in: Kommentar Kriminelles Vermögen - Kriminelle Organisationen, Zürich 2018, Art. 71 N 212 f.). Auch bei der Ersatzforderungsbeschlagnahme vermag erst das Betreibungsverfahren auf verlässliche Art Klarheit über mögliche andere Gläubigerinteressen zu verschaffen (BGer 6B_694/2009 vom 22.4.10
E. 1.4.2). Während für die Bewilligung des Arrestbeschlags aber die Zugehörigkeit des betreffenden Vermögenswertes zum Schuldner wahrscheinlich sein muss (vgl. E. 3.1 vorstehend), ist die strafrechtliche Ersatzforderungsbeschlagnahme bereits anzuordnen und solange aufrechtzuerhalten, als die blosse Möglichkeit besteht, dass der betreffende Vermögenswert dem Ersatzforderungsschuldner gehört, von den zuständigen Vollstreckungsbehörden gepfändet und zur Tilgung der Ersatzforderung verwendet werden wird (MARCEL SCHOLL, in: Kommentar Kriminelles Vermögen - Kriminelle Organisationen, Zürich 2018, Art. 71 N 153,
N 155 und N 202). Dementsprechend ist auch für die Zulassung des strafprozessualen Durchgriffs einzig entscheidend, ob es zumindest für möglich erscheint, dass das im Vollstreckungsverfahren zuständige Zivilgericht gestützt auf die zivilrechtliche Rechtsfigur des Durchgriffs die Pfändung resp. den Konkursbeschlag des beschlagnahmten Vermögenswerts schützen würde (MARCEL SCHOLL, in: Kommentar Kriminelles Vermögen - Kriminelle Organisationen, Zürich 2018, Art. 71 N 150).
Daraus erhellt, dass auch für die Durchsetzung der mit Beschlag belegten Ersatzforderung ohne Ausnahme die Bestimmungen des Schuldbetreibungsund Konkursrechts gelten. Insbesondere können Sicherungsmassnahmen nach StPO und SchKG gleichzeitig und parallel zueinander bestehen (MARCEL SCHOLL, in: Kommentar Kriminelles Vermögen - Kriminelle Organisationen, Zürich 2018,
Art. 71 N 174 ff.). Das heisst, die strafprozessuale Beschlagnahme eines Vermögenswertes schliesst die Verarrestierung nicht aus. Mangels einer anderslautenden rechtlichen Grundlage müssen aber hiezu auch bei einer Ersatzforderungsbeschlagnahme die Voraussetzungen für die Arrestlegung selbständig erfüllt sein. Der Arrestrichter ist nicht an die tatsächlichen Feststellungen zu einer in einem Strafurteil angeordnete Ersatzforderungsbeschlagnahme gebunden, denn vollstreckbar ist nur eine im Dispositiv enthaltene Leistungsanordnung (BSK ZPODROESE, 3. Aufl. 2017, Art. 335 N 20). Wie gezeigt, unterscheiden sich darüber hinaus die Voraussetzungen für die Bewilligung des Arrestes von denjenigen für die Ersatzforderungsbeschlagnahme ohnehin; und zwar abgesehen vom zusätzlichen Arrestgrund auch beim zu sichernden Gegenstand hinsichtlich des Beweismasses. Es kann auch aus diesem Grund bei der Beurteilung der Voraussetzungen des Arrestgegenstandes nicht unbesehen darauf abgestellt werden, dass mit (rechtskräftigem) Strafurteil eine Ersatzforderungsbeschlagnahmung aufrechterhalten wurde.
Demzufolge kann die Beschwerdeführerin für die mit strafprozessualem Beschlag belegte Ersatzforderung um Bewilligung eines Arrestes ersuchen. Sodann weist die Beschwerdeführerin zutreffend darauf hin, dass mit der Arrestlegung grundsätzlich ein Betreibungsort in der Schweiz (Art. 52 SchKG) geschaffen werden kann zwecks Fortführung der Zwangsvollstreckung (Art. 279 Abs. 4 SchKG). Die Beschwerdeführerin hat dabei die Arrestvoraussetzungen originär glaubhaft zu machen. Im Zusammenhang mit dem Arrestgegenstand hat sie also im Sinne von Art. 272 Abs. 1 SchKG glaubhaft zu machen, dass zwischen der B. SA und dem Beschwerdegegner eine wirtschaftliche Einheit besteht und der Beschwerdegegner rechtsmissbräuchlich vorgegangen ist.
Wie die Beschwerdeführerin vorbringt, hat das Bundesstrafgericht festgestellt, dass die B. SA zu 5% wirtschaftlich mit dem Beschwerdegegner identisch ist, und dies nicht nur in den Erwägungen, sondern überdies ausdrücklich im Urteilsdispositiv (act. 10/2 E. C.2.2. S. 479; Urteilsdispositiv Ziffer XII.1.2.3.2
S. 585; act. 8 Rz 49; act. 1 Rz 33). Diese Behauptung ist genügend substanziiert und der Verweis auf die umfangreiche Beilage genügend präzise, so dass vorliegend auch entgegen der Vorinstanz - nicht erforderlich ist (was in der Tat nicht
statthaft wäre), dass das Gericht aus einer umfangreichen Beilage nach allfälligen Begründungen suchen müsste. Der Vorinstanz ist dabei zu Gute zu halten, dass die Beschwerdeführerin vor Bezirksgericht in Verkennung der Usanz und unter nicht stichhaltiger Berufung auf Datenschutzgründe das Urteil des Bundesstrafgerichts in anonymisierter Form eingereicht hatte, was der Lesbarkeit resp. Verständlichkeit desselbigen nicht zuträglich war.
Die diesbezüglichen Feststellungen des (Straf-)Richters im Erkenntnisverfahren sind für das Vollstreckungsgericht keineswegs per se verbindlich (vgl. schon oben, Ziff. 4.3.), indes ist durch diese Feststellung zumindest im Sinne von Art. 272 Abs. 1 SchKG glaubhaft gemacht, dass die B. SA und der Beschwerdegegner zu 5% wirtschaftlich identisch sind. Zu beachten ist dabei nicht zuletzt, dass das Bundesstrafgericht nicht bloss auf die Möglichkeit der Zugehörigkeit der betreffenden Vermögenswerte zum Beschwerdegegner abgestellt hat (was nach dem vorstehend Gesagten für eine strafrechtliche Beschlagnahme ausreichen würde), sondern diesen Umstand ausdrücklich festgestellt hat. Entgegen der Vorinstanz sind sodann nicht die Voraussetzungen eines doppelten Durchgriffs im Einzelnen darzulegen wenn schon, wäre es vorliegend ein umgekehrter Durchgriff, vgl. BGE 144 III 541 E. 8.3.4. -, und auch die Ausführungen und entsprechend genauen Verweise auf das bundesstrafgerichtliche Erkenntnis hinsichtlich des Rechtsmissbrauchs sind zur Glaubhaftmachung ausreichend, handelt es sich doch vorliegend um einen Strohmann-Tatbestand, da es sich bei der B. SA um eine reine Domizilgesellschaft ohne Angestellte und ohne wirtschaftliche Aktivität handelt, die ausschliesslich Vermögenswerte für die wirtschaftlich Berechtigten hält (act. 10/2 E. 7.18.1., E. 7.11.9.1./b.1; act. 8 Rz 51 ff.; act. 1 Rz 35, Rz 56 ff.).
Entgegen der Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin damit die entsprechenden Voraussetzungen des Arrestes glaubhaft gemacht.
Demnach ist in Gutheissung der Beschwerde das angefochtene Urteil vom
16. Juni 2020 aufzuheben. Da die Vorinstanz nicht beurteilt hat, ob der Arrest aus weiteren Gründen nicht bewilligt werden könnte, ist das Verfahren zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückweisen.
5.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren ist bei diesem Verfahrensausgang abzusehen.
Es wird erkannt:
In Gutheissung der Beschwerde wird das Urteil des Einzelgerichts Audienz des Bezirksgerichtes Zürich vom 16. Juni 2020 aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Beschwerdeführerin sowie an das Einzelgericht Audienz des Bezirksgerichtes Zürich, je gegen Empfangsschein.
Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 12'439'383.--.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. K. Houweling-Wili versandt am:
25. August 2020
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