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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils PS180071: Obergericht des Kantons Zürich

Ein Schuldner beantragte die Aufhebung einer Betreibung aufgrund einer vermeintlich nicht mehr bestehenden Forderung für nicht einbezahlte Sozialversicherungsbeiträge. Das Bezirksgericht wies den Antrag ab, woraufhin der Schuldner Beschwerde einreichte und die Aufhebung der Betreibung forderte. Das Obergericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde ab, da der Schuldner den Nachweis für das Nichtbestehen der Forderung nicht erbringen konnte. Die Gerichtskosten wurden auf CHF 2'000 festgesetzt, und der Schuldner wurde kostenpflichtig.

Urteilsdetails des Kantongerichts PS180071

Kanton:ZH
Fallnummer:PS180071
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid PS180071 vom 23.05.2018 (ZH)
Datum:23.05.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Aufhebung der Betreibung
Schlagwörter : Betreibung; Schuld; Verwirkung; Frist; Schuldner; Vollstreckung; Recht; Entscheid; Verfahren; Vorinstanz; SchKG; Gläubiger; Bundesgericht; Gläubigerin; Verjährung; Forderung; Urkunden; Verjährungs; Verwirkungsfrist; Vollstreckungsfrist; Kantons; Urteil; Aufhebung; Hinwil; Schadenersatzforderung; Wetzikon; Bezirksgericht; Massnahme; Betreibungsamt; önne
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 137 OR ;Art. 16 AHVG ;Art. 320 ZPO ;Art. 322 ZPO ;Art. 326 ZPO ;Art. 52 AHVG ;Art. 85 KG ;Art. 90 BGG ;Art. 95 ZPO ;
Referenz BGE:119 II 429; 125 V 396; 131 V 4; 141 III 41;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts PS180071

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: PS180071-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichter

Dr. P. Higi und Ersatzrichterin Prof. Dr. I. Jent-Sørensen sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. S. Kröger

Beschluss und Urteil vom 23. Mai 2018

in Sachen

  1. ,

    Gesuchsteller und Beschwerdeführer,

    gegen

  2. [öffentliche Institution], Gesuchsund Beschwerdegegner,

betreffend

Aufhebung der Betreibung

Beschwerde gegen ein Urteil des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Hinwil vom 7. Mai 2018 (EB180115)

Erwägungen:

1.

    1. A. ist Schuldner in der vom B. (Gläubigerin) am 30. Juni 2016 eingeleiteten Betreibung Nr. ... über einen Betrag von Fr. 95'498.30 (act. 4/2/1). Am 6. Mai 2018 beantragte er beim Einzelgericht im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Hinwil (Vorinstanz), die Betreibung sei gestützt auf Art. 85 SchKG aufzuheben. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, bei der in Betreibung gesetzten Forderung handle es sich um eine Schadenersatzforderung für nicht einbezahlte Sozialversicherungsbeiträge gestützt auf Art. 52 AHVG. Diese Forderung sei mittlerweile durch Verwirkung untergegangen. Da die Forderung nicht bzw. nicht mehr bestehe, sei die Betreibung aufzuheben (vgl. act. 1).

    2. Mit Urteil vom 7. Mai 2018 wies die Vorinstanz das Begehren ab (act. 5 = act. 8 = act. 10). Dagegen erhob der Schuldner mit Eingabe vom 14. Mai 2018 (eingegangen am 15. Mai 2018) Beschwerde mit folgenden Anträgen:

      • 1. Das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 7. Mai 2018 (GeschäftsNr. EB180115) sei aufzuheben;

        1. die Betreibung Nr. ... des Betreibungsamtes Wetzikon sei aufzuheben; eventualiter sei die Prozesssache zur neuen Entscheidung an das Bezirksgericht Hinwil zurückzuweisen;

        2. als vorsorgliche Massnahme seien während der Behandlung dieses Gesuches alle Massnahmen, welche der Weiterführung der Betreibung Nr. ... des Betreibungsamtes Wetzikon dienen, einzustellen und das Betreibungsamt Wetzikon sei entsprechend anzuweisen;

        3. unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten des B. .

    3. Die Akten des erstinstanzlichen Verfahrens wurden beigezogen (act. 1-6). Es wurde davon abgesehen, dem Gläubiger Frist zur Beantwortung der Beschwerde anzusetzen (Art. 322 Abs. 1 ZPO). Das Verfahren ist spruchreif. Da sogleich ein Endentscheid ergehen kann, erweist sich der Antrag auf Erlass vorsorglicher Massnahmen als gegenstandslos. Das Begehren ist daher abzuschreiben.

2.

Mit der Beschwerde können unrichtige Rechtsanwendung offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO). Neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (Art. 326 ZPO).

3.

    1. Nach Art. 85 SchKG kann der Betriebene beim Gericht des Betreibungsortes die Aufhebung der Betreibung verlangen, wenn er durch Urkunden beweist, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt gestundet ist. Überdies kann der Betriebene die Aufhebung der Betreibung verlangen, wenn er durch Urkunden beweist, dass die Schuld gar nicht besteht (vgl. BGE 141 III 41 E. 3.3.1.). Den Nachweis der Tilgung, Stundung des Nichtbestehens der Betreibungsforderung kann der Schuldner nur durch strikten Urkundenbeweis erbringen; die blosse Glaubhaftmachung ist nicht ausreichend (BGE 141 III 41 E. 3.3.2.).

    2. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, der Schuldner mache geltend, gemäss BGE 131 V 4 sei die Forderung der Gläubigerin zwischenzeitlich verwirkt. Der Urkundenbeweis des Nichtbestehens der Forderung sei dadurch jedoch nicht erbracht. Überdies habe das Bundesgericht im genannten Entscheid festgelegt, die Frist zur Vollstreckung von Schadenersatzansprüchen nach Art. 52 AHVG betrage in Analogie zu Art. 137 Abs. 2 OR zehn Jahre. Die Frist von Art. 52 Abs. 3 AHVG sei zudem lediglich eine Verjährungsund nicht ein Verwirkungsfrist (act. 8 E. 5).

    3. Der Schuldner weist grundsätzlich zutreffend darauf hin (act. 9 S. 2 f.), der Schadenersatzanspruch der Versicherung nach Art. 52 AHVG unterliege zwei aufeinanderfolgenden Verfallsfristen. Die erste betrifft die Festsetzung des Anspruchs, die zweite die Vollstreckung der rechtskräftig festgesetzten Schadenersatzforderung. Das AHVG regelt in Art. 52 Abs. 3 lediglich die Frist, innert welcher der Schadenersatzanspruch festzusetzen ist. Diese Frist ist als Verjährungsfrist ausgestaltet (vgl. BGE 131 V 4 E. 3.3. mit Hinweis auf BBl 1994 V 983 f.). Zur

      Vollstreckungsfrist äussert sich das Gesetz nicht. In einer älteren Rechtsprechung wurde sinngemäss die fünfjährige Frist für die Vollstreckung von Beitragsforderungen nach Art. 16 Abs. 2 AHVG angewendet. Diese Praxis gab das Bundesgericht in BGE 131 V 4 auf und entschied, für die Vollstreckung von Schadenersatzansprüchen nach Art. 52 AHVG sei die zehnjährige Frist gemäss Art. 137 Abs. 2 OR analog anwendbar (BGE 131 V 4 E. 3.4.).

    4. Der Schuldner macht geltend, bei der Vollstreckungsfrist handle es sich um eine Verwirkungsfrist. Diese sei von Amtes wegen zu beachten und könne nicht unterbrochen werden. Es genüge daher, den Beginn des Fristenlaufs durch Urkunden nachzuweisen. Gemäss den eingereichten Beilagen sei die Schadenersatzforderung der Gläubigerin am 19. September 2005 und 9. März 2006 verfügt worden. Damit habe die Verwirkungsfrist zu laufen begonnen und sei somit im Jahr 2015 bzw. 2016 abgelaufen. Würde für den Beginn des Fristenlaufs auf den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 7. Mai 2008 abgestellt, sei die Frist ebenfalls abgelaufen. Damit sei die Verwirkung der Schadenersatzforderung der Gläubigerin urkundlich nachgewiesen, weshalb die Betreibung aufzuheben sei (vgl. act. 9).

    5. Ob es sich bei der Vollstreckungsfrist um eine Verjährungsoder eine Verwirkungsfrist handelt, entschied das Bundesgericht im genannten Entscheid nicht ausdrücklich. Die Frage kann jedoch vorliegend offen bleiben. Die Verjährungseinrede ist im Verfahren nach Art. 85 SchKG nicht möglich. In der Literatur wird dies damit begründet, die Verjährung lasse die Naturalobligation bestehen, weshalb deren Vollstreckung dem materiellen Recht grundsätzlich nicht widerspreche (vgl. BSK SchKG I-BODMER/BANGERT, 2. Aufl. 2010, Art. 85 N 22 m.w.H.). Dies ist

      zwar anders bei der Verwirkung, welche zum Untergang des Anspruchs führt. Auch bei dieser handelt es sich aber um eine Frage des materiellen Rechts. Als solche ist sie von der Verwaltung mittels Verfügung bzw. auf Beschwerde hin vom Sozialversicherungsgericht zu entscheiden. Zudem kann die Verwirkung im Rechtsöffnungsverfahren geltend gemacht werden (vgl. BGE 125 V 396). Im Rahmen des Verfahrens nach Art. 85 SchKG kann der Richter hingegen keine materiellen Rechtsfragen entscheiden. Die vom Schuldner eingereichten Belege

      genügen dem in Art. 85 SchKG geforderten urkundlichen Nachweis jedenfalls nicht. Wie die Vorinstanz festhielt (act. 8 E. 5), ist die Verwirkung der Betreibungsforderung darin nicht verurkundet. Deren Feststellung bedürfte vielmehr einer Beurteilung des Richters, welche ihm im Verfahren nach Art. 85 SchKG nicht zusteht.

    6. Überdies liesse sich aus den eingereichten Unterlagen auch keine Verwirkung des Anspruchs der Gläubigerin ableiten. Bei analoger Anwendung von Art. 137 Abs. 2 OR würde die Vollstreckungsfrist mit Rechtskraft des Festsetzungsentscheids zu laufen beginnen (vgl. BSK OR I-DÄPPEN, 6. Aufl. 2015,

      Art. 137 N 6; BGE 131 V 4). Gegen die Schadenersatzverfügungen der Aus-

      gleichskasse vom 19. September 2005 bzw. 9. März 2006 erhob der Schuldner offenbar Einsprache, welche mit Entscheid des Amtes für AHV und IV des Kantons Thurgau vom 18. Dezember 2007 abgewiesen wurde (vgl. act. 11/1). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde am 7. Mai 2008 vom Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau als Versicherungsgericht abgewiesen (act. 11/4). Ob und wann dieser Entscheid in Rechtskraft erwachsen ist, ist nicht bekannt. Die Vollstreckungsfrist hätte jedenfalls frühestens mit dem Entscheid vom 7. Mai 2008 zu laufen beginnen und somit am 7. Mai 2018 ablaufen können. Ginge man mit dem Schuldner davon aus, es handle sich um eine Verwirkungsfrist, so könnte ihr Lauf zwar nicht wie bei einer Verjährungsfrist unterbrochen werden. Die Rechtsprechung geht in diesen Fällen aber davon aus, die Frist sei mit Einleitung der Betreibung gewahrt und die Verwirkung könne im Laufe des Verfahrens nicht eintreten. Für die Frist zur Vollstreckung von Beitragsforderungen ist dies in Art. 16 Abs. 2 AHVG auch gesetzlich verankert (vgl. dazu BGer 5P.456/2004 vom 15. Juni 2005 E. 3.3.; BGE 119 II 429 E. 3b = Pra 83 (1994) Nr. 273; MARCO REICH-

      MUTH in: AISUF - Arbeiten aus dem Iuristischen Seminar der Universität Freiburg Schweiz, Jahr 2008, Band/Nr. 276, S. 192-218, Rz 1270). Demnach wäre die Gläubigerin rechtzeitig vorgegangen, indem sie am 30. Juni 2016 die Betreibung einleitete.

    7. Die Vorinstanz wies das Begehren des Schuldners um Aufhebung der Betreibung folglich zu Recht ab. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.

4.

    1. Ausgangsgemäss wird der Schuldner für das Beschwerdeverfahren kostenpflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Ausgehend von einem Streitwert von Fr. 95'498.30 und in Anwendung von § 12 Abs. 1 und 2 GebV OG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 lit. a, § 4 Abs. 1 und 2 sowie § 8 Abs. 1 GebV OG auf Fr. 2'000.-.

    2. Da der Gläubigerin im Beschwerdeverfahren keine massgeblichen Aufwendungen entstanden sind, ist ihr keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 95 Abs. 3 ZPO).

Es wird beschlossen:
  1. Das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen wird abgeschrieben.

  2. Schriftliche Mitteilung und Rechtsmittelbelehrung gemäss nachfolgendem Erkenntnis.

Es wird erkannt:
  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 2'000.festgesetzt und dem Beschwerdeführer auferlegt.

  3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Beschwerdegegnerin unter Beilage von act. 9, sowie an die Vorinstanz, an das Betreibungsamt Wetzikon und an die Obergerichtskasse, je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht,

1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 95'498.30.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. S. Kröger versandt am:

24. Mai 2018

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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