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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils PS170238: Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Fall betreffend Pfändung entschieden. Das Betreibungsamt Fällanden hatte die Aargauische Kantonalbank angewiesen, ein Guthaben des Schuldners in Höhe von Fr. 17'000.- zu sperren. Der Schuldner legte Beschwerde ein, da die Pfändung noch nicht vollzogen war. Das Obergericht entschied, dass die vorsorgliche Sicherungsmassnahme des Betreibungsamts rechtswidrig war und hob sie auf. Die Gerichtskosten betragen CHF 0.-.

Urteilsdetails des Kantongerichts PS170238

Kanton:ZH
Fallnummer:PS170238
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid PS170238 vom 13.12.2017 (ZH)
Datum:13.12.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Pfändung (Beschwerde über ein Betreibungsamt)
Schlagwörter : Betreibungsamt; Pfändung; Fällanden; SchKG; Kanton; Anzeige; Forderung; Vorinstanz; Sicherung; Betreibungsamts; Aargauische; Kantonalbank; Schuldner; Akten; Entscheid; Drittschuldner; Sicherungsmassnahme; Bundesgericht; Parteien; Aufsichtsbehörde; Forderungen; Betreibungsort; Oberland; Beschwerdegegner; Beschluss; Pfändungsvollzug; Massnahme; Rechtsprechung; Wohnsitz
Rechtsnorm:Art. 17 KG ;Art. 4 KG ;Art. 46 KG ;Art. 89 KG ;Art. 98 BGG ;Art. 99 KG ;
Referenz BGE:107 III 67; 115 III 41; 142 III 643; 91 III 81;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts PS170238

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs

Geschäfts-Nr.: PS170238-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichterin

lic. iur. A. Katzenstein und Ersatzrichterin Prof. Dr. I. Jent-Sørensen sowie Gerichtsschreiberin Dr. M. Isler

Urteil vom 13. Dezember 2017

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer,

gegen

  1. Kanton Bern Einwohnergemeinde B. ,
  2. Schweizerische Eidgenossenschaft und Kanton Bern, Beschwerdegegner,

1, 2 vertreten durch Steuern und Inkasso

betreffend Pfändung

(Beschwerde über das Betreibungsamt Fällanden)

Beschwerde gegen einen Beschluss des Bezirksgerichtes Uster vom 2. Oktober 2017 (CB170035)

Erwägungen:

    1. Mit einem als Anzeige von der Pfändung einer Forderung (Art. 99 SchKG) betitelten Schreiben gelangte das Betreibungsamt Fällanden am 14. September 2017 an die Aargauische Kantonalbank. Das Betreibungsamt ersuchte die Bank, ihm die Saldi sämtlicher auf den Schuldner (fortan Beschwerdeführer) lautenden Konti bekannt zu geben und im Umfang von Fr. 17'000.- Gruppenforderung inkl. Zins und Kosten für Auszahlungen zu sperren. Als Grund für die Kontosperre wurde angegeben, dass sich der Beschwerdeführer beharrlich einem Pfändungsvollzug entziehe. Es handle sich um eine vorsorgliche dringliche Massnahme, da der Beschwerdeführer zum wiederholten Male einer Pfändung ferngeblieben sei (act. 2/3). Nachdem die Bank den Beschwerdeführer über die Sperrung orientiert hatte (act. 2/2), gelangte dieser mit Eingabe vom 21. September 2017 ans Bezirksgericht Uster als untere kantonale Aufsichtsbehörde über Betreibungsämter. Er beantragte die Feststellung, dass das Betreibungsamt rechtswidrig gehandelt habe sowie eine superprovisorische Aufhebung der Kontosperre (act. 1).

    2. Mit Beschluss vom 2. Oktober 2017 trat die Vorinstanz auf die Beschwerde nicht ein (act. 3 = act. 6 = act. 8). Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig (vgl. act. 4) Beschwerde an die Kammer als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Betreibungsämter und beantragte eine Aufhebung des vorinstanzlichen Beschlusses (act. 7 S. 2).

    3. Die vorinstanzlichen Akten sowie die Akten des Geschäfts-Nr. CB170032, auf welche die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid mehrfach verweist, wurden beigezogen (act. 1-4 sowie act. 10/1-7). Mit Verfügung vom 13. November 2017 wurde den Beschwerdegegnern Frist zur Beschwerdeantwort und dem Betreibungsamt Fällanden zur freigestellten Vernehmlassung angesetzt (act. 11).

Das Betreibungsamt Fällanden reichte innert Frist eine Stellungnahme ein

(act. 13, act. 14/1-2), welche den Beschwerdegegnern zugestellt wurde (act. 15). Die Sache erweist sich nunmehr als spruchreif.

    1. Gemäss Art. 99 SchKG wird bei der Pfändung von Forderungen Ansprüchen, für welche nicht eine an den Inhaber an Order lautende Urkunde

      besteht, dem Schuldner des Betriebenen angezeigt, dass er rechtsgültig nur noch an das Betreibungsamt leisten könne. Wurden Forderungen des Betreibungsschuldners gepfändet, so hat mit anderen Worten zur Sicherung der Gläubigerrechte eine Anzeige an den Drittschuldner zu erfolgen. Diese Sicherungsmassnahme ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auch als vorsorgliche Massnahme zulässig, insbesondere wenn dies zur Vorbereitung der Pfändung und zum Schutz der Gläubigerinteressen notwendig ist (BGE 107 III 67 E. 2; BGE 115 III 41 E. 2). Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen vorsorglichen Massnahme ist eine besondere Dringlichkeit. Ist diese gegeben, kann das Betreibungsamt auch schon vor der Ankündigung der Pfändung sämtliche Guthaben

      des betriebenen Schuldners bei Dritten sperren, indem es eine Anzeige an die be-

      troffenen Drittschuldner erlässt (BSK SchKG I-LEBRECHT, 2. Aufl., Art. 99 N 9

      m.H.a. BGE 115 III 41 E. 2 und BGE 107 III 67 E. 2).

    2. Vorliegend ergibt sich aus der Anzeige des Betreibungsamts Fällanden vom

      14. September 2017 und aus den Ausführungen des Beschwerdeführers, dass die Pfändung im Zeitpunkt der Anzeige an die Bank noch nicht vollzogen war. Bei der Kontosperre handelt es sich demzufolge wie das Betreibungsamt richtig umschrieb - um eine vorsorgliche Sicherungsmassnahme, und zwar eine mit superprovisorischem Charakter, da der Beschwerdeführer vorgängig, um den Zweck der Sperre nicht zu vereiteln, nicht angehört wurde. Das Bundesgericht hat in einem jüngeren publizierten Entscheid festgehalten, dass die Anzeige an den Drittschuldner vor Vollzug der Pfändung eine behördliche Handlung des Betreibungsamts darstelle, die der Beschwerde nach Art. 17 SchKG unterliege (BGE 142 III 643 E. 3. insbes. E. 3.2). Dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung wird sich die Kammer aus Rechtssicherheitsüberlegungen unterziehen. Bis anhin verfolgte sie mit Blick auf die ohne vorgängige Anhörung des Schuldners erlassene Anzeige an die Drittschuldnerin eine andere Praxis, die sich an den allgemein geltenden Grundsätzen für Superprovisorien orientierte; die vorsorgliche Sicherungsmassnahme wurde demzufolge als nicht anfechtbar erachtet (vgl. OGer ZH PS150056 vom 24. August 2015 E. 3.b) und 3.c) und OGer ZH PS170158 vom 3. August 2017).

    3. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung stellt die Anzeige des Betreibungsamts Fällanden an die Aargauische Kantonalbank vom 14. September 2017 somit ein taugliches Anfechtungsobjekt dar, weshalb die Vorinstanz zu Unrecht nicht auf die Beschwerde eingetreten ist.

    1. Die Vorinstanz machte in der Folge ergänzende materielle Ausführungen zu den Beschwerdegründen und hielt als Fazit fest, die vorsorgliche Sicherungsmassnahme sei nicht zu beanstanden (act. 6 S. 4 ff., 7).

    2. In der Begründung verwies die Vorinstanz mehrfach auf (Einleger-)Akten des Geschäfts-Nr. CB170032 zwischen denselben Parteien, welches mit Beschluss vom 14. September 2017 von ihr erledigt worden war. Da diese Akten offensichtlich für die Entscheidfindung notwendig waren und aufgrund derselben Parteien wohl auch keine überwiegenden Interessen dagegen standen, wären sie im vorinstanzlichen Verfahren formell beizuziehen gewesen. Dies hätte insbesondere verhindert, dass die einschlägigen Dokumente nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Parteien zurückgeschickt wurden und daher im vorliegenden Verfahren nicht mehr greifbar sind (vgl. act. 10).

    3. Die Vorinstanz ging in den ergänzenden Erwägungen nicht auf die vom Beschwerdeführer gerügte Unzuständigkeit des Betreibungsamts Fällanden ein (act. 6 S. 4 f.). Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe seinen Wohnsitz in B. , weshalb das Betreibungsamt Fällanden nicht zuständig sei (vgl. act. 1 S. 2; act. 7 S. 2).

    4. Gemäss Art. 46 Abs. 1 SchKG ist der Schuldner an seinem Wohnsitz zu betreiben. Das Betreibungsamt des Betreibungsorts ist für die Anordnung der Pfän- dung örtlich zuständig. Beim Pfändungsvollzug gibt es eine Spaltung der örtlichen Zuständigkeit, sofern die zu pfändenden körperlichen Gegenstände nicht am Betreibungsort liegen (vgl. Art. 89 SchKG). Diesfalls erfolgt der Vollzug durch das Betreibungsamt am Ort der gelegenen Sache, und zwar auf Anordnung des Amts am Betreibungsort (sog. Requisitionspfändung, Art. 4 SchKG). Die requisitorische Vornahme der Pfändung wird mit einem Rechtshilfegesuch verlangt (BSK SchKG I-LEBRECHT, 2. Aufl., Art. 89 N 6 f. und 19).

      Aktenkundig ist vorliegend ein Rechtshilfeauftrag des Betreibungsamts Oberland, Dienststelle Oberland , B. an das Betreibungsamt Fällanden vom 19. Juni 2017 betreffend den ordentlichen Pfändungsvollzug in zwei Betreibungen der Beschwerdegegner, da der Beschwerdeführer in B. keine nur ungenügend pfändbare Vermögenswerte besitze (act. 2/1). Der Beschwerdeführer hatte an der [Adresse] offenbar früher einmal Wohnsitz zumindest eine Zustelladresse (vgl. act. 2/1-3). Das Betreibungsamt Fällanden erliess daraufhin am 12. Juli 2017 im Auftrag des Betreibungsamts Oberland die Pfän- dungsankündigung im Requisitionsverfahren (act. 2/1).

    5. Beim Pfändungsvollzug ist zwischen der Realund der Forderungspfändung zu unterscheiden. Für die Realpfändung ist wie erwähnt das Betreibungsamt am Ort der gelegenen Sache zuständig, für die Forderungspfändung indessen das Betreibungsamt am Betreibungsort. Dies gilt jedenfalls für Forderungen, deren Bestand nicht an eine Urkunde geknüpft ist, wie Bankguthaben. Solche Forderungen sind (insbesondere auch unabhängig vom Wohnort bzw. Sitz des Drittschuldners) nach ständiger Rechtsprechung vom Amt des Betreibungsorts zu pfänden. Denn Forderungen, die nicht in einem Wertpapier verkörpert sind, gelten als am Ort des Gläubigers, also des betriebenen Schuldners, gelegen (BGE 91 III 81

      E. 1; BSK SchKG I-LEBRECHT, 2. Aufl., Art. 89 N 6 ff.). Für die Pfändung des Guthabens des Beschwerdeführers bei der Aargauischen Kantonalbank war folglich ausschliesslich das Betreibungsamt an seinem Wohnsitz, also das Betreibungsamt Oberland, örtlich zuständig. Gleiches muss für diesbezügliche vorsorgliche Sicherungsmassnahmen gelten. Das Betreibungsamt Fällanden hätte nach dem Ausgeführten auch nicht gestützt auf ein Rechtshilfegesuch tätig werden dürfen.

    6. Ob die von einem unzuständigen Betreibungsamt erlassene Anzeige an die Drittschuldnerin anfechtbar sogar nichtig ist, muss vorliegend nicht beantwortet werden. Sie ist jedenfalls in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben. Der Aargauischen Kantonalbank ist eine entsprechende Mitteilung zu machen.

4. Das Verfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungsund Konkurssachen ist kostenlos (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG). Parteientschä- digungen sind keine auszurichten (Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).

Es wird erkannt:

  1. In Gutheissung der Beschwerde wird die vorsorgliche Sicherungsmassnahme über das Guthaben des Beschwerdeführers bei der Aargauischen Kantonalbank, Bahnhofplatz 1, 5000 Aarau, welche mit Anzeige des Betreibungsamts Fällanden vom 14. September 2017 angeordnet wurde, aufgehoben.

  2. Es werden keine Kosten erhoben.

  3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Beschwerdeführer unter Beilage eines Doppels von act. 13; im Dispositiv an die Aargauische Kantonalbank, Bahnhofplatz 1, 5001 Aarau; unter Rücksendung der erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz; an das Betreibungsamt Fällanden und an das Betreibungsamt Oberland, [Adresse], je gegen Empfangsschein.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 10 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG.

Es handelt sich um einen Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungsund Konkurssachen im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

Dr. M. Isler versandt am:

14. Dezember 2017

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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