Zusammenfassung des Urteils PS160180: Obergericht des Kantons Zürich
Die Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin erhob Rechtsvorschlag gegen einen Zahlungsbefehl des Betreibungsamts Zürich 11, woraufhin das Betreibungsamt sie auf die Möglichkeit einer Fristwiederherstellung hinwies. Nachdem die Vorinstanz nicht auf das Gesuch eingetreten war, erhob die Gesuchstellerin Beschwerde, die letztendlich abgewiesen wurde. Die Schuldnerin argumentierte mit mangelnden Sprachkenntnissen und der schweren Erkrankung ihrer Mutter als Gründe für die verspätete Reaktion, was jedoch nicht zur Wiederherstellung der Frist führte. Das Verfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen ist grundsätzlich kostenlos, und es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und es wurden keine Kosten erhoben.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PS160180 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 30.09.2016 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um Wiederherstellung der Rechtsvorschlagsfrist (Betreibungsamt / Betreibung Nr.) |
Schlagwörter : | Schuldnerin; SchKG; Betreibung; Recht; Wiederherstellung; Rechtsvorschlag; Frist; Gesuch; Aufsichtsbehörde; Betreibungsamt; Vorinstanz; Verfahren; Mutter; Rechtsvorschlags; Hindernis; Rechtsvorschlagsfrist; Krankheit; Schuldbetreibung; Konkurs; Schweiz; Gesuchs; Gläubigerin; Kanton; Beschwerdeverfahren; Erkrankung; Person; Bundesgericht |
Rechtsnorm: | Art. 148 ZPO ;Art. 18 KG ;Art. 20a KG ;Art. 322 ZPO ;Art. 326 ZPO ;Art. 33 KG ;Art. 58 KG ;Art. 74 KG ;Art. 85a KG ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs
Geschäfts-Nr.: PS160180-O/U
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichter Dr. P. Higi und Ersatzrichterin Prof. Dr. I. Jent-Sørensen sowie Gerichtsschreiber lic. iur. T. Engler
Urteil vom 30. September 2016
in Sachen
,
Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin,
gegen
-Verlag Schweiz GmbH, Gesuchsund Beschwerdegegnerin,
betreffend
(Betreibungsamt Zürich 11 / Betreibung Nr. 1)
Beschwerde gegen einen Beschluss der 1. Abteilung des Bezirksgerichtes Zürich vom 13. September 2016 (CB160117)
Erwägungen:
Das Betreibungsamt Zürich 11 stellte der Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin A. am 4. August 2016 einen Zahlungsbefehl zu (Betreibungs-Nr. 1). Bei der Gesuchsund Beschwerdegegnerin B. -Verlag Schweiz GmbH handelt es sich um die Gläubigerin in dieser Betreibung (vgl. act. 2). Die Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin wird daher nachfolgend als Schuldnerin, die Gesuchsund Beschwerdegegnerin als Gläubigerin bezeichnet.
Die Schuldnerin erhob am 18. August 2016 Rechtsvorschlag. Das Betreibungsamt Zürich 11 teilte der Schuldnerin mit Schreiben vom 25. August 2016 unter Hinweis auf die Frist nach Art. 74 Abs. 1 SchKG mit, dass der Rechtsvorschlag zu spät erfolgt sei. Gleichzeitig wies das Betreibungsamt die Schuldnerin auf die Möglichkeit einer Fristwiederherstellung nach Art. 33 Abs. 4 SchKG hin (act. 2).
Die Schuldnerin gelangte mit Eingabe vom 31. August 2016 an das Bezirksgericht Zürich als untere Aufsichtsbehörde über Betreibungsämter (Vorinstanz) und ersuchte um Wiederherstellung der Rechtsvorschlagsfrist (act.1).
Die Vorinstanz beschloss am 13. September 2016 was folgt (act. 3 = act. 6 =
act. 8):
1. Auf das Gesuch um Wiederherstellung der Rechtsvorschlagsfrist wird nicht eingetreten.
[2.-3. Mitteilung, Rechtsmittel]
Der Beschluss wurde der Schuldnerin am 16. September 2016 zugestellt (vgl. act. 4/3).
Mit Eingabe vom 23. September 2016 (der Post übergeben am 26. September 2016) erhob die Schuldnerin Beschwerde gegen den Beschluss vom 13. September 2016. Sie stellt den folgenden Beschwerdeantrag (act. 7):
Ich beantrage die Beschwerde gutzuheissen und dem Gesuch um Wiederherstellung des Rechtsvorschlagsfrist stattzugeben.
Die Akten des erstinstanzlichen Verfahrens wurden beigezogen (act. 1-4). Es wurde davon abgesehen, eine Beschwerdeantwort einzuholen (vgl. Art. 322 Abs. 1 ZPO). Das Verfahren ist spruchreif. Der Gläubigerin ist indes noch das Doppel von act. 7 zuzustellen.
Das Verfahren der Beschwerde in Schuldbetreibungsund Konkurssachen richtet sich nach den Bestimmungen von Art. 20a Abs. 2 SchKG. Soweit das SchKG keine Bestimmungen enthält, regeln die Kantone das Verfahren (Art. 20a Abs. 3 SchKG). Im Kanton Zürich wird in § 84 i.V.m. § 85 GOG für das Verfahren des Weiterzugs an die obere kantonale Aufsichtsbehörde auf das Beschwerdeverfahren nach Art. 319 ff. ZPO verwiesen, welches dementsprechend als kantonales Recht anzuwenden ist (vgl. dazu JENT-SØRENSEN, Das kantonale Verfahren nach Art. 20a Abs. 3 SchKG: ein Relikt und die Möglichkeit einer Vereinheitlichung, BlSchK 2013 S. 89 ff., S. 103; im Besonderen zum Fall des Weiterzugs von Entscheiden über Wiederherstellungsgesuche vgl. BSK SchKG-NORDMANN, 2. Auflage 2010, Art. 33 N 16).
Anwendbar ist somit auch Art. 326 Abs. 1 ZPO, wonach im Beschwerdeverfahren keine neuen Anträge, neuen Tatsachenbehauptungen und neuen Beweismittel zulässig sind. Das gilt ungeachtet der Bestimmung von Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 ZPO (vgl. OGer ZH PS150069 vom 4. August 2015, E. II./1. mit weiteren Hinweisen).
Die Beschwerde ist in der 10tägigen Rechtsmittelfrist von Art. 18 SchKG zu erheben. Die Weiterziehungsfrist ist eine gesetzliche Frist, die grundsätzlich nicht erstreckt werden kann (BSK SchKG-COMETTA/MÖCKLI, 2. Auflage 2010, Art. 18 SchKG N 14).
Die Beschwerde an die Kammer als obere kantonale Aufsichtsbehörde erfolgte am letzten Tag der Beschwerdefrist sowie schriftlich und (kurz) begründet. Daher ist auf sie einzutreten.
Die Vorinstanz erwog, da der deutschsprachige Freund der Schuldnerin ihr offenbar am 18. August 2016 (Datum des Rechtsvorschlags) mit der Übersetzung des Zahlungsbefehls geholfen habe, sei das Gesuch um Wiederherstellung am
31. August 2016 zu spät erfolgt. Daher sei nicht darauf einzutreten (act. 8 S. 3).
Dem ist zuzustimmen. Unabhängig davon, was genau das Hindernis war, das die Schuldnerin vom rechtzeitigen Handeln abhielt (vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen), ist jedenfalls davon auszugehen, dass dieses Hindernis am
18. August 2016, als die Schuldnerin tatsächlich Rechtsvorschlag erhob, entfallen
war. Ab dann hätte die Schuldnerin innert der gleichen Frist wie der versäumten
also innert der 10tägigen Frist von Art. 74 Abs. 1 SchKG - nicht nur den Rechtsvorschlag nachholen, sondern auch bei der Aufsichtsbehörde um Wiederherstellung ersuchen müssen (Art. 33 Abs. 4 SchKG). Das Betreibungsamt hat die Schuldnerin korrekt darauf hingewiesen (act. 4). Die 10tägige Frist lieft ab dem Entfallen des Hindernisses (18. August 2016) bis Montag, 29. August 2016.
Die Schuldnerin hat somit zwar den Rechtsvorschlag rechtzeitig nachgeholt, aber sie hat erst am 31. August 2016 und damit zu spät vor der Vorinstanz um Wiederherstellung der Frist ersucht (act. 1).
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass dem Standpunkt der Schuldnerin auch dann nicht gefolgt werden könnte, wenn über die Verspätung ihres Wiederherstellungsgesuchs hinweggesehen würde:
Die Vorinstanz wies korrekt auf die Voraussetzungen einer Fristwiederherstellung nach Art. 33 Abs. 4 SchKG hin (act. 8 S. 3). Allgemein sind plötzlich eintretende Ereignisse geeignet, einen unverschuldeten Hinderungsgrund darzustellen, also zum Beispiel schwere Erkrankung, Unfall, plötzlich eintretende Handlungsunfähigkeit des Betroffenen der unerwartete Tod naher Angehöriger (vgl. dazu aber ohnehin Art. 58 SchKG). Krankheit im Allgemeinen (also wenn sie nicht
plötzlich eintritt und schwer ist) rechtfertigt dagegen nach Art. 33 Abs. 4 SchKG keine Wiederherstellung (vgl. BGer 5A_383/ 2012 vom 23. Mai 2012, E. 2.2).
Die Schuldnerin erklärte vor der Vorinstanz in ihrem Gesuch vom 31. August 2016, sie verstehe schlecht deutsch. Sie habe zwar einen deutschsprachigen Freund, doch sie habe ihn wegen der Ferienzeit nicht erreicht, weil er im Ausland gewesen sei. Als er zurückgekommen sei, habe er sofort beim Betreibungsamt angerufen, aber die Frist sei in dem Zeitpunkt schon abgelaufen gewesen. Im Übrigen sei die Betreibung unberechtigt, da ihr, so die Schuldnerin weiter, bei einem Haustürverkauf eine Dienstleistung aufgeschwatzt worden sei (act. 1).
Die Vorinstanz erwog zutreffend, dass mangelnde Sprachkenntnisse kein unverschuldetes Hindernis darstellten, da die Schuldnerin sich umgehend an eine Person mit ausreichenden Deutschkenntnissen hätte wenden müssen (vgl. ZK ZPOSTAEHELIN, 3. Auflage 2016, Art. 148 ZPO N 8, wonach mangelnde Sprachkenntnisse auch im Anwendungsbereich der grosszügigeren Bestimmung von Art. 148 Abs. 1 ZPO keine Wiederherstellung rechtfertigen, da im Nichtbemühen um Übersetzung ein mehr als leichtes Verschulden liegt). Zum weiteren Argument, die Betreibung sei unberechtigt, erwog die Vorinstanz auch das zu Recht -, dass materiellrechtliche Einwendungen gegen die in Betreibung gesetzte Forderung nicht gegenüber dem Betreibungsamt und der Aufsichtsbehörde vorgebracht werden können, sondern allenfalls auf dem Weg der richterlichen Aufhebung Einstellung der Betreibung nach Art. 85a SchKG (act. 8 S. 3 f.).
Die Schuldnerin bringt vor der Kammer beschwerdeweise vor, ihre Mutter in der Türkei sei schwer erkrankt und der Zustand der Mutter sei sehr kritisch gewesen. Daher sei es ihr, der Schuldnerin, nicht möglich gewesen, die Frist korrekt wahrzunehmen. Sie habe grosse Sorgen gehabt, ihre Mutter würde sterben. Zwar sei es richtig, dass sie den Brief (Zahlungsbefehl) am 4. August 2016 erhalten habe. Sie sei aber, so die Schuldnerin weiter, am 5. August 2016 in die Türkei zu ihrer schwer erkrankten Mutter geflogen und erst am 16. August 2016 zurückgekehrt. Das könne sie nötigenfalls belegen. Sie sei aufgrund der Gesundheitssituation ihrer Mutter völlig durch den Wind gewesen und absolut nicht handlungsfähig was dieses Schreiben angehe. Als sodann ihr Schweizer Freund zurückgekehrt sei, sei es zu spät gewesen (act. 7).
Diese Schilderung bringt die Schuldnerin erstmals im vorliegenden Beschwerdeverfahren vor. Wie bereits erwähnt wurde, sind in diesem Verfahren jedoch keine neuen Tatsachenbehauptungen mehr zulässig (vgl. vorne 2.1). Auf die neue Argumentation der Schuldnerin zur Krankheit ihrer Mutter kann daher nicht eingegangen werden.
Auch wenn die Ausführungen berücksichtigt würden, könnten sie keine Wiederherstellung der Rechtsvorschlagsfrist rechtfertigen. Mit Krankheit im Sinne eines unverschuldeten Hindernisses wird allgemein eine Erkrankung der betroffenen Person selber gemeint. Wenn überhaupt auch die Krankheit einer nahestehenden Person wie der Mutter der Schuldnerin ein unverschuldetes Hindernis darstellen könnte, so wäre zu verlangen, dass diese Erkrankung plötzlich eintritt (wie vorstehend aufgezeigt, wird das auch bei einer Erkrankung der betroffenen Person selber vorausgesetzt). Wie es sich damit verhält, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Ebenso fehlen konkrete, bestimmte und belegte Angaben zu den Auswirkungen, welche die Krankheit der Mutter auf die Schuldnerin hatte. Die Schuldnerin schildert schwere Depressionen (act. 7), legt aber keine Belege dafür vor. Zwar ist nachvollziehbar, dass die Schuldnerin sich in einer persönlich schwierigen Situation befand. Daraus und aus den weiteren Schilderungen kann aber nicht darauf geschlossen werden, dass es der Schuldnerin unverschuldet objektiv und subjektiv nicht möglich gewesen wäre, rechtzeitig selber zu reagieren einen Dritten zu beauftragen. Weiter kann aus dem Vorbringen auch nicht auf eine Handlungsunfähigkeit der Schuldnerin im Rechtssinne (Art. 16 f. ZGB) geschlossen werden.
Eine Nachfristansetzung zur Ergänzung und zur Vorlage von Belegen kommt nicht in Frage, da die gesetzliche Beschwerdefrist nicht erstreckt werden kann (vgl. vorne 2.2).
Da somit auch dann keine Wiederherstellung zu gewähren wäre, wenn das Gesuch um Fristwiederherstellung als rechtzeitig erfolgt gelten würde, erübrigen sich Weiterungen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beschwerde abzuweisen ist.
Das Verfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungsund Konkurssachen ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG), und es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Ohnehin wäre der Gläubigerin mangels eines ihnen entstandenen Aufwandes im Beschwerdeverfahren keine Entschädigung zuzusprechen.
Es wird erkannt:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Kosten erhoben.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, unter Rücksendung der erstinstanzlichen Akten an das Bezirksgericht Zürich, sowie an das Betreibungsamt Zürich 11, je gegen Empfangsschein, an die Gesuchsund Beschwerdegegnerin unter Beilage des Doppels von act. 7.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 10 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um einen Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungsund Konkurssachen im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Der Gerichtsschreiber:
lic. iur. T. Engler versandt am:
3. Oktober 2016
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