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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:PS150113
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid PS150113 vom 18.08.2015 (ZH)
Datum:18.08.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Betreibung (Beschwerde über ein Betreibungsamt)
Schlagwörter : Konkurs; Betreibung; SchKG; Biger; Beschwerde; Gläubiger; öffnung; Fortsetzung; Recht; Konkurseröffnung; Aufleben; Betreibungen; Konkurses; Einstellung; Betreibungs; Pfändung; Fortsetzungsbegehren; Entscheid; Bundesgericht; Beschwerdeführerin; Fortgesetzt; Rechtsprechung; Schuldbetreibung; Betreibungsamt; Mangels; Aktiven; Faillite; Weite; Gestellte; Vorinstanz
Rechtsnorm: Art. 158 KG ; Art. 206 KG ; Art. 230 KG ; Art. 268 KG ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:124 III 123; 124 III 124; 130 III 481; 27 I 373; 88 III 20;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Peter Breitschmid; Peter Breitschmid;
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs

Geschäfts-Nr.: PS150113-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur.

P. Diggelmann und Ersatzrichter lic. iur. H. Meister sowie Gerichtsschreiberin Prof. Dr. I. Jent-Sørensen.

Urteil vom 18. August 2015

in Sachen

  1. Kranken-Versicherung AG, Beschwerdeführerin,

    gegen

  2. ,

    Beschwerdegegnerin,

    betreffend Betreibung Nr.

    (Beschwerde über das Betreibungsamt Winterthur-Stadt)

    Beschwerde gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Winterthur vom 10. Juni 2015 (CB150009)

    Erwägungen:
    I.
    1. Die Beschwerdeführerin hatte die Beschwerdegegnerin betrieben und am

11. Dezember 2014 die Konkursandrohung zustellen lassen. In einer anderen Betreibung gegen die Beschwerdegegnerin wurde am 13. März 2015 der Konkurs eröffnet, am 24. März 2015 jedoch mangels Aktiven wieder eingestellt. Ein danach von der Beschwerdeführerin gestelltes Fortsetzungsbegehren auf Pfändung wurde vom Betreibungsamt zurückgewiesen. Die Vorinstanz hat die dagegen erhobene Beschwerde wie folgt entschieden (act. 14 = act. 12 = act. 7):

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Es werden keine Kosten erhoben. 3./4. Mitteilung/Rechtsmittel.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde bei der Kammer mit dem Begehren (act. 13 S. 2):

1. Der Entscheid (CB150009-K) vom 10.06.2015 des Bezirksgerichts Winterthur sei aufzuheben.

  1. Das Betreibungsamt Winterthur-Stadt sei zu verpflichten, in der Betreibung Nr. die für die Betreibung notwendigen Schritte anhand zu nehmen und die Pfändungsurkunde auszustellen.

  2. Die im Zusammenhang mit der Rückweisung vom 07.04.2015 in der Betreibung Nr. verlegten Spesen seien aufzuheben.

  3. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen.

    Mit Verfügung vom 6. Juli 2015 wurde der Beschwerdegegnerin eine 10tägige Frist zur Beschwerdeantwort angesetzt (act. 16), welche ihr am 15. Juli 2015 zugestellt wurde (act. 17). Bis heute ist bei der Kammer keine solche Antwort eingegangen. Die Sache ist spruchreif.

    II.
    1. Die Vorinstanz hat ihren Entscheid wie folgt begründet (act. 12 S. 4): Gemäss Art. 230 Abs. 4 SchKG würden die vor der Konkurseröffnung eingeleiteten Betreibungen wieder aufleben und der Gläubiger könne ohne neuen Zahlungsbefehl die Fortsetzung der Betreibung auf Pfändung verlangen. Die Beschwerdefüh- rerin berufe sich darauf, verkenne allerdings, dass das Wiederaufleben nicht bedeute, dass ein bereits erfolgter Verfahrensschritt wiederholt werden könne. Art. 230 SchKG sei eine Ausnahmebestimmung zu Art. 206 Abs. 1 SchKG und könne nur auf Betreibungen Anwendung finden, die im Moment des Konkurses noch fortgesetzt werden könnten. Die angehobenen Betreibungen würden nach Einstellung des Konkurses in dem Stadium wieder aufleben, in dem sie sich zuvor befunden hätten, was den Gläubiger aber nicht von der Stellung eines Fortsetzungsbegehrens entbinde, sofern er die Betreibung weiterführen wolle, andernfalls das Betreibungsamt verpflichtet wäre, sämtliche noch gültigen Fortsetzungsbegehren der Gläubiger automatisch weiterzuführen, was in der Praxis zu Problemen führe. Der Gläubiger, der bereits ein Fortsetzungsbegehren auf Konkurs gestellt habe, könne in der gleichen Betreibung nicht ein zweites Fortsetzungsbegehren auf Pfändung stellen; jedenfalls ergebe sich weder aus der Literatur noch der Rechtsprechung etwas Anderes. Wiederaufleben heisse nichts anderes, als dass der einmal gewählte Weg fortgesetzt werden müsse, so dass bei einer vor der Eröffnung des Konkurses erfolgten Zustellung der Konkursandrohung nur die Konkurseröffnung verlangt werden könne, so dass die Beschwerde unbegründet sei. Offen bleiben könne, ob die Betreibung der Beschwerdeführerin am 30. März 2015 bei Stellung des Begehrens durch die Beschwerdeführerin bereits wieder aufgelebt gewesen sei oder ob der Zeitpunkt des Konkursschlusses nicht erst nach Ablauf der Frist gemäss Art. 230 Abs. 2 SchKG eintrete (Frist zur Sicherstellung der Konkurskosten nach Einstellung des Konkurses mangels Aktiven durch das Gericht).

    2. Die Beschwerdeführerin macht geltend (act. 3 S. 3 f.), dass der Gläubiger ohne neuen Zahlungsbefehl die Fortsetzung der Betreibung auf Pfändung verlangen könne, ausser in jener Betreibung, die zur Eröffnung des Konkurses geführt

      habe, was für sämtliche Betreibungsarten und für sämtliche Betreibungsstadien gelte. Das sei vom Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich bestätigt worden. Im rechtskräftigen Urteil vom 25. August 2014 vertrete dieses in Ziff. 5.3.3 die Meinung, dass es sich bei der Konkursandrohung noch nicht um eine Konkurseröffnung handle und daher eine Fortsetzung auf dem Pfändungswege mög- lich sein müsse. Gleiches ergebe sich aus dem rechtskräftigen Beschluss des Bezirksgerichts Bülach (DB150001-C vom 11. März 2015). Mit der Rückweisung des Fortsetzungsbegehrens sei Art. 230 Abs. 3 SchKG verletzt worden. Das müs- se auch zur Aufhebung des Kostenentscheides des Betreibungsamtes führen.

    3. a) Zu beurteilen gilt es die kontroverse Rechtsfrage über die Tragweite von Art. 230 Abs. 4 SchKG. Die Vorinstanz hat sich u.a. auf BGE 124 III 123 = Pra 1998 S. 608 berufen und gestützt darauf die Weiterführung der Betreibung auf Pfändung gemäss Art. 230 Abs. 3 SchKG abgelehnt. Der genannte Entscheid betrifft das Wiederaufleben derjenigen Betreibung, die zur (nachträglich mangels Aktiven eingestellten) Konkurseröffnung geführt hat. In Erwägung 2 wird (in der Übersetzung in der Praxis) festgehalten, dass es sich dabei natürlich nur um Verfahren handeln (kann), die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch fortsetzungsfähig sind. Daher ist hiervon jegliche Betreibung ausgeschlossen, die auf der Grundlage des in Art. 88 und 159 ff. SchKG vorgesehenen Fortsetzungsbe-

gehrens bereits fortgesetzt wurde, um den Konkursbeschluss zu erwirken. (Damit wurde ein Entscheid der Aufsichtsbehörde des Kantons Waadt vom 15. Dezember 1997 [abgedruckt in BlSchK 1998 S. 77 ff.] bestätigt).

Im Entscheid BGer 5A_370/2010, der ebenfalls die Fortsetzung derjenigen Betreibung betrifft, die zur Konkurseröffnung geführt hat, wird in Erwägung 3 auf BGE 124 III 123 sowie auf die daran geübte Kritik und auf die unterschiedliche kantonale Praxis zu Art. 230 Abs. 4 SchKG Bezug genommen. Als Kritiker werden genannt: Kurt Amonn/Dominik Gasser, Die Rechtsprechung des BG im Schuldbetreibungsund Konkursrecht des Jahres 1998 (ZBJV 1999 S. 253), Breitenstein, recte: Peter Breitschmid, Bemerkungen zu BGE 124 III 123 (AJP 1998 S. 845 f.), CR LP-Vouilloz (N. 12 zu Art. 230). Als Befürworter sind erwähnt: Pierre Robert Gilliéron, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 4eme éd., Lausanne 2005,

Rz 1851; Hansjörg Peter, Le point sur le droit des poursuites et des faillites, SJZ 1999, S. 348 ff., S. 350 und derselbe, Edition annotée de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bern 2010, S. 967 sowie KuKo SchKG-Schober (1. A. 2009) N. 26 zu Art. 230).

  1. Amonn/Gasser haben a.a.O. bei der Besprechung von BGE 124 III 123 ff. vor allem auf die aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung folgende Ungleichbehandlung der Gläubiger hingewiesen. Benachteiligt werde jener, der seine Betreibung am weitesten vorangetrieben habe und sein Ziel - die Konkurser- öffnung - erreicht habe. Diesem Gläubiger allein werde nach der Einstellung des Konkurses eine völlig neue Betreibung zugemutet. Ein anderer Gläubiger, der nach dem Stand seiner Betreibung die Konkurseröffnung ebenfalls hätte verlangen können, dies jedoch aus Kostengründen bzw. im Wissen um die magere Konkursmasse unterlassen habe, werde privilegiert, weil er seine Betreibung nach Einstellung des Konkurses unmittelbar auf Pfändung fortsetzen könne, was einen Zeitund Kostenvorteil bedeute. Wortlaut und Sinn des Gesetzes stünden dem Wiederaufleben auch der konkursauslösenden Betreibungen nicht entgegen.

    Dass auch Gläubiger mit Betreibungen, die bereits auf dem Weg des Konkurses fortgesetzt worden sind, zur Neueinleitung der Betreibung gezwungen sein könnten, schliessen diese Autoren offensichtlich aus.

    Im Lehrbuch von Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungsund Konkursrechts, 9. Auflage, Bern 2013 (§ 44 Rz 23) wird ohne eigene Stellungnahme auf BGE 124 III 123 und BGer 5A_370/2010 hingewiesen. Betreibungen würden nach Einstellung des Konkurses wieder aufleben, sofern sie im Moment des Konkurses noch fortgesetzt werden könnten, was insbesondere für diejenige Betreibung, für die das Fortsetzungsbegehren gestellt worden sei und die zur Er- öffnung des Konkurses geführt habe, nicht der Fall sei. Eine wertende Stellungnahme fehlt.

    Peter Breitschmid hat BGE 124 III 123 rezensiert (AJP 1999 S. 845 f.). Er verweist auf einen (offenbar unpublizierten) Beschluss des Zürcher Obergerichts vom 6. Oktober 1997, welches im gegenteiligen Sinne entschieden habe: In der

    Sache macht die Beschwerdeführerin geltend, es führe die von der Vorinstanz und vom Betreibungsamt verfochtene Auslegung des neuen Art. 230 Abs. 4 SchKG zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung jenes Gläubigers, welcher den (nachträglich mangels Aktiven eingestellten) Konkurs über den Schuldner herbeigeführt habe. Für das Wiederaufleben könne nicht entscheidend sein, ob der Gläubiger seinen Fortsetzungsanspruch durch das Begehren um Konkurseröffnung gewissermassen bereits «konsumiert» habe; sachlich entscheidend sei, ob der Schuldner bereits Gelegenheit hatte, die Forderung zu bestreiten, und es seien all jene Gläubiger gleich zu behandeln, welche den Rechtsvorschlag bereits beseitigt hätten (dies mit einer auf die Praxis von Art. 158 SchKG i.V.m. Art. 120 VZG abgestützten Analogieüberlegung). In der Doktrin finden sich nur vereinzelte und knappe Stellungnahmen zur Trageweite des neuen Abs. 4 von Art. 230 SchKG. Die Botschaft (BBl 1991 III 141) nennt als Zweck der neuen Regelung, «die Rechte zu wahren, welche die Gläubiger in einem vorausgegangenen Betreibungsverfahren erworben haben, und ihnen die Kosten zu ersparen, die mit einer neuen Betreibung zwangsläufig verbunden wären». Schon die Darstellung bei Fritzsche/Walder (Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 3. A., Zürich 1993, § 45 Rz. 12 ff.) macht deutlich, dass bereits unter dem alten Recht unter gewissen Umständen von der Regel abgewichen werden musste, entweder aus Billigkeitsgründen bzw. um rechtsmissbräuchliche Insolvenzerklärungen des Schuldners zu vermeiden (s. namentlich auch den a.a.O. zit. BGE 27 I 373; zuletzt BGE 88 III 20 E. 2). Hardmeier (Änderungen im Konkursrecht, AJP/PJA 1996 1428 ff., 1435) legt dar, dass das neue Recht die punktuelle Billigkeitsrechtsprechung unter altem Recht «für alle vor der Konkurseröffnung hängig gewesenen Betreibungen im Gesetz verankert» hat; allerdings wird aus dem Kontext deutlich, dass dieser Autor vorab an die vom Schuldner durch missbräuchliche Insolvenzerklärungen bewirkten Nachteile für die Gläubiger denkt. Weitere Äusserungen in der Doktrin beschränken sich auf die Feststellung der neuen Rechtslage,

    z.T. ebenfalls verbunden mit dem Hinweis, dass alle vor der Konkurseröffnung eingeleiteten Betreibungen wieder aufleben (Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungsund Konkursrechts, 6. A., Bern 1997, § 44 Rz. 23, in Rz 26 mit bedauerndem Hinweis, dass diese Wohltat für Pfandgläubiger natürlicher Personen nicht gelte, was Rückschluss auf eine nach Auffassung dieser Autoren weitgesteckte Handhabe der neuen Regelung zulässt; Froidevaux, LP - Commentaires pratiques, Muri/Berne 1997, 185; Spühler/Pfister, Schuldbetreibungsund Konkursrecht II, Zürich 1997, 34). Dies lässt die vorinstanzliche Differenzierung als nicht überzeugend erscheinen. Zwar hat der Gläubiger, welcher das Konkursbegehren stellt, alle Schritte unternommen, um die Wirkungen von Art. 206 SchKG herbeizuführen, doch greift diese Bestimmung eben nur, wo der Konkurs Wirkungen entfaltet (Titel von Ziff. I des Sechsten Titels, Konkursrecht, vor Art. 197 ff. SchKG). Solche Wirkungen sollen nach Art. 230 Abs. 4 SchKG aber gerade dort nicht eintreten, wo dieser eingestellt wurde. Wieso dies jenem Gläu- biger gegenüber nicht gelten soll, welcher die eingestellte Konkurseröffnung herbeigeführt hat (und welchem gegenüber sie mithin auch keine Wirkungen zu entfalten vermöchte), ist nicht ersichtlich: auch seine Betreibung ist - der rückwirkenden Betrachtungsweise von Art. 230 Abs. 4 SchKG entsprechend - mit der Einstellung des Konkurses nicht bis zur Eröffnung des Konkurses fortgeschritten, sondern wieder in den Zustand vor dessen Eröffnung zurückgefallen, weshalb sich die von der Vorinstanz vorgenommene Differenzierung nicht rechtfertigt. Es rechtfertigt sich vielmehr, die Gleichbehandlung der Gläubiger, welche der Konkurs bewirken soll, auch bezüglich der «Nicht-Wirkung» des eingestellten Konkurses eintreten zu lassen (gewissermassen in «spiegelbildlicher» Anwendung der Argumentation von BGE 88 III 20, 22 E. 2, wonach für die Frage, ob eine Fortsetzung pendenter Betreibungen zuzulassen sei, entscheidend auf die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger abgestellt wurde).

    Breitschmid schliesst seine Rezension mit der Feststellung, dass nicht ersichtlich sei, welcher (ungerechtfertigte) Nachteil dem Schuldner erwachsen wür- de, wenn der die eingestellte Konkurseröffnung anvisierende Gläubiger ohne neue Betreibung gegen ihn vorgehen könnte.

    François Vouilloz schliesst sich (in CR LP N. 26 zu Art. 230) ohne nähere Begründung der Ansicht der Kritiker der bundesgerichtlichen Rechtsprechung an; auch die den (nachträglich eingestellten) Konkurs auslösende Betreibung solle wiederaufleben können wie jede andere Betreibung. Vouilloz hat diese Ansicht

    auch schon in seinem Aufsatz La suspension de la faillite faute d'actif, AJP 2001 S. 81 ff., S. 83 vertreten.

    Im Entscheid der Berner Aufsichtsbehörde in Betreibungsund Konkurssachen vom 21. November 1997 (BlSchK 1998 S. 72 ff.), in der es ebenfalls um die die Konkurseröffnung auslösende Betreibung ging, wird ausführlich die Rechtslage vor Inkrafttreten der SchKG-Revision von 1994/97 dargestellt. Die frühere Rechtsprechung habe sich hinsichtlich der Ausnahmen vor allem vom Gläubigerschutz und dem Gebot der Billigkeit leiten lassen. Nach der Botschaft (BBl 1991 III S. 141) gelte es, die Rechte zu wahren, die die Gläubiger in den vorangegangenen Betreibungsverfahren erworben hätten; ihnen sollten ausserdem Kosten erspart werden. Ergänzungsanträge im Vernehmlassungsverfahren würden darauf hindeuten, dass alle vor der Konkurseröffnung angehobenen Betreibungen nach Einstellung des Konkurses vorbehaltlos wieder aufleben sollten. Der weite Wortlaut und das Anliegen des Gläubigerschutzes lasse darauf schliessen, dass auch der Gläubiger, der den Konkurs veranlasst habe, nach der Einstellung die Fortsetzung auf dem Wege der Pfändung verlangen könne.

  2. Folgende Autoren werden vom Bundesgericht (5A_370/2010 E. 3) als Befürworter seiner Rechtsprechung genannt:

    Pierre-Robert Gilliéron (Rz 1851) führt im wesentlichen aus, dass Art. 230 Abs. 4 als Ausnahme von Art. 206 Abs. 1 SchKG auf alle im Zeitpunkt der Konkurseröffnung hängigen Betreibungen anwendbar sei, und zwar unabhängig von deren Art und Modalität, unter der Voraussetzung, dass sie fortgesetzt werden könnten. Die ordentliche Betreibung, welche auf Konkurs fortgesetzt und in der der Konkurs eröffnet worden sei, könne nach Einstellung mangels Aktiven nicht wieder aufleben. Im Anschluss an diese Passage erwähnt Gilliéron BGE 124 III 124-125, JdT 1999 II 121-122 und die Entscheidbesprechung von Breitschmid in AJP 1998 S. 845 f.). Eine Auseinandersetzung mit den beiden divergierenden Ansichten fehlt.

    In seinem Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite (Art. 159-270), Lausanne 2001, N. 54 ff. zu Art. 230 bezieht sich Gilliéron

    zunächst auf den Rechtszustand vor der SchKG-Revision von 1994/7. In N. 55 erwähnt er, dass die Verfahren in jenem Stadium aufleben, in dem sie sich befanden, als der Konkurs eröffnet wurde; exemplarisch nennt er das gestellte Betreibungsbegehren, das gestellte Fortsetzungsbegehren, das gestellte Verwertungsbegehren, das gestellte Konkursbegehren, den zugestellten Zahlungsbefehl, die gewährte Rechtsöffnung, die vollzogene Pfändung, die zugestellte Konkursandrohung oder die vollzogenen sichernden Massnahmen). Gilliéron fährt a.a.O. in

    N. 56 fort: Allerdings lebe eine Betreibung nicht wieder auf und könne nicht fortgesetzt werden, wenn der Konkurs eröffnet oder das Konkursbegehren abgewiesen worden sei. Dann sei die Betreibung am Ziel angelangt und der Gläubiger müsse eine neue Betreibung gemäss Art. 230 Abs. 3 SchKG einleiten.

    Hansjörg Peter schreibt in SJZ 1999, S. 348 ff.: Bezüglich Art. 230 Abs. 4 SchKG stelle sich die Frage, ob er auch für die Betreibung gelte, die zur Konkurseröffnung geführt habe Nein sagten das Kantonsgericht Waadt und das Bundesgericht: Indem die Fortsetzung der Betreibung auf Konkurs und der Konkurs verlangt worden sei, habe der betreibende Gläubiger sein Recht verbraucht. Ja, antworte das Berner Obergericht (BlSchK 1998 S. 72). In Art. 230 Abs. 4 SchKG würden ganz allgemein die Betreibungen erwähnt, ohne dass der Gesetzgeber einen Vorbehalt angebracht habe. Hansjörg Peter hält den Standpunkt der Berner für sehr pragmatisch, weil er dem betroffenen Gläubiger - der keinen Verlustschein erhalten habe - erspare, eine neue Betreibung einzuleiten und allenfalls ein neues Rechtsöffnungsverfahren durchlaufen zu müssen, um schliesslich zu spät für eine eventuelle Pfändung zu sein. Der Lausanner Standpunkt hingegen sei theoretisch besser begründet. In der vom Bundesgericht (BGer 5A_370/2010 E. 3) ebenfalls zitierten Edition annotée de la loi fédérale sur la poursuite pour dette et la faillite (S. 967) wiederholt Peter die bereits erwähnte Folgerung.

    KuKo SchKG-Schober (nunmehr in der 2. Auflage 2014) führt aus, dass die Betreibungen exakt in dem Stadium wieder aufleben, in dem sie durch die Konkurseröffnung (ursprünglich) aufgehoben wurden. Weiter fährt er - unter Hinweis auf die oben erwähnte Kommentierung von Gilliéron (N. 55 zu Art. 230) fort, dass

    eine einmal auf Konkurs weitergeführte Betreibung folglich nicht nach ihrem Aufleben neu auf Pfändung weitergeführt werden (könne).

  3. Der Überblick über Lehre und Rechtsprechung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Grossmehrheitlich haben Lehre und Rechtsprechung lediglich diejenige Betreibung, in welcher der (nachträglich eingestellte) Konkurs erwirkt wurde, im Focus. Diesbezüglich sprechen sich das Bundesgericht und ein Teil der Lehre dafür aus, dass diese Betreibung nicht wieder aufleben kann und dass dem Gläubiger deshalb nur eine Neueinleitung übrig bleibt. Sich zu dieser Konstellation zu äussern, besteht hier kein Anlass, weil es vorliegend nicht um diesen Fall geht. Was die Betreibungen anbelangt, die sich erst auf dem Weg zum Konkurs befinden, finden sich wenige Äusserungen, und dabei ist es auch nicht immer klar, wie sie zu verstehen sind. Die Äusserung des Bundesgerichts im publizierten BGE 124 III 123 E. 2 lautet: En est donc exclue toute poursuite qui, sur la base de la réquisition prevue par les art. 88 et 159 LP, s'est déjà continuée pour aboutir au prononcé de faillite und im unpublizierten Entscheid 5A_370/2010 E. 3 steht: La poursuite qui a été menée à son terme par la requisition de continuer la poursuite et le prononcé de faillite ne peut dès lors renaître après la suspension de la failite faute d'actif. Das dürfte die Meinung haben, dass bereits die Fortsetzung auf dem Weg zum Konkurs ausreicht. Diesbezüglich ist allerdings anzumerken, dass es in beiden vom Bundesgericht beurteilten Fällen um solche ging, die die Konkurseröffnung bewirkt hatten, so dass es sich bezüglich der lediglich auf dem Weg zum Konkurs fortgesetzten Fälle um obiter dicta handelt.

    Nach Sichtung von Lehre und Rechtsprechung und mit Blick auf den in der Botschaft zur Revision 1994/7 des SchKG geäusserten Zweck, Gläubigerrechte zu wahren, welche in einem vorangegangenen Betreibungsverfahren erworben worden sind und mit Blick auf die Einsparung unnötiger Kosten rechtfertigt es sich

    - nicht zuletzt auch wegen der bestmöglichen Gleichbehandlung der Gläubiger - die vorliegend zu beurteilende Kategorie von Betreibungen, die nicht zur Konkurseröffnung geführt haben, aufleben zu lassen und auch diesen Gläubigern eine Pfändung zu ermöglichen. Bei ihnen kann denn auch nicht gesagt werden, dass ihre Betreibungen mit der Konkurseröffnung am Ziel angekommen seien.

    Klar erscheint, dass Gläubiger, deren gestellten Fortsetzungsbegehren bereits mit einer Konkursandrohung Folge geleistet worden ist, gegenüber dem Betreibungsamt eine Fortführung auf dem Weg der Pfändung besonders verlangen müssen. Das ist allerdings kein zweites Fortsetzungsbegehren, sondern die Aus- übung eines Wahlrechts, das es zur Zeit, als das eigentliche Fortsetzungsbegehren gestellt worden war, noch nicht gab, sondern das erst nach der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven zur Verfügung steht. Letztlich ist das auch der Grund, dass die Betreibung nicht in ein früheres Stadium zurückversetzt wird, sondern es handelt sich um eine besondere durch Art. 230 Abs. 3 SchKG geschaffene Option, die in einem früheren Verfahrensstadium (noch) nicht bestanden hat.

  4. Weil die Vorinstanz die Rückweisung des Begehrens der Beschwerdefüh- rerin für grundsätzlich richtig erachtet, konnte sie die Frage offen lassen, ob die Betreibung der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Stellung des entsprechenden Begehrens am 30. März 2015 (Eingang beim Amt am 1. April 2015; act. 2/2; 15/2) bereits wiederaufgelebt war. Das Bundesgericht hat in BGE 130 III 481 E.

    2.1 = Pra 2005 Nr. 42 definiert, welcher Zeitpunkt für das Wiederaufleben nach Einstellung des Konkurses in Art. 230 Abs. 4 SchKG massgeblich ist. In E. 2.1 führt es dazu auf: Unter Einstellung des Konkurses i.S.v. Art. 230 Abs. 4 SchKG ist die Veröffentlichung der Einstellung und des Schlusses des Konkursverfahrens mangels Aktiven im SHAB durch das Eidgenössische Amt für das Handelsregister zu verstehen Obschon das Verfahren ipso facto mit Ablauf der in Art. 230 Abs. 2 SchKG vorgesehenen 10-tägigen Frist schliesst - die Erklärung des Gerichts, das Verfahren sei geschlossen (Art. 268 Abs. 2 SchKG) ist deklaratorischer Natur ( ) -, scheint es in der Tat nicht angebracht, das Wiederaufleben der durch die Konkurseröffnung eingestellten Betreibungen auf diesen Zeitpunkt festzusetzen; dies deshalb, weil noch nicht bekannt ist, ob nicht das summarische Verfahren zur Anwendung gelangt (Art. 230 Abs. 2 SchKG), und weil Betreibende nicht dazu veranlasst werden sollten, die Fortsetzung der Betreibungen zu verlangen, die zwar wiederaufleben, die aber nicht fortgesetzt werden können, wenn die Konkursverwaltung Vermögensrechte des Konkursschuldners verwerten muss .

    Wie dieser Entscheid im Einzelnen zu verstehen ist und vor allem in welchem Verhältnis er zu Art. 93 KOV steht, muss nicht näher untersucht werden. Fest steht nämlich für den vorliegenden Fall, dass die Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven durch Urteil des Konkursrichters vom 24.03.2015 erst in der Ausgabe des shab.ch, Schweizerisches Handelsamtsblatt, von , tt. März 2015 publiziert wurde (act. 18/2). Weiter wurde die Einstellung des Konkursverfahrens mit einem Kostenvorschuss von Fr. 3'000.-, mit Frist zur Leistung des Kostenvorschusses bis 20. April 2014 und mit dem Hinweis, dass das Konkursverfahren geschlossen erklärt werde, falls nicht ein Gläubiger innert der obgenannten Frist die Durchführung verlange und für die Deckung der Kosten den erwähnten Vorschuss leiste, im Amtsblatt des Kantons Zürich Nr. von , tt. April 2015 publiziert (18/4). So oder so war somit das Ersuchen der Beschwerdeführerin verfrüht. In analoger Anwendung derjenigen Regelung, wie sie bei einem verfrühten Fortsetzungsbegehren gilt (vgl. KuKo SchKG-Winkler, N. 9 zu Art. 88; vgl. Art. 9 Abs. 2 VFRR), wäre das Fortsetzungsbegehren der Beschwerdeführerin vom 30. März 2015 zurückzuweisen gewesen, wenn auch mit der Begründung verfrüht und nicht mit der Begründung, dass das Ersuchen der Beschwerdefüh- rerin grundsätzlich unzulässig sei (act. 2/1 und 15/3).

  5. Zusammenfassend führt dies dazu, dass die Beschwerde abzuweisen ist, wenn auch aus anderen Gründen als die Vorinstanz dies getan hat.

III.

Das SchK-Beschwerdeverfahren ist kostenlos (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG; Art. 61 Abs. 2 lit. a GebV SchKG); Parteientschädigungen sind nicht auszurichten (Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).

Es wird erkannt:
  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Es werden keine Kosten erhoben.

  3. Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien und - unter Beilage der erstinstanzlichen Akten - an das Bezirksgericht Winterthur als untere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungsund Konkurssachen sowie an das Betreibungsamt Winterthur-Stadt, je gegen Empfangsschein.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 10 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um einen Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungsund Konkurssachen im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

Prof. Dr. I. Jent-Sørensen versandt am:

19. August 2015

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