Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PQ230056 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 27.10.2023 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Abweisung des Antrags auf Aufhebung der Beistandschaft nach Art. 394 i.V.m. Art. 395 ZGB |
Schlagwörter : | Beschwerde; Beschwerdeführer; Beistand; Bezirksrat; Entscheid; Beistands; Beistandschaft; Urteil; Beschluss; Bezirksrats; Beschwerdeführers; Recht; Aufhebung; Beschwerdeverfahren; Gericht; Ausstand; Angefochten; Zustellung; Angefochtene; Administrativen; Vorinstanz; Auskünfte; Medizinische; Obergericht; IVm; Erwachsenenschutzverfahren; Finanziellen; Akten; Urteils; Verweis |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ; Art. 145 ZPO ; Art. 321 ZPO ; Art. 395 ZGB ; Art. 399 ZGB ; Art. 446 ZGB ; Art. 450a ZGB ; Art. 450b ZGB ; Art. 450f ZGB ; Art. 50 ZPO ; Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | 138 III 374; 141 III 569; 142 III 413; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: PQ230056-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur. et phil. D. Glur und Oberrichterin lic. iur.
R. Bantli Keller sowie Gerichtsschreiber Dr. M. Tanner
in Sachen
Beschwerdeführer
betreffend Abweisung des Antrags auf Aufhebung der Beistandschaft nach Art. 394 i.V.m. Art. 395 ZGB
Nach einer Gefährdungsmeldung vom 19. November 2020 durch die B. der Stadt Zürich, Soziale Einrichtungen und Betriebe, eröffnete die Kin- des- und Erwachsenenschutzbehörde Stadt Zürich (KESB) ein Erwachsenen- schutzverfahren über A. , geboren tt. Juli 1947 (Beschwerdeführer, KESB act. 9 und 11). Nach einigen Abklärungen und der Anhörung des Beschwerdefüh- rers errichtete die KESB mit Beschluss vom 5. Januar 2021 eine Vertretungsbei- standschaft mit Vermögensverwaltung gemäss Art. 394 i.V.m. Art. 395 ZGB, er- nannte C. zum Beistand und betraute ihn mit den Aufgaben, für eine geeig- nete Wohnsituation, das gesundheitliche Wohl und eine hinreichende Betreuung des Beschwerdeführers besorgt zu sein und ihn in administrativen sowie finanziel- len Angelegenheiten zu vertreten (KESB act. 32). Die gegen die Anordnung der Beistandschaft vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerden blieben über alle drei Rechtsmittelinstanzen erfolglos (KESB act. 46, 50 [Geschäfts-Nr. PQ210035] und 53).
mit der Sache befasste juristische Sekretär des Bezirksrats zur Sachverhaltser- gänzung Telefonate mit D. , Leiterin der B. , und E. , Betreuer
der B.
(BR act. 10). Nach Zustellung der Aktennotiz über die Telefonate
(BR act. 16) verlangte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 11. Juli 2023 den Ausstand des mit der Sache befassten juristischen Sekretärs (BR act. 19). Der Bezirksrat trat auf das Ausstandsbegehren mit Beschluss vom 7. August 2023 nicht ein und wies mit Urteil vom gleichen Tag auch die Beschwerde in der Sache ab, soweit er darauf eintrat (Urteilsdispositiv-Ziff. II; BR act. 20 = act. 3 = act. 8 [Aktenexemplar]).
§§ 40 und 63 f. EG KESR und § 50 GOG). Gegenstand im zweitinstanzlichen Beschwerdeverfahren können nur Entscheide des Bezirksrats sein.
7. August 2023 sind damit erfüllt.
Mangels Regelung im ZGB, EG KESR oder GOG gelangen beim Ausstand Art. 47 ff. ZPO subsidiär zur Anwendung. Der Beschluss über das Ausstandsbe- gehren stellt einen prozessleitenden Entscheid dar, welcher gemäss Art. 50 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit Art. 319 lit. b Ziff. 1 und Art. 321 Abs. 2 ZPO innert einer Frist von 10 Tagen seit der Zustellung mit Beschwerde angefochten werden kann, was der Bezirksrat korrekt belehrte (act. 8, Beschlussdispositiv-Ziff. III). Ei- ne Zustellung gilt bei einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt
worden ist, am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste (Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO). Im Erwachsenenschutzverfahren gilt während der Gerichtsferien kein Fris- tenstillstand (§ 43 EG KESR und Art. 145 ZPO), auf welche Regelung der Be- zirksrat den Beschwerdeführer im Beschluss ausdrücklich hinwies (act. 8, Beschlussdispositiv-Ziff. III).
gen, inwiefern der angefochtene Entscheid als fehlerhaft erachtet wird. Sie muss sich sachbezogen mit den Entscheidgründen des angefochtenen Entscheides auseinandersetzen und darlegen, inwiefern die Vorinstanz das Recht falsch an- gewendet bzw. den Sachverhalt unrichtig festgestellt haben soll. Dies gilt auch im Bereich der Untersuchungsmaxime (BGE 141 III 569 E. 2.3.3 und BGE 138 III 374 E. 4.3.1). Ansonsten kann die Beschwerdeinstanz den angefochtenen Ent- scheid in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend überprüfen. Sie darf sich aber primär auf die geltend gemachten Rügen und Anträge konzentrieren (BSK ZGB I-DROESE, Art. 450a N 5). Neue Vorbringen (sog. Noven) können im Erwachsenenschutzverfahren bis zum Beginn der Beratungsphase eingebracht werden (vgl. BGE 142 III 413 E. 2.2.6).
dungsmeldung von F.
(Bezugsperson des Beschwerdeführers in der
B. ), den Betreibungsregisterauszug des Beschwerdeführers, die telefoni-
sche Auskunft von D.
(Leiterin der B. ), die Auskünfte der den Beschwerdeführer behandelnden Assistenzärztin und einer Pflegefachfrau sowie auf die schriftliche Stellungnahme des zuständigen Oberarztes. Diese Berichte und Auskünfte hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer nicht mehr in der Lage sei, ohne Unterstützung für seine persönlichen, medizinischen, administrativen und fi- nanziellen Belange hinreichend zu sorgen (act. 8 E. 3.4. mit Verweis auf KESB act. 1, 9, 19, 25, 26 S. 2 und 29/1). Nach Eingang des Gesuchs um Aufhebung der Beistandschaft habe die KESB die persönlichen Umstände des Beschwerde- führers erneut abgeklärt, unter anderem Auskünfte bei der Assistenzärztin, beim Beistand und bei F. eingeholt sowie den Beschwerdeführer dazu angehört (act. 8 E. 3.5 mit Verweis auf KESB act. 36, 66, 69, 70 ff.). Anzeichen dafür, der Beschwerdeführer könne seine Angelegenheiten wieder selber wahrnehmen, hät- ten sich nicht ergeben. Auch eigene Abklärungen des Bezirksrats hätten zu kei- nem anderen Ergebnis geführt. D. habe anlässlich des Telefonats geäus- sert, der Beschwerdeführer brauche ganz dringend einen Beistand. Die Kommu- nikation mit ihm gestalte sich teilweise schwierig, sei aber mit der Beistandschaft
sehr viel besser geworden. Es sei mit Hilfe des Beistands eine Vereinbarung zu- stande gekommen, aufgrund der es möglich sei, dass die Spitex das Zimmer re- gelmässig aufräume und sich um die Wundbehandlung des Beschwerdeführers kümmere. Ansonsten wäre das Zimmer verwahrlost. Der Beschwerdeführer sei auf keinen Fall fähig, selbstständig zu leben. Mit Hilfe des Beistands könne der Beschwerdeführer in der B. bleiben, solange es sein gesundheitlicher Zu- stand erlaube. Die B. sei allerdings kein Pflegeheim und nur in der Nacht geöffnet. Die Empfehlung, in eine geeignete Pflegeeinrichtung zu ziehen, lehne der Beschwerdeführer ab. Er sei in der B. nur tragbar, weil der Beistand bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustands umgehend handeln könne (act. 8 E. 3.6 mit Verweis auf BR act. 10). E. habe auf telefonische Anfrage erklärt, der Beschwerdeführer leide unter einer psychischen Krankheit, namentlich an wahnhaften Vorstellungen, wonach Scientologen bei seiner Abwesenheit im Zimmer Pulver verteilten, weshalb er sich kratze und verwunde. Der Beschwerde- führer habe seit über einem Jahr einen Dauerkatether, welcher ebenfalls eine ge- wisse medizinische Betreuung erfordere. Er gehe nicht freiwillig in medizinische Behandlung, sondern die B. lasse jeweils einen SOS-Arzt kommen (act. 8
E. 3.6 mit Verweis auf BR act. 10). Der Bezirksrat kam aufgrund der Akten und seiner eigenen Abklärungen zur Überzeugung, der Beschwerdeführer leide nach wie vor an einem Schwächezustand, aufgrund dessen er ausserstande sei, seine finanziellen, administrativen und medizinischen Angelegenheiten selber zu erledi- gen und für eine geregelte Wohnmöglichkeit zu sorgen. Er bedürfe weiterhin drin- gend der Hilfe durch einen Beistand (act. 8 E. 3.9 f.).
Die Begründung im angefochtenen Entscheid ist sorgfältig, stützt sich auf ärztliche Kurzberichte und zuverlässige Angaben von den Beschwerdeführer um- gebenden und betreuenden Personen. Was der Beschwerdeführer pauschal da- gegen einwendet, überzeugt nicht und vermag die nachvollziehbar begründete Einschätzung der Vorinstanz nicht in Zweifel zu ziehen. Der Beschwerdeführer geht weder auf die einzelnen ärztlichen Berichte, die Angaben seines Beistands oder die Ausführungen der Angestellten der B. ein noch äussert er sich zu den von der Vorinstanz daraus gezogenen Schlüssen. Bei seinem Einwand, er sei
vor acht Jahren kurz im G.
gewesen, weshalb ihm dies nicht angelastet
werden könne, übersieht er, dass der Entscheid des Bezirksrats nicht auf jenem Aufenthalt im G. , sondern auf diversen neueren Berichten und Auskünften beruht. Seiner Rüge, das meiste sei vom Hörensagen, was keine Beweiskraft ha- be, weil eine Unterschrift fehle, ist entgegenzuhalten, dass im Rahmen der im Er- wachsenenschutzverfahren geltenden Untersuchungsmaxime (§ 65 EG KESR
i.V.m. Art. 446 ZGB) telefonische Auskünfte eingeholt werden dürfen und nicht nur Aussagen, welche unterschriftlich bekräftigt wurden, berücksichtigt werden können. Zu Recht wies der Bezirksrat auf den im Erwachsenenschutzverfahren geltenden Freibeweis hin, der erlaube, die relevanten Tatsachen in einer ange- messen erscheinenden Form zu erheben (act. 8 E. 3.10, mit Verweis auf BGer 5A_991 /2015 vom 29. September 2016 E. 6.2; BGer 5A_503/2017 vom 4. Mai 2018 E. 3.2). Ebenso sind die Vorwürfe gegen F. (dieser sei ein kleiner An- gestellter der H. , arbeite ca. 10 Tage im Monat, sei weder beauftragt noch befähigt, seine Post auszuspionieren etc.) unbeachtlich, weil sie nicht geeignet sind, die von verschiedenen Seiten bestätigte Hilfsbedürftigkeit in Frage zu stel- len. Auch verfängt die unbelegte Behauptung nicht, der Gerichtsschreiber der Vo- rinstanz habe überall herumgestochert, um (den Beschwerdeführer) schlecht zu machen. Nachdem er zur Anhörung unentschuldigt nicht erschienen war, klärte der Gerichtsschreiber in Nachachtung der Untersuchungsmaxime den Sachver- halt ab, indem er sich bei der Leiterin sowie beim Betreuer der Nachpension nach der neusten Entwicklung beim Beschwerdeführer erkundigte (BR act. 10). Ein vorwerfbares Verhalten ist darin nicht erkennbar.
schweren nekrotisierenden Fasziitis an den unteren Extremitäten (KESB act. 26
S. 2) an einer geistigen Beeinträchtigung leidet. Er benötigt dringend Beistand, damit die unerlässliche medizinische Hilfe organisiert werden kann (u.a. BR act. 10 sowie KESB act. 29/1, 30 f. und 36). Ohne die Hilfestellung des Beistands wäre der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in der B. stark gefähr- det und müsste befürchtet werden, er werde sich nicht rechtzeitig um eine An- schlusslösung in einem geeigneten Alters- oder Pflegeheim kümmern. Anhalts- punkte, der geistige und körperliche Zustand des Beschwerdeführers präsentiere sich aktuell wesentlich besser als bei Errichtung der Beistandschaft, sind nicht zu erblicken.
Es wird im zweitinstanzlichen Beschwerdeverfahren keine Parteientschädi- gung zugesprochen.
Nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die beigezogenen Akten an den Bezirksrat zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge- richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:
versandt am:
Dr. M. Tanner
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