Zusammenfassung des Urteils PQ230003: Obergericht des Kantons Zürich
Der Entscheid der 2. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 4. Dezember 2009 betrifft die definitive Rechtsöffnung für zedierte Forderungen. Es geht um die Frage, ob einem Zessionar, an den eine Forderung übertragen wurde, die definitive oder provisorische Rechtsöffnung erteilt werden kann. Der Gesuchsgegner wurde von der Gemeinde B. zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen verurteilt, die diese bevorschusst hatte. Die 2. Zivilkammer bestätigte die definitive Rechtsöffnung für die Forderung. Es wird diskutiert, ob dem Zessionar die gleiche bevorzugte Stellung wie dem Gläubiger zustehen sollte, wenn die Wahrscheinlichkeit für sein Vollstreckungsrecht gross ist. Der Entscheid betont die Möglichkeit des Schuldners, Einreden gegenüber dem Zessionar vorzubringen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PQ230003 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 07.03.2023 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 5A_310/2023 |
Leitsatz/Stichwort: | Beschwerde |
Schlagwörter : | Kindes; Impfung; Recht; Entscheid; Impfungen; Eltern; Sorge; Vorinstanz; Beistand; Bundesgericht; Pflege; Kindesschutz; Beschwerde; Masern; Entscheidung; Verfahren; Kinder; Urteil; Bezirk; BR-act; Schutz; Kindeswohl; Umstände; Empfehlung; Gesundheit; Beschluss; Horgen; Rechtspflege; Kindesschutzbehörde |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 123 ZPO ;Art. 300 ZGB ;Art. 301 ZGB ;Art. 307 ZGB ;Art. 308 ZGB ;Art. 440 ZGB ;Art. 446 ZGB ;Art. 450 ZGB ;Art. 450a ZGB ;Art. 450b ZGB ;Art. 450f ZGB ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | 132 III 359; 138 III 374; 141 III 569; 146 III 311; 146 III 313; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: PQ230003-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. R. Bantli Keller und Oberrichter Dr. E. Pahud sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Götschi
Beschluss und Urteil vom 7. März 2023
in Sachen
,
Beschwerdeführerin
unentgeltlich vertreten durch Rechtsanwältin MLaw X.
sowie
,
Verfahrensbeteiligter
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.
betreffend Beschwerde
Erwägungen:
B. , geb. tt. mm 2019, ist der Sohn von A. (Beschwerdeführerin) und untersteht ihrer elterlichen Sorge. Nach der Geburt wurde für B. eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB errichtet, der Beschwerdeführerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht über B. entzogen und B. in einer Pflegefamilie platziert. Die Beschwerdeführerin ist berechtigt, B. an zwei Tagen in der Woche während jeweils maximal zwei Stunden im Beisein einer Fachperson zu besuchen (KESB-act. 40, 84, 211, 248, 256).
Mit Beschluss vom 5. April 2022 entschied die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Bezirk Horgen (KESB) Folgendes (BR-act. 3; KESB-act. 311):
1. In der Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und Abs. 2 ZGB wird der Aufgabenkatalog des Beistandes, C. , angepasst und lautet neu wie folgt:
a)-c) [ ... ]
d) für die Durchführung der klassischen Basisimpfungen bei B. gemäss Impfplan des BAG besorgt zu sein;
e)-h) [ ... ]
2. Der Kindsmutter, A. , wird gestützt auf Art. 308 Abs. 3 ZGB betreffend Dispositiv-Ziff. 1d) dieses Entscheides die elterliche Sorge eingeschränkt.
[…]
Die Beschwerdeführerin erhob mit Eingabe vom 9. Mai 2022 Beschwerde beim Bezirksrat Horgen (Vorinstanz) und beantragte, es seien die Dispositiv-Ziffern 1 d) und 2 des Beschlusses der KESB vom 5. April 2022 aufzuheben (BR-act. 1 S. 2). Die Vorinstanz holte eine Vernehmlassung der KESB vom 19. Mai 2022 ein (BRact. 5 und 6), bestellte B. einen Kindsverfahrensvertreter und bewilligte der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege, inklusive unentgeltliche Rechtsvertretung (BR-act. 12). Es gingen alsdann Stellungnahmen des Kindsverfahrensvertreters vom 15. Juli 2022 (BR-act. 14), der Beschwerdeführerin vom
12. September 2022 (BR-act. 18) sowie des Kindsverfahrensvertreters vom
26. September 2022 (BR-act. 21) ein. Der Kindsverfahrensvertreter beantragte
die Abweisung der Beschwerde. Mit Urteil vom 1. Dezember 2022 wies die Vorinstanz die Beschwerde ab (BR-act. 25 = act. 4/2 = act. 7 [Aktenexemplar]).
3. Mit Eingabe vom 4. Januar 2023 (Poststempel 4. Januar 2023; Eingang
9. Januar 2023) erhob die Beschwerdeführerin bei der Kammer Beschwerde gegen das Urteil der Vorinstanz vom 1. Dezember 2022 mit folgenden Anträgen (act. 2 S. 2):
1. Es sei der Beschluss vom 1. Dezember 2022 aufzuheben und der Beschwerdeführerin die elterliche Sorge in Bezug auf die Impfthematik wieder zu erteilen sowie lit. d) des Aufgabenkataloges des Beistandes C. aufzuheben.
Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich Mehrwertsteuer) zu Lasten der Staatskasse.
Im Weiteren ersuchte sie um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung (act. 2 S. 1). Die Akten der Vorinstanz (act. 8/1-25, zitiert als BR-act. 1-25) und der KESB (act. 8/7/1-320, zitiert als KESB-act. 1-320) wurden von Amtes wegen beigezogen (vgl. act. 5). Die Sache ist spruchreif.
1.
Das Beschwerdeverfahren in Kindes- und Erwachsenenschutzsachen richtet sich nach den Bestimmungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) und des Einführungsgesetzes zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (EG KESR, LS 232.3). Enthalten diese Gesetze keine Regelung, gelten für die Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen die Bestimmungen des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG, LS 211.1) sowie subsidiär und sinngemäss die Bestimmungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO; Art. 450f ZGB und § 40 EG KESR). Beschwerden gegen Entscheide der KESB werden in erster Instanz vom Bezirksrat und in zweiter Instanz vom Obergericht beurteilt (Art. 450f ZGB i.V.m.
§§ 40 und 63 f. EG KESR und § 50 GOG). Gegenstand des zweitinstanzlichen
Beschwerdeverfahrens können nur die Entscheide des Bezirksrats, nicht diejenigen der KESB sein.
Mit der Beschwerde kann (neben Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung) eine Rechtsverletzung, die unrichtige unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes Unangemessenheit des Entscheides gerügt werden (Art. 450a Abs. 1 ZGB). Der Rechtsmittelbehörde kommt sowohl in rechtlicher wie auch in tatsächlicher Hinsicht umfassende Überprüfungsbefugnis zu; dazu gehört auch die volle Ermessensüberprüfung (BSK ZGB I-DROESE,
Art. 450a N 3 und 10). Im Verfahren vor der KESB und den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen ist der Sachverhalt von Amtes wegen zu erforschen und das Gericht ist an die Anträge der Parteien nicht gebunden (Art. 446 ZGB). Von der Beschwerde führenden Partei ist indes darzulegen und aufzuzeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid als fehlerhaft erachtet wird. Sie muss sich sachbezogen mit den Entscheidgründen des angefochtenen Entscheides auseinandersetzen und darlegen, inwiefern die Vorinstanz das Recht falsch angewendet bzw. den Sachverhalt unrichtig festgestellt haben soll. Dies gilt auch im Bereich der Untersuchungsmaxime (Art. 446 ZGB, §§ 65 und 67 EG KESR; BGE 141 III 569
E. 2.3.3; BGE 138 III 374 E. 4.3.1). Die Beschwerdeinstanz darf sich primär auf die geltend gemachten Rügen und Anträge konzentrieren (BSK ZGB I-DROESE, Art. 450a N 5).
2. Der Entscheid der Vorinstanz vom 1. Dezember 2022 ist mit Beschwerde im Sinne von Art. 450 ZGB anfechtbar. Die Beschwerde wurde rechtzeitig erhoben (vgl. Art. 450b Abs. 1 ZGB; BR-act. 25/1). Als betroffene Person und Partei im vorinstanzlichen Verfahren ist die Beschwerdeführerin zur Beschwerde an die Kammer legitimiert (Art. 450 Abs. 2 ZGB). Die Beschwerde enthält sodann Anträge und eine Begründung (act. 2). Dem Eintreten auf die Beschwerde steht insoweit nichts entgegen.
Die Vorinstanz gibt im angefochtenen Entscheid die wesentlichen Erwägungen der KESB (act. 7 S. 4 ff.), die Ausführungen der Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren (act. 7 S. 6 ff., 11 f.) sowie die Stellungnahmen des Kindsverfahrensvertreters (act. 7 S. 8 ff., 12) wieder; hierauf kann verwiesen werden. Alsdann schildert sie die bislang getroffenen Kindesschutzmass- nahmen und deren Hintergründe sowie die Umstände, die zur vorliegend zu überprüfenden Anordnung betreffend Durchführung der Basisimpfungen bei B. geführt haben. Im Wesentlichen führt sie Folgendes aus (act. 7 S. 14 ff.):
Aus den Akten ergebe sich, dass bei der Beschwerdeführerin in den Jahren 2006 und 2007 eine soziale Phobie, eine mittelschwere Einschränkung im Konzentrationsvermögen sowie eine schwere Einschränkung in den psychischen Funktionen des Auffassungsvermögens, der Anpassungsfähigkeit und der Belastbarkeit diag- nostiziert worden seien. Mangels Arbeitsfähigkeit erhalte die Beschwerdeführerin eine Invalidenrente. Für B. sei nach der Geburt eine Beistandschaft errichtet und B. sei unter Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Beschwerdeführerin bei einer Pflegefamilie platziert worden. Für die Beschwerdeführerin sei ein Besuchsrecht festgelegt und es sei ihr die Weisung erteilt worden, ei- ne psychiatrisch-psychologische Therapie in Anspruch zu nehmen. Aus verschiedensten Aktenstücken – insbesondere Anhörungsprotokollen der KESB, Berichten der Besuchsbegleitung und der Beistandsperson sowie Eingaben der Beschwerdeführerin an die KESB – werde ersichtlich, dass der psychische Zustand der Beschwerdeführerin über diese Zeit konstant auffällig und unverändert geblieben sei und die Beschwerdeführerin nach wie vor Mühe habe, die Bedürfnisse von B. zu erkennen, darauf einzugehen und über ihre eigenen Bedürfnisse zu stellen. Was die Frage der Impfung betreffe, werde aus den dokumentierten Aussagen der Beschwerdeführerin, wonach eine solche AIDS auslösen könne, ersichtlich, dass sie keine realistische Einstellung zu Impfungen aufweise. Die Beschwerdeführerin habe erklärt, dass ihre Eltern und alle ihre Geschwister, wie auch sie selber, nicht geimpft seien. Sie alle seien sehr gesund und hätten nie schwerere Erkrankungen gehabt. Ihr Sohn habe starke Abwehrkräfte. Sie wolle nicht, dass ihr Sohn westlich verweichlicht werde. Globuli könne sie sich vorstellen, Impfungen stehe sie hingegen skeptisch gegenüber, da es sich hierbei um eine Hilfe mit Nebenwirkungen handle. Ausserdem könne man die Spätfolgen von Impfungen nicht abschätzen. Ihres Erachtens sei Impfen reine Glaubenssache,
wobei sie nicht zu den Gläubigen gehöre. Ihr sei es viel wichtiger, dass ihr Sohn die gängigen Kinderkrankheiten durchlaufe und so einen natürlichen Schutz aufbaue. Anlässlich der Anhörung bei der KESB vom 31. Januar 2022 habe die Beschwerdeführerin zudem ein Schreiben an die Hundes- und Erwachsenenschutzbehörde Polizei eingereicht, welches unter anderem auf den Beistand und die Impffrage gezielt habe. Mit Schreiben vom 10. Februar 2022 habe die (damalige) Rechtsanwältin der Beschwerdeführerin der KESB mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin nun doch einverstanden sei, B. gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis mit einer Dreifachimpfung impfen zu lassen. Am darauf folgenden Tag habe die Beschwerdeführerin per E-Mail erklärt, dass ihre Rechtsanwältin der KESB den falschen Impfstoff durchgegeben habe und die KESB noch abwarten solle, bis ihre Rechtsanwältin von den Ferien zurück sei. Mit E-Mail vom
März 2022 habe die Rechtsanwältin der Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass sie eine Auseinandersetzung mit der Beschwerdeführerin gehabt habe und die Beschwerdeführerin angeblich nur mit der Impfung gegen Diphtherie und Tetanus, aber nicht gegen Pertussis, einverstanden gewesen sei. Sie habe zudem versucht, der Beschwerdeführerin die Tragweite des Themas aufzuzeigen, was ihr aber nicht gelungen sei. Gemäss E-Mail des Beistands an die KESB vom 4. März 2022 seien bei B. in der Zwischenzeit bereits die Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis vorgenommen worden. Die Hausärztin habe zudem die Impfung gegen Kinderlähmung, Mumps, Masern und Röteln als unverzichtbar erachtet. Mit E-Mail vom 11. März 2022 habe der Beistand die KESB informiert, dass die Beschwerdeführerin mehrmals pro Tag in der Praxis der Haus- ärztin anrufe, die Mitarbeiter beschimpfe und drohe, Anwälte auf die Praxis zu hetzen. In einer E-Mail einer (anderen) Ärztin an die KESB vom 5. April 2022 werde schliesslich unter anderem ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe vieles gelesen und sich eine Meinung betreffend Impfen gebildet. B. sei aufgrund eines Missverständnisses der falsche Impfstoff verabreicht worden. Die Beschwerdeführerin wünsche nun bei der zweiten Impfung, ausser Diphtherie und Tetanus, Kinderlähmung anstelle von Keuchhusten zu impfen.
B. , so erwog die Vorinstanz, sei seit seiner Entlassung aus dem Spital nach der Geburt bei einer Pflegefamilie fremdplatziert und habe sich mit anderen Worten zu keiner Zeit in der Obhut der Beschwerdeführerin befunden. Die Beschwer- deführerin habe aktuell ein begleitetes Besuchsrecht von zwei Besuchen pro Woche à zwei Stunden, wobei – obwohl B. mittlerweile 3 ½-jährig sei – aktuell geprüft werde, ob die Beschwerdeführerin während dieser begleiteten Besuche für 20 Minuten alleine mit B. sein könne. Trotz der regelmässigen ambulanten psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung der Beschwerdeführerin beständen in den Akten keine Hinweise, dass sich der psychische Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin verbessert habe. Da die Beschwerdeführerin nie die Obhut von B. innegehabt habe und mehrere gravierende psychiatrische Diagnosen aufweise, mit denen eine schwere Einschränkung des Auffassungsvermögens verbunden sei, könne davon ausgegangen werden, dass sie die Folgen einer fehlenden Impfung für B. bzw. einer schweren Infektion mit einer Krankheit nicht abzuschätzen vermöge und keine fähige Vertreterin der elterlichen Sorge im Bereich Impfungen für B. darstelle. Sobald die elterliche Sorge eingeschränkt werde und der Beistand diese Vertretung übernehme, würden die Empfehlungen des BAG bezüglich Impfungen berücksichtigt. Gemäss Bundesgericht habe sich die KESB in ihrer Entscheidung betreffend Impfen an den Empfehlungen des BAG als fachkompetente eidgenössische Behörde zu orientieren und nur dort von der Empfehlung abzuweichen, wo sich die Impfung aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Falls nicht mit dem Kindswohl vertrage. Dies stelle keine Umgehung der fehlenden Impfpflicht dar. Ob die Beschwerdeführerin generell in der Lage sei, die elterliche Sorge von B. im Bereich Gesundheit auszuüben, könne offengelassen werden. Die stichhaltigen Argumente zur Begründung des Widerstands gegen Impfungen seien dennoch wesentlich, da auch das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung bei Uneinigkeit der Eltern darauf abziele. Es brauche danach stichhaltige Gründe, um einen Verzicht auf die Impfungen zu begründen. Hinzu komme, dass B. einen Entwicklungsrückstand aufweise, dies einen erhöhten Pflege- und Schutzbedarf nach sich ziehe und die Durchführung der Basisimpfungen im Sinne des Kindswohls zusätzlich nahelege. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin sei nicht das Pflegeverhält- nis der Hauptgrund für die geplanten Impfungen. Es bestehe vorliegend eine Kindswohlgefährdung durch das Risiko einer Infektion an einer Krankheit (wie z.B.
Kinderlähmung), gegen welche B. nicht geimpft sei. Die Beschwerdeführerin sei nicht in der Lage, diese Entscheidung zu fällen und die Konsequenzen abzuschätzen, weshalb eine Intervention der KESB geboten und die elterliche Sorge entsprechend zu beschränken sei.
Die Beschwerdeführerin weist mit Blick auf das von der Vorinstanz gezeich- nete Bild ihres Gesundheitszustands vorab darauf hin, dass sie erst Ende Oktober 2022 die theoretische Fahrprüfung nach nur drei Wochen üben mit null Fehlern bei 50 Fragen bestanden habe, seit über zwei Jahren ehrenamtlich in der
D. (…) sowie für die E. Zürich arbeite, in der E. ...-Spiel gar Teil des Betreuerinnenteams sei und allseits sehr geschätzt werde (act. 2 S. 5). Darüber hinaus entstammten ihre Werte, die Impfthematik betreffend, nicht ihrer Fantasie, sondern sie setze sich durchaus damit auseinander. So habe sie namentlich das Buch Impfungen, der unglaubliche Irrtum von Simone Delarue gelesen. Hinzu komme, dass sie sich generell viele Gedanken über die gesundheitliche Versorgung ihres Sohnes mache (act. 2 S. 5). In der Sache wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz eine Rechtsverletzung vor. Das Bundesgericht schütze das aus dem Recht auf persönliche Freiheit fliessende Entscheidungsrecht der Eltern, ihr Kind nicht impfen zu lassen. Eine Einschränkung dieses Rechts und ein Einschreiten der Kindesschutzbehörde sei einzig gerechtfertigt, wenn sich die sorgeberechtigten Eltern nicht einig seien (act. 2 S. 6 m.H.a. BGE 146 III 313 E. 6.2.3). Sie (die Beschwerdeführerin) sei alleine sorgeberechtigt. Sie sei nicht gehalten, ihren Entscheid gegen Impfungen mit vernünftigen Argumenten zu begründen. Mit ihrem Entscheid hätten KESB und Vorinstanz ihre persönliche Freiheit verletzt. Sie hätten eine Impfpflicht statuiert, welche in unserem Rechtssystem schlicht nicht existiere (act. 2 S. 6 f.). Die Vorinstanz spreche ihr in Bezug auf die Impfthematik die Urteilsfähigkeit ab und begründe dies mit den (überhaupt nicht aktuellen) psychiatrischen Diagnosen sowie dem Umstand, dass B. von der Geburt an in der Pflegefamilie lebe. Tatsächlich scheine es aber so, dass ihr die Urteilsfähigkeit in dieser Frage abgesprochen werde, weil sie eine andere Haltung vertrete, als aus Sicht der Entscheidungsträger vernünftig sei. Dies zeuge von einer gewissen Arroganz, zumal suggeriert werde, dass einzig ei- ne Person, welche der Impfthematik positiv gegenüberstehe, einen vernünftigen
Entscheid diesbezüglich treffen könne. Im Übrigen habe sie sich aktiv dafür eingesetzt, dass B. seine Krankenzusatzversicherung behalte und mache sie sich durchaus fundierte Gedanken über die Gesundheitsversorgung ihres Soh- nes, so dass nicht einfach auf ihre Urteilsunfähigkeit geschlossen werden könne (act. 2 S. 7). Wenn die Vorinstanz weiter damit argumentiere, dass das Kindeswohl in B. s Fall gefährdet sei, wenn er nicht geimpft werde, suggeriere sie erneut, dass in der Schweiz ein Impfzwang bestehe, mindestens in gewissen Fällen, was schlicht nicht den Tatsachen entspreche. Andernfalls müsste die KESB bei jedem Kind, welches nicht zu 100% durchschnittlich entwickelt gesund sei, einschreiten respektive überprüfen, ob das Kind geimpft sei, und wenn nicht, die elterliche Sorge in der Folge einschränken. Wäre B. (mit seiner Entwicklungsverzögerung) in der Obhut der Kindsmutter und würde keine Beistandschaft für ihn bestehen (welche nicht aufgrund der Entwicklungsverzögerung errichtet worden sei), so würde sich in Wahrheit niemand für seinen Impfstatus interessieren. Entgegen der Argumentation der Vorinstanz könne aus diesen Gründen kei- ne Gefährdung des Kindeswohls erblickt werden, welche die Einschränkung der elterlichen Sorge rechtfertige (act. 2 S. 7 f.).
1.
Gemäss Art. 301 Abs. 1 ZGB leiten die Eltern im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen. Ist das Wohl des Kindes gefähr- det und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe sind sie dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes (Art. 307 Abs. 1 ZGB). Die Kindesschutzbehörde ist dazu auch gegenüber Kindern verpflichtet, die bei Pflegeeltern untergebracht sind sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern leben (Art. 307 Abs. 2 ZGB). Sie kann insbesondere die Eltern Pflegeeltern ermahnen und ihnen bestimmte Weisungen für die Pflege, Erziehung Ausbildung erteilen (Art. 307 Abs. 3 ZGB). Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und
Tat unterstützt (Art. 308 Abs. 1 ZGB). Sie kann dem Beistand besondere Befug- nisse übertragen und die elterliche Sorge entsprechend beschränken (Art. 308 Abs. 2 und 3 ZGB).
Zu prüfen ist vorliegend, ob das Wohl des knapp vierjährigen B. im Sinne von Art. 307 Abs. 1 ZGB gefährdet ist, wenn er weiterhin nicht nur teilweise geimpft ist bzw. eine behördliche Massnahme zur Durchsetzung der Impfungen unterbleibt.
2.
Das Kindswohl ist gefährdet, sobald nach den Umständen die ernstliche Möglichkeit einer Beeinträchtigung des körperlichen, sittlichen geistigen Wohls des Kindes vorauszusehen ist (HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts und des übrigen Verwandtschaftsrechts, 5. A. 1999, Rz. 27.14). Zu berücksichtigen ist die Gesamtheit aller Umstände, wobei die Gefährdung einigermassen konkret sein muss, auch wenn prognostische Elemente miteinzubeziehen sind (BGE 146 III 313 E. 6.2.2). Mit Blick auf den Schutz der Gesundheit des Kindes hat das Bundesgericht hervorgehoben, dass diesem eine besondere Stellung zukomme, und auf die Lehre verwiesen, welche auch die Verweigerung präventiver Eingriffe wie Impfungen als Gefährdung des körperlichen Wohls aufführe und einen entsprechenden Rechtsanspruch des Kindes auf Impfung diskutiere (BGE 146 III 313
E. 6.2.3 m.H.a. LANGER, Impfung und Impfzwang zwischen persönlicher Freiheit und Schutz der öffentlichen Gesundheit, ZSR 136/2017 S. 87 ff., 104 f.; s.a. BSK ZGB I-BREITSCHMID, Art. 307 N 18, 22; CANTIENI/BLUM, in: Fountoulakis u.a. [Hg.],
Fachhandbuch Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, 2016, S. 91; PFISTER PIL- LER, Kindesschutz in der Medizin, Elterliche und staatliche Bestimmungsrechte bei der medizinischen Behandlung des Kindes, 2016, Rz. 2.8 ff., 3.10 ff.). Wer losgelöst von einer besonderen Zwangslage auf den Impfschutz für seine minderjährigen Kinder verzichte, setze diese zwar nicht unmittelbar den gesundheitlichen Risiken aus, die mit einer Erkrankung verbunden wären. Er nehme aber jedenfalls die Unwägbarkeiten in Kauf, die eine konkrete Gefahrenlage für seine Kinder mit sich bringe (BGE 146 III 313 E. 6.2.6). Mit Bezug auf den konkret zu entscheiden- den Fall, in dem zwischen den Eltern Uneinigkeit über die Durchführung der Masernimpfung bestand, verwies das Bundesgericht auf die gesundheitlichen Risiken und Gefahren, denen ein Kind ohne Impfschutz ausgesetzt ist, und schloss, dass ein Anwendungsfall von Art. 307 Abs. 1 ZGB vorliege, so dass die zuständige Behörde anstelle der Eltern zu entscheiden habe. Empfehle das BAG als fachkompetente eidgenössische Behörde die Durchführung der Impfung, so solle diese Empfehlung für den Entscheid der Behörde Richtschnur sein. Eine Abweichung davon sei nur dort am Platz, wo sich die Impfung aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Falls nicht mit dem Kindeswohl vertrage (BGE 146 III 311 E. 6.2.6).
Vorliegend wurde B. mittlerweile gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis geimpft. Ausstehend sind namentlich die von der Hausärztin als unverzichtbar bezeichneten Impfungen gegen Kinderlähmung (Poliomyelitis), Mumps, Masern und Röteln (vgl. KESB-act. 297):
Poliomyelitis ist eine durch Polio-Viren ausgelöste Infektionskrankheit. Gemäss den Informationen der Fachbehörden wird das Virus zu Beginn der Infektion während rund einer Woche im Nasen-Rachen-Sekret und anschliessend während drei bis sechs Wochen im Stuhl ausgeschieden. Zum Zeitpunkt der Diagnose sind fast alle in engem Kontakt mit einem Patienten lebenden ungeimpften Personen bereits selber infiziert. Das klassische Bild der Kinderlähmung mit schlaffen, meist einseitigen Lähmungen tritt bei we- niger als 1% der Infizierten auf, kann aber lebenslang weiterbestehen. Es existiert keine antivirale, sondern nur eine symptomatische Behandlung, und auch nach Jahrzehnten kann ein Post-Poliomyelitis-Syndrom mit Muskelschwäche und Schmerzen auftreten. Die Schweiz gilt seit Anfang der 1990er Jahre als poliofrei. Es besteht aber weiterhin das Risiko einer Wiedereinführung des Virus. So trat kürzlich in den USA ein Fall von Poliomyelitis auf und wurden im Abwasser mehrerer Länder Polioviren nachgewiesen (<
Masern, Mumps und Röteln werden durch Tröpfchen übertragen, Masern zudem durch Aerosole. Erkranken können alle nicht immunen Personen je- den Alters. Die drei Krankheiten sind nicht spezifisch antiviral behan-
delbar. Masern haben stets eine ausgeprägte Schwächung der zellulären Immunität zur Folge. In rund 10% der Fälle führen Masern zu verschiede- nen, teils schweren Komplikationen, wie etwa einer Pneumonie (1-6 % der Erkrankten). Eine akute Enzephalitis tritt bei 1-2 pro 1000 Fällen auf. Die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) ist eine unheilbare, stets letale Spätkomplikation. Bei rund 70% der an Mumps erkrankten tritt eine Entzündung und Schwellung der Parotiden auf, bei 5-15% eine aseptische Meningitis, bei 2% der Fälle im Kindesalter ein Befall des Innenohrs (Cochlea) mit Hörstörung sensorischer Taubheit. Bei Männern kann in einem Drittel der Fälle ab der Pubertät eine Orchitis auftreten. Röteln verläuft bei Kindern meist symptomarm, stellt jedoch vor allem während einer Schwangerschaft eine besondere Gefahr dar. Gegen Masern, Mumps und Röteln wird die (kombinierte) MMR-Impfung empfohlen (s. Bundesamt für Gesundheit und Eidgenössische Kommission für Impffragen, Empfehlungen zur Prävention von Masern, Mumps und Röteln, März 2019, S. 5 ff.; s.a. BAL- DESBERGER u.a., Primary and Hospital Care 2023/02, S. 11 ff.).
Wie das Bundesgericht mit Bezug auf Masern ausgeführt hat (BGE 146 III 313
E. 6.2.6), erfordern die erwähnten gesundheitlichen Risiken und Gefahren, denen ein Kind ohne Impfschutz ausgesetzt ist, einen elterlichen (ersatzweise) behördlichen Entscheid zum Schutz des Kindeswohls.
Die Beschwerdeführerin wendet gegen einen behördlichen Entscheid ein, es gebe in der Schweiz keinen Impfzwang bzw. kein gesetzliches Impfobligatorium (act. 2 S. 6 ff.). Allerdings hat das Bundesgericht klargestellt, dass sich allein nach Massgabe der privaten Situation des Kindes bestimme, ob das Wohl des Kindes im privatrechtlichen Sinn von Art. 307 Abs. 1 ZGB gefährdet sei, wogegen sich die Voraussetzungen, unter denen eine Impfung (auf eidgenössischer kantonaler Ebene) obligatorisch erklärt werden könne, nicht an der individuellen Situation einer (minderjährigen) Einzelperson orientiere, sondern an der Gefährdung von Bevölkerungsoder Personengruppen. Allein der Umstand, dass mit Bezug auf eine übertragbare Krankheit eine Impfung nicht für obligatorisch erklärt werde, sondern von der eidgenössischen Gesundheitsbehörde lediglich empfohlen werde, bedeute nicht, dass es sich auch mit dem Kindeswohl vertrage, auf die Impfung gegen die fragliche Infektionskrankheit zu verzichten (BGE 146 III 313
E. 6.2.4). Der Entscheid, ein Kind unter konkreten Umständen zu impfen, ist nicht mit der allgemeinen Impfpflicht gleichzusetzen.
Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, das Bundesgericht habe das aus der persönlichen Freiheit fliessende Entscheidungsrecht der Eltern, ihr Kind nicht impfen zu lassen, geschützt. Ein Anwendungsbereich von Art. 307 Abs. 1 ZGB liege gemäss Bundesgericht erst dann vor, wenn die sorgeberechtigten Eltern sich bei der Frage der Impfung nicht einig seien, und einzig dann rechtfertige sich ein Einschreiten der Kindesschutzbehörde (act. 2 S. 6).
Richtig ist, dass das Bundesgericht auf die Grundüberzeugung verwies, wonach die Familienbzw. Elternautonomie in Bezug auf alle Kinderbelange gegenüber staatlichen Interventionen Vorrang geniessen soll, und festhielt, dass in diesem Sinn auch eine von beiden gemeinsam sorgeberechtigten Eltern getroffene Entscheidung, ihr Kind nicht gegen die Masern zu impfen, grundsätzlich zu respektieren wäre. Unter welchen Voraussetzungen sich die zuständige Behörde zum Schutz des Kindes trotzdem über eine solche gemeinsame elterliche Entschei- dung hinwegsetzen könnte, brauche an dieser Stelle nicht erörtert zu werden (BGE 146 III 313 E. 6.2.3; vgl. a. BGer 5A_118/2022 vom 15. März 2022 E. 5.2).
Damit hat das Bundesgericht den wichtigen Grundsatz betont, dass die primäre Entscheidungskompetenz über das Kind den sorgeberechtigten Eltern zusteht und nicht dem Staat (vgl. BSK ZGB I-SCHWENZER/COTTIER, Art. 301 N 2 m.H.). Staat und Behörden haben den Vorrang privater Verantwortung zu akzeptieren und sich grundsätzlich in die private Lebensgestaltung und die individuellen Lebensentwürfe nicht einzumischen (vgl. BSK ZGB I-BREITSCHMID, Art. 307 N 6). Entsprechend werden die Kindesschutzbehörden denn auch ohne Anhaltspunkte für eine Kindswohlgefährdung nicht aktiv und greifen sie ohne konkreten Anlass in die Autonomie der Eltern nicht ein. Gleichzeitig hat das Bundesgericht darauf hingewiesen, dass unter Umständen zum Schutze des Kindes die elterliche Entscheidungszuständigkeit derogiert werden muss (wobei es offen lassen konnte, unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist). Allgemein ist dazu festzuhalten,
dass die elterliche Entscheidungskompetenz beschränkt ist durch das Kindeswohl und der Staat mit Kindesschutzmassnahmen eingreifen muss, wenn die Grenze zur Gefährdung des Kindeswohls überschritten ist (BSK ZGB I- SCHWENZER/COTTIER, Art. 301 N 2; BK ZGB-AFFOLTER-FRINGELI/VOGEL, Art. 301 N
8, 15; LANGER, a.a.O., ZSR 2017 I, S. 104). Mit Blick auf die gesundheitlichen Gefahren und Risiken, denen ein Kind ohne Impfschutz ausgesetzt ist, wurde ausgeführt, dass eine solche Gefährdung des Kindeswohls zu bejahen ist. Dies ist namentlich auch zu betonen, soweit die Beschwerdeführerin ihre eigene persönliche Freiheit hervorstreicht. Diese ist zwar durchaus zu respektieren, steht aber hier nicht im Zentrum. Oberste Maxime des Kindesrechts ist das Kindeswohl (vgl. BGE 132 III 359 E. 4.4.2). Massgebend kann vorliegend auch nicht sein, dass es nicht um ein Patt zwischen zwei sorgeberechtigten Elternteilen geht, sondern die Beschwerdeführerin alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge ist. Am Bedürfnis und Anspruch B. s auf Schutz seiner Gesundheit ändert dies nichts. Sodann ist zu berücksichtigen, dass die spezifische Situation B. s mindestens so sehr eine behördliche Entscheidung verlangt wie ein Patt der Eltern: Zum Schutze von B. musste die KESB bereits unmittelbar nach der Geburt Kindesschutzmassnahmen treffen und B. bei Pflegeeltern unterbringen. Bei diesen Pflegeeltern lebt B. seither und es ist nicht zu sehen, dass sich dies in Zukunft ändern sollte. Die Pflegeeltern nehmen – ohne dass ihnen formell das Sorgerecht zukommt – an der Ausübung der elterlichen Sorge für B. teil. Sie kümmern sich um ihn und nehmen seine tägliche Erziehung wahr. Umgekehrt ist bis heute das Besuchsrecht der Beschwerdeführerin auf zweimal pro Woche während maximal zwei Stunden im Beisein einer Fachperson beschränkt. Unter diesen Umständen ist es angebracht, die Pflegeeltern nicht nur anzuhören (vgl. Art. 300 Abs. 2 ZGB), sondern ihre Haltung und Meinung auch angemessen mit zu berücksichtigen. Wie der Beistand (vgl. KESB-act. 277) und der Kindsverfahrensvertreter (vgl. BR-act. 14 und 21) haben sich die Pflegeeltern vorliegend deutlich für eine Impfung B. s ausgesprochen (KESB-act. 309 und 310).
Die Beschwerdeführerin hält schliesslich dafür, sie sei zum einen nicht gehalten, ihren Entscheid gegen Impfungen mit vernünftigen Argumenten zu begründen, zum andern zeuge es von einer gewissen Arroganz der Kindesschutzbehörden, wenn sinngemäss angenommen werde, einzig eine Person, welche der Impfthematik positiv gegenüberstehe, könne diesbezüglich einen vernünftigen Entscheid treffen (act. 2 S. 7).
Wie vorne ausgeführt, haben sich die Kindesschutzbehörden und Gerichte an den Empfehlungen des BAG als fachkompetente eidgenössische Behörde zu orientieren und nur dort von der Empfehlung abzuweichen, wo sich die Impfung aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Falles nicht mit dem Kindeswohl verträgt. Damit ist über die medizinische Impfempfehlung als solche gar nicht zu befinden und ist nicht massgeblich, mit welchen (rationalen irrationalen) Argumenten die Beschwerdeführerin die Empfehlung in Frage stellt. Vernünftige Argumente wären aber erforderlich, soweit die Beschwerdeführerin geltend machen wollte, dass spezifisch bei B. eine Impfung nicht angezeigt wäre. Solche Gründe legt sie nicht dar und sind nicht ersichtlich.
Nach dem Ausgeführten sind Anordnungen zur Durchführung der Basisimpfungen als Kindesschutzmassnahme bei B. grundsätzlich angezeigt. Zu prüfen bleibt, ob die konkrete Massnahme verhältnismässig ist.
Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt, dass die verfügte Mass- nahme geeignet und erforderlich ist, um die Kindswohlgefährdung abzuwenden (vgl. Art. 389 Abs. 2 i.V.m. Art. 440 Abs. 3 ZGB). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die streitigen Impfungen nicht geeignet und erforderlich wären, um B. nachhaltig gegen die vorne erwähnten Krankheiten zu schützen bzw. dass dies auch mit milderen Massnahmen möglich wäre. Geeignet und erforderlich ist auch die zwecks Durchführung der Impfungen angeordnete entsprechende Einschränkung der elterlichen Sorge und Übertragung auf den Beistand. Die Einschränkung der elterlichen Sorge erfordert dabei nicht, dass die Sorgeberechtigten urteilsunfähig sind, wie es die KESB sowie der Kindesvertreter anzunehmen scheinen. Es kommt daher nicht darauf an, ob sich die Beschwerdeführerin zur Frage der Impfung von B. eine (abweichende) eigene Meinung bilden kann. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die KESB von Beginn weg in Nachachtung des Verhält- nismässigkeitsgrundsatzes handelte und der Beschwerdeführerin nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzog, die elterliche Sorge aber beliess. Letztere soll nun
punktuell eingeschränkt, im Übrigen der Beschwerdeführerin aber weiterhin belassen werden. Die Anordnung ermöglicht es dem Beistand, einerseits dafür besorgt zu sein, dass B. die erforderlichen Impfungen erhält, anderseits aber auch sicherzustellen, dass hinsichtlich der einzelnen Impfungen ärztlich abgeklärt bzw. eingeschätzt wird, ob sie nicht ausnahmsweise kontraindiziert sein könnten (vgl. dazu etwa Empfehlungen BAG zur Prävention von Masern, Mumps und Röteln, S. 33 f.). Sie erlaubt auch, allfällig notwendige Zweitoder Auffrischimpfungen zu veranlassen. Eine blosse Weisung an die Beschwerdeführerin – welche die Impfungen vehement ablehnt und in der Vergangenheit soweit ging, die Mitarbeitenden der zuständigen Arztpraxis wegen der Impffrage zu bedrängen (vgl. KESB-act. 301; vorne E. III.1) – würde ein geordnetes und zeitnahes Vorgehen nicht sicherstellen. Damit ist auch die Verhältnismässigkeit der Massnahme zu bejahen.
Die Beschwerde ist abzuweisen und das Urteil der Vorinstanz vom 1. Dezember 2022 sowie der Beschluss der KESB vom 5. April 2022 sind zu bestätigen.
1. Die Entscheidgebühr für das vorliegende Beschwerdeverfahren wird auf Fr. 800.– festgesetzt (§ 5 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 GebV OG). Ausgangsgemäss
sind die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO; s. zur Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege sogleich E. 2). Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen, der Beschwerdeführerin nicht, da sie unterliegt, dem Verfahrensbeteiligten nicht, da ihm keine Aufwendungen entstanden sind, die zu entschädigen wären.
2.
Die Beschwerdeführerin stellt für das obergerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, inklusive unentgeltliche Rechtsverbeiständung.
Eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, um den Prozess zu finanzieren, und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 lit. a und b ZPO).
Die Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus den bei den Akten liegenden Unterlagen (vgl. act. 2 S. 9 ff.; act. 4/7-10) und das Verfahren ist nicht als von vornherein aussichtslos zu betrachten. Der Beschwerdeführerin ist die unentgeltliche Rechtspflege für das obergerichtliche Verfahren zu bewilligen und Rechtsanwältin MLaw X. als unentgeltliche Rechtsbeiständin zu bestellen. Die Rechtsbeiständin wird der Kammer noch eine Aufstellung über ihre Auslagen und Bemühungen einzureichen haben, so dass in einem separaten Beschluss über die Entschädigung befunden werden kann. Die Beschwerdeführerin ist darauf hinzuweisen, dass sie zur Nachzahlung verpflichtet ist, sobald sie dazu in der Lage ist (Art. 123 ZPO).
Es wird beschlossen:
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und Rechtsanwältin MLaw X. als unentgeltliche Rechtsbeiständin bestellt.
Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Die Beschwerde wird abgewiesen und das Urteil des Bezirksrats Horgen vom 1. Dezember 2022 und der Beschluss der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Bezirk Horgen vom 5. April 2022 werden bestätigt.
Die Entscheidgebühr für das obergerichtliche Verfahren wird auf Fr. 800.– festgesetzt und der Beschwerdeführerin auferlegt, aber zufolge bewilligter unentgeltlicher Rechtspflege einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Nachzahlungspflicht gemäss Art. 123 ZPO bleibt vorbehalten.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Die unentgeltliche Rechtsbeiständin der Beschwerdeführerin, Rechtsanwältin MLaw X. , wird eingeladen, ihre Kostennote einzureichen. Über die Entschädigung für das obergerichtliche Verfahren wird mit separatem Beschluss entschieden.
Schriftliche Mitteilung an die Beschwerdeführerin, den Verfahrensbeteiligten, die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Bezirk Horgen sowie – unter Rücksendung der eingereichten Akten – an den Bezirksrat Horgen, je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Götschi
versandt am:
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