Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PQ220070 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 06.12.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gemeinsame elterliche Sorge |
Schlagwörter : | Beschwerde; Beschwerdeführer; Sorge; Elterliche; Gemeinsame; Beschwerdegegnerin; Kindes; Eltern; Elterlichen; Entscheid; Bezirk; Beschwerdeführers; Kinder; Antrag; Vorinstanz; Gemeinsamen; Bezirksrat; Dietikon; Recht; Setze; Verhältnis; Urteil; Verfahren; Geburt; Sorgerecht; Kindeswohl; Obergericht; Söhne; Vater; Kanton |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ; Art. 296 ZGB ; Art. 298a ZGB ; Art. 298d ZGB ; Art. 308 ZGB ; Art. 314 ZGB ; Art. 446 ZGB ; Art. 450a ZGB ; Art. 450f ZGB ; Art. 90 BGG ; Art. 96 ZPO ; |
Referenz BGE: | 138 III 374; 141 III 569; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: PQ220070-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende,
Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach und Oberrichterin
lic. iur. A. Strähl sowie Gerichtsschreiberin MLaw I. Bernheim
in Sachen
,
Beschwerdeführer
gegen
,
Beschwerdegegnerin
betreffend gemeinsame elterliche Sorge
Ausgangslage und Verfahrensverlauf
B. und A. sind die nicht verheirateten Eltern von C. , geb. tt.mm.2011, und D. , geb. tt.mm.2013. Die Söhne stehen unter der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter. Am 22. Januar 2014 genehmigte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Bezirk Dietikon (nachfolgend KESB) einen Unter- haltsvertrag der Eltern (KESB Vorakten act. 8). Seit Juli 2017 leben die Eltern ge- trennt (KESB act. 25). Im September 2017 erteilte die KESB dem Kinder- und Ju- gendhilfezentrum Dietikon (nachfolgend kjz) einen Abklärungsauftrag im Hinblick auf die Ausarbeitung einer angemessenen Besuchsrechtsregelung und zur Prü- fung von Kindesschutzmassnahmen (KESB act. 20). Am 14. Dezember 2017 gab das kjz Empfehlungen für die Regelung des Besuchsrechts ab (KESB act. 35), am 8. Februar 2018 legte es den Abklärungsbericht vor (KESB act. 37, 38). Mit Entscheid vom 19. April 2018 errichtete die KESB eine Beistandschaft gemäss Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB für die beiden Söhne, ernannte E. zur Beiständin und regelte den persönlichen Verkehr zwischen dem Vater und ihnen (KESB
act. 42). Seit dem 1. September 2020 wird die Beistandschaft von F. ge- führt (KESB act. 60-62). Der Vater gelangte mit E-Mail vom 12. April 2021 an die KESB und beantragte, die beiden Kinder seien unter die gemeinsame elterliche Sorge der Eltern zu stellen (KESB act. 76). Die von der KESB in der Folge unter- nommenen Vermittlungsversuche scheiterten. Mit Entscheid vom 14. Juni 2022 wies die KESB diesen Antrag ab (KESB act. 127). Dagegen erhob der Vater Beschwerde beim Bezirksrat Dietikon (BR act. 1). Der Bezirksrat wies die Beschwerde mit Urteil vom 29. September 2022 ab (act. 7).
act. 8/6B/1-134 [Dossier-Nr. 2013-1724 betreffend D. , inkl. Dossier-Nr. DT2013/0077], wobei der Einfachheit halber lediglich aus den Verfahrensakten be- treffend D. zitiert wird als KESB act. bzw. KESB Vorakten act.).
Art. 450 ff. ZGB zu befolgen hat (vgl. auch Art. 314 ZGB). Es sind die Vorschriften des EG KESR (insbes. die §§ 63, 65 ff. EG KESR) anzuwenden und – soweit das EG KESR etwas nicht regelt – ergänzend die Vorschriften des GOG sowie der ZPO als kantonales Recht zu beachten (vgl. § 40 EG KESR und dazu ebenfalls Art. 450f ZGB). Der Kanton Zürich kennt seit dem Inkrafttreten des revidierten Kindes- und Erwachsenenschutzrechtes im ZGB zwei gerichtliche Beschwerde- instanzen, als erste Beschwerdeinstanz den Bezirksrat (§ 63 EG KESR) und als zweite das Obergericht (§ 64 EG KESR). Die Kammer ist für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde gegen das Urteil des Bezirksrats somit zuständig.
Zur Beschwerde ist legitimiert, wer am Verfahren beteiligt ist (Art. 314 Abs. 1 i.V.m. Art. 450 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB). Der Beschwerdeführer stellte als Vater von C. und D. einen Antrag um Neuregelung der elterlichen Sorge. Entsprechend ist er zur Beschwerde legitimiert.
Mit der Beschwerde kann (neben Rechtsverweigerung und Rechtsverzöge- rung) eine Rechtsverletzung, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes oder Unangemessenheit des Entscheides ge- rügt werden (Art. 450a Abs. 1 ZGB). Der Rechtsmittelbehörde kommt sowohl in rechtlicher wie auch in tatsächlicher Hinsicht umfassende Überprüfungsbefugnis zu; dazu gehört auch die volle Ermessensüberprüfung (BSK ZGB I-DROESE/
STECK, 6. Aufl. 2018, Art. 450a N 3 und 10). Im Verfahren vor der KESB und in den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen ist der Sachverhalt von Amtes wegen zu erforschen und das Gericht ist an die Anträge der Parteien nicht gebunden
(Art. 446 ZGB), wobei es im Anwendungsbereich von Art. 446 ZGB grundsätzlich keine Novenbeschränkung gibt (OGer ZH, PQ190050 vom 26. August 2019
E. 2.3). Von der Beschwerde führenden Partei ist indes darzulegen und aufzuzei- gen, inwiefern der angefochtene Entscheid als fehlerhaft erachtet wird. Sie muss sich sachbezogen mit den Entscheidgründen des angefochtenen Entscheides auseinandersetzen und darlegen, inwiefern die Vorinstanz das Recht falsch ange- wendet bzw. den Sachverhalt unrichtig festgestellt haben soll. Dies gilt auch im Bereich der Untersuchungsmaxime (Art. 446 ZGB, §§ 65 und 67 EG KESR; BGE 141 III 569 E. 2.3.3 mit Hinweis auf BGE 138 III 374 E. 4.3.1). Bei Rechtsmittel- eingaben von Laien genügt als Antrag eine Formulierung, aus der sich mit gutem Willen herauslesen lässt, wie das Obergericht entscheiden soll. Zur Begründung reicht aus, wenn auch nur ganz rudimentär zum Ausdruck kommt, an welchen Mängeln der angefochtene Entscheid leidet resp. weshalb der angefochtene Ent- scheid nach Auffassung der Beschwerde führenden Partei unrichtig sein soll. Sind auch diese Voraussetzungen nicht gegeben, ist auf die Beschwerde nicht einzu- treten.
der zuständigen Behörde gestellt werden könne. Werde ein solcher Antrag erst nach Ablauf der Jahresfrist gestellt, komme die Bestimmung von Art. 298d ZGB zur Anwendung, welche vorsehe, dass die elterliche Sorge bei wesentlicher Ände- rung der Verhältnisse zur Wahrung des Kindeswohls neu geregelt werde. Mit Blick auf die konkrete Konstellation stellte die Vorinstanz fest, C. und
D. seien im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Bestimmung am 1. Juli 2014 bereits geboren gewesen und der Beschwerdeführer habe innert der Jah- resfrist keinen Antrag auf Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge gestellt. Aufgrund des Antrags des Beschwerdeführers vom 13. April 2021 habe die KESB zunächst versucht, die Beschwerdegegnerin zur Unterzeichnung einer gemein- samen Erklärung im Sinne von Art. 298a Abs. 1 ZGB zu motivieren. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers habe ihm die KESB aber nicht zugesi- chert, auch ohne Zustimmung der Beschwerdegegnerin die gemeinsame elterli- che Sorge anzuordnen.
Eine Neuzuteilung der elterlichen Sorge setze im konkreten Fall eine we- sentliche Änderung der Verhältnisse seit der Geburt der Kinder voraus, stünden diese doch seit ihrer Geburt unter der alleinigen elterlichen Sorge der Beschwer- degegnerin. Die Eltern hätten im Zeitpunkt der Geburt des zweiten Kindes im sel- ben Haushalt in G. gelebt. Aufgrund zweier polizeilicher Interventionen we- gen Drohungen und häuslicher Gewalt habe die Kantonspolizei Zürich am
22. Dezember 2015 und am 31. Juli 2017 gegen den Beschwerdeführer jeweils eine 14-tägige Wegweisung aus der gemeinsamen Wohnung, verbunden mit ei- nem Kontaktverbot, verfügt. Am 29. August 2017 habe die Beschwerdegegnerin mitgeteilt, dass sie sich vom Beschwerdeführer getrennt habe. Dieser sei in der Zwischenzeit eine neue Partnerschaft eingegangen. Er sei per 1. September 2017 nach H. umgezogen, die Beschwerdegegnerin und die beiden Kinder seien seit dem 1. Oktober 2017 in I. angemeldet. Anlässlich des gemeinsamen Gesprächs mit den Eltern bei der KESB am 1. Juni 2022 sei festgehalten worden, dass das Besuchsrecht des Beschwerdeführers seit geraumer Zeit nicht mehr eingehalten werde und die Eltern nicht miteinander kommunizieren könnten. Der Beschwerdeführer habe im Laufe des Gesprächs immer wieder Vorwürfe gegen- über der Beschwerdegegnerin gemacht. Diese habe gesagt, dass sie angesichts
der derzeitigen Verhaltens des Beschwerdeführers nicht bereit sei, mit ihm eine Vereinbarung über das gemeinsame Sorgerecht einzugehen. Die Kinder hätten in handschriftlichen Erklärungen Erwartungen formuliert, welche jedoch keinen Auf- schluss über ihre Wünsche bezüglich eines gemeinsamen Sorgerechts gäben. Schliesslich seien den Akten keine Hinweise zu entnehmen, dass das Kindeswohl eine Neuregelung der elterlichen Sorge erfordern würde. Die Umsetzung des Besuchsrechts des Beschwerdeführers lasse sich nicht primär mit der gemeinsamen elterlichen Sorge, sondern durch eine klare Regelung erreichen, welche die mas- sgeblichen Lebensumstände aller Beteiligten berücksichtige. Zusammenfassend hielt die Vorinstanz fest, dass seit der Geburt des zweiten Kindes zwar eine Ver- änderung der Verhältnisse eingetreten sei, in dem Sinne, dass sich das Verhältnis unter den Eltern verschlechtert habe. Das Protokoll über das gemeinsame Ge- spräch vom 1. Juni 2022 zeige auf, dass die Eltern nicht in der Lage wären, sich über die elementaren Belange bezüglich der Kinder zu verständigen, was jedoch unentbehrlich wäre, um das gemeinsame Sorgerecht kindsgerecht auszuüben. Ausserdem ergäben sich aus den Akten keine Gründe, welche zur Wahrung des Kindeswohls eine Neuregelung der elterlichen Sorge zwingend erfordern würden (act. 7).
Der Beschwerdeführer geht in seiner Beschwerde auf die soeben wieder- gegebene Begründung der Vorinstanz nicht ein, sondern er gibt seine eigene Sicht der Dinge wieder. Ob er damit den für Laien stark herabgesetzten Anforde- rungen an die Begründungsobliegenheit nachkommt (vgl. vorstehend E. 2.3), ist höchst fraglich. Aber auch wenn zugunsten des Beschwerdeführers davon aus- gegangen wird, dass seine Beschwerde die Begründungsanforderungen erfüllt, ist dieser aus den nachfolgenden Gründen kein Erfolg beschieden.
Seit der Gesetzesänderung vom 1. Juli 2014 stellt die gemeinsame elterli- che Sorge unabhängig vom Zivilstand der Eltern die Regel dar (Art. 296 Abs. 1 ZGB). C. und D. sind jedoch vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung geboren, weshalb die neue Regelung bei ihrer Geburt noch nicht zur Anwendung kam. Das Übergangsrecht sah die Möglichkeit vor, die gemeinsame elterliche Sorge zu beantragen. Dies hätte einen entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers innert eines Jahres seit dem Inkrafttreten des neuen Rechts vorausgesetzt (vgl. Art. 12 Abs. 4 SchT ZGB). Davon hat der Beschwerdeführer offenbar nicht Gebrauch gemacht. Somit kommt auf den Antrag um Anordnung der gemeinsa- men elterlichen Sorge, den der Beschwerdeführer am 12. April 2021 gestellt hat, Art. 298d Abs. 1 ZGB zur Anwendung. Nach dieser Bestimmung setzt die Neure- gelung der elterlichen Sorge nicht nur eine wesentliche Änderung der Verhältnis- se voraus, sondern sie muss auch zur Wahrung des Kindeswohls nötig sein. Da- mit stellt sich die rechtliche Ausgangslage im vorliegenden Fall wesentlich anders dar, als wenn C. und D. nach dem 1. Juli 2014 geboren wären.
zwar wesentlich verändert haben. Da sich ihr Verhältnis, namentlich ihre Kommu- nikation, aber wesentlich verschlechtert hat, liegt kein Grund für die Anordnung einer gemeinsamen elterlichen Sorge vor. Der Entscheid der Vorinstanz ist auf- grund des Gesagten nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer ist darauf hin- zuweisen, dass er seinerseits einen Beitrag zur Verbesserung der Kommunikation leisten kann, wenn er auf einer sachlichen Ebene mit der Beschwerdegegnerin kommuniziert und Vorwürfe sowie Beleidigungen ihr gegenüber unterlässt.
Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 500.– festgesetzt und dem Beschwerde- führer auferlegt.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder
Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw I. Bernheim versandt am:
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