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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils PP230014: Obergericht des Kantons Zürich

Der Richter hat in einem Fall von Schutzmassnahmen für die Eheleute A und B entschieden, dass B das alleinige Nutzungsrecht der ehelichen Wohnung in Genf erhält. A hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und die alleinige Nutzung der Wohnung beantragt. Die Gerichtskosten wurden auf 2000 CHF festgelegt und je zur Hälfte auf beide Parteien aufgeteilt. Es wurde keine Partei verurteilt, die Kosten zu tragen. Das Gericht hat entschieden, dass A die Gerichtskosten vorläufig von Genf übernommen werden. Die Verliererin, B, muss 725 CHF an Genf zahlen.

Urteilsdetails des Kantongerichts PP230014

Kanton:ZH
Fallnummer:PP230014
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid PP230014 vom 27.07.2023 (ZH)
Datum:27.07.2023
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 4A_448/2023
Leitsatz/Stichwort:Forderung / Zulassung Rechtsanwalt
Schlagwörter : Recht; Rechtsanwalt; Interesse; Interessen; Beklagten; Interessenkonflikt; Beschwerde; Gesellschaft; Vorinstanz; Anwalt; Verfügung; Kanzlei; Mandat; Beschwerdeverfahren; Verwaltungsrat; Anwalts; Anwälte; Verfahren; Beschwerdeverfahrens; Frist; Sistierung; Beschwerdeschrift; Vertretung; Anwältin; Mandats; Parteien; Gesuch; Zeitpunkt; Anwältinnen
Rechtsnorm:Art. 124 ZPO ;Art. 126 ZPO ;Art. 321 ZPO ;Art. 326 ZPO ;Art. 60 ZPO ;Art. 717 OR ;Art. 92 BGG ;
Referenz BGE:135 II 145; 139 III 278; 145 IV 218;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts PP230014

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: PP230014-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichter Dr. M. Sarbach und Oberrichterin lic. iur. A. Strähl sowie Gerichtsschreiber MLaw S. Widmer

Beschluss und Urteil vom 27. Juli 2023

in Sachen

1. A. Dr. iur.,

2. ...

Beklagter und Beschwerdeführer

1 vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1._ 1 vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X2.

gegen

B. ,

Klägerin

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.

sowie

1. ...

2. ...

Nebenintervenienten

betreffend Forderung / Zulassung Rechtsanwalt

Beschwerde gegen eine Verfügung des Einzelgerichtes im vereinfachten Verfahren des Bezirksgerichtes Meilen vom 2. Mai 2023; Proz. FV200007

Erwägungen:

    1. Die Klägerin macht als Aktionürin der C. AG (fortan: Gesellschaft) vor dem Einzelgericht des Bezirksgerichts Meilen (nachfolgend: Vorinstanz) Ersatz- Ansprüche der Gesellschaft aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit u.a. gegen- über dem Beklagten 1, dem (Früheren) VerwaltungsratsPräsidenten der Gesellschaft, geltend. Der Beklagte 1 liess sich im bereits fortgeschrittenen Forderungsprozess - die Vorinstanz führte einen doppelten Schriftenwechsel durch, auf die Durchführung einer Hauptverhandlung verzichteten die Parteien von Rechtsanwalt Dr. Z1. von der Kanzlei D. AG in Zürich vertreten (vgl. act. 8/1- 192).

    2. Am 5. Juli 2022 schrieb Rechtsanwalt Dr. Z1. der Vorinstanz, er sei anlässlich der Generalversammlung vom 30. Juni 2022 in den Verwaltungsrat der Gesellschaft gewöhlt worden, lege das Mandat des Beklagten 1 mit sofortiger Wirkung nieder und werde per 31. Juli 2022 aus der Kanzlei D. AG austreten (act. 8/193). Mit Schreiben vom gleichen Tag teilte Rechtsanwalt lic. iur.

      Z2. von der Kanzlei D. AG der Vorinstanz mit, er sei vom Beklagten 1 mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt worden, und reichte eine entsprechende Vollmacht vom 4. Juli 2022 ein (act. 8/194 f.).

    3. Mit Verfügung vom 2. Mai 2023 liess die Vorinstanz Rechtsanwalt lic. iur. Z2. Rückwirkend nicht als Rechtsvertreter des Beklagten 1 zu und setzte dem Beklagten 1 eine Frist von 14 Tagen ab Zustellung der Verfügung an, um ei- ne Allfällige neue Rechtsvertretung anzuzeigen (act. 8/214 = act. 4/1 = act. 7 [Aktenexemplar]).

    1. Dagegen erhob der Beklagte 1 mit elektronischer Eingabe vom 15. Mai 2023 (Datum Abgabequittung [act. 5/2]) Beschwerde (act. 2). Er beantragt die vollumfängliche und ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Verfügung, eventualiter die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MwSt. soweit gesetzlich geschuldet) zulasten der Klägerin, eventualiter zulasten der Staatskasse. In prozessualer Hinsicht ersucht er um Gewährung der aufschiebenden Wirkung und Sistierung des Beschwerdeverfahrens bis zum rechtsKräftigen Abschluss des vor der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte hängigen Verfahrens gegen die RechtsAnwälte Dr. Z1. und lic. iur. Z2. betreffend Verstoss gegen

      Art. 12 lit. c BGFA, eventualiter bis zum rechtsKräftigen Abschluss des Aufsichtsverfahrens gegen Rechtsanwalt lic. iur. Z2. (act. 2 S. 2 f.).

    2. Mit Verfügung vom 26. Mai 2023 wurde dem Beklagten 1 Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses und der Klägerin Frist zur Stellungnahme zu den Gesuchen um Gewährung der aufschiebenden Wirkung und Sistierung des Beschwer- deverfahrens angesetzt (act. 9 S. 3 f.). Dazu wurde der Klägerin ein (versehentlich unvollständiger) Auszug aus der Beschwerdeschrift zugestellt (vgl. act. 9

      S. 4).

    3. Mit Eingabe vom 30. Mai 2023 beantragte der Rechtsvertreter der Klägerin, Rechtsanwalt lic. iur. Y. , dass ihm in Nachachtung der Ansprüche der Klügerin auf rechtliches Gehör und Akteneinsicht die gesamte Beschwerdeschrift mitsamt Beilagen zuzustellen sei (act. 13; vgl. act. 11 f.).

    4. Mit Verfügung vom 31. Mai 2023 wurden der Klägerin ein Ergänzter, die vollstündige Begründung der prozessualen Anträge umfassender Auszug aus der Beschwerdeschrift zugestellt und die Frist zur Stellungnahme zu den Gesuchen um aufschiebende Wirkung und Sistierung des Beschwerdeverfahrens neu angesetzt (act. 14 S. 4). Dem Antrag der Klägerin auf Zustellung der gesamten Beschwerdeschrift samt Beilagen wurde nicht stattgegeben (vgl. act. 14 S. 3 f.).

    5. Mit Eingabe vom 5. Juni 2023 beantragte die Klägerin, es sei ihr die mit Ver- Fügung vom 31. Mai 2023 angesetzte Frist zur Stellungnahme abzunehmen, es

      sei ihr die vollständige Beschwerdeschrift mitsamt Allfälliger Beilagen zuzustellen und es sei ihr eine Frist von 10 Tagen zur Beantwortung der Beschwerde und zur Stellungnahme zu den ProzessAnträgen anzusetzen (act. 17).

    6. Mit Verfügung 7. Juni 2023 wurde der Klägerin die mit Verfügung vom

      31. Mai 2023 angesetzte Frist zur Stellungnahme zu den Gesuchen des Beklagten 1 um aufschiebende Wirkung und Sistierung des Beschwerdeverfahrens einstweilen abgenommen (act. 18).

    7. Die vorinstanzlichen Akten wurden von Amtes wegen beigezogen (act. 8/1- 215). Auf die Einholung einer Beschwerdeantwort ist zu verzichten (Art. 322

Abs. 1 ZPO). Die Sache ist spruchreif. Mit dem nachfolgenden Entscheid wird das Gesuch des Beklagten 1 um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.

3.

    1. Die Beschwerde richtet sich gegen eine prozessleitende Verfügung der Vorinstanz. Prozessleitende Verfügungen sind mit Beschwerde anfechtbar, wenn durch sie ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht (Art. 319 lit. b

      Ziff. 2 ZPO). Mit der angefochtenen Verfügung wurde Rechtsanwalt lic. iur.

      Z2. untersagt, den Beklagten 1 zu vertreten. Verfügungen dieser Art bewirken nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil i.S.v. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG und demnach erst recht einen nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil i.S.v. Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO (BGer 4A_313/2020 vom 1. Oktober 2020 E. 3; BGer 4D_58/2014 vom 17. Oktober

      2014 E. 4.2). Der Beklagte 1 reichte seine Beschwerde am 15. Mai 2023 (Datum Abgabequittung [act. 5/2]) und somit innert 10 Tagen seit Zustellung der angefochtenen Verfügung am 4. Mai 2023 (act. 8/215) ein (vgl. Art. 321 Abs. 2 ZPO). Die Beschwerde enthält Anträge sowie eine Begründung und der für das Beschwerdeverfahren verlangte Kostenvorschuss wurde rechtzeitig geleistet

      (act. 16; Art. 59 Abs. 2 lit. f ZPO). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

    2. Mit Beschwerde können die unrichtige Rechtsanwendung und die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 320

      ZPO). Neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel sind ausgeschlossen (Art. 326 ZPO).

    3. Der Beklagte 1 beantragt die Sistierung des Beschwerdeverfahrens. Er macht geltend, das vor der AufsichtsBehörde über die Anwältinnen und Anwälte des Kantons Zürich hängige Verfahren betreffe die gleichen Vorwürfe, Nämlich ob Rechtsanwalt lic. iur. Z2. gegen Art. 12 lit. c BGFA verstossen habe. Um Doppelspurigkeiten und sich widersprechende Entscheide zu vermeiden, sei die rechtsKräftige Erledigung des Aufsichtsverfahrens abzuwarten (act. 2 Rz. 123).

Das Gericht kann das Verfahren sistieren, wenn die Zweckmässigkeit dies verlangt (Art. 126 Abs. 1 ZPO). Vorliegend ist das Interesse an einem umgehenden Entscheid zwecks Weiterführung des bereits mehr als drei Jahre andauernden erstinstanzlichen Verfahrens deutlich höher zu gewichten (sog. Beschleunigungsgebot; Art. 124 Abs. 1 ZPO]) als das Interesse an der Vermeidung eines Allfälligen Widerspruchs zwischen der Kammer und der Aufsichtskommission in einer Vorfrage. In der Hauptsache haben das Beschwerde- und das Aufsichtsverfahren unterschiedliche Gegenstände (Zulassung von RA lic. iur. Z2. als Vertreter des Beklagten 1 im Verantwortlichkeitsprozess / Disziplinierung von RA Dr.

Z1. und RA lic. iur. Z2. ). Eine Sistierung des Beschwerdeverfahrens erscheint demnach nicht zweckmässig. Das entsprechende Gesuch des Beklagten 1 ist abzuweisen.

  1. Das Beschwerdeverfahren dreht sich um die Frage, ob Rechtsanwalt lic. iur. Z2. wegen eines Interessenskonflikts i.S.v. Art. 12 lit. c BGFA die Befugnis zur Vertretung des Beklagten 1 fehlt. Die Vorinstanz erwog, der Beklagte 1 sei bis zum 5. Juli 2022 durch Rechtsanwalt Dr. Z1. vertreten worden. Rechtsanwalt Dr. Z1. sei am 30. Juni 2022 in den Verwaltungsrat der Gesellschaft gewöhlt worden und habe sich ab diesem Zeitpunkt bis zur Mandatsniederlegung in einem konkreten Interessenkonflikt befunden: während er sich als Vertreter des Beklagten 1 im Interesse seines Klienten gegen die Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz habe einsetzen müssen, liege es umgekehrt im Interesse der C. AG, sich gegenüber (Allfällig) fehlbaren Organen schadlos zu halten. Rechtsanwalt Dr. Z1. habe deshalb vom 30. Juni 2022 bis 5. Juli 2022 die

    Postulationsfühigkeit gefehlt. Weil betreffend Interessenskonflikte sämtliche Anwältinnen Anwälte einer Kanzlei als eine einzige Anwältin ein einziger Anwalt zu behandeln seien, und zwar ungeachtet Allfälliger organisatorischer Schutzmassnahmen, habe sich der Interessenkonflikt während der gemeinsamen KanzleianGehörigkeit auf Rechtsanwalt lic. iur. Z2. übertragen. Der Interessenkonflikt sei auch nach dem Austritt von Dr. iur. Z1. aus der Kanzlei

    D. AG bestehen geblieben. Rechtsanwalt lic. iur. Z2. sei daher seit der übernahme des Mandats nicht für den Beklagten 1 postulationsfühig und habe Rückwirkend als Vertreter des Beklagten 1 auszuscheiden (act. 7 S. 4 f.).

  2. In seiner Beschwerdeschrift beMängelt der Beklagte 1 vorab über mehrere Seiten, was die Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht alles nicht festgestellt habe (act. 2 Rz. 25-43). Diese Ausführungen gehen an der Sache vorbei. Auch wenn mit der Postulationsfühigkeit von Rechtsanwalt lic. iur. Z2. eine Prozessvoraussetzung Gegenstand des Streits bildet und deshalb für die Feststellung des Sachverhalts die einfache Untersuchungsmaxime gilt (Art. 60 ZPO; BGE 139 III 278 E. 4.3; BGer 4A_165/2021 vom 18. Januar 2022 E. 3.2.3 und 3.3), durfte sich die Vorinstanz auf die Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen beschränken. Welche Tatsachen rechtserheblich sind, beurteilt sich nach der Norm, deren Anwendung in Frage steht (BSK ZPO-GUYAN, 3. Aufl. 2017, Art. 150 N 4; CHK ZPO-SUTTER-SOMM/SEILER, Art. 150 N 6; HASENB?-HLER, in: Sutter-

    Somm/Hasenbühler/Leuenberger, ZPO Komm., 3. Aufl. 2016, Art. 150 N 11; LEU,

    DIKE-Komm-ZPO, 2. Aufl. 2016, Art. 150 N 51). Der Beklagte 1 muss deshalb in einem ersten Schritt aufzeigen, weshalb die von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen für die Annahme eines Interessenkonflikts i.S.v. Art. 12 lit. c BGFA nicht ausreichen. Erst dann würde sich in einem zweiten Schritt die Frage stellen, welche Sachverhaltsabklärungen zusätzlich vorzunehmen wären.

  3. Weiter wendet der Beklagte 1 ein, nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 12 lit. c BGFA reiche ein bloss theoretischer bzw. abstrakter Interessenskonflikt nicht aus. Es müsse ein konkreter Interessenkonflikt vorliegen, was voraussetze, dass konkrete Handlungen bevorständen, bei dem sich der Interessengegensatz negativ auswirken könnte. Damit unterscheide sich die anwaltliche Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten von den unabhängigkeitsanforderungen an Richterinnen und Richter, bei denen der blosse Anschein der Befangenheit genüge (act. 2 Rz. 47-54). Vorliegend habe bereits bei Rechtsanwalt Dr. Z1. nie ein (konkreter) Interessenkonflikt bestanden. Nach seiner Wahl in den Verwaltungsrat habe Rechtsanwalt Dr. Z1. das Mandat zur Vertretung von ihm, dem Beklagten 1, umgehend beendet (act. 2 Rz. 93, 97). In den fänf Tagen zwischen der Wahl und der Mandatsniederlegung sei Rechtsanwalt Dr. Z1. weder in der Funktion als sein Rechtsvertreter noch als Verwaltungsrat der Gesellschaft tätig geworden und sei es zu keinen Situationen gekommen, bei denen Rechtsanwalt Dr. Z1. das Anwaltsmandat nicht mehr hätte unbeeinflusst Ausüben können. Es sei notorisch, dass im vorinstanzlichen Verfahren bereits alle prozessualen Handlungen abgeschlossen seien und die Parteien bloss noch auf das Ergehen des Urteils warteten (act. 2 Rz. 17, 72-74, 76, 101). Zwischen der Gesellschaft und ihm, dem Beklagten 1, bestehe überdies kein Streit. Die Gesellschaft führe auch keine Prozesse gegen ihn. Einzig die Beschwerdegegnerin tue dies. Die Interessen der Klägerin als Minderheitsaktionürin seien jedoch nicht per se deckungsgleich mit den Interessen der (nicht in den Prozess involvierten) Gesellschaft (act. 2 Rz. 65-70, 88, 100).

    1. Gemäss Art. 12 lit. c BGFA haben RechtsAnwälte jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen sie Geschäftlich privat in Beziehung stehen, zu meiden. Art. 12 lit. c BGFA auferlegt dem Anwalt kraft öffentlichen Rechts eine besondere, umfassende Treuepflicht, welche sich auf alle Aspekte des Mandatsverhältnisses erstreckt. Sie steht in engem Zusammenhang mit dem unabhängigkeitsgebot von Art. 12 lit. b BGFA (FELLMANN, in: Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. Aufl. 2011, Art. 12 BGFA N 84); ein Rechtsanwalt, der in einem Interessenkonflikt gefangen ist, läuft Gefahr, seinen Mandanten nicht mehr unbefangen und objektiv zu beraten, weil er dem widerstreitenden Interesse bewusst unbewusst (auch) Rechnung trägt (BGer 2C_837/2019 vom 29. Januar 2020 E. 5.3 mit Hinweis auf CHAPPUIS, Les conflits d'inTür?ts de l'avocat et leurs cons?quences, in: Pichonnaz/Werro [Hrsg.], La pratique contractuelle 3, 2012, S. 69 ff., S. 86). Die bloss theoretische abstrakte Möglichkeit gegensätzlicher Interessenlagen reicht mit Blick auf Art. 12 lit. c BGFA

      allerdings nicht aus, um auf eine unzulässige Vertretung zu schliessen; verlangt wird vielmehr ein sich aus den gesamten Umständen ergebendes konkretes Risiko eines Interessenkonflikts (BGer 2C_837/2019 vom 29. Januar 2020 E. 5.3 m.w.H.; BGer 1B_293/2016 vom 30. September 2016 E. 2.1; je m.w.H.). Umgekehrt ist aber nicht erforderlich, dass die konkrete Gefahr sich bereits verwirklicht und der Anwalt sein Mandat bereits auf fragwürdige Weise zu Ungunsten seines Klienten ausgeübt hat (BGE 145 IV 218 E. 2.1; BGer 1B_59/2018 vom

      31. Mai 2018 E. 2.4; 1B_20/2017 vom 23. Februar 2017 E. 3.1). Die konkrete Gefahr eines Interessenkonflikts kann sich insbesondere auch aus der Organfunktion eines Anwalts ergeben. Ein Anwalt, der ein Organ einer juristischen Person ist, hat die Interessen primür dieser juristischen Person zu wahren (z.B. Art. 717 OR) bzw. ist dieser in Bezug auf Konfliktsituationen gleichgestellt. Damit befindet sich ein Anwalt in einem Konflikt, wenn er ein Mandat im Widerspruch mit den Interessen der Gesellschaft führt, in deren Verwaltungsrat er Mitglied ist (ZR 2010 Nr. 54

      S. 213 f.; SCHILLER, Schweizerisches Anwaltsrecht, N 925; CR LLCA-VALTICOS, 2. Aufl. 2022, Art. 12 N 165).

    2. Entgegen der Auffassung des Beklagten 1 trat vorliegend bereits mit der Wahl von Rechtsanwalt Dr. Z1. in den Verwaltungsrat der Gesellschaft oh- ne Weiteres ein konkretes Risiko eines Interessenskonflikts ein. Seit der Annahme der Wahl hat Rechtsanwalt Dr. Z1. auch die Interessen der Gesellschaft zu vertreten. Zwar ist die Gesellschaft nicht Partei des Verantwortlichkeitsprozesses vor Vorinstanz. Sie ist es aber, die von einer Gutheissung der Klage finanziell profitieren würde. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, liegt es sodann allgemein im Interesse der Gesellschaft, sich gegenüber (Allfällig) fehlbaren Organen schadlos zu halten. Insofern hat die Gesellschaft, auch wenn sie die vorliegend strittigen SchadenersatzAnsprüche nicht selbst verfolgt, ein Interesse am Ausgang des Verantwortlichkeitsprozesses. Dieses Interesse sowie der Umstand, dass die Gesellschaft bei einer Gutheissung der Klage Geld erhalten würde, kolli- diert mit dem Interesse des Beklagten 1, nicht zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet zu werden. Keine Rolle spielt sodann, ob sich das aus dem Interessengegensatz ergebende Risiko realisiert hat, und Rechtsanwalt Dr. Z1. bereits irgendwelche prozessualen Handlungen zum Nachteil des Beklagten 1 ausgefährt hat. Rechtsanwalt Dr. Z1. befand sich in den fänf Tagen ab seiner Wahl in den Verwaltungsrat bis zur Mandatsniederlegung offensichtlich in einem konkreten Interessenkonflikt. Es ist im Weiteren bloss noch zu prüfen, ob dieser Interessenkonflikt auf seinen damaligen Kanzleikollegen Rechtsanwalt lic. iur. Z2. durchschlug.

  4. diesbezüglich stellt sich der Beklagte 1 auf den Standpunkt, selbst wenn von einem Interessenkonflikt von Rechtsanwalt Dr. Z1. auszugehen wäre, hätte dieser Rechtsanwalt lic. iur. Z2. in seiner anwaltlichen tätigkeit für den Beklagten 1 nicht beeinflusst. Weder Rechtsanwalt lic. iur. Z2. noch sonst jemand bei der D. AG habe aufgrund der Wahl von Rechtsanwalt Dr. Z1. je auf irgendwelche Drittinteressen Rücksicht nehmen müssen, insbesondere nicht auf jene der Gesellschaft. Rechtsanwalt Dr. Z1. sei zudem kurze Zeit nach seiner VR-Wahl aus der Kanzlei D. AG ausgeschieden, weshalb Rechtsanwalt lic. iur. Z2. spätestens dann auf keinerlei Interessen der Gesellschaft mehr habe Rücksicht nehmen müssen. In der kurzen Zeit zwischen der VR-Wahl und der Mandatsniederlegung bzw. dem Kanzleiaustritt seien keine Vertretungshandlungen vorzunehmen gewesen. Auch aus diesem Grund habe bei Rechtsanwalt lic. iur. Z2. zu keinem Zeitpunkt ein (konkreter) Interessenkonflikt bestanden. Schliesslich gehe der Verweis der Vorinstanz auf die Praxis zu den sog. Chinese Walls fehl. Diese Praxis beziehe sich auf Situatio- nen, bei denen zwei Mandanten mit gegenläufigen Interessen parallel durch zwei verschiedene Anwältinnen bzw. Anwälte der gleichen Kanzlei vertreten werden. Eine vergleichbare Konstellation liege hier nicht vor (act. 2 Rz. 108-118).

    1. Das durch einen Interessenkonflikt verursachte Hindernis eines Anwalts, jemanden zu vertreten, erstreckt sich grundsätzlich auch auf alle Anwälte, die zu jenem Zeitpunkt in der gleichen Kanzlei tätig sind, und zwar unabhängig vom Status der Anwälte (BGE 145 IV 218 E. 2.2; BGE 135 II 145 E. 9.1). Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, sind nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung sämtliche Anwältinnen Anwälte einer Kanzlei, was Interessenkonflikte anbelangt, wie eine einzige Anwältin ein einziger Anwalt zu behandeln (FELLMANN, Anwaltsrecht, 2. Aufl. 2017, N 356; SCHILLER, a.a.O., N 895; BRUNNER/HENN/

      KRIESI, Anwaltsrecht, N 163; FELLMANN, in: Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. Aufl. 2011, Art. 12 BGFA N 88; CHAPPUIS, La profession d'avocat, N 540; CR LLCA-VALTICOS, 2. Aufl. 2022, Art. 12 BGFA N 156; vgl. auch die vorstehend zitierten Bundesgerichtsentscheide). Dies gilt nicht nur bei der Vertretung widersprechender Mandanteninteressen, sondern auch, wenn andere Anwälte eines Büros am Ausgang eines Falls persönlich interessiert sind (ZK OR-KLEIN, 3. Aufl. 2020, Art. 33 N 157; vgl. BGer 2A.293/2003 vom 9. März 2004 E. 4.2).

    2. Rechtsanwalt Dr. Z1. befindet sich seit seiner Wahl in den Verwaltungsrat am 30. Juni 2022 in einem Interessenkonflikt, der ihn daran hindert, den Beklagten 1 zu vertreten. Dieser Interessenkonflikt erstreckt sich nach dem Gesagten auf alle Anwälte, die zu jenem Zeitpunkt in derselben Anwaltskanzlei tätig waren. Rechtsanwalt Dr. Z1. und Rechtsanwalt lic. iur. Z2. waren bis zum 31. Juli bzw. faktisch mindestens bis zum 19. Juli 2022 Kollegen in der Kanzlei D. AG (act. 8/193; act. 8/204). Der Interessenkonflikt von Rechtsanwalt Dr. Z1. übertrug sich somit auf Rechtsanwalt lic. iur. Z2. . Als Rechtsanwalt lic. iur. Z2. am 4./5. Juli 2022 die Vertretung des Beklagten 1 über- nahm (act. 8/194 f.), befand er sich mithin in einem Interessenkonflikt, auch wenn er nicht selbst in den Verwaltungsrat der Gesellschaft gewöhlt wurde. Er hätte die übernahme des Mandats deshalb ablehnen müssen. Zu diesem Zeitpunkt bestand Nämlich offenkundig die konkrete Gefahr, dass sich Rechtsanwalt Dr.

      Z1. und Rechtsanwalt lic. iur. Z2. über das Verfahren austauschen und Ersterer den Letzteren bewusst unbewusst beeinflusst. Das gilt umso mehr, als im erstinstanzlichen Verfahren bis dahin bereits 200 Akten produziert worden waren und es sich für Rechtsanwalt lic. iur. Z2. geradezu aufdrängte, sich bei seinem Kollegen Rechtsanwalt Dr. Z1. über die bisherige Prozessgeschichte zu informieren. Dass Rechtsanwalt Dr. Z1. später aus der Kanzlei D. AG austrat, ist für das Fortbestehen des Interessenkonflikts von Rechtsanwalt lic. iur. Z2. daher irrelevant. Ebenso irrelevant ist, ob sich der Interessenkonflikt von Rechtsanwalt lic. iur. Z2. bereits in irgendwelchen Handlungen niederschlug nicht.

  5. Schliesslich macht der Beklagte 1 geltend, ein Verstoss gegen Art. 12 lit. c BGFA scheide nur schon deshalb aus, weil er zu jedem Zeitpunkt in vollem Bewusstsein der Situation einverstanden gewesen sei (act. 2 Rz. 55).

    Das von der Vorinstanz ausgesprochene Postulationsverbot soll in erster Li- nie die Interessen des Beklagten 1 Schätzen, indem ihm eine Rechtsvertretung ohne Interessenkonflikte garantiert werden soll (zum Zweck des Postulationsverbots vgl. BGer 5A_766/2022 vom 26. Januar 2023 E. 3.2). Insofern fragt sich, ob das Postulationsverbot auch dann notwendig ist, wenn der Beklagte 1 diesen Schutz in Kenntnis des Konflikts gar nicht will. Das Gebot zur Vermeidung von wi- derstreitenden Interessen Gehört zum Kernbereich des Anwaltsrechts (BGer 2.560/2004 vom 1. Februar 2005 E. 5.2; BGer 1A.223/2002 vom 18. März 2003

    E. 5.2: une rägle cardinale). Es gilt für die Vertretung vor Gericht absolut und steht nicht zur freien Verfügung der Parteien. Eine Einwilligung scheidet deshalb aus (für eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik vgl. CHAPPUIS, Le consentement du client et les chinese walls, in SJZ 2015 S. 409-419; ferner: CHAPPUIS, La profession d'avocat, N 569 ff.; jeweils mit Hinweisen auf die Rechtsprechung und abweichende Lehrmeinungen).

  6. Zusammenfassend liess die Vorinstanz Rechtsanwalt lic. iur. Z2. zu Recht nicht als Vertreter des Beklagten 1 zu. Die Beschwerde ist abzuweisen.

  7. Ausgangsgemäss sind die Prozesskosten des Beschwerdeverfahrens dem unterliegenden Beklagten 1 aufzuerlegen. Die Gerichtsgebühr ist in Anwendung von ?? 2 Abs. 1, 9 Abs. 1 und 12 GebV OG auf Fr. 2'000.festzusetzen und mit dem vom Beklagten 1 geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe zu verrech- nen. Der Beklagte 1 ist ausserdem zu verpflichten, der Klägerin eine Parteientschädigung von Fr. 400.- (inkl. MWST) zu bezahlen (? 4, 10 Abs. 1 lit. b, 11

Abs. 1 und 4, 13 Abs. 1 und 4 AnwGebV).

Es wird beschlossen:

  1. Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wird abgeschrieben.

  2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Sistierung des Beschwerdeverfahrens wird abgewiesen.

  3. Schriftliche Mitteilung und Rechtsmittel mit nachfolgendem Erkenntnis.

Es wird erkannt:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 2'000.festgesetzt und mit dem vom Beschwerdeführer geleisteten Vorschuss in gleicher Höhe verrechnet.

  3. Der Beschwerdeführer wird verpflichtet, der Klägerin für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 400.zu zahlen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Klägerin unter Beilage eines Doppels der Beschwerdeschrift, sowie unter Rücksendung der erstinstanzlichen Akten an das Bezirksgericht Meilen, je gegen Empfangsschein.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 92 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 20'000.-.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

i.V. die Gerichtsschreiberin:

MLaw M. Schnarwiler

versandt am:

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