Zusammenfassung des Urteils PG090001: Obergericht des Kantons Zürich
Die Parteien hatten vereinbart, dass die FIFA über Streitigkeiten entscheidet, aber die FIFA trat nicht auf eine Klage ein, da die Gesuchstellerin eine Gesellschaft war. Die Gesuchstellerin bat das Obergericht um Ernennung eines Schiedsrichters. Das Obergericht prüfte die örtliche Zuständigkeit und entschied, dass ein Schiedsrichter ernannt werden sollte, da eine Schiedsvereinbarung vorliegt. Die Gesuchsgegnerin argumentierte, dass die FIFA-Regeln nicht eingehalten wurden. Das Obergericht entschied, dass es zuständig ist, die Schiedsrichter zu ernennen, da der Sitz des Schiedsgerichts in Zürich liegt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PG090001 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Zivilkammer |
Datum: | 20.10.2009 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Ernennung des Schiedsrichters durch Parteivereinbarung. |
Schlagwörter : | Parteien; Ernennung; Schiedsgericht; Obergericht; Schiedsvereinbarung; Schiedsrichter; Recht; Gesuch; Zivilkammer; Kommission; Schiedsabrede; Schiedsgerichts; Gericht; Auslegung; Gesuchsgegnerin; Entscheid; Streitigkeiten; Vertrages; Kanton; Prüfung; Zuständigkeit; Ernennungsgericht; Beschluss; IPRG-Peter/Legler; Vereinbarung; Wille |
Rechtsnorm: | Art. 178 IPRG ;Art. 179 IPRG ;Art. 18 OR ;Art. 186 IPRG ; |
Referenz BGE: | 110 Ia 59; 118 Ia 20; 129 III 681; 129 III 731; |
Kommentar: | - |
Aus dem Entscheid der III. Zivilkammer des Obergerichtes:
Sachverhalt
Die Parteien hatten sich darauf geeinigt, dass die Kommission der FIFA allfällige Streitigkeiten entscheide. In der Folge trat dieselbe auf eine Klage nicht ein, da es sich bei der Gesuchstellerin um eine Gesellschaft handle, weswegen die Gesuchstellerin das Obergericht um Ernennung eines Schiedsrichters ersuchte.
Aus den Erwägungen:
[ ]
„2. Zur Beurteilung seiner örtlichen Zuständigkeit hat das angerufene Obergericht des Kantons Zürich als Ernennungsgericht summarisch zu prüfen, ob in Art. 4 des Vertrages eine Schiedsvereinbarung zu erblicken ist (E. 2.), und wenn ja, ob der gewählte Schiedsort im Kanton Zürich liegt (E. 3.). Ist beides zu bejahen, so hat das Obergericht einen Schiedsrichter zu ernennen (Art. 179 Abs. 2 und Abs. 3 IPRG i.V.m. § 239 Abs. 2 ZPO). Wenn nicht, so ist das Gesuch um Ernennung mangels einer Schiedsabrede abzuweisen bzw. ist darauf wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit nicht einzutreten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der zuständige Richter nach Lehre und Rechtsprechung auch dann angerufen werden kann, wenn sich das von den Parteien vorgesehene Ernennungsorgan wiegert, eine Entscheidung bezüglich der Ernennung von Schiedsrichtern zu treffen. Dies folgt aus dem Utilitätsgedanken, der auf die Bejahung einer Schiedsvereinbarung abzielt (BSK IPRGPeter/Legler, Art. 179 N 20 f. m.w.H.; BGE 110 Ia 59, 64). Ein solcher Fall liegt vor: Mit dem vorliegenden Gesuch wird geltend gemacht, es fehle eine Parteivereinbarung zur Ernennung der Schiedsrichter, nachdem die FIFA auf die Klage der Gesuchstellerin mit Schreiben vom
10. Dezember 2008 nicht eingetreten ist (vgl. Obergericht Zürich, III. Zivilkammer, PG080001, Beschluss vom 4. November 2008, S. 13).
Zu der in Art. 179 Abs. 3 IPRG vorgesehenen summarischen Prüfung ist festzuhalten, dass der angerufene Richter zur Ernennung des Schiedsgerichtes grundsätzlich verpflichtet ist, es sei denn, eine prima-facie-Kontrolle ergäbe, dass zwischen den Parteien offensichtlich keine Schiedsvereinbarung bestünde. Hingegen darf nach unbestrittener Rechtsauffassung keine sachliche Vorprüfung des Schiedsgegenstandes vorgenommen werden (BSK IPRG-Peter/Legler, Art. 179 N 40 m. w. H.).
Die Prüfung des Ernennungsgerichts beschränkt sich darauf, eine Partei davor zu bewahren, sich auf ein Schiedsgerichtsverfahren einlassen zu müssen, wenn nicht einmal der Anschein einer Schiedsabrede besteht. Im Zweifelsfalle ist aber vom angerufenen Ernennungsgericht zugunsten einer Ernennung der Schiedsrichter zu entscheiden (BSK IPRG-Peter/Legler, Art. 179 N 4 und 40 m.w.H.; BGE 118 Ia 20, 26).
Im Weiteren umfasst die summarische Prüfung nach Art. 179 Abs. 3 IPRG grundsätzlich nur den Bestand, nicht aber die Gültigkeit genaue Tragweite der Schiedsabrede. Darüber entscheidet das Schiedsgericht aufgrund der ihm durch Art. 186 Abs. 1 IPRG eingeräumten sog. Kompetenz-Kompetenz selber. Gegen diesen schiedsrichterlichen Vorentscheid steht die Beschwerde an das Bundesgericht offen (Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG), welches die Zuständigkeit des ernannten Schiedsgerichts in rechtlicher Hinsicht mit uneingeschränkter Kognition prüft (BGE 129 III 731). Offen bleiben kann deshalb, ob die Parteien die FIFA-Regeln vereinbaren wollten, und ob ein Fall von Unmöglichkeit vorliegt.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob mit Art. 4 der fraglichen Vereinbarung eine Schiedsvereinbarung im Sinne von Art. 176 ff. IPRG abgeschlossen wurde. Der notwendige Inhalt einer Schiedsvereinbarung wird durch das Gesetz nicht definiert. Aus deren Zweck ergibt sich, dass der Wille der Parteien zum Ausdruck kommen muss, über bestimmte bestehende künftige Streitigkeiten ein Schiedsgericht, d.h. ein nicht staatliches Gericht, entscheiden zu lassen (BSK IPRG-Wenger, N 3 zu Art. 178 IPRG m. w. H.; Rüede/Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. A. Zürich 1993, S. 69). Damit dies möglich ist, muss das Schiedsgericht bestimmbar sein. Bei der Auslegung einer Klausel ist zu beachten, dass ein Verzichtswille auf staatliche Gerichte nicht leichthin angenommen werden kann, weshalb insoweit im Zweifelsfall eine restriktive Auslegung geboten ist.
Steht hingegen das Vorliegen einer Schiedsabrede fest, so besteht kein Anlass zu einer restriktiven Auslegung mehr. Vielmehr ist dem Anliegen der Parteien, und damit dem Primat der Parteiautonomie, Rechnung zu tragen, die Streitsache durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen (BGE 129 III 681 m.w.H.).
Die Auslegung des Inhalts dieser ins Recht gelegten Klausel hat nach den allgemein anerkannten Grundsätzen der Auslegung privater Willenserklärungen zu erfolgen (BGE 130 III S. 71 m.w. H.). Massgebend ist in erster Linie das übereinstimmende tatsächliche Verständnis der Parteien zu den ausgetauschten Erklärungen (Art. 18 OR). Kann ein solcher tatsächlicher Parteiwille nicht festgestellt werden, so ist die Schiedsvereinbarung nach dem Vertrauensprinzip objektiviert auszulegen, d.h. der mutmassliche Parteiwille so zu ermitteln, wie er vom jeweiligen Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben hat verstanden werden dürfen und müssen.
Die vereinbarte Verpflichtung der Parteien, Streitigkeiten von der FIFA beurteilen zu lassen, konnte aufgrund deren Praxis, keine Gesellschaften als Partei zuzulassen, nicht eingehalten werden. Wer und ob jemand für diese Sachlage verantwortlich ist, kann hier offen bleiben. Jedenfalls ist damit diese gegenseitige vertragliche Pflicht der Parteien dahingefallen. Aus diesem Umstand allein lässt sich aber nicht mit genügender Sicherheit ableiten, es sei der Wille der Parteien gewesen, dass nur die FIFA als Streitbeilegungsinstanz amten solle und nicht irgendein sportrechtlich versiertes Schiedsgericht. Die Gesuchsgegnerin, welche diese Rechtsfolge geltend macht, hat nachzuweisen, dass die Vereinbarung ’ihrem Inhalte nach’ als dahingefallen zu gelten habe, weil das Gewicht bei der Vereinbarung bei der Institution FIFA gelegen habe (Obergericht Zürich, III. Zivilkammer, PG080001, Beschluss vom 4. November 2008, S. 16 f. m.w.H.).
Für die Auffassung der Gesuchsgegnerin spricht, dass die streitbefangene Klausel den Terminus
‚Schiedsgericht’ ähnliche Termini nicht enthält. Es ist jedoch für eine Schiedsvereinbarung nicht konstitutiv, dass dieser Begriff darin vorkommt. Auch ist der Umstand, dass sich die fragliche FIFA-Kommission nicht offiziell als Schiedsrichterin bezeichnet, für die Qualifikation von Art. 4 als Schiedsabrede weder erforderlich noch genügend. Immerhin weist das einschlägige Reglement der FIFA (’Verfahrensordnung für die Kommission für den Status von Spielern und für die Kammer zur Beilegung von Streitigkeiten’) die wesentlichen Züge eines Schiedsverfahrens auf und verwendet dessen Fachausdrücke (z.B. anwendbares Recht, Anspruch auf rechtliches Gehör, Beweisverfahren, Entscheide, Fristenregelung, Einzelrichter).
Für den Ausschluss der staatlichen Gerichte spricht die Tatsache, dass die Parteien die FIFA als eine fachkompetente internationale Fussball-Organisation als unabhängige Streiterledigungsinstanz einsetzen wollten und daher hätten sie um die Praxis der FIFA gewusst vermutlich eine andere Möglichkeit der autonomen fachkompetenten Bestellung vorgesehen hätten, um sich insbesondere auch den Gang vor die Heimatgerichte und die damit verbundenen Unwägbarkeiten zu ersparen. [ ]
Die summarische Prüfung nach Art. 179 Abs. 3 IPRG führt somit zum Ergebnis, dass der Bestand einer Schiedsvereinbarung nach Art. 4 des fraglichen Vertrages zwar zweifelhaft ist, aber dennoch genügend Argumente für sich beanspruchen kann. Es ist der beweisbelasteten Gesuchsgegnerin somit nicht gelungen, den summarischen Gegenbeweis zu erbringen, dass keine Schiedsvereinbarung besteht (BSK IPRG-Peter/Legler, Art. 179 N 42).
Schliesslich beanstandet die Gesuchsgegnerin, ein Schiedsverfahren würde für sie zu einem offensichtlichen Rechtsverlust führen, da ihr bei einem Schiedsverfahren, das nicht nach FIFARegeln durchgeführt würde, denen sie aber zugestimmt habe, die Berufungsmöglichkeit an das internationale Sportschiedsgericht mit Sitz in Lausanne (Court of Arbitration for Sport, CAS) entginge (mit Hinweis auf Art. 23 Abs. 3 des Reglements bezüglich Status und Transfer von
Spielern). Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, dass nicht ersichtlich ist, inwiefern dieser behauptete Rechtsverlust für die summarische Beurteilung von Art. 4 im Sinne von Art. 179 Abs. 3 IPRG massgebend sein sollte. Im Übrigen könnte ein staatlicher Entscheid in der Sache selbst auch nicht vor das internationale Sportschiedsgericht CAS weitergezogen werden.
Folglich erweist sich die Einrede der Unzuständigkeit des Obergerichts Zürich zur Ernennung eines Schiedsrichters mangels gültiger Schiedsvereinbarung als unbegründet.
3. Es bleibt zu prüfen, ob Sitz des Schiedsgerichts Zürich ist, mit der Folge, dass das Obergericht des Kantons Zürich örtlich zuständig wäre, die Schiedsrichter zu ernennen (Art. 179 Abs. 2 IPRG
i.V.m. § 239 Abs. 2 ZPO).
Zwar ist die FIFA weltweit tätig, doch hat sie ihren Hauptsitz in Zürich, und die Verhandlungen der Kommission für den Status von Spielern finden gemäss Art. 10 ihrer Verfahrensordnung grundsätzlich am Hauptsitz der FIFA statt. Die wesentlichen Vereinsorgane der FIFA, wie z.B. das Generalsekretariat der Rechtsdienst, befinden sich ebenfalls in Zürich.
Entscheidend ist zudem, dass - da von einer Schiedsvereinbarung gemäss Art. 176 ff. IPRG (E. 2.) auszugehen ist, und sich der Verhandlungsort der besagten FIFA-Kommission in Zürich befindet - die Parteien bei Unterzeichnung des Transfer-Vertrages nicht nur mit einem Streitbeilegungsprozess im rechtlichen Rahmen des 12. Kapitels des IPRG, sondern auch mit Zürich als Schiedsort ernsthaft rechnen mussten. Dieser von den Parteien gewollte Sitz des Schiedsgerichts im Kanton Zürich genügt für eine Anknüpfung an die Gerichtsbarkeit der Schweiz (vgl. Obergericht Zürich, III. Zivilkammer, PN080001 vom 4. November 2008, S. 21; BSK IPRGPeter/Legler, Art. 179 N 18). Abgesehen davon hat es die Gesuchsgegnerin unterlassen darzutun, mit welchem anderem Ort das Verfahren gemäss Art. 4 einen engeren Konnex als mit Zürich hätte. Somit ist das Zürcher Obergericht dasjenige Gericht mit dem engsten sachlichen und räumlichen Bezug zu Art. 4 des im Streite liegenden Vertrages und demzufolge für die Ernennung der Schiedsrichter örtlich zuständig.
[ ]“
Obergericht, III. Zivilkammer, Beschluss vom 20. Oktober 2009 (Mitgeteilt von Dr. D. Oser)
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