Zusammenfassung des Urteils PF190001: Obergericht des Kantons Zürich
Der Mieter A. ist seit Juli 2011 Mieter einer Wohnung in Zürich, die von der Stadt Zürich vermietet wird. Nachdem er das Mietverhältnis nicht rechtzeitig beendet hatte, wurde er zur Räumung der Wohnung aufgefordert. Das Obergericht des Kantons Zürich entschied, dass der Mieter die Wohnung räumen muss und legte die Kosten dem Mieter auf. Der Mieter legte Beschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde. Der Richter P. Diggelmann war massgeblich an dem Urteil beteiligt. Die Gerichtskosten betrugen 600 CHF, von denen der Mieter 400 CHF zu zahlen hatte.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PF190001 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 14.02.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Ausweisung |
Schlagwörter : | Miete; Mieter; Entscheid; Zustellung; Verfügung; Vermieterin; Gesuch; Vorinstanz; Stadt; Schlichtungsbehörde; Verfahren; Parteien; Vergleich; Gesuchs; Beschwerde; Gesuchsgegner; Nichtig; Obergericht; Ausweisung; Beschluss; Stadtamman; Gericht; Entscheide; Nichtigkeit; Bundesgericht; Oberrichter; Kündigung; Schlichtungsverhandlung; Eingabe |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 136 ZPO ;Art. 138 ZPO ;Art. 141 ZPO ;Art. 274 OR ;Art. 320 ZPO ;Art. 326 ZPO ;Art. 328 ZPO ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | 138 II 501; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: PF190001-O/U
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichter lic. iur. et phil. D. Glur und Oberrichter Dr. S. Mazan sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. O. Canal
in Sachen
A. ,
Gesuchsgegner, Mieter und Beschwerdeführer,
gegen
Stadt Zürich,
Gesuchstellerin, Vermieterin und Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich
betreffend Ausweisung
Beschwerde gegen einen Entscheid des Einzelgerichtes Audienz des Bezirksgerichtes Zürich vom 21. Dezember 2018 (ER180213)
1.
A. ist seit dem 1. Juli 2011 Mieter einer 1.5-Zimmerwohnung an der B. -Str. in C. . Vermieterin ist die Stadt Zürich (vgl. act. 2/1 und act. 2/2). Am 26. Juni 2017 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis per Ende
31. Juli 2017. Diese Kündigung focht der Mieter bei der Schlichtungsbehörde Zürich an. Anlässlich der am 20. September 2017 durchgeführten Schlichtungsverhandlung schlossen die Parteien einen Vergleich, mit welchem die Gültigkeit der Kündigung festgestellt sowie das Mietverhältnis bis zum 30. September 2018 erstreckt worden ist, und der Mieter sich verpflichtet hatte, das Mietobjekt auf diesen Zeitpunkt hin endgültig geräumt und gereinigt zu verlassen sowie ordnungsgemäss der Vermieterin zu übergeben. Eine weitere Erstreckung schlossen die Parteien aus. Mit Beschluss vom 20. September 2017 schrieb die Schlichtungsbehörde das Verfahren ab (vgl. act. 2/8 und act. 5). Am 22. Januar 2018 beantragte der Mieter bei der Schlichtungsbehörde die Revision des Abschreibungsbeschlusses. Dieses Gesuch wies die Schlichtungsbehörde mit Beschluss vom
1. Februar 2018 ab (vgl. act. 2/9).
Nachdem der Mieter die Wohnung per Ende September 2018 nicht verlassen hatte, stellte die Vermieterin bei der Vorinstanz mit Eingabe vom 8. Oktober 2018 (Poststempel vom 9. Oktober 2018) ein Ausweisungsbegehren (vgl. act. 1). Mit Verfügung vom 17. Oktober 2018 setzte die Vorinstanz dem Mieter Frist an, um zum Ausweisungsbegehren Stellung zu nehmen (vgl. act. 6). Der Mieter holte die Verfügung bei der Post nicht ab, und die Sendung wurde nach dem Ablauf der siebentägigen Abholfrist mit dem Vermerk nicht abgeholt an die Vorinstanz retourniert (act. 7). In der Folge beauftragte die Vorinstanz das Stadtammannamt Zürich 11 mit der Zustellung (vgl. act. 8). Nachdem vier Zustellungsversuche gescheitert waren (vgl. act. 9), publizierte die Vorinstanz ihre Verfügung am
November 2018 im kantonalen Amtsblatt (act. 12 und act. 30/1). Am 21. Dezember 2018 fällte die Vorinstanz folgenden Entscheid (vgl. act. 21 [= act. 14 = act. 23]):
Auf Ziffer 1 des Gesuchs vom 9. Oktober 2018 wird nicht eingetreten.
Der Gesuchsgegner wird in Vollstreckung des Beschlusses der Schlichtungsbehörde Zürich vom 20. September 2017 (Geschäfts-Nr. MM170498) angewiesen, die 1,5-Zimmerwohnung Nr. ..., inkl. Kellerabteil Nr. ..., an der
B. -strasse ..., C._ unverzüglich zu räumen und zu verlassen, unter Androhung von Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfall.
Das Stadtammannamt Zürich 11 wird angewiesen, auf Verlangen der Gesuchstellerin die Verpflichtung gemäss Ziffer 2 dieses Entscheids zu vollstrecken. Die Kosten für die Vollstreckung sind von der Gesuchstellerin vorzuschiessen. Sie sind ihr aber vom Gesuchsgegner zu ersetzen.
Die Entscheidgebühr von Fr. 600.wird dem Gesuchsgegner auferlegt. Sie wird von der Gesuchstellerin bezogen, ist ihr aber vom Gesuchsgegner im Umfang von Fr. 400.zu ersetzen.
Der Antrag der Gesuchstellerin auf Parteientschädigung wird abgewiesen. 6./7. Mitteilungen / Rechtsmittelbelehrung
Die Eröffnung dieses Entscheids an den Mieter erfolgte im kantonalen Amtsblatt (vgl. act. 16 und act. 30/2). Der Mieter erhob gegen den Entscheid Beschwerde. Er stellt folgende Anträge (act. 22 S. 2 = act. 28 S. 2):
1. Der angefochtene Entscheid sei aufzuheben bzw. als Nichtig zu erklären,
Es sei Festzustellen dass der Vergleich gestützt auf Art. 23-24 OR, (ev.
Art. 274 OR) wegen Willensmängel unverbindlich ist,
Die Vollstreckung der Wohnungsausweisung per 5. Februar 2019. sei mittels super provisorischer Verfügung unter Tel. Mitteilung an das Stadtammanund Betreibungsamt Zürich 11 (044 412 05 34) bis zu einem Entscheid aufzuschieben,
Alles unter Kosten und Entschädigungen zulasten der Gesuchstellerin
Der Vorsitzende der Kammer verweigerte der Beschwerde mit Verfügung vom 1. Februar 2019 die aufschiebende Wirkung (vgl. act. 26). Die Akten des erstinstanzlichen Verfahrens wurden beigezogen (vgl. act. 1-19). Von der Einho-
lung eines Kostenvorschusses sowie einer Beschwerdeantwort wurde abgesehen. Das Verfahren ist spruchreif.
2. Mit der Beschwerde kann die unrichtige Rechtsanwendung und die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 320 ZPO). Neue Anträge, neue Tatsachen und neue Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (Art. 326 ZPO).
3.
Der Mieter macht zunächst geltend, er habe die Verfügung, mit welcher ihm Frist zur Stellungnahme zum Ausweisungsgesuch der Vermieterin angesetzt worden sei, nicht erhalten (vgl. act. 25).
Das Gericht hat Vorladungen und Entscheide sowie Eingaben der Gegenpartei den betroffenen Personen zuzustellen (Art. 136 ZPO). Die Zustellung erfolgt durch eingeschriebene Postsendung auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung (vgl. Art. 138 Abs. 1 ZPO). Im Kanton Zürich fallen nebst der eingeschriebenen Postsendung insbesondere die Zustellung durch Angehörige des Gerichts, den Gemeindeammann die Polizei in Betracht (§ 121
Abs. 1 GOG). Die Zivilprozessordnung sieht in Art. 141 Abs. 1 auch die Zustellung durch Publikation im kantonalen Amtsblatt im Schweizerischen Handelsamtsblatt vor, nämlich dann, wenn der Aufenthaltsort der Adressatin des Adressaten unbekannt ist und trotz zumutbarer Nachforschungen nicht ermittelt werden kann (lit. a), wenn eine Zustellung unmöglich mit ausserordentlichen Umtrieben verbunden wäre (lit. b) wenn eine Partei mit (Wohn-)Sitz im Ausland entgegen der Anweisung des Gerichts kein Zustellungsdomizil in der Schweiz bezeichnet hat (lit. c). Die Zustellung gilt am Tag der Publikation als erfolgt (vgl. Art. 141 Abs. 2 ZPO). Vorliegend interessiert vor allem die Anwendbarkeit von Art. 141 Abs. 1 lit. b ZPO. Von einer Unmöglichkeit darf in der Regel erst ausgegangen werden, wenn entsprechende Versuche des Gerichts tatsächlich gescheitert sind, beispielsweise wenn der Zustellungsempfänger weder die eingeschriebene Postsendung abholt noch zuhause persönlich angetroffen werden kann (vgl. KUKO ZPO-WEBER, 2. A., Art. 141 N 2, LUKAS HUBER, DIKE-Komm
ZPO, 2. A., Art. 141 N 19.; BSK ZPO-GSCHWEND, 3. A., Art. 141 N 3). Bei bekann-
ter Adresse braucht es drei formelle Versuche auf zwei verschiedenen Wegen damit von einer Unmöglichkeit der Zustellung ausgegangen werden darf. Ist die Adresse nicht (mehr) bekannt, müssen die möglichen und zumutbaren Bemühungen zum Ermitteln einer Adresse ausgeschöpft worden sein. Bei einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen kommt etwa die Zustellung an ein Organ in Frage (vgl. OGer ZH PS190014 vom 11. Februar 2019 E. 2.2., OGer ZH LF160059 vom 22. Dezember 2016 E. 5. mit Hinweis auf OGer ZH PF150044 vom 2. September 2015 E. 3.3. und OGer ZH PS140173 vom 25. Juli 2014
E. 2.2.). Auch die Unzumutbarkeit der ordentlichen Zustellung, also wenn diese mit ausserordentlichen zeitlichen, personellen finanziellen Umständen verbunden wäre, muss sich konkret abzeichnen. Immerhin darf sich das Gericht in beiden Fällen auf allgemeinoder gerichtsnotorische Tatsachen stützen (vgl. OGer ZH PF150044 vom 2. September 2015 E. 3.3. m.w.H.).
Aus den beigezogenen erstinstanzlichen Akten ist ersichtlich, dass die Verfügung vom 17. Oktober 2018 dem Mieter an die Adresse B. -str. ... / BK ... in C. gesandt wurde. Diese Adresse gab der Mieter auch in seiner Eingabe ans Obergericht als Absender an. Die Verfügung kam jedoch mit dem Vermerk nicht abgeholt zurück (vgl. act. 7 und act. 22). Daraufhin folgten vier Zustellversuche per Stadtammannamt. Obwohl jeweils Abholungsaufforderungen hinterlassen wurden, wurde die Sendung nicht abgeholt (vgl. act. 8 und act. 9). Vor diesem Hintergrund ist die in Anwendung von Art. 141 Abs. 1 lit. b ZPO erfolgte Publikation der erwähnten Verfügung nicht zu beanstanden. Die rechtmässig angeordnete Bekanntmachung vermochte damit die Fiktion des Erhalts der Verfügung herbeizuführen (vgl. BK ZPO-FREI, Art. 141 N 2; BSK ZPO-GSCHWEND, Art. 141 N 9).
Die Beschwerde ist daher in diesem Punkt abzuweisen. 4.
In seiner Beschwerde bringt der Mieter vor, der angefochtene Entscheid sei nichtig und der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich vom
20. September 2019 (recte: 2017) unwirksam (vgl. act. 22 S. 2 ff. Ziff. 1-6).
Im Beschwerdeverfahren sind wie bereits gesagt - neue Anträge, neue Tatsachen und neue Beweismittel ausgeschlossen (Art. 326 ZPO). Dies gilt auch für die Partei wie hier den Mieter -, die im erstinstanzlichen Verfahren säumig geblieben ist. Die Vorbringen des Mieters sind daher neu und im Beschwerdeverfahren unbeachtlich. Auf die Beschwerde ist in diesem Umfang nicht einzutreten.
Der Beschwerde wäre im Übrigen auch dann kein Erfolg beschieden, wenn über die Verspätung seiner Vorbringen hinweggesehen und diese trotzdem berücksichtigt würden, und zwar aus den folgenden Gründen:
Der Mieter bezeichnet den angefochtenen Entscheid als nichtig (vgl. act. 22
S. 2 Ziff. 2). In der Regel sind fehlerhafte Entscheide nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. Nichtigkeit eines Entscheides tritt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein, wenn der dem Entscheid anhaftende Mangel besonders schwer wiegt, er offensichtlich zumindest leicht erkennbar ist und wenn die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Als Nichtigkeitsgründe fallen unter anderem funktionelle und sachliche Unzuständigkeit der entscheidenden Behörde sowie krasse Verfahrensfehler in Betracht. Inhaltliche Mängel einer Verfügung eines Entscheides führen nur ausnahmsweise zur Nichtigkeit (vgl. etwa BGE 138 II 501 E. 3.1. m.w.H.). Inwiefern der angefochtene Entscheid nichtig sein soll, legt der Mieter in seiner Beschwerde weder dar noch ist dies ersichtlich.
Den anlässlich der Schlichtungsverhandlung geschlossenen Vergleich vom
20. September 2017 erachtet der Mieter als unwirksam. Er bringt vor, er habe den Vergleich nur unterzeichnet, weil ihm die Vermieterin einen neuen Mietvertrag in Aussicht gestellt habe, sobald alle Mietzinse von ihm bezahlt seien. Obwohl dies der Fall sei, habe ihm die Vermieterin keinen neuen Vertrag unterbreitet (vgl.
act. 2 S. 3 Ziff. 2). Ausserdem habe sich die Kündigungsandrohung auf die AprilMiete bezogen, die das Sozialamt zwischenzeitlich bezahlt habe, und nicht auf die Miete für den September 2017, wie die Vermieterin an der Schlichtungsverhandlung vorgebracht hatte (vgl. act. 22 S. 4 Ziff. 4). Damit macht der Mieter sinngemäss geltend, seine Parteierklärung sei wegen einer mangelhaften Willensbildung zivilrechtlich unwirksam. Für die Behandlung einer Revision eines vor Schlichtungsbehörde abgeschlossenen Vergleichs ist nicht die Kammer, sondern die Schlichtungsbehörde zuständig (vgl. Art. 328 ZPO), die ein entsprechendes Gesuch mit Beschluss vom 1. Februar 2018 abgewiesen hat (vgl. act. 2/9). Weiterungen erübrigen sich damit.
5. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens wird der Mieter kostenund entschädigungspflichtig (vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidgebühr ist auf Fr. 400.festzusetzen. Entschädigungen sind keine zuzusprechen. Dem Mieter nicht, weil er unterliegt, der Vermieterin nicht, weil ihr keine entschädigungspflichtigen Umtriebe entstanden sind.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 400.festgesetzt.
Die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Beschwerdegegnerin unter Beilage einer Kopie bzw. eines Doppels von act. 22 und act. 28 je samt Beilagenverzeichnis und einer Kopie von act. 25, sowie an die Vorinstanz und an die Obergerichtskasse, je gegen Empfangsschein.
Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine mietrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 6'009.00.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. O. Canal versandt am:
15. Februar 2019
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