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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:PD210011
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid PD210011 vom 03.05.2022 (ZH)
Datum:03.05.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Forderung
Schlagwörter : Berufung; Berufungs; Berufungsklägerin; Klagte; Recht; Beschwerde; Berufungsbeklagte; Vorinstanz; Klagten; Klage; Unentgeltliche; Pflege; Rechtspflege; Widerklage; Verfahren; Forderung; Hauptklage; Streit; Fungsbeklagten; Entscheid; Berufungsbeklagten; Unentgeltlichen; Partei; Forderungen; Beklagten; Vorinstanzlich; Zehntel; Beschwerdeführerin; Beschluss; Rechtsbegehren
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 119 ZPO ; Art. 123 ZPO ; Art. 243 ZPO ; Art. 257e OR ; Art. 317 ZPO ; Art. 481 OR ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:127 III 273; 137 III 470; 137 III 617; 142 III 210; 143 III 42; 143 III 506;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: PD210011-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. A. Strähl und Ersatzrichter lic. iur. T. Engler so- wie Gerichtsschreiber lic. iur. M. Häfeli

Urteil vom 3. Mai 2022

in Sachen

  1. ,

    Beklagte, Beschwerdeführerin und Berufungsklägerin

    gegen

  2. ,

Kläger, Beschwerdegegner und Berufungsbeklagter vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X. ,

betreffend Forderung

Berufung und Beschwerde gegen einen Entscheid des Einzelgerichtes des Miet- gerichtes Zürich vom 11. Mai 2021 (MJ200053)

Erwägungen:

  1. Sachverhaltsübersicht und Prozessgeschichte

    1. Die Beklagte, Beschwerdeführerin und Berufungsklägerin (nachfolgend: Berufungsklägerin) untervermietete ab dem 15. Dezember 2018 zwei Zimmer an der C. -strasse ... in … Zürich an den Kläger, Beschwerdegegner und Beru- fungsbeklagten (nachfolgend: Berufungsbeklagter; vgl. act. 3/3).

      Die Berufungsklägerin sprach mit Schreiben vom 7. März 2020 und Formular vom

      28. März 2020 eine ausserordentliche Kündigung per Ende April 2020 aus (vgl. act. 3/5–6). Nachdem der Berufungsbeklagte zunächst auf Ungültigkeit der aus- serordentlichen Kündigung bestanden hatte, teilte er der Berufungsklägerin schliesslich mit, dass er die Kündigung annehme und das Mietobjekt per 5. Mai 2020 verlassen werde (vgl. act. 3/9). Die Räumung erfolgte am 25. April 2021 und am 27. April 2021 retournierte der Berufungsbeklagte die Schlüssel postalisch (vgl. Prot. Vi S. 7).

      Der Berufungsbeklagte verlangt Rückzahlung seines Mietzinsdepots, welches von der Berufungsklägerin nicht ordnungsgemäss hinterlegt worden sei.

    2. Nachdem ihm mit Beschluss vom 22. Juli 2020 (act. 6/12) die Klagebewilli- gung erteilt worden war, reichte der Berufungsbeklagte mit Eingabe vom 7. Sep- tember 2020 (act. 1) Klage am Einzelgericht des Mietgerichts des Bezirks Zürich (nachfolgend: Vorinstanz) mit folgendem Rechtsbegehren ein:

      1. Die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger CHF 2'600.00 nebst Zins zu 5% seit dem 4. Juni 2020 zu bezahlen.

  2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich Mehrwert- steuer zulasten der Beklagten.

Nach Einholung eines Kostenvorschusses mit Verfügung vom 21. September 2021 – gegen welche die Berufungsklägerin Beschwerde erhob, auf welche nicht eingetreten wurde – lud die Vorinstanz zur Hauptverhandlung vor (vgl. act. 7, act. 10–12, act. 14 und act. 21). Unaufgefordert erstattete die Berufungsklägerin

eine Eingabe vom 5. Dezember 2020 (act. 15), welche eigene Anträge zur Sache (und damit eine allfällige Widerklage) und ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege enthielt. Am 17. März 2021 wurde die Hauptverhandlung durchgeführt, nachdem der Berufungsbeklagte gewisse Unterlagen vorab einge- reicht hatte (act. 23–25). Die Vorinstanz führte die Hauptverhandlung im heute zu beurteilenden Verfahren mit Einverständnis der Parteien zusammen mit jener des Verfahrens MJ210007-L (durch die Kammer behandelt im Verfahren Geschäfts- Nr. NG210011-O) durch, sah indessen von einer Vereinigung der Klagen ab (vgl. Prot. Vi S. 5). Mit Verfügung und Urteil vom 11. Mai 2021 (act. 31 = act. 35 [Ak- tenexemplar] = act. 37) hiess die Vorinstanz die Klage vollumfänglich gut und wies das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab. Zur erwähnten (allfälligen) Widerklage der Berufungsklägerin erwog die Vorinstanz, es sei darauf nicht einzu- treten (act. 35 S. 8).

    1. Hiergegen erhob die Berufungsklägerin mit Eingabe vom 2. Juni 2021 rechtzeitig das von der Vorinstanz angegebene Rechtsmittel der Beschwerde (act. 36). Im Beschluss vom 26. August 2021 (act. 41) wurde darauf hingewiesen, dass diese Belehrung in Bezug auf das Urteil der Vorinstanz unzutreffend gewe- sen sei, da die Widerklage zu einem berufungsfähigen Gesamtstreitwert führe. In- folgedessen wurde das Rechtsmittel als Berufung und Beschwerde (letzteres be- treffend die von der Vorinstanz für ihr Verfahren verweigerte unentgeltliche Rechtspflege) entgegen genommen.

    2. Mit gleichem Beschluss wurde das Gesuch der Berufungsklägerin um un- entgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren betreffend die Widerklage zufolge Aussichtslosigkeit abgewiesen. Der Berufungsklägerin wurde Frist ange- setzt, um einen Kostenvorschuss für diesen Teil des Berufungsverfahrens zu leis- ten. Zudem wurde Sie aufgefordert, ihre Mittellosigkeit im Rahmen ihres Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren betreffend die Haupt- klage und das Beschwerdeverfahren ausreichend zu dokumentieren.

    3. Nachdem auch innert Nachfrist kein Kostenvorschuss für die Berufung be- treffend die Widerklage eingegangen war und die Berufungsklägerin für die Beru- fung betreffend die Hauptklage fristgereicht weitere Unterlagen zu ihrer Mittello- sigkeit eingereicht hatte, trat die Kammer auf die Berufung betreffend die Wider- klage mit Beschluss vom 25. November 2021 (act. 43, act. 45 und act. 48) nicht

      ein. Im gleichen Zuge wurde der Berufungsklägerin die unentgeltliche Rechtspfle- ge im Beschwerdeverfahren und im Berufungsverfahren betreffend die Hauptkla- ge bewilligt. Zudem wurde dem Berufungsbeklagten Frist zur Beantwortung der Berufung betreffend die Hauptklage angesetzt. Die Berufungsantwort datiert vom

      20. Dezember 2021 (act. 50). Sie wurde der Berufungsklägerin mit Verfügung vom 19. Januar 2022 (act. 51) zur Kenntnis gebracht.

    4. Die Akten der Vorinstanz wurden beigezogen (act. 1–33). Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

  1. Prozessuale Vorbemerkungen

    1. Die Berufung oder Beschwerde führende Partei trifft eine sog. Begrün- dungslast. Es wird verlangt, dass sie der Rechtsmittelinstanz im Einzelnen dar- legt, aus welchen Gründen der angefochtene vorinstanzliche Entscheid falsch ist und abgeändert werden soll (vgl. OGer ZH, LC210024 vom 20. September 2021,

      E. 2.3). Des Weiteren sind im Berufungs- oder Beschwerdeverfahren konkrete Anträge darüber zu stellen wie die Berufungs- oder Beschwerdeinstanz entschei- den soll (vgl. REETZ/THEILER, ZK ZPO, 3. Aufl., Zürich 2016, Art. 311 N 34 f.). Es genügt eine Formulierung, aus der nach Treu und Glauben hervorgeht, wie die Berufungs- oder Beschwerdeinstanz entscheiden soll (vgl. hierzu BGE 137 III 617 E. 4.2.2; BGer, 4A_383/2013 vom 2. Dezember 2013, E. 3.2.1; OGer ZH, PD200013 vom 1. Februar 2021, E. II.3).

    2. Die Berufungsklägerin stellt der Kammer insgesamt in dreizehn Ziffern Be- rufungs- und Beschwerdeanträge, welche sich über drei Seiten erstrecken (vgl. act. 36 S. 3 ff. Rechtsbegehren) und teilweise wiederum mehrere Unteranträge enthalten. Zum Teil handelt es sich dabei – entgegen ihrer Bezeichnung – um ei- nen Teil der Berufungs- bzw. Beschwerdebegründung, finden sich darin doch be- reits mannigfaltige Sach- und vereinzelte Rechtsvorbringen. Auch die zahlreichen Feststellungen, um welche die Berufungsklägerin ersucht (vgl. Ziff. 1, Ziff. 3–8 und Ziff. 11), sind so zu verstehen, zumal es wenig plausibel ist, dass damit Fest- stellungsbegehren im juristischen Sinne gemeint sind. Daneben ist bei den sich

      inhaltlich überschneidenden Anträgen teilweise nicht ohne Weiteres klar, wie sie sich zu einander verhalten.

    3. Auch wenn die Anträge der Berufungsklägerin mithin nicht einfach ver- ständlich und durchaus interpretationswürdig sind, erschliesst sich in einer Ge- samtschau gleichwohl mit hinreichender Klarheit, worum es der Berufungsklägerin mit ihrem Rechtsmittel geht. In erster Linie verlangt sie einen Nichteintretensent- scheid wegen sachlicher Unzuständigkeit der Vorinstanz (vgl. act. 36 S. 3, Rechtsbegehren Ziff. 1). In zweiter Linie soll der angefochtene Entscheid in der Sache vollumfänglich aufgehoben werden und die Hauptklage unter Kostenfolge zu Lasten des Berufungsbeklagten abgewiesen werden (vgl. act. 36 S. 5, Rechts- begehren Ziff. 8–10). Da auf die Berufung, soweit sie sich auf eine allfällig erho- bene Widerklage der Berufungsklägerin bezieht, mit Beschluss vom 25. Novem- ber 2021 (act. 48) nicht eingetreten wurde, ist auf die in diesem Zusammenhang gestellten Berufungsanträge sowie auf die dahingehenden Beanstandungen der Berufungsklägerin nur soweit einzugehen, als es für die Beurteilung der Berufung zur Hauptklage notwendig ist. Schliesslich soll über ihr abgewiesenes Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege beschwerdeweise neu in ihrem Sinne entschieden und die vorinstanzliche Kosten- und Entschädigungsregelung neu vorgenommen werden (vgl. act. 36 S. 5, Rechtsbegehren Ziff. 9, 10 und 13).

  2. Entscheid der Vorinstanz und Beanstandungen der Berufungsklägerin

    1. Die Vorinstanz liess offen, ob die von der Berufungsklägerin in ihrer unauf- geforderten Eingabe vom 5. Dezember 2020 (act. 15) enthaltene Widerklage rechtsgültig erhoben wurde. Es sei nämlich von einer Sperrwirkung gemäss Art. 59 Abs. 2 lit. d ZPO der von der Berufungsklägerin vorgängig anhängig gemach- ten Klage – diese wurde vorinstanzlich unter den Geschäfts-Nrn. MJ200055-L und MJ210007-L am Register geführt – mit einem identischem Streitgegenstand aus- zugehen. Auf die Widerklage könne daher nicht eingetreten werden (act. 35 E. II./2).

    2. Der Nichteintretensentscheid der Vorinstanz hat wegen des von der Kam- mer beschlossenen Nichteintretens auf die hiergegen geführte Berufung Bestand.

      Dem Standpunkt der Berufungsklägerin, die Vorinstanz sei zufolge des Streitwerts der (allfälligen) Widerklage für die Behandlung der Klage sachlich nicht zuständig gewesen, womit mutmasslich auf die einzelrichterliche Streitwertgrenze von

      Fr. 30'000.– gemäss Art. 243 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 GOG Bezug genommen wird, ist damit der Boden entzogen. Ohnehin ist darauf hinzuweisen, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im vereinfachten Verfahren eine Wider- klage mit einem Fr. 30'000.– übersteigenden Streitwert – vorbehältlich negativer Feststellungswiderklagen – nicht zulässig ist (vgl. BGE 143 III 506 E. 3.2.4). So oder anders ist von der sachlichen Zuständigkeit der Vorinstanz auszugehen und der sinngemässe Berufungshauptantrag abzuweisen.

    3. Die Vorinstanz hielt in tatsächlicher Hinsicht fest, der Berufungsbeklagte habe der Berufungsklägerin unbestrittenermassen am 12. Dezember 2018 einen Betrag von Fr. 2'600.– persönlich als Sicherheit bzw. Mietdepot geleistet. Zu einer ordnungsgemässen Hinterlegung bei einer Bank im Sinne von Art. 257e OR sei es in der Folge nicht gekommen. Eine Rückzahlung des Betrages sei noch nicht erfolgt. Die Berufungsklägerin habe mehrfach erklärt, sie verrechne die Sicher- heitsleistung mit eigenen Ansprüchen (act. 35 E. IV./1.1.2).

      Unter Verweis auf die herrschende Lehre und Rechtsprechung legte die Vor- instanz sodann zutreffend dar, dass bei einer Verletzung von Art. 257e OR durch Belassung der geleisteten Kaution im Vermögen der Vermieterin das Recht des ir- regulären Hinterlegungsvertrags (Art. 481 OR) zur Anwendung gelangt. Folge da- von ist, dass die Vermieterin ihre Verpflichtung zur Rückzahlung des hinterlegten Betrages gemäss Art. 125 Ziff. 1 OR wider den Willen des Gläubigers nicht durch Verrechnung tilgen kann (vgl. BGE 127 III 273 E. 3b; OGer BE, 10 541 vom

      27. Juni 2011, E. V.2; ZK-HIGI/BÜHLMANN, 5. Aufl., Zürich 2019, Art. 257e N 33;

      REUDT, SVIT Kommentar Mietrecht , 4. Aufl., Zürich 2018, Art. 257e N 14; CHK- HULLIGER/HEINRICH, 3. Aufl., Zürich 2016, Art. 257e N 5; MPra-WYTTENBACH,

      9. Aufl., Zürich 2016, N 15/2.2.5; a.M. wohl BK-GIGER, Bern 2015, Art. 257e N 42;

      vgl. act. 35 E. IV./1.2.1)

      Die von der Berufungsklägerin angestrebte Verrechnung der Sicherheitsleistung des Berufungsbeklagten mit ihren angeblichen Forderungen sei daher nicht zu-

      lässig. Letzterer habe einen Anspruch auf die Herausgabe der gesamten geleiste- ten Sicherheit von Fr. 2'600.–. Seit der Rechtshängigkeit der Klage per 4. Juni 2020 befinde sich die Berufungsklägerin in Verzug, weswegen sie ab diesem Zeitpunkt einen Verzugszins von 5 % schulde. Die Klage sei daher vollumfänglich gutzuheissen (vgl. act. 35 E. IV./1.2.2 und E. 2).

    4. Die Berufungsklägerin führt berufungshalber ins Feld, der Berufungsbe- klagte habe seine Sicherheit in einem Schreiben vom 30. März 2020 (act. 18/3) bereits mit anderen Forderungen verrechnet (vgl. act. 36 S. 3, 7, und 9). Diesen Einwand hat sie bereits vorinstanzlich erhoben (vgl. act. 27 S. 9).

    5. Der Berufungsbeklagte anerkennt in seiner Berufungsantwort vom 20. De- zember 2021, dass sich durch die Verrechnungserklärung seine Forderung auf Rückerstattung des Depots um Fr. 1'515.30 auf Fr. 1'084.70 reduziert hat

      (act. 50 Ziff. 2). Er habe jedoch wegen der angeblich wider besseres Wissen er- wirkten Wegweisungsverfügung vom 17. April 2020 gemäss dem Gewaltschutz- gesetz anlässlich der Hauptverhandlung vom 17. März 2021 einen Betrag von

      Fr. 1'720.– gefordert. Dies habe er bzw. seine Rechtsvertreterin fälschlicherweise als Verrechnung mit Forderungen der Berufungsklägerin bezeichnet (act. 50

      Ziff. 4 mit Verweis auf Prot. Vi S. 19). Da die Wegweisung erwiesenermassen zu Unrecht erfolgt sei, habe er die Hälfte der Miete für den April 2020 in der Höhe von Fr. 650.– zurückverlangt, da er ab dem 17. April 2020 nicht mehr über das Mietobjekt habe verfügen können. Weiter habe er Ersatz der durch den vorgezo- genen Umzug erwachsenen Transportkosten von Fr. 1'070.– verlangt. Diese Kos- ten wären ohne die Wegweisung nicht angefallen. Die Klage des Berufungsbe- klagten sei daher im vollen Umfang gutzuheissen, wenn auch mit einer anderen Begründung als derjenigen der Vorinstanz (act. 50 Ziff. 4 f.).

    6. Der Berufungsbeklagte verkennt, dass die von ihm im Berufungsverfahren vorgebrachten Forderungen, mit welchen er den durch Verrechnung untergegan- genen Teil des von ihm eingeklagten Betrages zu ersetzen sucht, nicht Teil des eingeklagten Streitgegenstandes bilden.

      Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung beurteilt sich die Identität von Streitgegenständen im Kontext einer Klageänderung nach den prozessualen An- sprüchen gemäss den Klageanträgen und dem behaupteten Lebenssachverhalt, das heisst dem Tatsachenfundament, auf das sich die Klagebegehren stützen (BGer, 5A_390/2017 vom 23. Mai 2018, E. 2.3.1; BGE 142 III 210 E. 2.1; BGE

      139 III 126 E. 3.2.3; KUKO ZPO-SOGO/NAEGELI, 3. Aufl., Basel 2021, Art. 227

      N 4 ff. m.w.H.).

      Anhängig gemacht wurde durch den Berufungsbeklagten eine nicht individuali- sierte Leistungsklage. Der Streitgegenstand ist daher nach dem der Klage zu- grunde liegenden Lebenssachverhalt zu bestimmen. Der Berufungsbeklagte führ- te in seiner Kurzbegründung zur Klage aus, er fordere mit ihr die Rückerstattung des nicht gesetzeskonform hinterlegten Mietzinsdepots (vgl. act. 1). Anlässlich der Hauptverhandlung trug er ausschliesslich hierzu vor (vgl. Prot. Vi S. 5 f. und S. 16 f.). Von den heute geltend gemachten Forderungen war im Rahmen der Begrün- dung seiner (Haupt-)Klage – die Vorinstanz protokollierte seine betreffenden Aus- führungen unter der Überschrift Erstklage – keine Rede. Wohl stellte der Beru- fungsbeklagte im Rahmen seines Vortrages zur Zweitklage (womit das heute nicht im Streit stehende vorinstanzliche Verfahren MJ210007-L, welches von der Berufungsklägerin eingeleitet worden war, gemeint ist) Behauptungen zum Bestand solcher Forderungen auf und stellte sie den von der Berufungsklägerin ein- geklagten Forderungen verrechnungsweise entgegen (vgl. Prot. Vi S. 19). Diese Vorbringen bzw. Forderungen beschlagen aber nicht das heute zu beurteilende Verfahren und bilden daher nicht Teil des Tatsachenfundaments der (Haupt-

      )Klage des Berufungsbeklagten. Beim Streitgegenstand handelt es sich alleine um die vom Berufungsbeklagten geleistete Mietkaution von Fr. 2'600.–.

      Mithin könnten die vom Berufungsbeklagten im Berufungsverfahren vorgebrach- ten Forderungen nur unter den Voraussetzungen einer Klageänderung zum Ge- genstand des vorliegenden Verfahrens gemacht werden. Im Berufungsverfahren ist diesbezüglich Art. 317 Abs. 2 ZPO massgebend. Vorausgesetzt wird, dass die Klageänderung auf zulässigen neuen Beweismitteln beruht. Der Berufungsbeklag- te stützt sich aber für seine (implizite) Klageänderung weder auf echte Noven

      noch wird von ihm detailliert dargelegt, wieso seine Behauptungen als unechte Noven, die er trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz habe vor- bringen können, zu beachten wären (vgl. zur Begründungsobliegenheit bei unech- ten Noven: BGE 143 III 42 E. 4.1). Damit sind die Voraussetzungen für eine Kla- geänderung nicht gegeben.

    7. Infolgedessen bleibt es dabei, dass sich die eingeklagte Forderung auf Rückerstattung der Sicherheit durch Verrechnung auf Fr. 1'084.70 reduziert hat. Die Berufungsklägerin beanstandet nicht, dass die Vorinstanz sie zur Zahlung ei- nes Verzugszinses von 5 % ab dem 4. Juni 2020 verpflichtet hat. Diesbezüglich hat der Entscheid der Vorinstanz Bestand. Die Berufung ist im Umfang des durch die Verrechnung untergegangenen Teilbetrages berechtigt und teilweise gutzu- heissen.

    8. Angefochten ist überdies die der Berufungsklägerin von der Vorinstanz verweigerte Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege (vgl. act. 36 S. 6 oben

      i.V.m. Rechtsbegehren Ziff. 13). Da es sich um ein Laienrechtsmittel handelt, sind die Beanstandungen der Berufungsklägerin in der Sache auch als Rüge, die Vor- instanz habe ihren Standpunkt im Rahmen der Prüfung ihres Anspruches auf un- entgeltliche Rechtspflege zu Unrecht als aussichtslos bezeichnet, zu behandeln.

      Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, war die Bestreitung der Berufungsklägerin hinsichtlich der gegen sie gerichteten Forderung zu einem grösseren Teil berech- tigt. Da innerhalb ein und desselben Rechtsbegehrens – bzw. hier eines Antrages auf Klageabweisung – eine Teilaussichtslosigkeit in der Regel ausscheidet und keine offensichtlich übermässige Bestreitung des eingeklagten Anspruches vor- liegt, ist der vorinstanzliche Schluss auf Aussichtslosigkeit des berufungsklägeri- schen Standpunktes hinsichtlich der Hauptklage nicht haltbar (vgl. hierzu BGE 142 III 138 E. 5.4 ff.; Urteil 4D_102/2011 vom 12. März 2012 E. 6.1).

      Bezüglich der Mittellosigkeit der Berufungsklägerin kann auf den Beschluss der Kammer vom 25. November 2021 (act. 48) verwiesen werden. Die Berufungsklä- ger hat als mittellos zu gelten. Somit ist der Berufungsklägerin in Gutheissung ih- rer Beschwerde auch für das Verfahren der Vorinstanz die unentgeltliche Rechts-

      pflege zu bewilligen. Jedenfalls umfasst dies das Verfahren über die Hauptklage, und nur dafür auferlegte die Vorinstanz Kosten (vgl. act. 37 S. 12). Wie es sich mit den Prozessaussichten hinsichtlich der Widerklage verhielt, kann unter diesen Umständen offen bleiben.

    9. Die Berufungsklägerin ficht die vorinstanzliche Regelung der Prozesskos- ten an. Die Höhe der Entscheidgebühr wird nicht beanstandet und ist daher zu belassen. Entsprechend dem Verfahrensausgang hinsichtlich der Hauptklage hat die Berufungsklägerin hiervon vier Zehntel – welche zufolge der gewährten un- entgeltlichen Rechtspflege einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen sind – und der Berufungsbeklagte sechs Zehntel zu tragen. Parteientschädigungen bzw. Umtriebsentschädigungen sind für das vorinstanzliche Verfahren keine zuzuspre- chen. Dem Berufungsbeklagten nicht, weil er überwiegend unterliegt, der Beru- fungsklägerin nicht, weil sie keine ausserordentlichen Umtriebe dargetan hat oder solche anderweitig ersichtlich wären, welche zu entschädigen wären.

  3. Zweitinstanzliche Kosten- und Entschädigungsfolgen

    1. Den Streitwert der Berufung zur Widerklage bezifferte die Berufungskläge- rin auf gesamthaft Fr. 49'469.05 (vgl. act. 36 S. 8). Die Entscheidgebühr ist nach Massgabe von § 4 Abs. 1 und 2, § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 1 und Abs. 2 GebV OG auf Fr. 800.– zu beziffern. Da hierzu mit Beschluss vom 25. November 2021

      (act. 48) ein Nichteintretensentscheid ergangen ist, wird die Berufungsklägerin diesbezüglich vollumfänglich kostenpflichtig (vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO). Zufolge der gewährten unentgeltlichen Rechtspflege sind diese Kosten einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen.

    2. Der Streitwert der Berufung zur Hauptklage beträgt Fr. 2'600.–. Die Ent- scheidgebühr ist nach Massgabe von § 4 Abs. 1, § 12 Abs. 1 und Abs. 2 GebV OG auf Fr. 500.– zu beziffern. Ausgangsgemäss hat die Berufungsklägerin hier- von vier Zehntel – welche zufolge der gewährten unentgeltlichen Rechtspflege einstweilen auf die Gerichtskasse genommen werden – und der Berufungsbeklag- te sechs Zehntel zu tragen. Parteientschädigungen bzw. Umtriebsentschädigun- gen sind für das zweitinstanzliche Verfahren keine zuzusprechen. Dem Beru-

      fungsbeklagten nicht, weil er überwiegend unterliegt, der Berufungsklägerin nicht, weil sie keine ausserordentlichen Umtriebe dargetan hat oder solche anderweitig ersichtlich wären, welche zu entschädigen wären.

    3. Im Verfahren um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege sind ge- mäss Art. 119 Abs. 6 ZPO keine Gerichtskosten zu erheben. Nach der bundesge- richtlichen Rechtsprechung ist diese Bestimmung auf das kantonale Beschwerde- verfahren nicht anwendbar (BGE 137 III 470 E. 6.5). Da die Berufungsklägerin mit ihrer Beschwerde zu der ihr von der Vorinstanz verweigerten unentgeltlichen Rechtspflege obsiegt, fallen die diesbezüglichen Kosten ausser Ansatz. Eine Um- triebsentschädigung ist mit Verweis auf das soeben Ausgeführte nicht zuzuspre- chen.

Es wird erkannt:

  1. In Gutheissung der Beschwerde der Beklagten, Beschwerdeführerin und Be- rufungsklägerin wird Dispositiv-Ziffer 1 der Verfügung des Einzelgerichts des Mietgerichts des Bezirks Zürich vom 11. Mai 2021 aufgehoben und durch folgende Fassung ersetzt:

  2. In teilweiser Gutheissung der Berufung der Beklagten, Beschwerdeführerin und Berufungsklägerin werden Dispositivziffern 1, 3 und 4 des Urteils des Einzelgerichts des Mietgerichts des Bezirks Zürich vom 11. Mai 2021 aufge- hoben und durch folgende Fassung ersetzt:

  3. Die Kosten werden zu sechs Zehnteln dem Kläger und zu vier Zehnteln der Beklagten auferlegt. Die dem Kläger auferlegten Kosten werden aus seinem Kostenvorschusses von Fr. 560.– bezogen. Im Mehrbetrag

    ist der Kostenvorschuss dem Kläger zu erstatten. Die der Beklagten auferlegten Kosten werden zufolge der ihr gewährten unentgeltlichen Rechtspflege einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Nach- zahlungspflicht im Sinne von Art. 123 ZPO bleibt vorbehalten.

  4. Es werden keine Partei- oder Umtriebsentschädigungen zugespro- chen.

Im Übrigen werden die Berufungsanträge abgewiesen und das Urteil des Einzelgerichts des Mietgerichts des Bezirks Zürich vom 11. Mai 2021 wird bestätigt.

  1. Die Entscheidgebühr für die Berufung zur Hauptklage wird auf Fr. 500.– und jene für die Berufung zur Widerklage auf Fr. 800.– festgelegt.

  2. Die Entscheidgebühr für das Beschwerdeverfahren fällt ausser Ansatz.

  3. Die Gerichtskosten der Berufung zur Hauptklage werden zu sechs Zehnteln dem Kläger, Beschwerdegegner und Berufungsbeklagten und zu vier Zehn- teln der Beklagten, Beschwerdeführerin und Berufungsklägerin auferlegt. Die Gerichtskosten der Berufung zur Widerklage werden vollumfänglich der Beklagten, Beschwerdeführerin und Berufungsklägerin auferlegt. Die der Beklagten, Beschwerdeführerin und Berufungsklägerin auferlegten Kosten werden zufolge der ihr gewährten unentgeltlichen Rechtspflege einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Nachzahlungspflicht im Sinne von Art. 123 ZPO bleibt vorbehalten.

  4. Für das zweitinstanzliche Verfahren werden keine Partei- oder Umtriebsent- schädigungen zugesprochen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie – unter Rücksendung der erst- instanzlichen Akten – an das Einzelgericht des Mietgerichtes Zürich, gegen Empfangsschein.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine mietrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert der Berufung be- treffend die Widerklage beträgt Fr. 49'469.05. Der Streitwert der Berufung betreffend die Hauptklage beträgt Fr. 2'600.–.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Vorsitzende:

lic. iur. E. Lichti Aschwanden

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. M. Häfeli

versandt am:

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