Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PC230041 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 20.02.2024 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Ehescheidung (Sistierung) |
Zusammenfassung : | Die Chambre des recours civile des Kantonsgerichts hat in einem Fall betreffend die Gewährung von Rechtshilfe entschieden. Ein Antragsteller hatte um rechtliche Unterstützung gebeten, was zunächst genehmigt wurde. Die Gegner legten jedoch Einspruch ein, da sie der Meinung waren, dass der Antragsteller nicht bedürftig sei. Der Fall wurde vor das Bundesgericht gebracht, das entschied, dass die Gewährung von Rechtshilfe nicht gerechtfertigt war. Die Chambre des recours civile des Kantonsgerichts wurde angewiesen, den Fall erneut zu prüfen. Die Kosten des Verfahrens wurden den unterlegenen Parteien auferlegt. |
Schlagwörter : | Scheidung; Verfahren; Beschwerdegegner; Eheschutz; Sistierung; Scheidungsverfahren; Vorinstanz; Recht; Verfahrens; Parteien; Eingabe; Entscheid; Verfügung; Abänderung; Scheidungsverfahrens; Interesse; Einigung; Urteil; Bezirksgericht; Eheschutzurteil; Unterhalt; Massnahmen; Scheidungsurteil; Geburt; Scheidungspunkt; Ehegatten; Streit |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ; Art. 114 ZGB ; Art. 124 ZPO ; Art. 125 ZGB ; Art. 126 ZPO ; Art. 14 BV ; Art. 148 ZGB ; Art. 163 ZGB ; Art. 179 ZGB ; Art. 229 ZPO ; Art. 255 ZGB ; Art. 276 ZPO ; Art. 283 ZPO ; Art. 29 BV ; Art. 291 ZPO ; Art. 292 StGB ; Art. 315 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 326 ZPO ; Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | 143 III 42; 144 III 298; 145 III 169; 147 III 301; 148 III 95; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: PC230041-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichter Dr. M. Sarbach und Oberrichterin lic. iur. A. Strähl sowie Gerichtsschreiberin MLaw S. Ursprung
Urteil vom 20. Februar 2024
in Sachen
,
Klägerin und Beschwerdeführerin
vertreten durch Rechtsanwalt MLaw X. _,
gegen
,
Beklagter und Beschwerdegegner
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y. , betreffend Ehescheidung (Sistierung)
Erwägungen:
Sachverhalt und Prozessgeschichte
Die Parteien sind seit dem tt.mm.2016 verheiratet. Gemeinsame Kinder haben sie keine (act. 5/3). Die Klägerin und Beschwerdeführerin (nachfolgend: Beschwerdeführerin) ersuchte das Bezirksgericht Zürich mit Eingabe vom 19. August 2021 um Erlass von Eheschutzmassnahmen gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (nachfolgend: Beschwerdegegner). Das Bezirksgericht Zürich erliess am 13. Dezember 2021 ein Eheschutzurteil (Verfahren Nr. EE210204), worin es unter anderem den Beschwerdegegner zur Zahlung von UnterhaltsbeitRügen verpflichtete und ihm unter der Strafandrohung von Art. 292 StGB untersagte, für die Dauer des Getrenntlebens mit der Beschwerdeführerin in irgendei- ner Weise (persönlich, telefonisch, schriftlich, elektronisch etc.) Kontakt aufzu- nehmen. Mit Beschluss und Urteil vom 11. Juli 2022 wies das Obergericht die vom Beschwerdegegner dagegen erhobene Berufung vollumfänglich ab (OGer ZH, LE220001 vom 11. Juli 2022, E. I.1 ff.).
Mit Eingabe vom 25. Juli 2023 machte die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 114 ZGB eine Scheidungsklage gegen den Beschwerdegegner anhängig (act. 5/1). Mit Eingabe vom 10. August 2023 (act. 5/5) wies der Beschwerdegeg- ner darauf hin, dass er mit Eingabe vom 21. Juni 2023 beim Familiengericht Muri ein Gesuch um Abänderung des Eheschutzurteils eingereicht habe. Das Bezirksgericht Muri, Familiengericht, zog die Akten der Verfahren EE210204 und LE220001 mit Verfügung vom 17. August 2023 bei (act. 5/9). Mit Verfügung vom
21. August 2023 stellte das Bezirksgericht Zürich, 8. Abteilung (nachfolgend: Vorinstanz), die Akten an das Familiengericht Muri zu und setzte den Parteien eine Frist von 10 Tagen an, um zu einer zufolge sich überschneidenden Streitgegenstands erwogenen Sistierung des Verfahrens Stellung zu nehmen (act. 5/10). Die Beschwerdeführerin lehnte daraufhin mit Eingabe vom 25. August 2023 eine Sistierung ab (act. 5/14), der Beschwerdegegner befürwortete in seiner Eingabe vom
4. September 2023 eine Sistierung (act. 5/15). Die Vorinstanz stellte die jeweiligen Stellungnahmen der Gegenseite zu, woraufhin sich die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 6. September 2023 erneut mit einer Stellungnahme zu den Vorbringen des Beschwerdegegners an die Vorinstanz wandte (act. 5/1619). Die Vorinstanz sistierte das Scheidungsverfahren daraufhin mit Verfügung vom
22. September 2023 (act. 5/20 = act. 3 = act. 4 [Aktenexemplar]).
Mit Eingabe vom 9. Oktober 2023 erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde gegen die vorinstanzliche SistierungsVerfügung und beantragte deren Aufhebung, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (act. 2 S. 2, zur Rechtzeitigkeit act. 5/21/1).
Die vorinstanzlichen Akten wurden durch die Kammer beigezogen
(act. 5/121). Mit Verfügung vom 3. November 2023 wurde dem Beschwerdegeg- ner eine zehntätige Frist angesetzt, um eine Beschwerdeantwort einzureichen (act. 6). Mit Eingabe vom 20. November 2023 reichte der Beschwerdegegner in- nert Frist seine Beschwerdeantwort ein. Er beantragt die Abweisung der Beschwerde (act. 8). Mit Verfügung vom 30. November 2023 (act. 10) wurde die Eingabe des Beschwerdegegners der Beschwerdeführerin mit dem Hinweis zugestellt, dass das Verfahren in die Beratungsphase übergehe.
Prozessuales
Der angefochtene Sistierungsentscheid fällt unter die Kategorie der prozessleitenden Verfügungen. Die Anordnung der Sistierung durch die Vorinstanz ist unabhängig vom Streitwert und ohne Weiteres (ohne dass es eines nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils bedürfte) mit Beschwerde anfechtbar (Art. 319 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 126 Abs. 2 ZPO). Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach den Art. 319 ff. ZPO. Die Beschwerde ist innert zehn Tagen seit der Zustellung des begründeten Entscheids schriftlich und begründet einzureichen (Art. 321 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO). Diese von Amtes wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzungen (Art. 59 f. ZPO) sind hier erfüllt und geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass.
Mit der Beschwerde können die unrichtige Rechtsanwendung und die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden. Offensichtlich unrichtig ist die Feststellung des Sachverhalts nur dann, wenn sie
schlechthin unhaltbar, also willkürlich ist (CHK ZPO-SUTTER-SOMM/SEILER, Zürich 2021, Art. 320 N 8). Neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (Art. 326 Abs. 1 ZPO). Dieses Novenverbot ist umfassend und gilt sowohl für echte als auch für unechte Noven (ZK ZPO-FREIBURGHAUS/AFHELDT, 3. Aufl. 2016, Art. 326 N 4; BSK ZPO-
SP?HLER, 3. Aufl. 2017, Art. 326 N 1).
Zur Beschwerde im Einzelnen
Die Verfahrenssistierung gestützt auf Art. 126 Abs. 1 ZPO liegt im Ermessen des entscheidenden bzw. prozessleitenden Gerichts. Sie ist indes nur gerechtfertigt, wenn sie (im konkreten Fall) zweckmässig ist. Aus dem Beschleunigungsgebot (Art. 29 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 124 Abs. 1 ZPO) ergibt sich, dass ein einmal eingeleitetes Verfahren ohne Verzögerung bzw. zügig durchzuführen ist. Dem widerspricht grundsätzlich die Sistierung des Verfahrens. Sie setzt deshalb einen triftigen, objektiven Grund voraus, der die Fortsetzung des Verfahrens (faktisch) verunmöglicht unzweckmässig macht. Insofern ist die Sistierung nur ausnahmsweise zulässig, im Zweifel ist von ihr abzusehen. Bei der ZweckmässigkeitsPrüfung miteinzubeziehen ist der Charakter des zu sistierenden Verfahrens, wobei dieser aber nicht alleine ausschlaggebend sein darf. Es ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, in erster Linie ist das Interesse an der Sistierung dem gegenteiligen Interesse an der Beschleunigung des Verfahrens resp. der befürderlichen Prozesserledigung gegenüberzustellen (vgl. ZK ZPO- STAEHELIN, 3. Aufl. 2016, Art. 126 N 3 f.; DIKE-Komm ZPO-KAUFMANN, 2. Aufl.
2016, Art. 126 N 8 f. und 17; BSK ZPO-GSCHWEND, 3. Aufl. 2017, Art. 126 N 2; BK
ZPO-FREI, Bern 2012, Art. 126 N 1).
Die Vorinstanz stätzt sich unter Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zunächst darauf, dass sich die im Rahmen eines Scheidungsverfahrens ergebenden Fragestellungen mit denjenigen in einem Eheschutzverfahren bzw. eheschutzgerichtlichen Abänderungsverfahren (trotz des numerus clausus möglicher Massnahmen) überschneiden könnten; vorliegend insbesondere betreffend den nachehelichen Unterhalt und den Ehegattenunterhalt. So seien Nämlich nach konstanter Rechtsprechung bereits im ehelichen Verhältnis die Grundsätze
des nachehelichen Unterhalts, bspw. hinsichtlich der Ausschäpfung der Eigenversorgungskapazität mit etwaiger übergangsfrist, zu berücksichtigen und dies gelte umso mehr, wenn wie vorliegend bereits ein Scheidungsverfahren hängig gemacht worden sei. Bereits dies berge die Gefahr sich widersprechender Entscheide, weshalb das Verfahren zu sistieren sei (act. 4 E. 4.). Der Beschwerdegegner schliesst sich dieser Ansicht an (act. 8 S. 7 f.).
Die Beschwerdeführerin hält dem mit Verweis auf BGE 145 III 169 E. 3.6 entgegen, der nacheheliche Unterhalt sei nach der Scheidung zu leisten, der Ehegattenunterhalt vor der Scheidung. Grundlage des nachehelichen Unterhalts bilde Art. 125 ZGB, jene des Ehegattenunterhalts ausschliesslich auch nach Einleitung des Scheidungsverfahrens Art. 163 ZGB.
Das Scheidungsverfahren sei im ordentlichen Verfahren, das Eheschutzverfahren im summarischen Verfahren durchzuführen, mit entsprechenden Unterschieden betreffend etwa die Prozessmaximen respektive die Feststellung des Sachverhalts, die zugelassenen Beweismittel den Verfahrensablauf. Sodann habe ein Entscheid des Eheschutzgerichts keine präjudizierende Wirkung in Bezug auf das Scheidungsurteil, sodass Letzteres nicht vom Ausgang des Abänderungsverfahrens abhängig sei. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, inwiefern es in diesem Zusammenhang von Bedeutung sei, dass das Eheschutzgericht nach neuerer Rechtsprechung auch Tatsachen zu berücksichtigen habe, welche nach Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens eingetreten seien. Der von der Vorinstanz zitierte Bundesgerichtsentscheid klüre die betreffende zuständigkeits- und Kompetenzabgrenzung zwischen Eheschutz- und Scheidungsgericht. Dass diese Grundsätze eine Sistierung des Scheidungsverfahrens rechtfertigten, lasse sich dem Entscheid in keiner Weise entnehmen. Im Gegenteil seien die Abgrenzungen gerade auch deshalb vorzunehmen, weil grundsätzlich beide Verfahren gleichzeitig durchgefährt würden (act. 2 Rz. 15 ff.).
Im vorliegend ebenfalls hängigen (Parallel-)Verfahren beim Familiengericht Muri geht es um die Abänderung eines Eheschutzurteils. Anlass für eine Abänderung des Eheschutzurteils sei dies durch das Eheschutzoder durch das Schei- dungsgericht nach Art. 179 Abs. 1 ZGB (gegebenenfalls i.V.m. Art. 276 Abs. 2
ZPO) können nur Tatsachen Beweismittel bilden, die erst eingetreten Verfügbar geworden sind, nachdem sie nicht mehr ins Verfahren auf Erlass der Eheschutzmassnahme eingebracht werden konnten, die während dieses Verfahrens zwar bestanden haben und der sich darauf berufenden Partei bekannt waren, von dieser damals zufolge fehlender Möglichkeit des Beweises aber nicht geltend gemacht worden sind (echte Noven; BGE 143 III 42 E. 5.2; BGE 148 III 95 E. 4.5; BGer, Urteil 5A_874/2019 vom 22. Juni 2020, E. 3.2.). Nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens ist das Scheidungsgericht hierfür zuständig (Art. 276 Abs. 2 Satz 2 ZPO), wobei es gegebenenfalls ein Allfälliges Verfahren betreffend vorsorgliche Massnahmen, jedoch nicht das Hauptverfahren, bis zum rechtsKräftigen Abänderungsentscheid des Eheschutzgerichts zu sistieren hat. Zudem wäre eine Sistierung eines Massnahmenverfahrens jedenfalls dann nicht angezeigt, wenn ohnehin offensichtlich sein dürfte, dass sich die Verhältnisse seit Anhebung des ?nderungsverfahren erneut erheblich geändert haben (vgl. zum Vorgehen bei einem Kompetenzkonflikt zwischen vorsorglichen Massnahmen im Scheidungsverfahren und einem Abänderungsverfahren im Eheschutz ausführlich OGer ZH, LY190045 vom 15. Juli 2020, E. II.3. ff.; PC210008 vom 12. Juli 2021, E. 3.3).
Vorliegend wurden jedoch keine vorsorglichen Massnahmen gestützt auf Art. 276 ZPO beantragt, weshalb es mangels Kompetenzkonflikt auch keiner Sistierung eines Massnahmenverfahrens bedarf. Die Beschwerdeführerin erwartete im Zeitpunkt der Einreichung der Scheidungsklage offenbar von einem anderen Mann ein Kind, wovon auch vorliegend auszugehen ist, hat der Beschwerdegeg- ner dies doch in seiner Eingabe vor der Vorinstanz nicht bestritten (act. 5/15). Mit Geburt dieses Kindes nach Einreichung der Scheidungsklage dürfte auch eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse eingetroffen sein, welche auch eine Sistierung eines Allfälligen Massnahmenverfahrens obsolet machen würde. Eine Sistierung des Hauptoder eines Allfälligen Massnahmeverfahrens erscheint angesichts dessen nicht zweckmässig.
3.3. Bei der von der Vorinstanz zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGer, Urteil 5A_112/2020 vom 28. März 2022, E. 5.5; BGE 147 III 301 E. 6.2)
geht es sodann um die Zumutbarkeit einer Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Sinne eines hypothetischen Einkommens bzw. der dazu notwendigen übergangsfrist im Rahmen der Zusprechung von nachehelichem Unterhalt in einem Schei- dungsverfahren. Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt wird im vorliegenden Scheidungsverfahren bereits deshalb anders als im Eheschutz zu beurteilen sein, weil die Beschwerdeführerin offenbar ein Kind von einem anderen Mann erwartet, welches erst nach Anhebung des Verfahrens betreffend Abänderung des Eheschutzes in Muri auf die Welt kommen wird (vgl. dazu Ziff. 3.2.4.). Die per se nicht voraussehbare Geburt eines neuen (ausserehelichen) Kindes stellt in der Regel eine wesentliche und dauernde änderung nach Art. 179 Abs. 1 ZGB i.V.m.
Art. 276 Abs. 2 ZPO dar. Ein solches Ereignis kann insbesondere Einfluss auf die Zumutbarkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit haben und überdies Fragen im Hinblick auf die Unterstätzung des Vaters des Kindes gegenüber der Beschwer- deführerin aufwerfen. Damit haben sich die Verhältnisse seit Ergehen des Eheschutzurteils ohnehin wesentlich geändert, weshalb im Rahmen einer Scheidung nicht mehr auf ein (allenfalls abgeändertes) Eheschutzurteil bzw. die allenfalls dort thematisierte Zumutbarkeit der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit abgestätzt werden kann. Damit erscheint eine Sistierung auch inhaltlich nicht angezeigt.
Die Vorinstanz erwägt weiter, dass das Eheschutzgericht das bei ihm hängige Verfahren ordentlich, d.h. unter BeRücksichtigung sämtlicher nach Art. 229 ZPO (und gegebenenfalls Art. 317 ZPO) massgebenden Tatsachen, zu Ende zu führen habe, wobei unerheblich sei, ob diese Tatsachen vor nach Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens eingetreten seien (vgl. BGE 148 III 95
E. 4.2-4.6). Dass somit bei Weiterführung eines Scheidungsverfahrens während eines laufenden Eheschutzverfahrens bzw. eheschutzgerichtlichen Abänderungsverfahrens (mit den entsprechenden, möglichen Rechtsmittelverfahren) gestützt auf dieselben (zulässigen) Tatsachen sich widersprechende (oder sich gar überholende) Entscheide ergehen könnten, liege auf der Hand (act. 4. E. 4).
Die Beschwerdeführerin führt demgegenüber aus, ein Entscheid des Eheschutzgerichts habe keine präjudizierende Wirkung in Bezug auf das Scheidungsurteil, sodass Letzteres nicht vom Ausgang des Abänderungsverfahrens abhängig sei (act. 2 Rz. 17). Sodann erklärt sie in ihrer Beschwerde, sie habe ein gewichtiges Interesse an einer Scheidung, zumal sie ein Kind von einem anderen Mann erwarte. Die Vorinstanz verunmögliche grundlos, dass die Parteien vor der Geburt des Kindes geschieden werden könnten. Blieben die Parteien bis dahin verheiratet, werde von Gesetzes wegen die Vaterschaft des Beschwerdegegners vermutet, sodass weitere Verfahren für die Aberkennung und Anerkennung erfor- derlich seien. Die gerichtliche Aufgabe, den Parteien zu Rechtsfrieden zu verhelfen, werde damit verfehlt. Die Vorinstanz müsse zunächst im Rahmen der Einigungsverhandlung versuchen, eine vollständige Scheidungsvereinbarung abzuschliessen.
Der Beschwerdegegner schliesst sich der Ansicht der Vorinstanz wiederum an und erklärt, ein gut begründetes Eheschutzurteil habe allemal Einfluss auf ein Scheidungsurteil (act. 8 S. 8). Zudem sei es an der Beschwerdeführerin gewesen, den Beschwerdegegner rechtzeitig über ihre Schwangerschaft zu informieren. Dass die Vaterschaftsvermutung eintrete, habe die Beschwerdeführerin und nicht der Beschwerdegegner zu verantworten. Ein Grund, das Verfahren nicht zu sistieren, könne in einer Schwangerschaft nicht gesehen werden (act. 8 S. 4 ff.).
Der vorstehend aufgefährten Auffassung der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen. Das Scheidungsgericht hat gestützt auf Art. 291 ZPO zwingend eine Ei- nigungsverhandlung durchzuführen, welche bezweckt, den Scheidungsgrund zu klüren und zu versuchen, unter den Parteien eine Einigung über die Scheidung sowie die Regelung der Scheidungsfolgen zu erzielen (Abs. 2). Vorliegend erfolgte die Sistierung des Verfahrens vor Durchführung einer solchen Verhandlung und damit zu einem Zeitpunkt, wo mangels gerichtlichem Einigungsversuch noch gar nicht feststand, ob es überhaupt eines strittigen Scheidungsverfahrens und damit eines Scheidungsurteils bedarf. Auch deshalb erscheint eine Sistierung nicht zweckmässig.
Die Vorinstanz hält fest, in Bezug auf die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Schwangerschaft sei nebst des Grundsatzes der Einheit des Schei- dungsurteils darauf hinzuweisen, dass selbst bei einer Beschränkung des Verfahrens auf den Scheidungspunkt die prozessualen Vorgaben zwingend einzuhalten wären, was bedeute, dass die Scheidung mittels vorliegendem Scheidungsverfahren ohnehin nicht vor dem angegebenen Geburtstermin (Dezember 2023) rechts- Kräftig ausgesprochen werden könnte (act. 3 E. 4).
Der Beschwerdegegner schliesst sich dieser Ansicht an. Teilurteile im Scheidungsverfahren gebe es keine. Angesichts der bekannten Thematiken, welche im Scheidungsverfahren aufgearbeitet werden Müssten, sei ein rechtskröftiges Scheidungsurteil vor Ende 2023 nicht realistisch (act. 8 S. 4 ff.).
Die Beschwerdeführerin wendet ein, im Falle des Scheiterns der Einigungsverhandlung hätte sie Anspruch auf ein Teilurteil. Es dürfe unstrittig sein, dass die Parteien bei Einleitung des Scheidungsverfahrens bereits mehr als zwei Jahre getrennt gelebt hätten. Bei der gegebenen Ausgangslage erscheine ausgeschlossen, dass sich der Beschwerdegegner einer Scheidung beziehungsweise einem Teilurteil widersetzen würde. Zudem lägen gewichtige Interessen an einem solchen vor (act. 2 Rz. 19 f.).
Die Schweizerische Zivilprozessordnung enthält den früher ungeschriebe- nen Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils in Art. 283 Abs. 1 ZPO. Neben der in Abs. 2 dieser Bestimmung als Ausnahme vorgesehenen Möglichkeit der Abtrennung der güterrechtlichen Auseinandersetzung wird dieser Grundsatz durchbrochen durch die Teilrechtskraft, die in einigen Kantonen schon früher bekannt war und im Bund mit der Scheidungsrechtsrevision von 1998 / 2000 in
Art. 148 aZGB eingefährt wurde (vgl. heute Art. 315 Abs. 1 ZPO e contrario). Das Bundesgericht schwächte diesen Grundsatz in einem seither bestätigten Leitentscheid insoweit ab, dass ein Teilentscheid im Scheidungspunkt nicht ausgeschlossen ist, wenn die Ehegatten einem solchen Entscheid zustimmen wenn das Interesse des einen Ehegatten an einem Teilentscheid im Scheidungspunkt das Interesse des anderen Ehegatten an einem gleichzeitigen Entscheid von Scheidung und Scheidungsfolgen überwiegt (BGE 144 III 298 Regeste und
E. 6 f., bestätigt in BGer, Urteile 5A_689/2019 vom 5. März 2020, E 3.1.; 5A_426/2018 vom 15. November 2018, E. 2.3. und 3.4.). Letzteres ist durch eine Interessenabwägung im konkreten Einzelfall zu eruieren (BGer, Urteile
5A_689/2019 vom 5. März 2020, E. 3.1.; 5A_426/2018 vom 15. November 2018,
E. 2.4. ff.). Kriterien sind insbesondere die bisherige Verfahrensdauer, der Wie- derverheiratungswunsch des scheidungswilligen Ehegatten, der auch durch Art. 14 BV geschätzt wird, ein Kind aus einer neuen Beziehung und eine mutmasslich lange zukünftige Verfahrensdauer (BGE 144 III 298 E. 7.2.1 ff.; OGer ZH, LC190018 vom 24. Oktober 2019, E. II.1 ff.). Der Scheidungspunkt muss liquid sein (BGE 144 III 298 E. 7.2.2).
Die Beschwerdeführerin erwartete im Zeitpunkt der Einreichung der Schei- dungsklage offenbar von einem anderen Mann ein Kind, wovon wie bereits festgehalten (oben, E. 3.2.4.) auch vorliegend auszugehen ist. Im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens bis zur Geburt ihres Kindes hatte sie ein äusserst gewichtiges Interesse an einem Teilurteil, zumal während der Ehe gestützt auf Art. 255 ZGB die Vaterschaftsvermutung für den Beschwerdegegner gilt.
Zudem ergeben sich vorliegend gewichtige Indizien für eine längere Verfahrensdauer. Bereits das von der Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 19. August 2021 gegen den Beschwerdegegner eingeleitete Eheschutzverfahren hat ohne einvernehmliche Einigung der Parteien geendet und wurde schliesslich mit Urteil des Obergerichts vom 11. Juli 2022 rechtsKräftig entschieden (OGer ZH, LE220001 vom 11. Juli 2022, E. I.1.). Das Bezirksgericht musste überdies im Nachgang zum Eheschutzurteil eine Schuldneranweisung erlassen, zumal sich der Beschwerdegegner geweigert hatte, UnterhaltsbeitRüge zu bezahlen
(act. 5/7/8). Der Beschwerdegegner hat offenbar mehrfach Strafanzeige gegen die Beschwerdeführerin erstattet (vgl. act. 5/7/3). Auch in seiner Beschwerdeantwort erachtet er angesichts der bekannten Thematiken, die im Scheidungsverfahren aufzuarbeiten sind ein schnelles Ergehen eines Urteils als unrealistisch
(act. 8 S. 4). Dies lässt auf einen vertieften Konflikt zwischen den Parteien und auf eine möglicherweise damit verbundene Schwierigkeit einer einvernehmlichen Lösungsfindung schliessen. Unter diesen Umständen darf mit einem raschen Abschluss des Verfahrens über die Scheidungsfolgen daher nicht ohne weiteres gerechnet werden, geschweige denn mit Rücksicht auf Allfällige Rechtsmittelverfahren, soweit es nicht doch noch zu einer von Vernunft getragenen einVerständlichen Regelung kommt.
Ob der Scheidungspunkt liquid ist, kann vorliegend nicht gepröft werden. Der Zeitpunkt des Getrenntlebens war immerhin Thema des rechtsKräftig abgeschlossenen Eheschutzverfahrens und der Beschwerdegegner hat die Einhaltung der 2-jührigen Trennungsfrist nach Art. 114 ZGB nicht explizit bestritten. Er führt diesbezüglich lediglich aus, dass nach zwei Jahren ein Recht, nicht jedoch eine Pflicht zur Einreichung einer Scheidungsklage bestehe (act. 8 S. 3).
Die Scheidungsklage wurde am 25. Juli 2023 angehoben und gleichentags zugeteilt (act. 5/1 und act. 5/4/1). Eine rasche Vorladung zur Einigungsverhandlung wäre im Rahmen der Prozessleitung (Art. 124 Abs. 1 ZPO) der Vorinstanz das zweckmässigste Vorgehen gewesen. Nach Durchführung der Einigungsverhandlung wäre im Falle des Scheiterns einer umfassenden Einigung bei liqui- dem Scheidungspunkt zu prüfen gewesen, ob aufgrund des anstehenden Geburtstermins ein Teilurteil im Scheidungspunkt zu ergehen hätte. Dass bis zum Geburtstermin im Dezember 2023 Januar 2024 keine rechtsKräftige Schei- dung hätte ausgesprochen werden können, wie die Vorinstanz anführt (act. 4
E. 4), war im Zeitpunkt der Verfügung vom 22. September 2023 keineswegs klar. Angesichts dessen erschien eine Sistierung des Verfahrens auch aus diesem Grund unzweckmässig.
Damit ist die Beschwerde gutzuheissen und der vorinstanzliche Sistierungsentscheid aufzuheben. Die Vorinstanz hat das Verfahren umgehend wieder anhandzunehmen und im Sinne der Erwägungen fortzuführen.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
Anlass für das vorliegende Verfahren bot kein prozessuales Verhalten einer der Parteien im Verfahren vor Vorinstanz, sondern das fehlerhafte Vorgehen der Vorinstanz selbst. Allerdings hat sich der Beschwerdegegner vollumfänglich mit
dem vorinstanzlichen Entscheid identifiziert, weshalb er gestützt auf Art. 106 Abs. 1 ZPO praxisgemäss kostenpflichtig wird.
In Scheidungsverfahren nach Art. 274294 ZPO wird die Gerichtsgebühr nach dem tatsächlichen Streitinteresse, dem Zeitaufwand des Gerichts und der Schwierigkeit des Falles bemessen. Sie beträgt in der Regel Fr. 300 bis
Fr. 13'000 ( 6 Abs. 1 i.V.m. 5 Abs. 1 GebV OG). Im Rechtsmittelverfahren bemisst sich die gebühr nach Massgabe dessen, was vor der Rechtsmittelinstanz noch im Streit liegt ( 12 Abs. 2 GebV OG). Grundlage der gebührenfestsetzung im vorliegenden Zivilprozess bilden das tatsächliche Streitinteresse, der Zeitaufwand des Gerichts und die Schwierigkeit des Falls, wobei die gebühr bei nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten wie der vorliegenden in der Regel
Fr. 300 bis Fr. 13'000 beträgt ( 6 Abs. 1 und 5 Abs. 1 GebV OG). Die Beurteilung der vorliegenden prozessleitenden Verfügung gestaltete sich gemessen an anderen vergleichbaren Fällen betreffend Sistierung nach Art. 126 ZPO über- durchschnittlich aufwündig. Damit ist die zweitinstanzliche Entscheidgebühr entsprechend auf Fr. 3'000 festzusetzen.
Wie gezeigt, ist von einer nicht vermögensrechtlichen Streitigkeit auszugehen. gestützt auf 5 Abs. 1 i.V.m. 6 Abs. 1 AnwGebV beträgt die Grundgebühr für die Parteientschädigung in der Regel zwischen Fr. 1'400 und Fr. 16'000. Zu berücksichtigen sind bei der Bemessung sodann ist sodann der Reduktionsgrund gemäss 10 AnwGebV. Daraus ergibt sich für das Rechtsmittelverfahren eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 2'000 (inkl. MwSt.), welche der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin für das zweitinstanzliche Verfahren zu entrichten hat.
Es wird erkannt:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Sistierung gemäss Verfügung des Einzelgerichtes (8. Abteilung) des Bezirksgerichtes Zürich vom 22. September 2023 wird aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren zeitnahen Behandlung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'000 festgesetzt und dem Beschwerdegegner auferlegt.
Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000 (inkl. MwSt.) zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien und an das Bezirksgericht Zürich samt den erstinstanzlichen Akten, je gegen Empfangsschein, sowie an die Obergerichtskasse.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit. Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw S. Ursprung versandt am:
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