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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils PC150051: Obergericht des Kantons Zürich

In dem vorliegenden Fall ging es um eine Abänderungsklage bezüglich eines Scheidungsurteils und der elterlichen Sorge für zwei Kinder. Der Kläger beantragte die alleinige Obhut für die Kinder, während die Beklagte die bestehende Regelung beibehalten wollte. Nach verschiedenen Verhandlungen und Vereinbarungen entschied das Gericht, das Verfahren bis zur Entscheidung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Bezirks Horgen zu sistieren. Der Kläger erhob Beschwerde gegen diese Entscheidung, da er der Meinung war, dass die Sistierung nicht gerechtfertigt sei. Letztendlich wurde die Beschwerde des Klägers gutgeheissen, die Sistierungsverfügung aufgehoben und die Kosten des Verfahrens den Parteien je zur Hälfte auferlegt. Die Beklagte erhielt zudem unentgeltliche Rechtspflege.

Urteilsdetails des Kantongerichts PC150051

Kanton:ZH
Fallnummer:PC150051
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid PC150051 vom 18.11.2015 (ZH)
Datum:18.11.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Abänderung Scheidungsurteil (Sistierung)
Schlagwörter : Kinder; Recht; Entscheid; Verfahren; Beistandschaft; Mutter; Vorinstanz; Besuch; Sistierung; Parteien; Gericht; Besuchs; Beklagten; Kindes; Obhut; Verfahrens; Sinne; Besuchsrecht; Abänderung; Töchter; Bezirk; Kontakt; Weiterführung; Bezirks; Beschwerde; Bezirksgericht; Besuchsrechts; Urteil
Rechtsnorm:Art. 117 ZPO ;Art. 122 ZPO ;Art. 123 ZPO ;Art. 124 ZPO ;Art. 126 ZPO ;Art. 29 BV ;Art. 296 ZPO ;Art. 308 ZGB ;Art. 315b ZGB ;Art. 320 ZPO ;Art. 326 ZPO ;Art. 53 ZPO ;Art. 57 ZPO ;Art. 93 BGG ;
Referenz BGE:128 III 411; 130 III 585;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts PC150051

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: PC150051-O/U.doc

Mitwirkend: die Oberrichterinnen Dr. L. Hunziker Schnider, Vorsitzende, Dr. M. Schaffitz und Dr. D. Scherrer sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. S. Notz

Beschluss und Urteil vom 18. November 2015

in Sachen

  1. ,

    Kläger und Beschwerdeführer

    gegen

  2. ,

Beklagte und Beschwerdegegnerin

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

betreffend Abänderung Scheidungsurteil (Sistierung)

Beschwerde gegen eine Verfügung des Einzelgerichts am Bezirksgericht Zürich, 2. Abteilung, vom 6. August 2015 (FP150004-L)

Erwägungen:

I.
  1. Mit Urteil vom 26. Juli 2011 des Einzelgerichts am Bezirksgericht Zürich wurde die Ehe der Parteien geschieden. Die Kinder C. , geboren am tt.mm.2001, und D. , geboren am tt.mm.2004, wurden unter die elterliche Sorge der Gesuchstellerin (und heutigen Beklagten und Beschwerdegegnerin, fortan Beklagte) gestellt. Die im Jahr 2008 angeordnete Beistandschaft wurde beibehalten, der Auftrag indes erweitert. Insbesondere wurde die Beiständin beauftragt, die Organisation und Ausübung eines konfliktfreien Besuchsrechts zu überwachen und auch für die Einhaltung des in der Scheidungskonvention vereinbarten Besuchsrechts mit Bezug auf die Grosseltern väterlicherseits besorgt zu sein. Im Weiteren genehmigte das Gericht die am 27. Juni 2011 geschlossene Vereinbarung über die Scheidungsfolgen (Urk. 3/3/1).

  2. Am 1. Juli 2014 stellte der (heutige) Kläger und Beschwerdeführer (fortan Kläger) ein Abänderungsbegehren um Zuteilung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Mit Urteil vom 29. Oktober 2014 genehmigte das Einzelgericht am Bezirksgericht Zürich eine Vereinbarung der Parteien vom 28. Oktober 2014 betreffend die gemeinsame elterliche Sorge. Die Obhut verblieb bei der Beklagten. Die übrigen Regelungen im Scheidungsurteil insbesondere bezüglich des Besuchsrechts des Klägers galten unverändert weiter (Urk. 3/3/2).

  3. Am 8. Januar 2015 reichte der Kläger erneut eine Abänderungsklage ein. Er beantragte die Obhut für die zwei Kinder, die Einräumung eines angemessenen und altersgemässen Besuchsund Ferienrechts für die Beklagte, die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Kinderunterhaltsbeiträgen und die Aufhebung seiner Pflicht zur Leistung von nachehelichem Unterhalt. Zur Begründung führte der Kläger an, dass es im Verlaufe des Jahres 2013 zu erheblichen und per 2014 zu ständig zunehmenden Spannungen zwischen den Töchtern sowie ihrer Mutter gekommen sei, die vor allem auf den Migrationsgrund und das damit verbundene Denkund Verhaltensschema der aus Vietnam stammenden Kindsmutter und den davon sehr divergierenden hiesigen bzw. gut-schweizerischen Einstellungen der Töchter zurückzuführen seien (Urk. 3/1). An der Einigungsverhandlung vom 20. April 2015 schlossen die Parteien eine Vereinbarung über vorsorgliche Massnahmen (Urk. 3/27). Diese sieht vor, dass die Kinder unter die gemeinsame Obhut der Parteien gestellt und grundsätzlich vom Kläger betreut werden, dass der Wohnsitz bei der Beklagten verbleibt und die Beklagte anfänglich die Betreuung jeden zweiten Sonntag, und nach zwei Monaten jedes zweite Wochenende übernimmt. Sodann wurde vereinbart, dass die Pflicht des Klägers zur Bezahlung von Kinderunterhaltsbeiträgen für die Dauer des Verfahrens sistiert werde. Weiter erklärten sich die Parteien mit einer Anhörung der Kinder einverstanden (Urk. 3/27). Mit Urteil vom 30. April 2015 stellte die Vorinstanz die beiden Kinder für die Dauer des Verfahrens unter die gemeinsame Obhut der Parteien, modifizierte den Aufgabenkatalog der Beistandschaft im Sinne von Art. 308 Abs. 2 ZGB und genehmigte im Übrigen die Vereinbarung vom 20. April 2015 (Urk. 3/31).

    Am 19. Mai 2015 informierte die Vizepräsidentin der Kindesund Erwachsenenschutzbehörde Bezirk Horgen (fortan KESB) die Vorinstanz, dass das für den 10. Mai 2015 vorgesehene Besuchswochenende nicht habe stattfinden können. Die Situation zwischen der Beiständin und dem Kläger sei eskaliert, weshalb es erneut zu keiner Ausübung des Betreuungsrechts durch die Beklagte gekommen sei. Es sei sofort eine neue Beistandsperson zu bestellen. Daher werde die KESB die Kinder und die Eltern zu einer Anhörung einladen. Der vorinstanzliche Richter erklärte sich mit dem Vorgehen einverstanden und verzichtete aufgrund der genannten Umstände einstweilen auf die geplante Anhörung der Kinder (Urk. 3/39). Mit Brief vom 3. Juni 2015 an die KESB (unter Zusendung einer Orientierungskopie an die Vorinstanz) teilte die Beklagte mit, dass sie sich entschieden habe, den nun mehrfach geäusserten Willen von C. und D. zu akzeptieren und damit den beiden Mädchen die Fortsetzung des ausgeprägten Loyalitätskonfliktes zu ersparen. C. und D. könnten demnach weiterhin beim Vater wohnen bleiben, sie werde dem Antrag auf Umteilung der elterlichen Obhut vor dem Bezirksgericht nicht weiter opponieren (Urk. 3/43).

    Am 20. Juli 2015 erging ein Schreiben der KESB an die Parteien unter Zusendung einer Kopie an die Vorinstanz. Laut diesem Schreiben haben die von der KESB geführten Gespräche klar gezeigt, dass die Kinder eine Weiterführung der Beistandschaft ablehnten sowie keine weitere Zusammenarbeit mit der Beiständin wünschten. Die Kinder hätten sodann am 13. Juli 2015 mitgeteilt, dass sie auch zu keinem weiteren Gespräch mit der Mutter alleine bereit seien. Aufgrund dieser Situation sowie gestützt auf die klaren Aussagen der Kinder sei so die KESB - die bestehende Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 2 ZGB informell zu sistieren. Eine Umsetzung erscheine derzeit nicht möglich, wie namentlich der Besuch der Beiständin am 10. Mai 2015 gezeigt habe. Eine Aufhebung der Beistandschaft sei gestützt auf den Entscheid des Bezirksgerichtes vom 30. April 2015 nicht angezeigt, ein erneuter sofortiger Beistandswechsel erscheine derzeit ebenfalls nicht praktikabel. Die Kinder und die Kindsmutter sollen damit die Möglichkeit erhalten, auf freiwilliger Basis bzw. von sich aus miteinander in Kontakt zu treten. Die KESB werde die Kinder anfangs 2016 zu einem Standortgespräch einladen, um dannzumal definitiv über die Weiterführung bzw. Anpassung der Beistandschaft sowie die Ernennung einer neuen Beistandsperson zu entscheiden (Urk. 3/44).

  4. Gestützt auf das Schreiben der KESB vom 20. Juli 2015 verfügte die Vorinstanz das Folgende (Urk. 3/46 = Urk. 2):

    1. Der vorliegende Prozess wird bis zum Entscheid der Kindesund Erwachsenenschutzbehörde des Bezirks Horgen betreffend die Weiterführung bzw. Anpassung der bestehenden Beistandschaft im Sinne von Art. 308 ZGB sistiert.

    2. Die Kindesund Erwachsenenschutzbehörde des Bezirks Horgen wird ersucht, das Gericht über ihren Entscheid betreffend die Weiterführung bzw. Anpassung der bestehenden Beistandschaft umgehend zu informieren.

    3. [Schriftliche Mitteilung].

    4. [Beschwerde].

    5. Am 17. August 2015 erhob der Kläger Beschwerde und stellte den folgenden Antrag (Urk. 1 S. 2):

Die Sistierungsverfügung des Einzelrichters des Bezirksgerichtes Zürich (Geschäfts-Nr. FP150004-L/03) vom 6. August 2015 sei aufzuheben und der Einzelrichter anzuweisen, über die am 8. Januar 2015 anbegehrte Obhutszuteilung an den Vater, das Kindesbesuchsrecht der Mutter und die Kinderunterhaltsbeiträge der Beklagten sowie die Aufhebung der nachehelichen Unterhaltsverpflichtung des Klägers beför- derlich zu befinden.

Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegnerin.

Der mit Verfügung vom 24. August 2015 auferlegte Kostenvorschuss ging innert Frist ein (Urk. 4, 5). Die Beklagte beantragte in der Beschwerdeantwort vom 14. September 2015 die Abweisung der Beschwerde und stellte ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Urk. 7 - 9). Am 17. September 2015 reichte sie weitere Unterlagen zu den finanziellen Verhältnissen ein (Urk. 10 - 12). Mit Verfügung vom 25. September 2015 wurden dem Kläger die gegnerischen Eingaben zur Kenntnisnahme zugestellt (Urk. 13), der dazu mit Eingabe vom 5. Oktober 2015 Stellung nahm (Urk. 14 und 15). Die Stellungnahme wurde am 9. Oktober 2015 der Gegenseite zugestellt (Prot. S. 5).

II.
    1. Das Gericht hat die Parteien vor der Sistierung anzuhören. Dieser Anspruch ergibt sich aus Art. 53 Abs. 1 ZPO und Art. 29 Abs. 2 BV (BK ZPO I-Frei, Art. 126 N 14; DIKE-Kaufmann, Art. 126 N 11). Gemäss einer Aktennotiz orientierte die Vorinstanz den Rechtsvertreter der Beklagten am 6. August 2015 über die beabsichtigte Sistierung, welcher sich nicht gegen eine Sistierung stellte (Urk. 3/45), und sie verfügte gleichentags den nun angefochtenen Sistierungsentscheid. Der Kläger selber wurde am 10. August 2015, also nach Fällung des Sistierungsentscheids, telefonisch ins Bild gesetzt (Urk. 3/47). Mit diesem Vorgehen verletzte die Vorinstanz den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör.

    2. Wird eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz festgestellt, so leidet der Entscheid an einem schweren Mangel und wird aufgrund der sogenannten formellen Natur des Gehörsanspruch unabhängig davon, ob der Entscheid ohne die Verletzung anders ausgefallen wäre, aufgehoben. Ausnahmsweise kann die Verletzung von der Rechtsmittelinstanz geheilt werden. Die Heilung ist nur zulässig, wenn die Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht gravierend ist und die Rechtsmittelinstanz die gleiche Kognition in Tatund Rechtsfragen hat wie die Vorinstanz (Sutter-Somm/Chevalier, in ZPO-Komm. Sutter-Somm et al., 2. Aufl., Art. 53 N 27).

    3. Eine Beschwerde kann wegen unrichtiger Rechtsanwendung und wegen offensichtlich unrichtiger Feststellung des Sachverhaltes erhoben werden (Art. 320 ZPO). Bei Rechtsfragen hat die Beschwerdeinstanz die gleiche Kognition wie die Vorinstanz (Freiburghaus/Afheldt, in: ZPO-Komm. Sutter-Somm et al., 2. Aufl., Art. 320 N 1). Allerdings kommt der Beschwerde hinsichtlich der Sachverhaltserstellung eine beschränkte Kognition zu. Es besteht denn auch kein Raum für neue Tatsachenbehauptungen Beweismittel, was im umfassenden Novenverbot seinen Ausdruck findet (Art. 326 Abs. 1 ZPO).

    4. Das Gericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO). Da die sinngemäss gerügte unrichtige Rechtsanwendung zu überprüfen ist, nämlich ob ein Grund für die Sistierung im Sinne von Art. 126 ZPO vorliegt, hat die Beschwerdeinstanz dieselbe Kognition wie die Vorinstanz. Sodann konnte sich der Kläger zur Sache äussern und es liegen alle für einen Sachentscheid notwendigen Grundlagen vor. Es ist denn auch im Sinne der Prozessökonomie und im Lichte des verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatzes, welcher einen zügigen Verfahrensablauf gewährleisten soll, zulässig, dass die Beschwerdeinstanz einen neuen Entscheid trifft, auch wenn dadurch das Gebot der Wahrung des (vollen) Instanzenzugs nicht eingehalten wird. Schliesslich liegt es im Ermessen der Beschwerdeinstanz, ob sie in der Sache neu entscheidet die Sache an die erste Instanz zurückweist. Entscheidet sie neu, tritt sie an die Stelle der Vorinstanz und urteilt mit voller Kognition (Freiburghaus/Afheldt, a.a.O., Art. 327 N 11 f.).

  1. Die Vorinstanz begründete den Sistierungsentscheid unter Verweis auf das Schreiben der KESB vom 20. Juli 2015 wie folgt: Dem Entscheid der KESB Horgen über die Weiterführung und die Modalitäten der bisherigen Beistandschaft komme für den vorliegenden Prozess massgebende Bedeutung zu, da diese Fra-

    ge in engem Zusammenhang mit den strittigen Kinderbelangen stehe, zumal sich in diesem Rahmen auch weisen werde, inwiefern der Kontakt zwischen der Mutter und den Töchtern wieder aufgenommen werde. Somit könne über die Regelung der elterlichen Sorge und Obhut bzw. der elterlichen Betreuung der Töchter sinnvollerweise erst dann entschieden werden, wenn Klarheit darüber bestehe, wie sich das Verfahren vor der KESB Horgen entwickle und in welchem Rahmen die bestehende Beistandschaft fortgeführt werde. Unter diesen Umständen erscheine eine Sistierung des vorliegenden Prozesses als zweckmässig, zumal sich auch die beiden Töchter für eine Phase des freiwilligen Wiederaufbaus des Kontakts der Mutter ohne behördliche Tätigkeit ausgesprochen hätten, so dass ein Zuwarten mit weiteren gerichtlichen Schritten nicht zuletzt auch dem von Amtes wegen zu beachtenden Kindesinteresse dienlich sei. Der Prozess sei daher bis zum Entscheid des KESB betreffend die Weiterführung bzw. Anpassung der bestehenden Beistandschaft im Sinne von Art. 308 ZGB zu sistieren (Urk. 2 S. 2 f.).

  2. Der Kläger macht in der Beschwerde geltend, die Begründung der Vorinstanz sei aus den nachfolgenden Gründen schlicht unhaltbar: Die Kindsmutter (Beklagte) habe die Töchter C. und D. aufgrund unüberwindbarer Differenzen sowie fast täglicher Streitereien anfangs Oktober 2014 auf die Strasse gestellt mit der Anweisung, sie sollten inskünftig beim Vater (Kläger) wohnen. Dem Bericht der KESB vom 20. Juli 2015 sei zu entnehmen, dass die Töchter

    C. und D. keine weitergehenden Kontakte zur sie ehemals aus der

    Wohnung wegweisenden Mutter wünschten und die Töchter deshalb auch eine Weiterführung der Beistandschaft ablehnten, da diese darauf angelegt gewesen sei, die Besuche der Kinder zu regeln, was nun obsolet geworden sei. Aufgrund dieser klaren Rechtslage habe die KESB folgerichtig die Beistandschaft am 20. Juli 2015 sistiert und festgehalten, dass die Töchter auf freiwilliger Basis gegebenenfalls den Kontakt zur Mutter suchen könnten. Wie bei dieser klaren Rechtslage einer informell durch die KESB aufgehobenen Beistandschaft und der ins Ermessen der Kinder gestellten Besuche bei der Mutter der Einzelrichter darauf verzichten wolle, die vom Besuchsrecht völlig unabhängige definitive Obhutszuteilung an den Vater, die Kinderunterhaltsbeiträge und den nachehelichen Unterhalt zu beurteilen, sei schleierhaft. Aber auch über die Besuchsund Ferienbelange könnte

    der Einzelrichter problemlos befinden, indem aufgrund des unmöglichen Verhaltens der Mutter bzw. in Anbetracht der Wegweisung durch die Mutter wohl klar sei, dass die Töchter nicht zu weitergehenden respektive zwingenden Besuchen bei der Mutter verpflichtet werden könnten, was allein schon das Kindeswohl gebiete (Urk. 1).

  3. Die Beklagte führt in der Beschwerdeantwort im Wesentlichen aus, der Konflikt zwischen den Eltern von C. und D. habe seinen Anfang mit dem Eheschutzverfahren im Jahre 2007 genommen und setze sich trotz phasenweiser Beruhigung bis heute fort. Seit bald einem Jahr sei der Kläger bestrebt, den Kontakt zwischen der Mutter und ihren Kindern auf Dauer zu unterbinden. Er schüre den Loyalitätskonflikt, in welchem sich die Kinder befänden und versuche, die Kontaktvermittlungsversuche der KESB und der Beiständin zu unterlaufen. Die Weigerung der Kinder, die Mutter zu sehen und mit der Beiständin zusammenzuarbeiten, sei vor diesem Hintergrund zu sehen. Entweder sei das erstinstanzliche Verfahren weiterhin zu sistieren, um aufgrund des Erfolgs Misserfolgs dieser Wiederannäherung später über die strittigen Kinderbelange zu entscheiden, dann sei das Verfahren umgehend vor Vorinstanz fortzusetzen und ein neues kinderpsychiatrisches Gutachten einzuholen. Entgegen dem Dafürhalten des Klägers könnten nämlich die Kinderbelange jedenfalls nicht in dem Sinne geordnet werden, dass die Obhut ihm alleine zugeteilt und sogar auf ein Besuchsrecht verzichtet werde. Der Kläger trage mit seinem missbräuchlichen Verhalten Verantwortung für den jetzigen entfremdeten Zustand zwischen Mutter und Kindern, und er sei offensichtlich nicht in der Lage, einen auch nur halbwegs unbelasteten Kontakt zwischen Kindern und Mutter zuzulassen (Urk. 7).

  4. In einer Stellungnahme vom 5. Oktober 2015 stellt der Kläger die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe strikt in Abrede. Er erklärt sich indessen einverstanden mit der von der Beklagten beantragten Begutachtung (Urk. 14).

  5. Gemäss Art. 126 Abs. 1 ZPO kann das Gericht das Verfahren sistieren, wenn die Zweckmässigkeit dies verlangt; gemäss Satz 2 dieser Bestimmung kann es eine Sistierung namentlich dann anordnen, wenn der Entscheid vom Ausgang eines anderen Verfahrens abhängig ist. Eine Sistierung mit Blick auf ein anderes

Verfahren kommt nicht nur in Frage, wenn dieses eine identische Klage zwischen den gleichen Parteien betrifft; sie kann etwa auch zur Vermeidung inkohärenter Entscheide deshalb erfolgen, weil eine bedeutende Vereinfachung des zu sistierenden Verfahrens erwartet werden kann (Staehelin, in: ZPO-Komm. SutterSomm et al., 2. Aufl., Art. 126 N 3; BK ZPO I-Frei, Art. 126 N 3, Kaufmann, DIKEKomm-ZPO, Art. 126 N 4). Da eine Sistierung regelmässig zu einer Verfahrensverzögerung führt, darf sie im Lichte des in Art. 124 Abs. 1 ZPO statuierten Beschleunigungsgebots indessen nicht leichthin angeordnet werden; sie sollte die Ausnahme bilden, einem echten Bedürfnis entsprechen und nur dann erfolgen, wenn triftige objektive Gründe vorliegen, welche die Fortsetzung des Verfahrens verunmöglichen als offenkundig unzweckmässig erscheinen lassen (Staehelin, a.a.O, Art. 126 N 4, BK-Frei, Art. 126 N 1). Die Anforderungen an die Abhängigkeit von der Entscheidung in einem anderen Verfahren sind dementsprechend hoch (Jenny, in: Gehri/Kramer, ZPO Kommentar, Art. 126 N 6); im Einzelfall ist genau und kritisch zu prüfen, wie eng der Sachzusammenhang zwischen den beiden Verfahren wirklich ist und ob das Ergebnis des anderen Verfahrens effektiv eine entscheidende präjudizielle Wirkung auf das zu sistierende Verfahren hat (BK-Frei, Art. 126 N 4).

    1. In der Sache ist über das Abänderungsbegehren betreffend das Scheidungsurteil vom Juli 2011 bzw. das Abänderungsurteil vom Oktober 2014 zu entscheiden. Neben der Obhutszuteilung ist der Umfang des Besuchsrechts, der Kläger stellt sich gemäss seinen Anträgen nicht grundsätzlich gegen ein Besuchsrecht (Urk. 3/1), umstritten. Damit ist implizit auch die im Jahr 2008 errichtete, im Scheidungsurteil und im Abänderungsurteil bestätigte (und modifizierte) Beistandschaft im Sinne von Art. 308 Abs. 2 ZGB zur Umsetzung der gerichtlichen Besuchsrechtsbzw. Betreuungsregelung Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Gemäss Art. 315b ZGB ist im vorliegenden Fall das Gericht sachlich zuständig. Die Zuständigkeit der KESB tritt hinter diejenige des Abänderungsgerichts zurück. Der KESB obliegt nur der Vollzug der gerichtlich angeordneten Beistandschaft. Die Vorinstanz erwog, dass dem Entscheid der KESB über die Weiterführung und die Modalitäten der bisherigen Beistandschaft für den vorliegenden Prozess massgebende Bedeutung zukomme (Urk. 2 S. 2). Sie beruft sich

      somit auf den Tatbestand, wonach der Entscheid vom Ausgang eines anderen Verfahrens abhängig ist. In rechtlicher Hinsicht handelt es sich bei der Besuchsrechtsbeistandschaft nicht um ein anderes Verfahren, sie ist Teil des Abänderungsprozesses selbst. Die mit der Vollziehung betraute KESB hat keine Entscheidungskompetenz, die Verantwortung und die Entscheidkompetenz liegen beim Gericht. Im Zeitpunkt des geplanten Standortgesprächs wird auch kein abschliessender (und mitunter anfechtbarer) Entscheid im Sinne von Art. 126 ZPO vorliegen, vielmehr kann es sich nur um eine dannzumalige Bestandesaufnahme handeln. Es wurde denn auch nicht ein Abklärungsbericht in Auftrag gegeben. Möglicherweise wird die KESB im Sinne einer Lösungsoption die Beibehaltung Abänderung des Aufgabenkatalogs gemäss Urteil vom 30. April 2015 gar die Aufhebung der Beistandschaft vorschlagen. Immer aber wird es sich nur um eine Empfehlung handeln können, und nicht um einen Entscheid betreffend die Weiterführung bzw. Anpassung der bestehenden Beistandschaft. Für Kinderbelange in familienrechtlichen Angelegenheiten schreibt Art. 296 ZPO dem Gericht vor, den Sachverhalt von Amtes wegen zu erforschen und ohne Bindung an die Parteianträge zu entscheiden. Das Gericht ist dabei nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet, alle nötigen Abklärungen zu treffen (BGE 128 III 411 E. 3.2).

    2. Das Gelingen der freiwilligen Wiederannäherungsphase hängt mitunter vom Willen der zwei Kinder ab. Die Mädchen sind 14 und 11 Jahre alt. Es entspricht konstanter Rechtsprechung, dass der geäusserte Kindeswille bei älteren Kindern ein massgebliches Kriterium bei der Festsetzung des Besuchsrechts ist. Je konstanter die Willenskundgebungen vorgebracht werden und je mehr sie mit nachvollziehbaren und auf das Kindeswohl zielenden Argumenten unterlegt sind, desto stärker können sie bei der Urteilsfindung gewichtet werden, freilich stets als eines von mehreren und nicht als einziges Kriterium; andernfalls würde der Kindeswille mit dem Kindeswohl gleichgesetzt, obwohl sich die beiden Elemente durchaus widersprechen können. So wie es nicht zur freien Disposition des Kindes steht, bei welchem Elternteil es aufwachsen möchte, sondern im Streitfall seine Willenskundgebungen nur ein Element bei der richterlichen Entscheidfindung sind, kann es auch nicht in Eigenregie bestimmen, ob und zu welchen Bedingungen es Umgang mit dem nicht sorgeoder obhutsberechtigten Elternteil haben möchte (BGer 5A_719/2013 vom 17. Oktober 2014 E. 4.4 m.w.H.).

    3. Selbst wenn keine Wiederannäherung erfolgen sollte, würde dies in Nachachtung der Rechtsprechung nicht schlechthin bedeuten, dass kein Besuchsrecht anzuordnen wäre. Wie gesehen, stehen die Kontakte zur Mutter nicht im freien Belieben der Kinder. Es ist allgemein anerkannt, dass aufgrund des schicksalhaften Eltern-Kind-Verhältnisses die Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen sehr wichtig ist und bei dessen Identitätsfindung eine entscheidende Rolle spielen kann (BGE 130 III 585 E. 2.2.2). Ein wesentliches Element für die Entscheidfindung ist, wie weit der ablehnende Wille der Kinder ihr eigener ist, und wie weit sie sich aufgrund eines Loyalitätskonfliktes gegen ihre Mutter stellen. Dabei kommt es auf die konkreten Umstände an. Dass die Kinder, welche bis im letzten Herbst in der Obhut der Beklagten waren, nun seit rund einem Jahr keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter haben, spricht nicht für eine Sistierung des Verfahrens. Wie erwähnt, liegt die Entscheidkompetenz und die Leitung des Abänderungsverfahrens beim Sachgericht (und nicht bei der Vollzugsbehörde), welches von Amtes wegen alle notwendigen und geeigneten Abklärungen vorzunehmen hat, die entscheidrelevant sein könnten. Unter diesem Gesichtspunkt kann dem Ergebnis des für anfangs 2016 vorgesehenen Standortgesprächs nicht eine präjudizielle Wirkung zukommen. Ebensowenig kann das Resultat des Standortgesprächs sich massgebend auf den weiteren strittigen Hauptpunkt, die beantragte Zuteilung der alleinigen Obhut an den Kläger, wogegen sich die Beklagte wehrt (Urk. 7), auswirken.

    4. Nach dem Gesagten sind die Voraussetzungen für eine Sistierung im Sinne von Art. 126 ZPO nicht gegeben. Die Verfügung vom 6. August 2015 ist daher aufzuheben.

III.

1. Gemäss ständiger Praxis des Obergerichts sind die Kosten des Verfahrens mit Bezug auf Kinderbelange - unabhängig vom Ausgang - den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen und die Parteientschädigungen wettzuschlagen, wenn die

Parteien unter dem Gesichtspunkt des Kindesinteresses gute Gründe zur Antragstellung hatten (OGer ZH LE110067 vom 13. April 2012 E. II/8; Art. 107 Abs. 1 c ZPO). Dies war vorliegend der Fall. Es rechtfertigt sich daher eine hälftige Kostenaufteilung und ein Wettschlagen der Parteientschädigungen.

    1. Die Beklagte stellte ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Sie begründet dies mit einen Bedarf von Fr. 3'213.- und einem Einkommen von durchschnittlich Fr. 1'700.-. Ausser dem (gebundenen) Anteilsscheinkapital verfüge sie über kein Vermögen (Urk. 7 S. 3 f.).

    2. Nach Art. 117 ZPO hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Sofern es zur Wahrung der Rechte notwendig ist, besteht darüber hinaus ein Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).

    3. Gemäss Steuererklärung 2014 deklarierte die Beklagte ein Einkommen von Fr. 19'646.plus Fr. 5'800.persönliche Unterhaltsbeiträge und ein Vermögen von Fr. 9'674.- (Urk. 9/8). Der Anteilsschein für die Wohnung der Genossenschaft E. beträgt Fr. 5'500.- (Urk. 9/7). Auch wenn die notwendigen Lebenshaltungskosten von Fr. 3'213.- um die Kosten für den Prämienanteil VVG Krankenkasse von Fr. 47.- und diejenigen für auswärtige Verpflegung von Fr 200.aufgrund der nur stundenweisen Anstellung reduziert würden, resultiert ein Fehlbetrag. Die Beklagte gilt daher als mittellos. Daran vermag auch der unsubstantiierte Hinweis des Klägers, die Beklagte habe Ferien in Vietnam und Wien verbracht (Urk. 15 S. 5), nichts zu ändern. Da auch die übrigen Voraussetzungen von Art. 117 lit. b und Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO erfüllt sind, ist das Gesuch gutzuheissen und Rechtsanwalt lic. iur. X. als unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen. Der Kostenanteil der Beklagten ist daher einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Nachzahlungspflicht gemäss Art. 123 ZPO bleibt vorbehalten.

3. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist Rechtsanwalt lic. iur. X. im Beschwerdeverfahren mit Fr. 1'000.zuzüglich 8 % Mehrwertsteuer aus der Gerichtskasse zu entschädigen (Art. 122 Abs. 1 ZPO).

Es wird beschlossen:

  1. Der Beklagten wird die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und Rechtsanwalt lic. iur. X. als unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt.

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Erkenntnis.

Es wird erkannt:

  1. In Gutheissung der Beschwerde wird die Verfügung des Einzelgerichts am Bezirksgericht Zürich, 2. Abteilung, vom 6. August 2015 aufgehoben.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 1'500.festgesetzt.

  3. Die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt. Der Kostenanteil des Klägers wird mit seinem Kostenvorschuss verrechnet, der Kostenanteil der Beklagten wird einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Nachzahlungspflicht gemäss Art. 123 ZPO bleibt vorbehalten.

  4. Der unentgeltliche Rechtsbeistand der Beklagten, Rechtanwalt lic. iur.

    X. , wird für das Beschwerdeverfahren mit Fr. 1'080.aus der Gerichtskasse entschädigt.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

    Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG. Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.

    Zürich, 18. November 2015

    Obergericht des Kantons Zürich

    1. Zivilkammer Gerichtsschreiberin:

lic. iur. S. Notz versandt am:

mc

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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