Kanton: | ZH |
Fallnummer: | NQ120027 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 13.12.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Erbschaft |
Zusammenfassung : | Der Fall handelt von einer Erbschaftsangelegenheit, bei der der Vater der Berufungskläger verstorben ist und seine Ehefrau sowie drei minderjährige Kinder als gesetzliche Erben hinterlassen hat. Es geht um die Frage, ob die Kinder die Erbschaft annehmen oder ausschlagen sollen. Der verstorbene Vater war Geschäftsführer einer Speditionsfirma und hinterliess beträchtliches Vermögen. Es gibt auch eine strittige Zollschuld, die die deutschen Behörden gegen die Erben geltend machen. Letztendlich wird entschieden, dass die Kinder die Erbschaft unter öffentlichem Inventar annehmen sollen. Der Beschluss des Bezirksrats wird aufgehoben, und die Kosten des Verfahrens werden den Berufungsklägern auferlegt. |
Schlagwörter : | Inventar; Erbschaft; Berufung; Erben; Berufungskläger; Recht; Bezirksrat; Forderung; Kinder; Schweiz; Vormundschaftsbehörde; Andelfingen; Beistand; Beschluss; Entscheid; Sinne; Erblasser; Höhe; Vollstreckung; Erblassers; Inventars; Behörde; Geschäft; Erbteil; Einzelgericht; Annahme; Interesse; öglich |
Rechtsnorm: | Art. 1 IPRG ; Art. 107 ZPO ; Art. 12 DBG ; Art. 576 ZGB ; Art. 582 ZGB ; Art. 584 ZGB ; Art. 587 ZGB ; Art. 589 ZGB ; Art. 590 ZGB ; Art. 70 ZG ; Art. 90 BGG ; Art. 90 IPRG ; Art. 96 ZPO ; |
Referenz BGE: | 102 Ia 483; |
Kommentar: | Kocher, Clavadetscher, Hand, Stämpfli, Art. 70; Art. 12 Abs. 1 ZG, 2009 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: NQ120027-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur.
P. Diggelmann und Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach sowie Gerichtsschreiber lic. iur. D. Oehninger
Urteil vom 13. Dezember 2012
in Sachen
Berufungskläger
1, 2, 3 vertreten durch Beistand X. , betreffend Erbschaft
Erwägungen:
Am tt.mm.2011 verstarb der am tt.mm.1960 geborene Vater der Berufungskläger, D. (act. 9/1). D. hinterliess als nächste gesetzliche Erben seine Ehefrau, F. , und die drei gemeinsamen unmündigen Kinder, die bald 14-jährige A. , den 11-jährigen B. und den 8-jährigen C. (Im Folgenden werden die Kinder als Berufungskläger bezeichnet). Es lässt sich den Akten nicht abschliessend entnehmen, ob die Eltern von D. noch leben. Ausführungen der Mutter der Berufungskläger zufolge, wonach sie mit den Geschwistern des Erblassers keine Auseinandersetzung wolle, lassen hingegen darauf schliessen, dass die Eltern des Erblassers nicht mehr leben (vgl. etwa act. 8/19, act. 9/15 S. 1 unten). Die nächsten gesetzlichen Erben sind damit die überlebende Ehefrau und die drei unmündigen Kinder.
D. war technischer Kaufmann (act. 9/2) und als Geschäftsführer mit Einzelunterschrift für die Speditionsfirma G. GmbH, , tätig. D. deklarierte in der Steuererklärung 2010 ein Nettoeinkommen von Fr. 70'000.-- und ein Einkommen aus Wertschriftenertrag von rund Fr. 70'000.-- (gerundet; act. 9/6). Er gab ein Wertschriftenvermögen von über einer Million Franken an. Dieses Vermögen besteht im Wesentlichen in einer Beteiligung des Erblassers an der
G. GmbH. D. war mit 19 Stammanteilen und F. ist mit einem Stammanteil an der Unternehmung beteiligt (Handelsregister des Kantons , Internetauszug, eingesehen am 21. August 2012).
Der HEV attestiert der von der Familie ABCF. bewohnten Liegenschaft in E1. im November 2011 einen Verkehrswert von Fr. 1'635'000.-- (act. 8/7, Sammelbeilage, Bewertungsgutachten des HEV vom 14. November 2011). Der Steuerwert der Liegenschaft wurde mit Fr. 1'054'000.-angegeben (act. 9/6, Sammelbeilage, Steuererklärung 2011). Die Liegenschaft ist belastet mit einer Grundpfandschuld von Fr. 700'000.--.
Die H. [Versicherung] zahlt der Ehefrau von D. eine jährliche Witwenrente im Betrag von Fr. 50'400.-- und jährliche Waisenrenten von Fr. 3'236.-für jedes der drei Kinder. Zusätzlich zu diesen Versicherungsansprüchen wurde ein Todesfallkapital von Fr. 252'000.-fällig (act. 9/5). Sodann lässt sich den Akten entnehmen, dass die Witwe F. ob darüber hinaus insgesamt ist nicht bekannt aus (weiteren) Risiko-Lebensversicherungen über Fr. 1 Mio. Franken erhielt (act. 9/11 S. 2 oben).
Auf Begehren von F. ordnete das Einzelgericht im summarischen Verfahren (Erbschaftssachen) des Bezirksgerichtes Andelfingen mit Urteil vom
30. September 2011 über den Nachlass von D. die Aufnahme eines öffentlichen Inventars an (act. 10/1 und act. 10/10). Das Notariat I. wurde mit der Aufnahme des öffentlichen Inventars beauftragt. Nach Veröffentlichung des Rechnungsrufs, welcher vom 21. Oktober 2011 bis 21. November 2011 lief (Art. 582 ZGB) und der Auflage des Inventars zur Einsichtnahme bis 7. Februar 2012 (Art. 584 ZGB), wurde am 8. Februar 2012 eine Inventarabschrift an das Auftrag gebende Einzelgericht zugestellt (act. 10/12; act. 8/7, act. 8/10, act. 8/15).
Das Einzelgericht holte im Folgenden Erklärungen des Notariats I. zur Frage ein, ob es sich bei der zwischenzeitlich in den Raum gestellten allfälligen Forderung des Hauptzollamtes J. von ca. Euro 36 Mio. (an anderer Stelle ist von Euro 38 Mio. die Rede) um eine Forderung handle, die ins Inventar aufzunehmen gewesen wäre und/oder diese Forderung noch ins öffentliche Inventar aufzunehmen sei (act. 10/16, act. 10/17, act. 10/22, act. 10/24, act. 10/26). Mit Verfügung vom 17. April 2012 hielt das Einzelgericht fest, dass mit ausreichender Sicherheit davon auszugehen sei, dass die allenfalls gegenüber dem Erblasser bestehende Forderung von ca. Euro 36 Mio. zu Recht nicht ins Inventar aufgenommen worden sei und auch nachträglich nicht aufzunehmen sei. Sodann setzte das Einzelgericht mit ebendiesem Entscheid den Erben Frist an, um sich binnen Monatsfrist über den Erwerb der Erbschaft zu erklären (Art. 587 ZGB; act. 10/27).
Diese Monatsfrist ist mittlerweile abgelaufen. Bereits an dieser Stelle sei im Zusammenhang mit dem (Eventual-)Antrag c) der Berufungskläger erwähnt (act. 2 S. 1), dass dieser Ausschlagungsfrist notwendigerweise Verlängerung zu-
kommen muss bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens, welchem Suspensiveffekt zukommt. Das Einzelgericht in Erbschaftssachen wird etwa bei der Ausstellung der Erbscheine positiv den Folgeentscheid treffen und festhalten müssen, wer Erbe ist, wer allenfalls nachberufen ist und orientiert werden muss. Dieser Pflicht kann es nur nachkommen, wenn feststeht, ob für die Kinder rechtsgültig die Erbschaft ausgeschlagen wurde eben nicht; das Einzelgericht wird allerdings nicht definitiv über diese Fragen entscheiden können, sondern ein solcher definitiver Entscheid steht auf Klage hin dem Gericht im ordentlichen Verfahren zu.
Art. 576 ZGB hält in diesem Sinne fest, dass die zuständige Behörde den gesetzlichen und eingesetzten Erben eine Fristverlängerung für die Ausschlagung gewähren eine neue Frist ansetzen kann. Voraussetzung für die Wiederherstellung der Ausschlagungsfrist sind wichtige Gründe. Diese wichtigen Gründe dürften, wie erwähnt, die Kinder für sich in Anspruch nehmen können. Unklar ist, ob F. bereits Annahme unter öffentlichem Inventar erklärte (vgl. etwa act. 3/1
S. 5 oben=act. 7 S. 5 oben; aber anders in act. 2 S. 9 unten). Auch sie könnte sich wohl auf wichtige Gründe im Sinne von Art. 576 ZGB berufen, die eine Neuansetzung der Ausschlagungsfrist rechtfertigen, wäre sie doch bei Ausschlagung der Erbschaft durch die Kinder mit einer neu zusammengesetzten Erbengemeinschaft konfrontiert, deren Zusammensetzung gerade auch im Hinblick auf die Weiterführung des Geschäftes (der G. GmbH) von Relevanz wäre.
Da die Ausschlagung mit dem Verzicht auf Rechte verbunden ist, setzt sie Handlungsfähigkeit voraus. Unmündige können das Erbe nur durch den gesetzlichen Vertreter ausschlagen. Ist dieser Miterbe, muss wegen des Interessenkonfliktes regelmässig ein Beistand eingesetzt werden. Parallel zu den soeben erwähnten erbrechtlichen Massnahmen ordnete deshalb die Vormundschaftsbehörde E. mit Beschluss vom 25. Oktober 2011 für die drei unmündigen Kinder eine Beistandschaft nach Art. 392 Ziff. 2 ZGB an und erteilte dem Beistand den Auftrag, die Interessen der Berufungskläger bei der Regelung des Nachlasses ihres Vaters zu vertreten und insbesondere nach Vorliegen des öffentlichen Inventars die im Interesse der Kinder liegenden Dispositionen (Annahme oder
Ausschlagung der Erbschaft) zu treffen (act. 3/4=act. 8/6=act. 9/10). Als Beistand wurde auf Vorschlag von F. X. , E1. , ernannt. X. zeichnet als Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift für die K. GmbH (Handelsregister des Kantons Zürich, Internetauszug, eingesehen am 20. August 2012). Die K. GmbH ist u.a. tätig im Finanzbereich und in der Beratung von Kunden in Finanz-, Versicherungsund Steuerfragen.
Mit Schreiben vom 7. Februar 2012 stellte der Beistand der Vormundschaftsbehörde E. zuhanden der Aufsichtsbehörde (Bezirksrat Andelfingen) den Antrag, wonach die Kinder auf die Erbschaft zugunsten ihrer Mutter F. verzichten sollen (act. 3/10=act. 8/2=act. 9/11). Der Beistand hielt fest, dass das öffentliche Inventar voraussichtlich mit einem Überschuss von rund Fr. 700'000.-abschliesse; nicht im Inventar enthalten sei aber die Forderung des Hauptzollamtes J. im Umfang von rund Euro 36 Mio. Da diese Forderung dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei, könne diese Forderung auch ohne Anmeldung unter öffentlichem Inventar bis zur Höhe der Bereicherung durch die Erbschaft geltend gemacht werden (act. 9/11 S. 1).
Mit Beschluss vom 14. Februar 2012 beantragte die Vormundschaftsbehörde E. dem Bezirksrat Andelfingen die Ausschlagung der Erbschaft für die Kinder A. , B. und C. (act. 8/17=act. 9/14).
Mit Schreiben vom 5. März 2012 teilte der Beistand dem Bezirksrat Andelfingen mit, dass er als Beistand keinen Antrag auf Ausschlagung der Erbschaft gestellt habe, sondern immer von einem Verzicht zu Gunsten der Mutter gesprochen habe. Ihm, dem Beistand, sei im Nachgang an sein Schreiben vom 7. Februar 2012 mitgeteilt worden, dass der von ihm vorgeschlagene Verzicht auf Stufe Erbschaft annehmen ausschlagen, nicht möglich sei, sondern allenfalls bei der Erbteilung in einem zweiten Schritt zu prüfen wäre. Sofern der im Schreiben vom
7. Februar 2012 an die Vormundschaftsbehörde festgehaltene Verzicht zugunsten der Mutter als Ausschlagung interpretiert worden sei, so ziehe er diesen Antrag auf Ausschlagung der Erbschaft zurück (act. 3/11=act. 8/12=act. 9/15). Abschliessend hielt der Beistand fest, dass seiner Ansicht nach für die Kinder keine Gefahr
der Überschuldung bestehe und die Erbschaft für die Kinder unter Vorbehalt des öffentlichen Inventars anzunehmen sei.
Mit Beschluss der Vormundschaftsbehörde E. vom 30. April 2012 hob diese ihren Beschluss vom 14. Februar 2012 auf, schlug die Erbschaft namens der Kinder A. , B. und C. aus (act. 3/2=act. 8/20=act. 9/19) und beantragte dem Bezirksrat Andelfingen als unterer vormundschaftlicher Aufsichtsbehörde die Zustimmung im Sinne von Art. 422 Ziff. 5 ZGB (act. 9/19).
Mit Beschluss vom 7. Mai 2012 - und innert der einmonatigen Erklärungsfrist gemäss Art. 587 ZGB brachte der Bezirksrat Andelfingen positiv seine vom Gesetz verlangte eigene Zustimmung zum Geschäft zum Ausdruck und erteilte die Zustimmung zur Erbausschlagung (act. 8/21, Disp.-Ziff. 1=act. 3/1=act. 7).
Gegen Dispositiv-Ziffer 1 dieses Beschlusses des Bezirksrates wie auch gegen den Beschluss der Vormundschaftsbehörde E. vom 30. April 2012 erhebt der Beistand mit Eingabe vom 16. Mai 2012, hier eingegangen am
18. Mai 2012, Berufung, mit den Anträgen, es seien die Beschlüsse der beiden Vorinstanzen aufzuheben und dem Bezirksgericht Andelfingen sei mitzuteilen, dass die drei Kinder die Erbschaft von ihrem verstorbenen Vater unter öffentlichem Inventar annehmen (act. 2 S. 1, Anträge a und b).
Der den Berufungsklägern am 4. Mai 2012 (act. 9/20) zugestellte Beschluss der Vormundschaftsbehörde vom 30. April 2012 war mit keiner Rechtsmittelbelehrung versehen, was aber angesichts dessen, dass die Vormundschaftsbehörde das Geschäft dem Bezirksrat in jedem Fall unterbreiten muss, nicht weiter von Bedeutung ist. Erörterungen, inwiefern einer Partei aus einer allfälligen mangelhaften Eröffnung wozu insbesondere auch eine fehlende Rechtsmittelbelehrung zählt kein Rechtsnachteil erwachsen darf, können daher unterbleiben (BSK ZGB-I Thomas Geiser, Art. 421/422 N. 43). Auch schadet den Berufungsklägern nicht, dass Anfechtungsobjekte vor Obergericht nur Entscheide der unteren Aufsichtsbehörde (Bezirksrat) sein können: formell verlangen die Berufungskläger die Aufhebung des Zustimmungsbeschlusses, materiell wehren sie sich gegen die Ausschlagung der Erbschaft.
Das Obergericht holte im Folgenden den gesetzlichen Kostenvorschuss ein und zog alle Akten der Vorinstanzen bei (act. 8/1-23 und act. 9/1-20), wie auch diejenigen des Einzelgerichts im summarischen Verfahren (Erbschaftssachen) des Bezirksgerichtes Andelfingen betreffend Anordnung eines öffentlichen Inventars (act. 10/1-35). Während die Vormundschaftsbehörde auf eine Vernehmlassung zur Berufung verzichtete (vgl. act. 14), trug der Bezirksrat mit Begründung auf Abweisung der Berufung an (act. 18). Mit Eingabe vom 3. September 2012 nahmen die Beschwerdeführer Stellung zur Vernehmlassung des Bezirksrates vom 27. August 2012 (act. 21), und ebenso liessen sie sich mit Eingabe vom 22. Oktober 2012 zu weiter getätigten Abklärungen durch das Gericht vernehmen (act. 27 act. 30). Die Vorinstanzen verzichteten darauf, zu den weiter getätigten Abklärungen durch das Gericht Stellung zu nehmen. Der Prozess ist spruchreif.
4. Am 1. Januar 2011 sind die schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) und das kantonale Gesetz über die Gerichtsund Behördenorganisation im Zivilund Strafprozess vom 10. Mai 2010 (GOG) in Kraft getreten. Letzteres regelt in den
§§ 187 ff. den Weiterzug von familienrechtlichen Entscheiden der Bezirksräte an das Obergericht nach Massgabe der schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO). Ebenso regelt es das Rechtsmittelverfahren des Obergerichts, indem es bei Vorbehalt abweichender eigener Bestimmungen - die Bestimmungen der
Art. 308 ff. ZPO für anwendbar erklärt. Soweit die Regeln der §§ 187 ff. GOG für das Rechtsmittelverfahren keine besonderen Vorschriften aufstellen, gelten daher auch die allgemeinen Bestimmungen der ZPO als analoges kantonales Verfahrensrecht.
Bezirksrat und Vormundschaftsbehörde kommt im Rechtsmittelverfahren vor Obergericht die Stellung als Vorinstanzen zu (§ 191 GOG; so schon bisher § 280e ZPO/ZH). Sie sind nicht Partei und daher auch nicht als solche ins Verfahren aufzunehmen (act. 2 S. 12).
1.1. Der deutsche Staat, konkret das Hauptzollamt M. , vertreten in Sachen Vollstreckung durch das Hauptzollamt J. , macht gegenüber D. eine Einfuhrumsatzsteuer(teil-)nachforderung von insgesamt rund 38 Mio Euro geltend (act. 3/7 S. 3 unten, act. 3/8 und act. 27). Die Nacherhebung dieser Zollabgaben beruht darauf, dass das Zollamt die von D. als Spediteur getätigten grenz- überschreitenden Lieferungen innerhalb der Europäischen Union (von iPods und Mikroprozessoren) nicht in den Steuerbefreiungstatbestand der sogenannten innergemeinschaftlichen Lieferung einordnete. Das Finanzgericht L. schützte auf Klage von D. die Sichtweise des Zollamtes J. und hielt mit Urteil vom 26. Oktober 2010 fest, dass die Voraussetzungen für die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nicht gegeben seien, weshalb die vom Hauptzollamt J. festgesetzte Nacherhebung der Einfuhrumsatzsteuer rechtens sei (act. 3/6). Unbestritten ist, dass es sich bei diesen Forderungen um persönliche Schulden von D. und nicht um Schulden der Firma G. GmbH handelt, weshalb die Schulden nun vom Nachlass bzw. den Erben zu tragen wären. Soweit ersichtlich ist das Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof noch pendent. Die Forderung ist vollstreckbar, aber noch nicht rechtskräftig (siehe auch unter Ziffer 2.3. nachstehend).
Damit liegt ein grenzüberschreitender Sachverhalt mit steuerlicher Relevanz vor. Auf Sachverhalte mit Auslandbezug ist in erster Linie die Anwendbarkeit von Staatsverträgen zu prüfen (Art. 1 Abs. 2 IPRG). Es interessiert, ob die deutschen Behörden auf dem Weg der Amtshilfe gegen die Erben in der Schweiz ihre Forderung vollstrecken können. Im Streit stehen Einfuhrumsatzsteuern, d.h. Einfuhrabgaben und somit Zölle (act. 2 S. 4).
Das Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen (BBA; SR 0.351.926.81) wird von den für die Vollstreckung zuständigen Behörden in Deutschland als nicht einschlägig qualifiziert. Die Vollstreckungsbehörde in
Deutschland hält fest, dass die Vollstreckung in den Nachlass von D. , und damit gegen die Erben in der Schweiz auf dem Wege der internationalen Amtshilfe nicht möglich sei, da die Voraussetzungen der bestehenden Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland nicht erfüllt seien (act. 27; auch act. 3/8 S. 3).
Dieser Befund überrascht zunächst angesichts des Sinns und Zwecks des BBA. Letztlich geht es um die Frage der Auslegung des Rechtsbegriffs der sonstigen rechtswidrigen Handlungen im Kontext des BBA und vor allem dessen Art. 2.
Art. 2 BBA nennt als Verhaltensweisen, die das BBA bekämpfen will, nicht nur den Betrug, sondern auch andere rechtswidrige Verhaltensweisen, die sich gegen die finanziellen Interessen der Schweiz, der EU eines ihrer Mitgliedstaaten richten:
Die Schweiz hat mit der EU im Betrugsbekämpfungsabkommen (BBA) eine umfassende Zusammenarbeit im Bereich der indirekten Steuern und Zölle vereinbart (Rechtsund Amtshilfe). Ziel des Betrugsbekämpfungsabkommens ist es, Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen im Bereich der indirekten Steuern (Mehrwertsteuer und Verbrauchsteuern) und der Zolldelikte entgegenzuwirken und in diesem Sinne auch die europaweite Eintreibung von Abgabeforderungen zu erleichtern (vgl. Art. 8 und Art. 26 BBA). Während vor Inkrafttreten des BBA, gestützt auf das IRSG (Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen [(Rechtshilfegesetz, IRSG]) lediglich der Abgabebetrug rechtshilfefähig war, leistet die Schweiz heute auch in Fällen von Steuerhinterziehung (im Bereich der indirekten Steuern) Amtsund Rechtshilfe. Art. 24 Ziffer. 1 BBA hält in diesem Sinne fest, dass auf Antrag der ersuchenden Behörde die ersuchte Behörde in den Anwendungsbereich des Abkommens fallende Forderungen einzieht, als ob sie ihre eigenen wären.
Wie erwähnt, hielt das Finanzgericht L. im Urteil vom 26. Oktober 2010 fest (act. 3/6), dass die Voraussetzungen für die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nicht gegeben seien, weshalb die Einfuhrumsatzsteuern nacherhoben werden dürfen. Das Verhalten von D. bot allerdings den deutschen Behör- den keinen Anlass für die Anhebung eines Steuerstrafverfahrens (vgl. act. 3/8,
Schreiben von RA Y. , /D, vom 26. Januar 2012 an den Beistand
X. ). Die deutschen Vollstreckungsbehörden erachten, wie bereits ausgeführt, die streitgegenständlichen Zollabfertigungsfehler von D. bzw. die sich daraus ergebenden Nachsteuern auch nicht als amtsund rechtshilfefähig. Ob damit bereits der Schluss gezogen werden kann, dass gemäss deutscher Auslegung nur rechtwidrige, im Sinne von schuldhaften Handlungen im Kontext des BBA der Amtsund Rechtshilfe zugänglich sind, kann letztlich dahingestellt bleiben (siehe unter Ziffer 2.2. nachstehend). Die Schweizer Oberzolldirektion legt den Anwendungsbereich des BBA jedenfalls weit(er) aus und versteht etwa bereits Falschdeklaration als Widerhandlung im Sinne des BBA (vgl. hierzu die Oberzolldirektion der Schweiz, welche in einer elektronisch übermittelten Auskunft vom 23. Januar 2012 an das Notariat I. die Anwendbarkeit des BBA bejaht, [act. 3/9]; so auch Anna Skvarc, Bekämpfung von strafbaren Verhaltensweisen nach dem Betrugsbekämpfungsabkommen zwischen der Schweiz und der EU, Diss., Bern 2010, S. 31 f., S. 97 f.).
Die hier von der deutschen Behörde (Hauptzollamt J. ) vertretene Haltung, die Vollstreckung der streitgegenständlichen Abgabenschulden in den Nachlass als nicht amtshilfefähig anzusehen, gewinnt an Boden durch die Tatsache, dass die deutschen Behörden eine weitere offene Abgabenschuld dies einen anderen Sachverhalt betreffend sehr wohl als amtshilfefähig erachteten: Das Hauptzollamt N. ersuchte erfolgreich um Amtshilfe bei der Durchsetzung einer Abgabenschuld in der Höhe von Euro 474'000.-- . Entsprechend wurde diese Abgabenschuld im Betrag von CHF 562'710.-auch im öffentlichen Inventar über den Nachlass von D. aufgenommen (act. 9/13).
Zusammenfassend ist nicht von einer zwangsweisen Durchsetzung der Abgabenschulden in der Höhe von rund Euro 38 Mio. auf dem Hoheitsgebiet der Schweiz auszugehen.
Hinzu kommt Folgendes: Die Berufungskläger betonen, dass die streitgegenständliche Abgabenschuld nicht in das öffentliche Inventar aufgenommen worden sei, weshalb die Haftung für die nicht angemeldete Forderung des Haupt-
zollamtes J. von Vornherein lediglich auf die Höhe der Bereicherung aus der Erbschaft beschränkt sei (act. 2 S. 6).
Das öffentliche Inventar im Sinne von Art. 580 ff. ZGB dient den Erben in erster Linie als Informationsmittel für den Entscheid, ob sie die Erbschaft annehmen o- der ausschlagen sollen. Auch wenn das öffentliche Inventar nicht die (abschliessende) Bereinigung der Passiven zum Zweck hat, so verweisen die Berufungskläger zu Recht auf die sich aus diesem Institut des Erbrechts ergebende Haftungsbeschränkung. Die Annahme unter öffentlichem Inventar führt zwar zu einem Erwerb der Erbschaft nach dem Grundsatz der Universalsukzession mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbgangs. Dies gilt uneingeschränkt für die Nachlassaktiven, auch für die nicht im öffentlichen Inventar aufgeführten. Bezüglich der Passiven haftet der unter öffentlichem Inventar annehmende Erbe jedoch grundsätzlich nur soweit, als diese im Inventar aufgeführt sind (Art. 587 ZGB). Öffentlich-rechtliche Forderungen müssen aber vom öffentlichen Inventar nicht (zwingend) erfasst sein, um gegenüber den unter öffentlichem Inventar annehmenden Erben durchgesetzt werden zu können (Abt/Weibel, PraxKomm Erbrecht-Urs Engler, Basel 2011, Art. 589 N 1 ff., N 4).
BGE 102 Ia 483 (=Pra 66 [1977] Nr. 72) begründet die Praxis der Bedeutung des öffentlichen Inventars für öffentliche Forderungen. Das öffentliche Recht muss ausdrücklich die Anwendbarkeit der Art. 580 ff., insbesondere Art. 589 ZGB, vorsehen und darf nicht z.B. lediglich eine Teilnahme am Rechnungsruf verlangen. Nur wenn der massgebende Erlass die Möglichkeit des öffentlichen Inventars durch Hinweis auf Art. 589 ZGB ausdrücklich vorbehält, ist die Schlussfolgerung erlaubt, dass die entsprechende Forderung zur Aufnahme ins öffentliche Inventar anzumelden ist und dass daher von Bundesrechts wegen eine Anmeldungspflicht für die auf die Erben übergehenden Steuerschulden besteht (BGE 102 Ia 483 [=Pra 66 {1977} Nr. 72]). Wird dieser Vorbehalt im massgebenden Erlass nicht statuiert, so finden die zivilrechtlichen Vorschriften von Art. 589 und Art. 590 ZGB auf die öffentlich-rechtlichen Ansprüche keine Anwendung. Damit sind die Erben zur Zahlung von öffentlich-rechtlichen Forderungen verpflichtet, auch wenn diese nicht im öffentlichen Inventar enthalten sind. Eine Beschränkung der Haftung per
se auf die Höhe der Erbteile ergibt sich daraus nicht. Zivilrechtlich haften die Erben für diese Erbschaftsschulden unbeschränkt, d.h. nicht nur mit ihrem Erbteil, sondern auch mit ihrem eigenen Vermögen. Für Steuerschulden des Erblassers sieht der Bundesgesetzgeber aber aus Billigkeitsgründen, und unabhängig von der Aufnahme eines öffentlichen Inventars, eine Beschränkung der Haftung der Erben vor:
Sollten die deutschen Behörden entgegen der vorstehenden Ausführungen dennoch erfolgreich in den Nachlass und damit gegen die Erben in der Schweiz vollstrecken, so würde vorliegend eine Haftungsbeschränkung aus materiellem Bundesrecht greifen. Wie bereits erwähnt, hält Art. 24 Ziffer. 1 BBA fest, dass auf Ersuchen der (ersuchenden) Vertragspartei die ersuchte Vertragspartei in den Anwendungsbereich des Abkommens fallende Forderungen einzieht, als ob es ihre eigenen wären. Mit der Steuersukzession nach dem Tod einer Person, deren letzter Wohnsitz in der Schweiz war (Art. 90 IPRG), befasst sich Art. 70 Abs. 5 ZG, der festhält, die Zollschuld um eine solche handelt es sich hier gehe auf die Erben des Zollschuldners über, und zwar auch dann, wenn sie zur Zeit des Todes noch nicht festgestellt gewesen sei. Die Erben haften solidarisch für die Zollschuld der verstorbenen Person bis zur Höhe ihrer Erbteile (vgl. Beusch, in: Kocher/Clavadetscher (Hrsg), Handkommentar, Stämpfli 2009, Zollgesetz, Art. 70 N 24; so auch Art. 12 Abs. 1 DBG; Art. 30 Abs. 1 MWST). Die Haftung jedes Erben wäre damit bei einer Vollstreckung in der Schweiz im Aussenverhältnis auf die Höhe der Erbschaft beschränkt, und im Innenverhältnis auf die Höhe des individuellen Erbteiles.
Schliesslich kann im Sinne einer Gesamtbetrachtung nicht unerwähnt bleiben, dass das Urteil des Finanzgerichtes L. vom 26. Oktober 2010 zwar vollstreckbar, aber noch nicht rechtskräftig ist (act. 3/6 und act. 27). Dass ein Urteil Entscheid trotz laufendem Rechtsmittelverfahren vollstreckbar ist, ist dem Schweizerischen Recht nicht fremd und mit diesem auch nicht unvereinbar. Immerhin sah sich das Finanzgericht dazu bereit, die Vollstreckbarkeit der Steuerbescheide gegen Sicherheitsleistung auszusetzen (act. 27), was möglicherweise für eine doch nicht ganz gesicherte Sachund Rechtslage sprechen mag. Die Si-
cherheit wurde in der Folge indes nicht geleistet, weshalb es bei der Vollstreckbarkeit der Abgabenforderung bleibt (vgl. act. 27). Die Erben werden die Weiterverfolgung des Revisionsverfahrens vor dem Bundesfinanzhof jedenfalls ernsthaft zu prüfen haben.
Eine Annahme der Erbschaft hat indes unmittelbare ins Gewicht fallende Konsequenzen für den Fall der Einreise der Berufungskläger nach Deutschland. Bei Einreise nach Deutschland kann die Abgabenschuld in das (bewegliche) Vermögen der Berufungskläger vollstreckt werden (vgl. act. 27). Aber auch bei Einreise in das übrige Gebiet der Europäischen Union könnte gegen die Erben grundsätzlich vollstreckt werden, weil die Mitgliedstaaten der EU bei der Vollstreckung von Abgabenforderungen gegenseitig Amtshilfe leisten (siehe z.B. zur Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden der EU Mitgliedstaaten und der Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der MwSt: Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7. Oktober 2010). Soweit ersichtlich ist der strafweise Freiheitsentzug im Falle der Nichterfüllung einer vertraglichen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, der sogenannte Schuldverhaft, in der gesamten Europäischen Union abgeschafft, weshalb unter diesem Aspekt die Reisefreiheit nicht tangiert ist.
Erben haften nach deutschen Recht für die Forderungen grundsätzlich mit ihrem gesamten Vermögen, nicht nur bis zur Höhe ihrer Erbteile. Im Zusammenhang mit den weitreichenden Konsequenzen einer Ausschlagung (siehe sogleich unter Ziffer 4 hiernach) ist aber doch der Hinweis von Relevanz, dass auch nach deutschen Recht für die Erben verschiedene Möglichkeiten bestehen, ihre Haftung zu beschränken (§ 265 Abgabenordnung i.V.m. §§ 1975 BGB [unter dem Titel Beschränkung der Haftung des Erben] i.V.m. den Abschnitten 29 bis 34 der Vollstreckungsanweisung - VollstrA [Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der Vollstreckung nach der Abgabenordnung]).
Es ist unbestritten, dass bei einer Sichtweise, die die streitgegenständliche deutsche Zollschuld ausser Betracht lässt, die im öffentlichen Inventar aufgeführten Aktiven die Passiven bei weitem übersteigen. Die Zusammenstellung der Aktiven und Passiven des Nachlasses zeigt einen Aktivenüberschuss von rund Fr. 706'620.-- (act. 9/13). Von einer Überschuldung kann bei dieser Betrachtung
nicht die Rede sein. Für die ins Gewicht fallende, risikobehaftete Forderung des Hauptzollamtes N. im inventarisierten, aber in deren Höhe noch nicht definitiv feststehenden Betrag von CHF 562'710.-gilt das unter Punkt II, 1. und 2. hiervor Ausgeführte.
Die Umstände schliessen auf gute mittelständische Verhältnisse. Die Berufungskläger bewohnen zusammen mit ihrer Mutter und Witwe des Erblassers ein über Fr. 1.6 Mio geschätztes repräsentatives Einfamilienhaus mit Umschwung im , welches nicht einmal zur Hälfte seines Verkehrswertes fremdfinanziert und jünger als 10 Jahre ist. Bei einer Ausschlagung durch die Kinder mit der Folge der Nachberufung der gesetzlichen Erben aus der elterlichen Verwandtschaft zu einem Viertel des Nachlasses droht möglicherweise ein Verkauf des Grundeigentums, um den Geschwistern des Erblassers ihren Erbteil ausrichten zu können; eine Verwertung gegen den Willen der Ehefrau bzw. Witwe ist wegen ihres Rechtes auf Zuweisung der Wohnliegenschaft nach ZGB 612a wohl kein Thema. Lässt man den möglicherweise aus Lebensversicherungen geflossenen Betrag von Fr. 1 Mio. ausser Betracht, so ist festzuhalten, dass die Finanzierung der Liegenschaft mit ziemlicher Sicherheit nicht weitergeführt werden kann und die Familie ihr Heim verliert. Eine Aufstockung der Hypothek im Betrag des abzugebenden Erbteiles an die Geschwister des Erblassers würde wohl aufgrund der familiären Verhältnisse (finanziell und persönlich) nicht gewährt werden.
Bei Annahme der Erbschaft werden die Berufungskläger zudem als Gesamteigentümer zusammen mit ihrer Mutter an den Stammanteilen der G. GmbH mitberechtigt. Die G. GmbH verzeichnet einen guten Geschäftsgang. Der von der O. AG zuerkannte Substanzwert von rund 700'000.-ist ein beachtlicher Wert für eine kleine Dienstleistungs-GmbH, welche doch ein paar Mitarbeiter beschäftigt. Die G. GmbH ist auch im letzten Jahr gewachsen und ist profitabel, was allein schon die Eigenkapitalrendite von über 15 % zeigt. Die Unternehmung ist liquid. Der Ertragswert der Unternehmung dürfte sogar noch höher sein als der Gegenwartswert (Substanzwert). Der eigentliche Wert der Firma liegt in deren Fortführung, was bedingt, dass dem Tagesgeschäft nachgegangen werden kann. Die bestehende Geschäftstätigkeit sollte weitergeführt werden. Die Betriebsabläufe sollen daher wenn immer möglich nicht tangiert werden und ein durch den Tod des Erblassers notwendiger Wechsel in der personellen Zusammensetzung der Teilhaber sollte familienintern geregelt werden können. So kön- nen die schützenswerten Interessen der Gründungsgesellschafter und deren Geschäftspolitik gewahrt werden und ein unmittelbarer Einfluss auf Entscheidungen in der GmbH von bisher betriebsfremden Gesellschaftern vermieden werden. Auch unter dem Aspekt der ungestörten Fortführung des Familienunternehmens liegt eine Ausschlagung der Erbschaft mit der Konsequenz, dass die Geschwister des Erblassers als Erben zu einem Viertel nachrücken würden und gleichermassen wie die Ehefrau bzw. Witwe an den Nachlasswerten in natura berechtigt wären und die Erbteilung durchsetzen könnten, nicht im Interesse der Berufungskläger.
Die Auslegeordnung zeigt, dass in Gewichtung sämtlicher Aspekte die Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar mit einhergehender Sicherung der gegenwärtigen Existenzgrundlage im Interesse der Berufungskläger liegt und ihr daher der Vorzug zu geben ist. Der bezirksrätliche Beschluss ist demnach aufzuheben, die Zustimmung zur Ausschlagung zu verweigern und stattdessen die Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar zu erklären.
Bei den Verteilungsgrundsätzen der Zivilprozessordnung für die Kosten (Art. 106 f. ZPO) wird die freiwillige Gerichtsbarkeit nicht ausdrücklich erwähnt. In der Praxis werden die Kosten in solchen Fällen nicht nach dem Prinzip des Obsiegens/Unterliegens, sondern nach dem Verursachungs-Prinzip auferlegt (vgl.
Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO). Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, hat der Bezirksrat als Vorinstanz auf Antrag der Vormundschaftsbehörde einen im Rahmen seiner Kompetenz und seines Ermessens liegenden, unter den gegebenen Umständen durchaus vertretbaren Entscheid gefällt. Die Gebühr für den heutigen Endentscheid ist daher den Berufungsklägern aufzuerlegen. Die Kostenauflage an die Berufungskläger rechtfertigt sich auch unter dem nachfolgenden Gesichtspunkt: Die heute zu behandelnden Beschlüsse von Vormundschaftsbehörde
und Bezirksrat (act. 7 und act. 9/19), auferlegen den Berufungsklägern keine Kosten. Das Verfahren vor dem Bezirksrat richtet sich nach dem Verwaltungsrechtspflegegesetz (LS 175.2, abgekürzt VRG; § 4 VRG). Gemäss § 13 Abs. 1 VRG können die Verwaltungsbehörden für ihre Amtshandlungen Gebühren und Kosten auferlegen (vgl. dazu die Gebührenverordnung für die Verwaltungsbehörden,
LS 682). Gemäss § 3 d Ziff. 6 der Gebührenverordnung hätte in einem Fall wie dem vorliegenden (vom Bezirksrat) eine Staatsgebühr von bis zu Fr. 500.-verlangt werden können. Der Streitwert des heutigen Entscheids beträgt rund
Fr. 700'000.-- (act. 11 S. 3). Nach dem grundsätzlich anwendbaren (Art. 96 ZPO) kantonalen Tarif ergäbe sich selbst unter Berücksichtigung der üblichen Reduktionsgründe im Sinne von § 4 Abs. 2 i.V.m. § 12 GebV OG eine unverhältnismässig hohe Gebühr. Das Äquivalenzprinzip gebietet eine substantielle Reduktion. Die Entscheidgebühr ist auf Fr. 2'000.-festzusetzen.
Der Bezirksrat als Vorinstanz kann entgegen dem Antrag in der Berufung (act. 2 S. 12; § 191 GOG) nicht mit Kosten belastet werden, ganz abgesehen davon, dass er eine Verwaltungseinheit des Kantons darstellt, welcher kostenfrei ist (§ 200 lit. a GOG). Der Bezirksrat kann, da er Vorinstanz und nicht Gegenpartei ist, auch nicht zur Zahlung einer Prozessentschädigung an die Berufungskläger verpflichtet werden. Es besteht im Übrigen auch keine gesetzliche Grundlage, um die Berufungskläger bzw. deren Vertreter aus der Gerichtskasse zu entschä- digen (act. 21 S. 2, act. 22/1; Adrian Urwyler DIKE-Kommentar, N 12 zu Art. 107 ZPO m.w.H.).
Es wird erkannt:
Der angefochtene Beschluss des Bezirksrats Andelfingen vom 7. Mai 2012 wird aufgehoben, und die Zustimmung für die am 30. April 2012 von der Vormundschaftsbehörde E. namens der minderjährigen Kinder,
, geb. tt.mm.1998, B. , geb. tt.mm.2001 und C. , geb. tt.mm.2004, beantragte Ausschlagung der Erbschaft von D. , geboren tt.mm.1960, gestorben tt.mm.2011, wird verweigert.
Es wird namens der minderjährigen Kinder, A. , geb. tt.mm.1998, B. , geb. tt.mm.2001, und C. , geb. tt.mm.2004, Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar erklärt.
Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 2'000.-festgesetzt, den Berufungsklägern auferlegt und aus dem von ihnen geleisteten Vorschuss bezogen.
Es werden keine Prozessentschädigungen für das Rechtsmittelverfahren zugesprochen.
Die Kostenregelung für das Genehmigungsverfahren vor dem Bezirksrat als Aufsichtsbehörde (Dispositiv-Ziffer 2 des Beschlusses des Bezirksrats Andelfingen vom 7. Mai 2012) wird bestätigt.
Schriftliche Mitteilung an die Berufungskläger, Frau F. , [Adresse], das Bezirksgericht Andelfingen, Thurtalstr. 1, 8450 Andelfingen, die Vormundschaftsbehörde E. , die Direktion der Justiz und des Innern (Gemeindeamt des Kantons Zürich) sowie - unter Rücksendung der eingereichten Akten an den Bezirksrat Andelfingen, je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit mit einem Streitwert von rund Fr. 700'000.--.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:
lic. iur. D. Oehninger
versandt am:
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