Zusammenfassung des Urteils NQ120020: Obergericht des Kantons Zürich
Die Berufungsklägerin und der Kindsvater sind die unverheirateten Eltern eines Kindes. Nachdem sie zunächst über eine Adoption nachgedacht hatten, entschieden sie sich, das Kind doch nicht zur Adoption freizugeben. Die Vormundschaftsbehörde entzog der Berufungsklägerin die elterliche Obhut und ordnete eine Vormundschaft an. Der Bezirksrat trat nicht auf die Beschwerde ein, da die Rechtsmittelschrift nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Die Berufungsklägerin bat um Wiederherstellung der Frist, da sie angab, keine Post erhalten zu haben. Das Obergericht hob den Beschluss des Bezirksrates auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung zurück.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | NQ120020 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 31.05.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Adoption |
Schlagwörter : | Berufung; Berufungsklägerin; Bezirksrat; Adoption; Beschluss; Recht; Vormundschaft; Bezirksrates; Frist; Vormundschaftsbehörde; Entscheid; Verfahren; Zustimmung; Eltern; Rechtsmittel; Anforderung; Anhörung; Anforderungen; Antrag; Kindsvater; Begründung; Obergericht; Sinne; Akten; Eingabe; Zustellung; Auffassung; GerZH; Gespräch; Widerruf |
Rechtsnorm: | Art. 148 ZPO ;Art. 265a ZGB ;Art. 265b ZGB ;Art. 308 ZGB ;Art. 311 ZPO ;Art. 368 ZGB ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | 137 III 617; |
Kommentar: | Kölz, Bosshart, Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 1999 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: NQ120020-O/U
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichterin E. Lichti Aschwanden und Ersatzrichterin Prof. Dr. I. Jent-Sørensen sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. D. Tolic.
Beschluss vom 31. Mai 2012
in Sachen
Berufungsklägerin betreffend Adoption
Erwägungen:
Bisheriger Verfahrensgang
Die Berufungsklägerin, geb. tt.mm.1992, und D. , geb. tt.mm.1991, sind die unverheirateten Eltern der am tt.mm.2010 geborenen B. . Mit Beschluss der Vormundschaftsbehörde C. vom 5. September 2011 wurde für das Kind eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 2 und 3 ZGB errichtet, eine Beiständin ernannt und diese u.a. mit der Platzierung des Kindes in einer Pflegefamilie beauftragt (act. 11/3). Die Eltern hatten sich mit dem Gedanken getragen, ihre Tochter zur Adoption freizugeben, hatten sich dann aber nach ersten Gesprächen entschieden, B. in eine Pflegefamilie zu geben. Auf diesen Entschluss kamen sie zurück und sie unterzeichneten am 28. September 2011 bei der Fachstelle für Adoption in E. je eine Zustimmungserklärung zur Adoption im Sinne von Art. 265a ZGB (act. 11/4-6). Nach Anhörung der Eltern (act. 11/8) entzog die Vormundschaftsbehörde C. der Berufungsklägerin mit Beschluss vom 6. Oktober 2011 die elterliche Obhut und ordnete für die Zeit bis eine geeignete Adoptionsfamilie gefunden werde die Platzierung des Kindes in eine Übergangsfamilie an (act. 11/9). Anlässlich der Anhörung am 11. November 2011 auf der Gemeindeverwaltung betreffend Entzug der elterlichen Sorge erklärten sowohl die Berufungsklägerin als auch D. , dass sie seit ca. einer Woche mit Frau
F. von der Fachstelle für Adoption in Kontakt seien und sie sich entschieden hätten, B. nun doch nicht zur Adoption freizugeben (act. 11/10). Dies bekräftigten sie schriftlich am 15. November 2011 (act. 11/11) und anlässlich der weiteren Besprechung vom 30. November 2011 (act. 11/12).
Mit Beschluss vom 12. Dezember 2011 nahm die Vormundschaftsbehörde C. davon Kenntnis, dass die Berufungsklägerin der Adoption zugestimmt, diese Zustimmung jedoch nach Ablauf der ordentlichen Frist widerrufen habe (Ziff. 1). Alsdann entzog sie der Berufungsklägerin die elterliche Sorge gestützt auf Art. 312 Ziff. 2 ZGB, hob die Beistandschaft für das Kind auf und ordnete an deren Stelle eine Vormundschaft nach Art. 368 ZGB an (act. 11/14).
Am 17. Dezember 2011 erhoben die Kindseltern beim Bezirksrat Einsprache und Beschwerde (act. 11/16 = 5/1). Mit Verfügung vom 22. Dezember 2011 erwog der Präsident des Bezirksrates Dielsdorf, dass die eingereichte Rechtsmittelschrift den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge, da sie keinen klaren, unmissverständlichen Antrag enthalte. Er setzte der Berufungsklägerin und dem Kindsvater eine einmalige, nicht erstreckbare Frist zur Verbesserung an unter der Androhung, dass bei Säumnis ungenügendem Befolgen dieser Auflage auf das Rechtsmittel nicht eingetreten werde (act. 5/7). Der Entscheid wurde der Berufungsklägerin am 23. Dezember 2011 zugestellt (act. 5/8). Mit Präsidialverfügung vom 30. Januar 2012 erging eine allerletzte Fristansetzung unter gleicher Säumnisandrohung, nachdem innert Frist keine Reaktion seitens der Adressaten erfolgt war (act. 5/9). Diese Verfügung konnte nicht zugestellt werden (act. 5/10). Mit Beschluss vom 5. März 2012 trat der Bezirksrat Dielsdorf androhungsgemäss nicht auf die Beschwerde ein (act. 5/13). Der mit eingeschriebener Post versandte Entscheid wurde weder von der Berufungsklägerin noch vom Kindsvater abgeholt (act. 5/16 - 5/18).
Am 4. April 2012 wandte sich die Berufungsklägerin mit eingeschriebenem Brief an den Bezirksrat und verlangte, dass das Verfahren sofort gestoppt und zurückgezogen werde, sie habe klar und deutlich die Adoption zurückgezogen
(act. 5/19 = act. 3). Am 20. April 2012 beschloss der Bezirksrat das Schreiben zuständigkeitshalber dem Obergericht zu überweisen. Es ging hierorts zusammen mit den Akten des Bezirksrates am 23. April 2012 ein (act. 2). Mit Präsidialverfügung vom 24. April 2012 wurde die Berufungsklägerin im Sinne von § 188 Abs. 2 GOG zur mündlichen Befragung vorgeladen und die Prozessleitung delegiert. Sodann wurden die Akten der Vormundschaftsbehörde beigezogen (act. 6). Die Berufungsklägerin nahm die Vorladung am 26. April 2012 entgegen (act. 9). Am
21. Mai fand die Anhörung statt (Prot. S. 4 ff.). Mit Verfügung vom gleichen Tag wurde den Vorinstanzen Frist zur freigestellten Vernehmlassung angesetzt (act. 15). Beide Vorinstanzen verzichteten darauf mit Eingabe vom 24. bzw.
29. Mai 2012 (act. 17 und 18). Das Verfahren ist damit spruchreif.
Berufungsfrist
Gegen Entscheide des Bezirksrates in familienrechtlichen Angelegenheiten (Art. 90 - 456 ZGB) sind die Rechtsmittel der Zivilprozessordnung (ZPO) zulässig. Das Verfahren richtet sich grundsätzlich nach den Bestimmungen der Berufung im Sinne von Art. 308 ff. ZPO (§ 187 GOG). Das Rechtsmittel ist innert 10 Tagen nach Erhalt des Entscheides schriftlich bei der Berufungsinstanz einzureichen und muss einen Antrag und eine Begründung enthalten. Genügt die Rechtsmittelschrift den Anforderungen nicht, so wird eine Frist zur Behebung des Mangels angesetzt es erfolgt eine mündliche Befragung (§ 188 Abs. 1 und 2 GOG).
Der angefochtene Beschluss des Bezirksrates datiert vom 5. März 2012, wurde mit eingeschriebener Postsendung der Berufungsklägerin zugesandt und kam nach Ablauf der Abholfrist mit dem Vermerk nicht abgeholt an den Absender zurück (act. 5/17 und 5/18). Das bezirksrätliche Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG). Dieses schreibt den Zustellungsweg nicht vor. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kommen die Vorschriften der ZPO betreffend die Prozessleitung, das prozessuale Handeln und die Fristen ergänzend zur Anwendung (§ 71 VRG; Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum VRG des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, § 10 N 21). Nach
Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO gilt eine eingeschriebene Postsendung, die nicht abgeholt wurde, am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als zugestellt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste. Nachdem die Berufungsklägerin selbst Einsprache/Beschwerde beim Bezirksrat erhoben hatte und ihr eine erste Präsidialverfügung vom 22. Dezember 2011 tatsächlich zugegangen war, musste sie mit einer weiteren Zustellung rechnen, weshalb der Beschluss des Bezirksrates vom 5. März 2012 am 13. März 2012 als zugestellt zu gelten hat. Das im Übrigen unzutreffenderweise an den Bezirksrat gerichtete - Schreiben vom 4. April 2012, mit welchem sie das Adoptionsverfahren stoppen will, erweist sich damit als verspätet.
Die Berufungsklägerin teilte im erwähnten Schreiben vom 4. April 2012 mit, dass die Vormundin sie heute angerufen habe und sie keine schriftlichen Briefe
und auch keine Aufforderung zu einer Anhörung bekommen habe. Zudem habe sie sich vom Kindsvater getrennt und ihre Post sei vorzu verschwunden und zwar sowohl Briefe, die sie abschicken wollte, wie auch solche, die sie erhalten sollte und ebenso Postkarten und die dazu gehörenden Codes. Sie habe sehr schwierige Zeiten gehabt, emotional, gesundheitlich und absolut chaotisch und sei völlig überfordert gewesen. Langsam komme nun wieder Ruhe in ihr Leben und sie sei in einer gesicherten Ausbildung zur Kauffrau (act. 4 S. 1). Sinngemäss beruft sich die Berufungsklägerin auf einen unverschuldeten Nichterhalt des Bezirksratsentscheides, worin wiederum sinngemäss ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist zu erblicken ist. Deren Voraussetzungen in formeller Hinsicht sind insoweit erfüllt, als der Entscheid des Bezirksrates rund drei Monate zurückliegt (Art. 148 Abs. 3 ZPO). Unmittelbar nachdem die Berufungsklägerin vom Entscheid des Bezirksrates durch die entsprechende Information der Vormundin tatsächlich Kenntnis erhalten hatte, hat sie reagiert und ihre Eingabe verfasst
(Art. 148 Abs. 2 ZPO; vgl. act. 13 und Prot. S. 8).
Anlässlich der Anhörung vom 21. Mai 2012 durch die Referentin des Obergerichts schilderte die Berufungsklägerin, dass sie faktisch per 20. Februar 2012 aus der gemeinsamen Wohnung mit dem Kindsvater ausgezogen sei und seither bei den Eltern wohne, wo sie per Ende April 2012 auch angemeldet sei. Der Kindsvater sei dort wohnen geblieben und irgendwann weg gewesen, sie wisse nicht wann und wohin. Er habe ein grosses Chaos in der Wohnung hinterlassen. Nach ihrem Auszug sei sie, die Berufungsklägerin, regelmässig sicher jeden zweiten Tag an ihrer Wohnadresse vorbei gegangen um ihre Post allfällige Abholungseinladungen zu holen. Sie habe in der ganzen Zeit nichts erhalten. Bei der Räumung der Wohnung Ende April seien unzählige Schachteln mit bestellter Ware herumgelegen, darunter zum Teil auch Briefe, in denen sie, die Berufungsklägerin, den Kindsvater gebeten habe, gewisse Dinge zu erledigen. Sie führte sodann aus, dass sie sich nach dem 20. Februar 2012 (und vor dem 5. März 2012) telefonisch beim Bezirksrat erkundigt, jedoch keine Auskunft erhalten habe (Prot. S. 6-8). Diese unwiderlegten Aussagen der Berufungsklägerin bestätigen die Ausnahmesituation, in welcher sie sich im damaligen Zeitraum befunden hat und lassen die Annahme eines nur leichten Verschuldens an der Fristversäumnis als gerechtfertigt erscheinen. Die Berufungsfrist ist daher wieder herzustellen. Das Schreiben der Berufungsklägerin vom 4. April 2012 ist wie der Bezirksrat zu Recht angenommen hat als Rechtsmitteleingabe zu verstehen und als Berufung entgegenzunehmen.
Berufungsantrag und -begründung
Die Anforderungen an eine nicht rechtskundige Partei an Antrag und Begründung der Berufung sind gering. Als Antrag genügt eine Formulierung, aus der sich mit gutem Willen herauslesen lässt, wie das Obergericht entscheiden soll. Als Begründung reicht es aus, wenn auch nur rudimentär zum Ausdruck kommt, weshalb der angefochtene Entscheid nach Auffassung der Partei unrichtig sein soll. Sind auch diese minimalen Anforderungen nicht erfüllt, tritt das Obergericht auf das Rechtsmittel grundsätzlich nicht ein. Dies gilt unabhängig von den Prozessmaximen der ersten Instanz und der Zulässigkeit von Noven in der Berufung (O- GerZH LB110051 vom 29. September 2011; OGerZH PF110034 vom 22. August 2011; OGerZH NQ110031 vom 9. August 2011). Anders als nach der Praxis zu Art. 311 ZPO (vgl. OGerZH PF110013 vom 21. Juni 2011, BGer 4D_61/2011 vom
26. Oktober 2011, BGE 137 III 617) führt eine ungenügende Rechtsmittelschrift im Bereich der vormundschaftlichen Geschäfte allerdings gemäss § 188 Abs. 2 GOG nicht zum sofortigen Nichteintreten (OGerZH NQ120015).
Die Berufungsklägerin verlangt in ihrer Eingabe vom 4. April 2012, dass das Verfahren sofort gestoppt werde und sie verweist darauf, dass sie klar und deutlich die Adoption zurückgezogen habe (act. 4 S. 1). Mit diesem Antrag und der Begründung wird sie den formellen Anforderungen an eine Berufungsschrift nicht gerecht. Insbesondere ergibt sich nicht, weshalb sie der Auffassung ist, dass der Bezirksrat sein Verfahren nicht durch Nichteintreten hätte erledigen dürfen, was allein Gegenstand der Prüfung im vorliegenden Berufungsverfahren sein kann.
Anlässlich der Anhörung vom 21. Mai 2012 erklärte die Berufungsklägerin, sie sei der Auffassung der Bezirksrat sei zu Unrecht auf die Beschwerde nicht eingetreten. Sie habe im dortigen Verfahren klar gesagt was sie wolle, nämlich ihr Kind zurück und damit Aufhebung des Beschlusses der Vormundschaftsbehörde und
dies sei deutlich genug gewesen (Prot. S. 9/10) Des weiteren stellte sie an der Anhörung das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung (Prot. S. 4).
Nach der Befragung im Sinne von § 188 Abs. 2 GOG ergibt sich nun mit hinreichender Klarheit, aus welchen Gründen die Berufungsklägerin der Auffassung ist, der Beschluss des Bezirksrates vom 5. März 2012 sei unrichtig.
Nichteintretensentscheid des Bezirksrates
In ihrer Einsprache und Beschwerde gegen den Beschluss der Vormundschaftsbehörde C. vom 12. Dezember 2011 macht die Berufungsklägerin geltend, sie habe gegenüber Frau F. einen Tag vor Termin per Telefon mitgeteilt, dass sie (die Eltern) die Adoption zurückziehen. Zudem hätten sie Mitte Woche vor Termin noch ein Gespräch mit der Sozialbehörde C. gehabt, dass sie die Adoption zurückziehen wollten, worauf sie an die Adoptionsstelle verwiesen worden seien. Diese wiederum habe sie an die Vormundschaftsbehör- de verwiesen und dann sei noch Schriftlichkeit verlangt worden, weshalb sich die Sache in die Länge gezogen habe. Es habe dann noch ein Gespräch gefolgt, in welchem sie (die Eltern) klar mitteilten, dass sie die Tochter lieben und bei sich aufziehen wollen. Dann sei der Beschluss gekommen (act. 5/1 Ziff. 1). Die Berufungsklägerin geht im Weiteren auf einzelne Elemente der Begründung des angefochtenen Beschlusses der Vormundschaftsbehörde ein (act. 5/1 Ziff. 2)
Der Bezirksrat verweist in seiner Präsidialverfügung vom 22. Dezember 2011 auf § 23 VRG, gemäss welcher Bestimmung die Rekursschrift einen Antrag und dessen Begründung enthalten müsse. Diese Elemente sind zwar formelles Gültigkeitserfordernis. Es soll aber durch die Anforderung der Zugang zum Recht nicht erschwert werden. Welchen inhaltlichen Anforderungen Antrag und Begrün- dung zu genügen haben, ergibt sich nicht aus § 23 VRG und ist anhand von Sinn und Zweck dieser Rechtsvorkehren zu bestimmen. Dabei ist zu unterscheiden nach deren Bedeutung für die Behandlung der Sache und auf der andern Seite nach der Person, welche die Eingabe verfasst hat. Bei einer Laienbeschwerde sind die Anforderungen geringer, ebenso wenn die Mängel nicht wesentlich ins
Gewicht fallen sich ohne weiteres beheben lassen. Bei aller Formstrenge gilt es einen durch keine schutzwürdigen Interessen gerechtfertigten Formalismus sowie dem Sinn und Zweck der Formerfordernisse nicht angemessene prozessuale Folgen zu vermeiden. Das Verbot des überspitzten Formalismus bildet mithin die Schranke zur drohenden formellen Rechtsverweigerung (Kölz/Bosshart/Röhl,
a.a.O. § 23 N 1 - 3).
Aus Ziff. 1 der Einsprache/Beschwerde ergibt sich mit hinreichender Klarheit, dass die Berufungsklägerin der Auffassung ist, sie und der Kindsvater hätten rechtzeitig von ihrem Widerrufsrecht zur Adoption Gebrauch gemacht. Damit macht sie mindestens sinngemäss geltend, Dispositiv Ziff. 1 des angefochtenen Beschlusses sei unrichtig und aufzuheben. Ausdrücklich verlangt sie alsdann den Adoptionsstopp, womit wenn auch nicht förmlich, so doch jedenfalls inhaltlich hinreichend klar auch die weiteren Ziffern des Beschlusses, welche der Vorbereitung eben dieser Adoption dienen, nämlich Ziff. 2 Entzug der elterlichen Sorge, Ziff. 3 Aufhebung der Beistandschaft und Errichtung einer Vormundschaft als unrichtig betrachtet werden. Aus den vorinstanzlichen Akten unzweifelhaft ersichtlich ist die Berufungsklägerin sodann nicht rechtskundig und sie zeigte sich (jedenfalls im fraglichen Zeitraum) generell als mit ihrer ganzen Lebenssituation überfordert.
Bei dieser Sachlage und angesichts der materiellen Tragweite des Entscheides ohne Erläuterungen lediglich auf die formale Bestimmung von § 23 VRG und dessen Folgen bei Säumnis zu verweisen, erweist sich als zu formalistisch und kommt einer formellen Rechtsverweigerung gleich. Der Beschluss des Bezirksrates vom 5. März 2012 ist daher aufzuheben, und das Verfahren ist zur materiellen Beurteilung der Beschwerde zurückzuweisen.
Dabei wird folgendes zu beachten sein: Der Adoptionsfreigabeentscheid ist der erste Schritt im Adoptionsverfahren, welches das Kindesverhältnis zu den bisherigen Eltern zum erlöschen bringt. Es steht den Eltern um ihrer eigenen Persönlichkeit willen zu. Fehlt die Zustimmung, kann die Adoption nicht ausgesprochen werden. Hat sich ein die Adoption ablehnender Elternteil um das Kind gekümmert (Art. 265 c Ziff. 2 e contrario), so liegt die Fortführung dieser rechtlichen und sozialen Beziehung (vorbehältlich Rechtsmissbrauch) im vorrangigen Interesse des
Kindes (BSK ZGB I-Breitschmid, 4. Aufl., Art. 265a ZGB N 1 und 6). Die einmal erteilte Zustimmung zur Adoption kann binnen einer Bedenkund Reuefrist von sechs Wochen seit ihrer Entgegennahme widerrufen werden (Art. 265b Abs. 2 ZGB). Dabei bedarf der Widerruf weder einer qualifizierten Form noch einer Begründung. Er kann wie die Zustimmung schriftlich mündlich erfolgen (BSK ZGB I - Breitschmid, a.a.O., Art. 265b N 5 und 6 i.V.m. Art. 265a N 8f.).
Aus den Akten der Vormundschaftsbehörde C. - und dies ist auch im streitgegenständlichen Beschluss festgehalten ergibt sich klar, dass die Berufungsklägerin innerhalb der Widerrufsfrist das Gespräch mit der Fachstelle für Adoption suchte und sie sich ernsthaft überlegte, ihre Zustimmung zurück zu ziehen. Den effektiven Rückzug soll sie am 10. November 2011, d.h. einen Tag nach Ablauf der Widerrufsfrist, telefonisch bei der Fachstelle deponiert haben, einen Tag später tat sie das mündlich bei der Vormundschaftsbehörde und alsdann am 15. November 2011 noch schriftlich. Seither hat sich keine Änderung mehr in der Haltung der Berufungsklägerin ergeben (vgl. act. 11/10-13). Gemäss ihrer Beschwerde vom 17. Dezember 2011 will die Berufungsklägerin noch während der Frist bei einem Gespräch der Sozialbehörde C. mitgeteilt haben, dass sie die Zustimmung zurückziehen wolle (act. 5/1). Angesichts der noch innerhalb der Frist den zuständigen Behörden zur Kenntnis gebrachten ernsthaften Zweifel an der erfolgten Zustimmungserklärung erscheint es äusserst fraglich, ob die Behörde auf die Zustimmungserklärung abstellen und den innert Frist absehbaren aber erst einen Tag zu spät formell korrekt deponierten Widerruf der Zustimmung zurückweisen durfte. Mit Blick auf die Tragweite des mit der Adoption verbundenen Eingriffs in die Grundrechte und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass über die bisher bereits involvierten Personen (Kind und Übergangsfamilie) hinaus bis zu jenem Zeitpunkt keine weiteren Schritte erfolgt sind, die weitere schützenswerte Interessen begründeten, stellt sich auch hier die Frage des überspitzten Formalismus.
Kostenund Entschädigungsfolgen
Ist der Beschluss gemäss den vorstehenden Erwägungen aufzuheben und die Sache zurückzuweisen, fallen für die Berufungsklägerin im Berufungsverfahren keine Kosten an. Ihr Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird damit gegenstandslos.
Die Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz. Der Berufungsklägerin ist mangels gesetzlicher Grundlage keine Umtriebsentschädigung zuzusprechen.
Es wird beschlossen:
Das Gesuch der Berufungsklägerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgeschrieben.
Die Berufungsfrist wird wiederhergestellt und die Eingabe der Berufungsklägerin vom 4. April 2012 als Berufung entgegen genommen.
Der Beschluss des Bezirksrates vom 5. März 2012 wird aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz.
Schriftliche Mitteilung an die Berufungsklägerin, an die Vormundschaftsbehörde C. , die Vormundin, die Direktion der Justiz und des Innern (Gemeindeamt des Kantons Zürich) sowie unter Rücksendung der Akten an den Bezirksrat Dielsdorf, je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. D. Tolic versandt am:
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