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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:NP180014
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid NP180014 vom 08.10.2018 (ZH)
Datum:08.10.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Forderung
Schlagwörter : Arbeit; Versicherung; Beruf; Berufung; Partei; Erwerbsunfähigkeit; Klagt; Klägers; Arbeitsunfähigkeit; Verweis; Vorinstanz; Verweistätigkeit; Beweis; Zugehen; Angestammte; Gutachten; Klage; Urteil; Prämienbefreiung; Autoverkäufer; Arbeitsfähigkeit; Angestammten; Auszugehen; Selbständig; Beklagten; Selbständiger; Verfahren; -Gutachten; Anspruch; Leistung
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 55 BV ; Art. 8 ZGB ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:130 III 321; 140 III 24; 144 III 117;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: NP180014-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden und Oberrichter Dr. S. Mazan sowie Gerichtsschreiberin Dr. M. Isler

Urteil vom 8. Oktober 2018

in Sachen

  1. AG,

    Beklagte und Berufungsklägerin

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. .

    gegen

  2. ,

    Kläger und Berufungsbeklagter

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.

    betreffend Forderung

    Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes (10. Abteilung) des Bezirksgerichtes Zürich vom 15. Februar 2018; Proz. FV170155

    Rechtsbegehren (act. 2 S. 2):

    1. Es sei die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Fr. 30'000.- nebst Zins zu 5% p.a. ab 1. August 2017 (Teil der ab 1. November 2014 fälligen Forderung aus Erwerbsunfähigkeitsrente und Prämienbefreiung aus dem Versicherungsvertrag mit der Police-Nr. ...) zu bezahlen.

    1. Es sei davon Vormerk zu nehmen, dass es sich bei der vorliegenden Klage um eine Teilklage (Teil der ab 1. November 2014

      fälligen Forderung aus Erwerbsunfähigkeitsrente und Prämienbefreiung aus dem Versicherungsvertrag mit der Police-Nr. ...) handelt und dass weitere Forderungen dem Versicherungsvertrag mit der Police-Nr. ... vorbehalten bleiben.

    2. Unter Kostenund Entschädigungsfolge zulasten der Beklagten.

Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 15. Februar 2018:
  1. Die beklagte Partei wird verpflichtet, der klagenden Partei

    Fr. 30'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. August 2017 zu bezahlen.

  2. Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'950.- festgesetzt.

  3. Die Gerichtskosten werden der beklagten Partei auferlegt und mit den geleisteten Vorschüssen der Parteien verrechnet.

  4. Die beklagte Partei wird verpflichtet, der klagenden Partei eine Parteientschädigung von Fr. 5'525.- (inkl. Kosten des Schlichtungsverfahrens) zu bezahlen. Zudem hat sie der klagenden Partei den Kostenvorschuss von Fr. 3'950.- zu ersetzen.

  5. [Schriftliche Mitteilung].

  6. [Berufung].

Berufungsanträge:

der Beklagten und Berufungsklägerin (act. 26 S. 2):

In Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sei die Klage abzuweisen,

unter Kostenund Entschädigungsfolge (zzgl. Mehrwertsteuer) zu Lasten des Klägers.

des Klägers und Berufungsbeklagten (act. 35 S. 2):

1. Es sei die Berufung abzuweisen und das Urteil des Einzelgerichts (10. Abteilung) des Bezirksgerichts Zürich vom 15. Februar 2018, Geschäfts-Nr. FV170155, zu bestätigen.

2. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten und Berufungsklägerin.

Erwägungen:
  1. Sachverhaltsüberblick

    1. Der Kläger und Berufungsbeklagte (nachfolgend: Kläger) absolvierte eine Ausbildung als Automechaniker und war später als selbständiger Autoverkäufer tätig. Die Beklagte und Berufungsklägerin (nachfolgend: Beklagte) ist eine Versicherung mit Sitz in C. und bezweckt unter anderem den Betrieb der Lebensversicherung und aller übrigen Versicherungszweige, welche eine Lebensversicherungsgesellschaft auf Grund der gesetzlichen Vorschriften betreiben kann.

    2. Im Jahr 1991 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss einer Lebensversicherung. Am 8. Mai 1991 schlossen die Parteien einen Versicherungsvertrag mit der Police-Nr. ... ab. Die Police umfasst unter anderem eine Erwerbsunfähigkeits-Versicherung, die bei Erwerbsunfähigkeit eine jährliche Rente von Fr. 48'000.00 bis am 30. April 2017 und eine Prämienbefreiung vorsieht (act. 4/3). Art. 55 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sieht zum Umfang der Erwerbsunfähigkeitsleistungen Folgendes vor (act. 4/4 S. 8):

      Art. 55 In welchem Ausmass werden Erwerbsunfähigkeitsleistungen erbracht

      a. Renten und/oder Prämienbefreiung gewährt die entsprechend dem Grade der Erwerbsunfähigkeit, sofern der Versicherte wegen seiner Erwerbsunfähigkeit einen Erwerbsausfall oder einen diesem entsprechenden finanziellen Nachteil erleidet. Beträgt die Erwerbsunfähigkeit mindestens 2/3, so werden die vollen Leistungen erbracht. Bei Erwerbsunfähigkeit von weniger als ¼ besteht keine Leistungspflicht.

    3. Mit Schreiben vom 14. Mai 1997 anerkannte die Beklagte ihre Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag vom 8. Mai 1991 und erbrachte in der Folge Rentenund Prämienbefreiungsleistungen. In den vergangenen 20 Jahren war und ist jedoch der Grad der Erwerbsunfähigkeit des Klägers zwischen den Parteien umstritten. Für die im vorliegenden Fall in Frage stehende Zeit vom

      1. November 2014 bis zum Versicherungsende am 30. April 2017 macht der Kläger geltend, dass ihm die vollen Leistungen, also die ab einem Erwerbsunfähigkeitsgrad von mehr als 2/3 geschuldeten Leistungen, zustünden. Demgegenüber geht die Beklagte von einem tieferen Erwerbsunfähigkeitsgrad aus und gewährte dem Kläger eine Rente und Prämienbefreiung im Umfang von 62%.

    4. Mit der vorliegenden Teilklage macht der Kläger einen Teil der Differenz der in der Zeit vom 1. November 2014 bis am 30. April 2017 effektiv ausgerichteten Rentenund Prämienbefreiungsleistungen von 62% und der von ihm geforderten 100%-igen Versicherungsleistungen geltend.

  2. Prozessgeschichte

    1. Mit Klage vom 14. August 2017 gelangte der Kläger ans Bezirksgericht Zürich und stellte das obgenannte Rechtsbegehren (act. 2). In ihrer Klageantwort vom 10. Oktober 2017 beantragte die Beklagte die Abweisung der Klage (act. 13). Anlässlich der Hauptverhandlung vom 7. Dezember 2017 hielten der Kläger (Prot.

      S. 5-7 sowie act. 17) und die Beklagte an ihren Anträgen fest (Prot. S. 8-9). Mit Urteil vom 15. Februar 2018 hiess das Einzelgericht am Bezirksgericht Zürich die Klage gut und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger Fr. 30'000.00 nebst Zins zu 5% seit 1. August 2017 zu bezahlen (act. 20 = act. 28 [Obergerichtsexemplar]).

    2. Mit Berufung vom 20. April 2018 beantragte die Beklagte, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Klage abzuweisen (act. 26). Mit Berufungsantwort vom 5. Juli 2018 beantragte der Kläger, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen (act. 35). Die Berufungsantwort wurde der Beklagten am 6. Juli 2018 zur Kenntnisnahme zugestellt (act. 36).

      2.3 Das Verfahren ist spruchreif.

  3. Materielles

3.1 Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage der Leistungspflicht der Beklagten aus der Erwerbsunfähigkeits-Versicherung vom 8. Mai 1991 mit der Police-Nr. ... für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum Ablauf der Police am 30. April 2017. Aus der Police ergibt sich, dass bei Erwerbsunfähigkeit die Rente Fr. 48'000.00 pro Jahr und die Prämienbefreiung Fr. 2'818.00 pro Jahr bzw. Fr. 704.50 pro Quartal beträgt. Die Parteien sind sich darin einig, dass die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. November 2014 bis

30. April 2017 Rentenund Prämienbefreiungsleistungen im Umfang von 62% - und

nicht von 60%, wie die Vorinstanz angenommen hat (act. 28 S. 4) - und damit Fr. 7'876.79 pro Quartal ausbezahlt hat (act. 26 Rz. 3 [Beklagte]; act. 35 Rz. 5 f. und act. 2 Rz. 44 [Kläger]). Für ausstehende Erwerbsunfähigkeitsrenten und Prämienbefreiungen in der Zeit zwischen 1. November 2014 und 30. April 2017 macht der Kläger im vorliegenden Verfahren die Differenz von Fr. 4'827.71 pro Quartal zuzüglich Zins, das heisst insgesamt Fr. 51'596.15 geltend (zur genauen Berechnung vgl. act. 2 Rz. 44). Davon klagt er einen Teilbetrag von Fr. 30'000.00 ein und behält sich ein Nachklagerecht vor.

    1. Die Vorinstanz hiess die Klage gut und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass gestützt auf das D. -Gutachten vom 12. Juli 2016 im relevanten Zeitraum vom 1. November 2014 bis am 30. April 2017 interdisziplinär von einer Arbeitsfähigkeit des Klägers in der angestammten Tätigkeit von 0% und in einer Verweistätigkeit von 40% auszugehen sei. Für die Zeit von 1. November bis Dezember 2015 bzw. Januar 2016 sei wegen einer Handund Augenoperation von einer Arbeitsunfähigkeit von 100% auszugehen. Ferner sei in der Zeit vom 28. September 2016 bis zum 14. Dezember 2016 wegen einer Operation eines Blasenkarzinoms ebenfalls von einer Arbeitsunfähigkeit von 100% auszugehen. Für die restliche Zeit, für welche gemäss dem D. -Gutachten interdisziplinär von einer Arbeitsfähigkeit von

      40% auszugehen sei, sei nicht erwiesen, dass ein Arbeitgeber den Kläger mit einem 40%-Pensum anstellen würde.

    2. Vorab ist zu klären, welche Partei die Anspruchsvoraussetzungen zu beweisen hat und welche Anforderungen an den Beweis zu stellen sind. Gemäss Art. 8 ZGB hat, wo es das Gesetz nicht anders bestimmt, derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. Demgemäss hat die Partei, die einen Anspruch geltend macht, die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen, während die Beweislast für die rechtsaufhebenden bzw. rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Tatsachen bei der Partei liegt, die den Untergang des Anspruchs behauptet oder dessen Entstehung oder Durchsetzbarkeit bestreitet. Nach der erwähnten Grundregel hat der Anspruchsberechtigte (hier der Kläger) die Tatsachen zur Begründung des Versicherungsanspruchs zu beweisen, also namentlich das Bestehen eines Versicherungsvertrags, den Eintritt des Versicherungsfalls und den Umfang des Anspruchs. Die Versicherung (hier die Beklagte) trifft die Beweislast für Tatsachen, die sie zu einer Kürzung oder Verweigerung der vertraglichen Leistung berechtigen (z.B. wegen schuldhafter Herbeiführung des befürchteten Ereignisses) oder die den Versicherungsvertrag gegenüber Anspruchsberechtigten unverbindlich machen (z.B. wegen betrügerischer Begründung des Versicherungsanspruchs). Da der Beweis für den Eintritt des Versicherungsfalls regelmässig mit Schwierigkeiten verbunden ist, geniesst der beweispflichtige Anspruchsberechtigte die Beweiserleichterung des Beweismasses der überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Gelingt es dem Versicherer im Rahmen des ihm zustehenden Gegenbeweises, an der Sachdarstellung des Anspruchsberechtigten erhebliche Zweifel zu wecken, so ist der Hauptbeweis des Anspruchsberechtigten gescheitert (BGE 130 III 321 E. 3.1 und 3.5). Wenn der Versicherte durch den Gesundheitsschaden seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, aber anzunehmen ist, dass er einer anderen Erwerbstätigkeit nachgehen kann, dann muss zunächst abgeklärt werden, ob und welche anderen Erwerbsmöglichkeiten dem Versicherten offen stehen. Dabei müssen seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Lebensstellung angemessen berücksichtigt werden, und die Ausübung der konkret ins Auge gefassten

      Erwerbstätigkeit muss ihm zumutbar sein. Die Beweislast dafür, dass dem Versicherten andere Tätigkeiten zumutbar sind, trägt der Versicherer (VVG-Ileri, Art. 88 N 30 f. und OGer ZH,

      II. ZK, Urteil vom 25. August 1989 publ. in Plädoyer 1993, 65).

    3. Zunächst macht die Beklagte geltend, dass im D. -Gutachten vom

      12. Juli 2016 zu Unrecht von einer angestammten Tätigkeit des Klägers als Autolackierer/Mechaniker ausgegangen werde und dass der Kläger in dieser Tätigkeit zu 100% arbeitsunfähig sei. Tatsächlich habe der Kläger in der Gesundheitserklärung vom 15. April 1991 als Arbeitstätigkeit selbständiger Kaufmann/Autoverkäu-fer angegeben. Für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit sei eine Beschäftigung als selbständiger Kaufmann/Autoverkäufer und nicht eine solche als Autolackierer/Mechaniker massgebend. Entscheidend sei die Frage, ob der Kläger in der von ihm deklarierten Tätigkeit selbständiger Kaufmann/Autoverkäufer oder in einer anderen seiner Lebensstellung, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten angemessenen Tätigkeit (Art. 50 AVB) aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen in der Zeit vom 1. November 2014

      bis am 30. April 2017 zu mehr als 2/3 arbeitsunfähig gewesen sei (act. 26 Rz. 4 und Rz. 9). Die Vorinstanz hat sich ausführlich zur Frage der angestammten beruflichen Tätigkeit des Klägers geäussert: Im Wesentlichen hielt sie fest, dass als massgebender Zeitpunkt für die Bestimmung der angestammten Tätigkeit von den Verhältnissen in der Zeit vor dem Eintritt des Versicherungsfalls im Mai/August 1994 auszugehen sei; in der Gesundheitserklärung vom 15. April 1991 habe der Kläger erklärt, selbständig im Autohandel als Kaufmann/Autoverkäufer tätig zu sein, bei gelerntem Beruf als Autoservicemann; aus dem Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 9. Januar 2003 (act. 19, insbes. E. 3.1) gehe hervor, dass der Kläger am 1. Februar 1995 eine Halbtagesstelle als Automechaniker/Autoverkäufer/Allrounder in einem Garagenbetrieb angetreten habe, den Arbeitsvertrag aus gesundheitlichen Gründen aber bereits Ende August 1995 wieder aufgelöst habe; auch die Beklagte sei in einem internen Rapport vom 6. Februar 1996 (vgl. act. 14/3,

      insbes. S. 1) davon ausgegangen, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit im Bereich

      des Autound Boothandels immer wieder Autos und Boote repariert habe (vgl. act. 28 S. 19 f.). Mit diesen Argumenten setzt sich die Beklagte nicht auseinander, sondern beschränkt sich im Wesentlichen auf den Hinweis auf die vom Kläger in der Gesundheitserklärung deklarierte Tätigkeit als selbständiger Kaufmann/Autoverkäufer. Gleichzeitig räumt sie jedoch ein, dass der Kläger als selbständiger Exportautohändler selbst gewisse Aufbereitungsund Reinigungsarbeiten vorgenommen haben könnte (act. 26 Rz. 9, vgl. auch Rz. 4). Es kann deshalb als erstellt gelten, dass sich die angestammte Tätigkeit des Klägers vor Eintritt des Versicherungsfalls nicht in einer rein administrativen Tätigkeit als selbständiger Kaufmann/Autoverkäufer erschöpfte, sondern dass er selbst auch handwerkliche Arbeit verrichtete. Es ist daher gestützt auf das

      D. -Gutachten vertretbar zu argumentieren, dass der Kläger in seiner angestammten Tätigkeit zu 100% arbeitsunfähig ist. Letztlich ist die genaue Definition der angestammten Tätigkeit des Klägers ohnehin von untergeordneter Bedeutung. Entscheidend ist, dass das D. -Gutachten dem Kläger für die Zeit vom November 2014 bis Dezember 2015/Januar 2016 wegen einer Handund Augenoperation und für die Zeit vom 28. September 2016 bis zum

      14. Dezember 2016 wegen einer Operation eines Blasenkarzinoms eine 100%- ige Arbeitsunfähigkeit auch in einer Verweistätigkeit attestiert. Darauf wird nachfolgend einzugehen sein (E. 3.5. und 3.6). Anschliessend wird auf die Frage einzugehen sein, ob der Kläger in der restlichen Zeit der relevanten Periode von November 2014 bis April 2017 in einer Verweistätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von 40% aufweist (E. 3.7).

    4. Die Vorinstanz ging wegen einer Handund Augenoperation von einer 100%-igen Arbeitsunfähigkeit des Klägers in der Zeit vom November 2014 bis Dezember 2015/Januar 2016 aus; das Ende dieser Phase ist nicht exakt definiert, weil das augenärztliche Teilgutachten von einer 50-100%-igen Arbeitsunfähigkeit bis am 11. Januar 2016 sprach (act. 4/8 S. 69 und insbes. S. 71 unten). Die Vorinstanz stützte sich dabei in erster Linie auf das D. -Gutachten vom 12. Juli 2016, in welchem festgehalten wurde: Von Nov. 2014 - Januar 2016 bestand eine 100%-ige AUF auch in Verweistätigkeit wegen der Hand und der AugenOperation (act. 4/8 S. 29).

      1. Dagegen wendet die Beklagte zunächst ein, der Kläger habe eine 100%- Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom November 2014 bis Januar 2016 nicht genügend substantiiert behauptet (act. 26 Rz. 7). Dieser Einwand ist nicht überzeugend. Der Kläger führte in seiner Klage aus, dass er ausserstande sei, seiner angestammten Tätigkeit als selbständiger Autohändler/-servicemann nachzugehen (act. 2 Rz. 38); er sei in der Zeit von November 2014 bis Januar 2016 auch in einer Verweistätigkeit, d.h. in irgend einer anderen Tätigkeit, wegen einer Handund Augenoperation 100% arbeitsund erwerbsunfähig gewesen (act. 2 Rz. 39). Weshalb diese Behauptung nicht genügend substantiiert sein soll, ist nicht einzusehen.

      2. Insbesondere stellt die Beklagte in Frage, ob mit dem oben zitierten Satz des D. -Gutachtens eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit des Klägers auch in einer Verweistätigkeit im Zeitraum vom November 2014 bis Januar 2016 bewiesen sei. Es sei unverständlich, weshalb die Vorinstanz dem D. - Gutachten vollumfänglichen Beweiswert zuerkannt habe (act. 26 Rz. 10). Die im zitierten Satz postulierte 100%ige-Arbeitsunfähigkeit auch in einer Verweistätigkeit werde durch die Teilgutachten (insbesondere das orthopädische und ophtalmologische Teilgutachten) nicht bestätigt und sei auch interdisziplinär mit keinem Wort begründet worden (act. 24 Rz. 11). Vorab ist grundsätzlich festzuhalten, dass das in einem IV-Verfahren erstellte D. -Gutachten vom

        12. Juli 2016 im vorliegenden Zivilprozess als Gutachten im Sinn von Art. 168 Abs. 1 lit. d ZPO als Beweismittel beigezogen werden kann (BGE 140 III 24 E. 3.3.1.3). Die Vorinstanz ging davon aus, dass gemäss dem orthopädischen Teilgutachten von einer Arbeitsfähigkeit von 70% erst ab Dezember 2015 ausgegangen werden könne (act. 28 S. 22 unten mit Verweis auf act. 4/8 S. 23 unten); für die Zeit bis zum Dezember 2015 finde sich keine explizite Annahme über den Grad der Arbeitsfähigkeit, doch gehe das Gutachten für jene Zeit offensichtlich von einer Arbeitsfähigkeit von 0% aus (act. 28 S. 22 unten). Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden, zumal der Kläger in seiner Replik vor Einzelgericht unangefochten festgehalten und belegt hat, dass der operierende Handchirurg Dr. E. nach der Operation vom 11. November 2014 noch am

        22. Mai 2015 bis auf weiteres von einer 100%-igen Arbeitsunfähigkeit des Klägers

        ausgegangen sei (act. 17 S. 13 mit Hinweis auf act. 18/5 Blatt 1). Weiter ging die Vorinstanz davon aus, dass im ophtalmologischen Teilgutachten des Augenzentrums F. wegen einer Kataraktoperation am linken Auge vom 18. November 2014 von einer 50-100%-igen Arbeitsunfähigkeit bis am 11. Januar 2016 ausgegangen worden sei (act. 28 S. 23 mit Hinweis auf act. 4/8 S. 69 und insbes. S. 71 unten). Die Annahme der Beklagten, dies gelte nicht für eine Verweistätigkeit z.B. als selbständiger Autoverkäufer (act. 26 S. 8), ist nicht überzeugend, weil nicht einzusehen ist, weshalb eine Augenoperation sich auf die Arbeitsfähigkeit bei einer manuellen Tätigkeit (Autolackierer, Automechaniker) anders als bei einer Bürotätigkeit (Autoverkäufer) auswirken soll.

      3. Insgesamt hielt die Vorinstanz zutreffend fest, dass in der Zeit von November 2014 bis Dezember 2015/Januar 2016 von einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit des Klägers auch in einer Verweistätigkeit auszugehen war. Das D. -Gutachten ist insoweit beweisbildend.

    5. Weiter ging die Vorinstanz auch für die Zeit vom 28. September 2016 bis

      14. Dezember 2016 von einer 100%igen Arbeitsund Erwerbsunfähigkeit des Klägers aus, welche im Zusammenhang mit einer Operation eines Blasenkarzinoms am 27. Oktober 2016 stehe. Sie stützte sich dabei auf ein Arztzeugnis von Dr. G. vom 11. November 2016 und weitere Beilagen (act. 18/1).

      1. In diesem Zusammenhang weist die Beklagte zunächst darauf hin, dass ungeklärt sei, weshalb der Kläger diese Behauptung im erstinstanzlichen Verfahren nicht schon in der Klage vom 14. August 2017, sondern erst anlässlich der Hauptverhandlung vom 7. Dezember 2017 vorgebracht habe (act. 26 Rz. 8). Dieser Einwand ist nicht überzeugend, weil die Parteien nach der Rechtsprechung sowohl im ordentlichen als auch im vereinfachten Verfahren zweimal die Möglichkeit haben, sich unbeschränkt zu äussern (BGE 144 III 117 E. 2.2, 140 III 450 E. 3.2). Der Kläger war daher berechtigt, anlässlich der Hauptverhandlung vom 7. Dezember 2017 neue Behauptungen vorzutragen.

      2. Weiter bringt die Beklagte vor, das Arbeitsunfähigkeitszeugnis von Dr. G. vom 11. November 2016 sei zuhanden des Klägers und nicht eines Arbeitgebers ausgestellt worden und enthalte keine Angaben zu medizinisch

      objektivierten gesundheitlichen Einschränkungen in einer vom Kläger ausgeübten Erwerbstätigkeit, insbesondere auch nicht in einer Tätigkeit als Autoverkäufer. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Vorinstanz dem Arbeitsunfähigkeitszeugnis vollen Beweiswert beimesse (act. 26 Rz. 12). Vorab ist festzuhalten, dass der Beklagte nicht in Abrede stellt, dass der Kläger am 27. Oktober 2016 wegen eines Blasenkarzinoms operiert werden musste. Im Übrigen beschränken sich die vom Kläger eingereichten Belege nicht bloss auf ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis

      (act. 18/1 Blatt 1), sondern umfassen auch einen ärztlichen Bericht von Dr. G. vom 14. November 2016 (act. 18/1 Blatt 2) und einen Bericht von Dr. H. an Dr. G. über die Abschlussuntersuchung des Klägers

      (act. 18/1 Blatt 3). Die Vorinstanz hielt zutreffend fest, dass von der Richtigkeit dieser Dokumente und ihres Inhalts auszugehen sei und dass ihnen Beweiswert zukomme; zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen ist auf diese Begründung zu verweisen (act. 28 S. 24 f.).

    6. Schliesslich ist noch zu klären, ob beim Kläger in der restlichen Zeit von ca. Januar 2016 bis 27. September 2016 sowie von 15. Dezember 2016 bis 30. April 2017 - unter der Annahme einer 100%-igen Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit - wenigstens von einer 40%-igen Arbeitsfähigkeit in einer Verweistätigkeit auszugehen ist. Für die Frage, ob und welche anderen Erwerbsmöglichkeiten als die angestammte Tätigkeit dem Beklagten offen stehen, müssen seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Lebensstellung angemessen berücksichtigt werden, und die Ausübung der konkret ins Auge gefassten Erwerbstätigkeit muss ihm zumutbar sein. Wie erläutert trägt die Beklagte die Beweislast dafür, dass dem Kläger eine andere Tätigkeiten - und wenn ja welche

      - zumutbar ist (E. 3.3). Diesen Beweis hat die Beklagte nicht erbracht. Im erstinstanzlichen Verfahren beschränkte sich die Beklagte auf den Hinweis, dass es im Arbeitsmarkt 40%-Stellen gebe, was gerichtsnotorisch sei und keines Beweises bedürfe (act. 13 Rz. 37). Dazu legte die Vorinstanz mit ausführlicher und zutreffender Begründung dar, dass für den Kläger nicht jede 40%-Stelle im

      Rahmen einer Verweistätigkeit überhaupt in Frage käme, weshalb nicht als gerichtsnotorisch bezeichnet werden könne, dass der Kläger eine geeignete 40%- Stelle finden könnte. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann auf diese Begründung verwiesen werden (act. 28 E. 5.2 S. 26 f.). Die Beklagte konnte somit nicht nachweisen, dass der Kläger für die Phasen von ca. Januar 2016 bis 27. September 2016 sowie von 15. Dezember 2016 bis 30. April 2017 eine Stelle mindestens mit einem 40%-Arbeitspensum in einer Verweistätigkeit hätte finden können.

    7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorinstanz die Klage zu Recht gutgeheissen hat. In der Zeit von November 2014 bis Dezember 2015/Januar 2016 war der Kläger wegen einer Handund Augenoperation nicht nur in der angestammten Tätigkeit, sondern auch in einer Verweistätigkeit 100% arbeitsunfähig (vgl. E. 3.5). Weiter war der Kläger auch in der Zeit vom 28. September 2016 bis 14. Dezember 2016 wegen der Operation eines Blasenkarzinoms am 27. Oktober 2016 zu 100% arbeitsunfähig war, und zwar auch in einer Verweistätigkeit (vgl. E. 3.6). In der Zeit von ca. Januar 2016 bis 27. September 2016 sowie vom 15. Dezember 2016 bis am 30. April 2017, wäre zwar von einer theoretischen Arbeitsfähigkeit im Umfang von 40% in einer Verweistätigkeit auszugehen, doch konnte die Beklagte nicht nachweisen, dass der Kläger eine entsprechende Stelle hätte finden können (E. 3.7). Für den Fall, dass von einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Umfang von mindestens 2/3 auszugehen ist, hat die Beklagte gemäss Art. 55 ABV die vollen Leistungen zu erbringen. Die vorinstanzliche Berechnung dieser Leistungen (vgl. act. 28 S. 28 f.) ist im vorliegenden Verfahren unbestritten geblieben. Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, und das angefochtene Urteil ist zu bestätigen.

4. Kostenund Entschädigungsfolgen

Da die Beklagte unterliegt, wird sie kostenund entschädigungspflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO).

Es wird erkannt:
  1. Die Berufung wird abgewiesen. Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich,

    1. Abteilung - Einzelgericht, vom 15. Februar 2018 wird bestätigt.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'950.00 festgesetzt.

  3. Die Gerichtskosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Beklagten auferlegt und mit ihrem Kostenvorschuss verrechnet.

  4. Die Bekagte wird verpflichtet, dem Kläger für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'700.00 zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an das Bezirksgericht Zürich,

    1. Abteilung - Einzelgericht, und an die Obergerichtskasse, je gegen Empfangsschein.

      Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 30'000.00.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Vorsitzende:

lic. iur. A. Katzenstein

Die Gerichtsschreiberin:

Dr. M. Isler

versandt am:

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