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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:NP160023
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid NP160023 vom 30.09.2016 (ZH)
Datum:30.09.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Forderung
Schlagwörter : Teppich; Beklagten; Berufung; Vertrag; Recht; Geschäft; Urteil; Vertreter; Widerruf; Vorinstanz; Teppichs; Geschäftsräume; Teppich; Wohnung; Klage; Haustürgeschäft; Gerin; Beeinflussung; Geschäftsräumen; Wohnräumen; Anbahnung; Teppiche; Parteien; Gericht; Widerrufsrecht; Gefahren; Vertragsschluss; Anbahnungssituation; Berufungsbeklagte; Abteilung
Rechtsnorm: Art. 101 ZPO ; Art. 292 StGB ; Art. 312 ZPO ; Art. 40b OR ; Art. 40e OR ; Art. 40f OR ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: NP160023-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichter lic. iur. et phil. D. Glur und Oberrichter Dr. P. Higi sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. O. Canal

Urteil vom 30. September 2016

in Sachen

  1. ,

    Beklagte und Berufungsklägerin

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

    gegen

  2. ,

    Klägerin und Berufungsbeklagte

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.

    betreffend Forderung

    Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes (10. Abteilung) des Bezirksgerichtes Zürich vom 21. April 2016; Proz. FV150138

    Rechtsbegehren:

    (act. 2 S. 2)

    1. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin CHF 24'000.00 nebst Zins zu 5% seit dem 18. November 2014 zu zahlen;

    2. Der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamtes Zü- rich 11 (Zahlungsbefehl vom 30. Januar 2015) sei aufzuheben und es sei der Klägerin für den Betrag von CHF 24'000.00 nebst Zins zu 5% seit dem 18. November 2014 sowie für die Betreibungskosten im Betrag von CHF 138.30 definitive Rechtsöffnung zu erteilen;

    3. Die Beklagte sei zu verpflichten den Nain Teppich, mit den Massen von ca. 2.00 x 3.00 Meter, aus Wolle in den Farben wollweiss, blau und braun an die Klägerin herausbzw. zurückzugeben;

    4. Der Beklagten sei unter Androhung der Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB zu verbieten über den Nain Teppich zu verfügen;

    5. Die Beklagte sei zu verpflichten den antiken Teppich, mit den Massen von ca. 0.80 x 1.2 Meter, in der Farbe dunkelviolett, an die Klägerin herausbzw. zurückzugeben;

    6. Der Beklagten sei unter Androhung der Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB zu verbieten über den antiken Teppich zu verfügen;

    7. alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten.

Urteil des Bez irksgerichtes Zürich, 10. Abteilung - Einz elgericht, vom 21. April 2016:
  1. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Fr. 24'000.- nebst Zins zu 5 % seit 12. Februar 2015 sowie Fr. 138.30 Zahlungsbefehlskosten zu bezahlen.

    In diesem Umfang wird der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamtes Zürich 11 (Zahlungsbefehl vom 30. Januar 2015) aufgehoben.

  2. Die Beklagte wird zur Herausgabe folgender Teppiche verpflichtet:

    • Nain-Teppich, ca. 2.0 x 3.0 Meter aus Wolle in den Farben wollweiss, blau und braun

    • antiker Teppich, ca. 0.8 x 1.2 Meter in der Farbe dunkelviolett

  3. Der Beklagten wird unter Androhung der Ungehorsamkeitsstrafe im Sinne von Art. 292 StGB verboten, über die unter Dispositivziffer 2 aufgelisteten Teppiche zu verfügen.

    Art. 292 StGB lautet wie folgt:

    Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfü- gung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.

  4. Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'470.- festgesetzt. Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  5. Die Gerichtskosten werden der Beklagten auferlegt und mit dem geleisteten Vorschuss der Klägerin verrechnet.

  6. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Prozessentschädigung von Fr. 4'340.- (inkl. MwSt.) zu bezahlen. Zudem hat sie der Klägerin die Kosten des Schlichtungsverfahrens von Fr. 450.- und den von ihr geleisteten Gerichtskostenvorschuss von Fr. 3'470.- zu ersetzen.

7./8. (Mitteilungen und Rechtsmittel)

Berufungsanträge:

der Beklagten und Berufungsklägerin (act. 30 S. 2 f.):

  1. Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 10. Abteilung, Einzelgericht vom 21. April 2016 sei hinsichtlich der Dispositivziffern 1, 2, 3, 5 und 6 vollumfänglich aufzuheben und die Klage abzuweisen unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Klägerin und Berufungsbeklagten für das erstund zweitinstanzliche Verfahren;

  2. Eventualiter sei das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 10. Abteilung, Einzelgericht vom 21. April 2016 hinsichtlich der Dispositivziffern 1, 2, 3, 5 und 6 vollumfänglich aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen unter Kostenund Entschädigungsfolgen im Berufungsverfahren zulasten der Berufungsbeklagten.

Erwägungen:

I.

  1. Mit Einreichung der Klagebewilligung des Friedensrichteramtes C. vom 18. Mai 2015 und ihrer Klageschrift vom 18. August 2015 macht die Klägerin und Berufungsbeklagte (fortan Klägerin) die eingangs genannte Klage anhängig. Die Beklagte und Berufungsklägerin (fortan Beklagte) beantwortete die Klage mit Eingabe vom 7. Dezember 2015. Anlässlich der Hauptverhandlung vom 2. März 2016 replizierten und duplizierten die Parteien mündlich. Mit Urteil vom 21. Urteil 2016 wurde die Klage abgewiesen.

  2. Gegen das vorinstanzliche Urteil, das ihrem Vertreter am 26. April 2016 zugestellt worden war (act. 27), erhob die Beklagte mit Eingabe vom 26. Mai 2016 rechtzeitig Berufung (act. 32). Der mit Verfügung vom 6. Juni 2016 auferlegte Prozesskostenvorschuss wurde am 27. Juni 2016 geleistet (act. 42). Die bis am

22. Juni 2016 erstreckte Frist war damals bereits abgelaufen (Prot. S. 2). Da für den Prozesskostenvorschuss von Gesetzes wegen eine Nachfrist anzusetzen ist, bevor das Gericht auf eine Klage oder ein Rechtsmittel nicht eintritt (Art. 101 Abs. 3 ZPO), bleibt diese Säumnis folgenlos. Die Einholung einer Berufungsantwort erübrigt sich (Art. 312 Abs. 1 ZPO).

II.

  1. Anlass dieses Streits ist der Kauf eines Teppichs zum Preis von CHF 24'000 am 17. November 2014, den die Klägerin als Käuferin mit Schreiben vom 19. Dezember 2014 an die Beklagte als Verkäuferin gestützt auf die Normen über das Haustürgeschäft (Art. 40a ff. OR) widerrief.

  2. Die Vorinstanz hatte erwogen, die Vertragsanbahnung habe anlässlich der Rückgabe eines (durch die Beklagte) gereinigten anderen Teppichs in der Wohnung der Klägerin stattgefunden und falle damit unter Art. 40b lit. a OR. Die Klä- gerin habe nicht damit rechnen müssen, in ihrer eigenen Wohnung bei der einzig

    erwarteten Teppichrückgabe plötzlich in Verkaufsgespräche verwickelt zu werden, weshalb ein Überraschungsbzw. Überrumpelungseffekt zweifelsfrei zu bejahen sei, auch wenn die Klägerin sich schliesslich für einen anderen Teppich als den vorgezeigten entschieden habe.

    Die Aktion der beiden Vertreter der Beklagten sei sodann auch adäquat kausal für den späteren Vertragsabschluss gewesen, da die Klägerin nur aufgrund dieser offensiven Verkaufsstrategie -- und weil sie keinen anderen Ausweg gesehen habe, um die Vertreter der Beklagten loszuwerden - sich bereit erklärt habe, mit diesen ins Teppichhaus zu fahren, wo die Vertragsverhandlungen fortgesetzt und abgeschlossen worden seien. Die diesbezüglichen Angaben der Klägerin seien detailliert und lebensnah. Wo der Kaufpreis letztlich übergeben wurde, sei für die Qualifizierung als Haustürgeschäft irrelevant (act. 33 S. 6 ff. E. 4.1).

    Die Vorinstanz bejahte in der Folge sowohl die sachlichen als auch die persönlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Regelung über das Haustürgeschäft. Da die Beklagte zu keiner Zeit dargelegt habe, dass sie die Klägerin über das Widerrufsrecht orientiert habe, sei das Schreiben vom 19. Dezember 2014 rechtzeitig und der Widerruf somit gültig (act. 33 S. 8 f. E. 4.2 und 4.3).

  3. Die Beklagte bezeichnet die vorinstanzliche Zusammenfassung des vermeintlich unbestrittenen Sachverhalts als krass unrichtig und verkürzt. Zwischen dem von der Vorinstanz dem Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt und den tatsächlichen Umständen, die zum Abschluss des Kaufvertrages führten, klafften sowohl in örtlicher und zeitlicher Hinsicht als auch in den Modalitäten entscheidende Diskrepanzen.

    Es treffe zwar zu, dass der Klägerin bei der Rückgabe des gereinigten Teppichs ein anderer Teppich gezeigt worden sei. Der in der Wohnung präsentierte neue Teppich habe der Klägerin aber nicht gefallen, was sie dem Vertreter der Beklagten auch klar und deutlich mitgeteilt habe. Gegen den Willen ihres Ehemannes habe sie sich aber dazu entschieden, sich im Teppichgeschäft der Beklagten nach einem neuen Teppich umzusehen für ihre neue Wohnung in E. , deren Fertigstellung bevorstand. Sie habe sich deshalb zum Teppichgeschäft der Beklagten begeben, wobei die beiden Vertreter der Beklagten in ihrem Auto vorausgefahren seien, während die Klägerin mit ihrem Ehemann in ihrem eigenen Auto hinterhergefahren sei.

    Im Teppichhaus der Beklagten habe sie dann denjenigen Teppich, der ihr besonders gefiel, geradezu von der Wand gerissen und laut ausgerufen, dass sie diesen Teppich unbedingt haben wolle. Ebenfalls im Geschäftslokal der Beklagten in D. habe man sich daraufhin über den Preis von CHF 24'000 geeinigt. Daraufhin seien die Parteien zum neuen Haus der Klägerin in E. gefahren, wobei die Klägerin in ihrem Auto vorausgefahren sei und die Vertreter der Beklagten hinterher, um vor Ort den von ihr ausgesuchten Teppich an dem für ihn so bestimmten Ort hinzulegen und seine Eignung anzusehen. Daraufhin sei sie so begeistert gewesen, dass sie den vereinbarten Betrag umgehend habe bezahlen wollen. Sie sei mit ihrem eigenen Auto zur Bank gefahren und habe den vereinbarten Betrag abgehoben und übergeben (act. 30 S. 4-6).

  4. Unabhängig davon, ob die Klägerin im Zusammenhang mit der Rückgabe des gereinigten Teppichs damit gerechnet habe oder damit rechnen musste, dass ihr zusätzlich ein neuer Teppich gezeigt würde, sei sie gar nicht überrumpelt gewesen, sondern habe klar und deutlich kundgetan, dass ihr dieser Teppich gar nicht gefalle. Es sei daher unerfindlich, wie die Vorinstanz dazu komme einen adäquaten Kausalzusammenhang zu bejahen, denn schliesslich habe die Klägerin den Abschluss eines Kaufvertrags abgelehnt. Die Beklagte stellt in Abrede, dass die Klägerin keine Alternative hatte, ausser mit den Vertretern der Beklagten zum Teppichhaus zu fahren, was sie mit den Worten unterstreicht, es bedarf schon eines logischen Saltos, wenn man das mit dem Auto-ins-VerkaufslokalFahren als Methode ansieht, die Verkaufsvertreter loszuwerden.

    Das Vorgehen der Klägerin zeuge vielmehr davon, dass sie völlig unverbindlich ins Ladenlokal der Beklagten in D. gefahren sei und dort, als sie in Begeisterung über den dort an der Wand hängenden Täbris fiel, einen freien eigenstän- digen Kaufentscheid fasste, ihr Verkaufsinteresse bekundete und es dann bei den sich anschliessenden Vertragsverhandlungen zum Abschluss kam. Die Beklagte betont, ihre Vertreter wären durchaus bereit gewesen, einen anderen Entscheid

    zu akzeptieren, wenn der Klägerin der Teppich, den sie sich noch an der dafür vorgesehenen Stelle in der neuen Wohnung ansehen wollte, nicht perfekt passend erschienen wäre. Von Bedrängen, Druckausübung oder einer offensiven Verkaufsstrategie könne nicht die Rede sein.

    Selbst wenn man den Vertretern der Beklagten zu Unrecht unterstellen würde, sie hätten es auf eine Überrumpelung abgesehen, so hätte die Klägerin in unzweideutiger Weise klargestellt, dass sie sich nicht überrumpeln liess. Nach dem freien Entscheid der Klägerin, sich nach D. ins Teppichgeschäft der Beklagten zu begeben, sei es zu einer völlig neuen Situation gekommen, die nicht zuvor angebahnt war. Ihr habe schlicht und ergreifend der an der Wand im Geschäftslokal hängende Täbris so gut gefallen, dass sie spontan diesen Teppich heruntergerissen und ausgerufen habe: das ist genau der Teppich, den ich mir (für) die Wohnung in E. wünsche! Die Klägerin habe sich frei und eigenständig dazu entschieden, sich vor Ort im Teppichhaus in D. umzusehen und habe dort mit der begeisterten Behändigung des schliesslich gekauften Täbris in optima forma die Initiative ergriffen, was nach Art. 40c lit. a OR einen Widerruf ausschliesse.

    Unter Verweis darauf, dass die Klägerin unmittelbar nach Vertragsabschluss nicht etwa vom Vertrag zurücktreten wollte, sondern unter anderem ein Zertifikat verlangte, hält die Beklagte fest, keine Vertragspartei wäre auf die Idee gekommen, es liege ein Haustürgeschäft vor, dazu habe es der kreativen Phantasie des Gegenanwalts bedurft. Im Übrigen sei die Klägerin als Liebhaberin und Kennerin und Besitzerin zahlreicher wertvoller Teppiche auch in persönlicher Hinsicht nicht schutzbedürftig (act. 30 S. 7 ff.).

  5. Das Widerrufsrecht bei sogenannten Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen gemäss Art. 40a ff. OR bezweckt den Schutz des Konsumenten vor einem unüberlegten Vertragsschluss aus Überrumpelung und soll ihm eine freie Willensbildung erlauben und ihm ermöglichen, einen Vertrag in Kenntnis aller Umstände und nach reiflicher Überlegung abzuschliessen. Nach diesem Verständnis ist das Widerrufsrecht keine Ausnahme vom Grundsatz pacta sunt servanda, sondern seine wesentliche Voraussetzung und begrenzt ihn in ähnlicher Weise wie gesetzliche Formvorschriften. Wird der Kunde ausserhalb der Geschäftsräume des Anbieters angesprochen, ist er nicht auf Vertragsverhandlungen vorbereitet und daher der Möglichkeit der Beeinflussung und der Gefahr eines unüberlegten Vertragsschlusses ausgesetzt. Das Gesetz sieht daher für solche Fälle ein Widerrufsrecht vor (BBl 1986 II 386 ff.).

  6. Beim Teppich, den die Beklagte der Klägerin verkaufte, handelt es sich um eine bewegliche Sache, die für den persönlichen Gebrauch der Klägerin bestimmt war. Die Leistung der Klägerin übersteigt den Betrag von CHF 100 und die Beklagte handelte im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit. Dass die Klägerin eine erfahrene Konsumentin sei und deshalb keinen Schutz benötige, wie die Beklagte geltend macht (act. 30 S. 11), ändert nichts daran, dass neben den sachlichen auch die persönlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Bestimmungen über Haustürgeschäfte erfüllt sind.

    Folgt man der Darstellung der Beklagten, fällt die Situation, als die Vertreter der Beklagten der Klägerin am 17. November 2014 bei der Rückgabe eines gereinigten Teppichs in ihrer Wohnung einen Teppich zum Kauf anboten, grundsätzlich unter die in Art. 40b OR lit. a OR erwähnten Tatbestände, die zu einem Widerruf berechtigen. Strittig ist, ob das auch gilt, wenn die Klägerin anschliessend statt dieses Teppichs in den - in Art. 40b OR nicht genannten - Geschäftsräumen der Beklagten einen anderen Teppich kauft.

    Anders als das deutsche Recht in § 312 Abs. 1 BGB verlangt der schweizerische Gesetzestext nicht, dass die in Art. 40b OR umschriebenen Anbahnungssituation kausal für die zu widerrufende Willenserklärung gewesen sein muss. Daraus wird abgeleitet, dass keine adäquate Kausalität vorliegen müsse, sondern ein bloss äusserliches Zusammentreffen von Haustürsituation und Erklärung genüge, was im Übrigen der einschlägigen Richtlinie der EU entspricht. Um stossende Ergebnisse zu vermeiden, wird jedoch verlangt, dass die zu widerrufende Vertragserklä- rung im Zuge der gleichen Verhandlungssituation und nicht erst Tage nach der Anbahnungssituation abgegeben wurde (BSK, Koller-Tumler, Art. 40b OR N 3; ZK, Dornier, Art. 40b OR N 71).

    Dieses Verständnis steht im Einklang mit der ratio legis, den Konsumenten mit klaren und einfachen Regeln vor einer Beeinflussung seiner Willensbildung durch geschäftserfahrene Anbieter zu schützen (BBl 1986 II 388). Als innerer Vorgang ist die Willensbildung einem direkten Beweis nicht zugänglich. Würde auf die Kausalität abgestellt, wären Beweisschwierigkeiten vorprogrammiert, die die Aus- übung des Widerrufsrechts stark erschweren oder häufig ganz verunmöglichen würden. Indem nicht auf die Kausalität, sondern auf die äusseren Umstände (Anbahnungssituation) abgestellt wird, wird dies vermieden, was dem Schutz des Konsumenten und der Rechtssicherheit dient.

    Da demnach ein Kausalzusammenhang zwischen Anbahnungssituation und Vertragsschluss nicht erforderlich ist, muss auf die von der Beklagten (nicht ganz unberechtigt) kritisierten Ausführungen der Vorinstanz zum Kausalzusammenhang (act. 33 S. 7), welche teilweise auf bestrittenen und unbewiesenen Sachverhaltsannahmen beruhen und nicht zwischen natürlichem Kausalzusammenhang (Tatfrage) und adäquatem Kausalzusammenhang (Rechtsfrage) unterscheiden, nicht eingegangen werden. In der Folge ist lediglich zu prüfen, ob der Kauf im Zuge der gleichen Verhandlungssituation (so auch die Beklagte, act. 30 S. 9) geschah. Dabei ist für den Moment von der Sachdarstellung der Beklagten auszugehen.

  7. Die Beklagte gliedert den Sachverhalt in zwei Teile und setzt zwischen den Vorgängen in der Wohnung der Klägerin und den Vorgängen in den Geschäftsräumen der Beklagten eine Zäsur, welche die Verbindung zwischen dem Vertragsschluss und der Anbahnungssituation in den Wohnräumen der Klägerin unterbricht. Die Anbahnung für den Vertragsschluss fand in ihrem Verständnis in den Geschäftsräumen der Beklagten statt und fällt somit von vornherein nicht unter die in Art. 40b OR genannten Tatbestände. Ausserdem sei die Initiative für die Vertragsverhandlungen von der Klägerin ausgegangen, was eine Ausnahme i.S. von Art. 40c lit. a OR darstelle und einen Widerruf ausschliesse (act. 30 S. 10).

    Zum einen stützt sich die Beklagte auf das Argument, die Klägerin habe nicht den Teppich gekauft, den ihr die Vertreter der Beklagten in ihren Wohnräumen anbot, sondern einen anderen, den sie selbst in den Geschäftsräumen der Beklagten entdeckte, und leitet daraus ab, es handle sich um zwei unterschiedliche, voneinander unabhängige Sachverhalte. Diese Sichtweise erscheint konstruiert und vermag nicht zu überzeugen. Zwar trifft zu, dass das Kaufobjekt nicht dem ursprünglichen Angebot entspricht. Es handelt sich jedoch um einen gleichartigen Gegenstand, so dass der am Ende abgeschlossene Kaufvertrag als Modifikation des ursprünglichen Angebots zu betrachten ist. Es stand nie zur Diskussion, dass die Klägerin mehrere Teppiche kaufen würde, sondern es ging von Anfang an um den Kauf eines einzigen Teppichs, wobei sich die Klägerin schliesslich für einen anderen entschied als den, den ihr die Beklagte zuerst angeboten hatte.

    Zum andern beruft sich die Beklagte darauf, mit der Ablehnung des in ihren Wohnräumen gemachten Angebots habe die Klägerin unzweideutig klargestellt, dass sie sich nicht überrumpeln liess (act. 30 S. 9). Diese Folgerung ist aber nicht schlüssig, denn mit Blick auf die nachmaligen Ereignisse ist auch die Interpretation denkbar, dass die Klägerin ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie das erste Angebot der Beklagten ablehnte - ob als Folge der geschickten Verkaufsstrategie der Vertreter der Beklagten sei dahingestellt - und sich deshalb verpflichtet fühlte, einen anderen Teppich zu kaufen, weshalb sie sich in die Geschäftsräume der Beklagten begab. Der Einwand, wenn man sich von jemandem bedrängt fühle, gehe man nicht mit diesem mit in sein Geschäft (Prot. Vi S. 12), verkennt den Mechanismus einer erfolgreichen Beeinflussung und geht deshalb fehl.

    Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben, da das Gesetz nicht auf eine tatsächliche Beeinflussung abstellt, sondern an bestimmte, typische Tatbestände anknüpft, welche nach Einschätzung des Gesetzgebers die Gefahr einer Beeinflussung mit sich bringen. Die Klägerin muss daher nicht nachweisen, dass eine Beeinflussung stattgefunden hat, und es würde der Beklagten nichts nützen, wenn sie das Gegenteil beweisen könnte.

    Wesentlich ist, dass die verschiedenen Phasen (auch in der Darstellung der Beklagten) unmittelbar aufeinander folgten und als Phasen eines einheitlichen Geschehens erscheinen. Wenn bei Vorliegen einer gesetzlich umschriebenen sogenannten Anbahnungssituation von Gesetzes wegen davon auszugehen ist, dass die Gefahr einer Beeinflussung bestand und damit ein Schutzbedürfnis zu bejahen ist, dauerte dieser Zustand an, bis sich die Parteien definitiv trennten, und das war erst nach Vertragsschluss der Fall.

    Die Verkaufsgespräche in den Geschäftsräumen bedeuteten keinen Neuanfang, sondern eine Fortsetzung der in den Wohnräumen der Klägerin begonnenen Verkaufsverhandlungen. Die Fahrt von den Wohnräumen der Klägerin zu den Geschäftsräumen der Beklagten, die in zwei verschiedenen Autos erfolgt sei, wie die Beklagte im Berufungsverfahren betont (act. 30 S. 4 unten; anders noch vor Vorinstanz: act. 17 S. 3 und Prot. Vi S. 13 f.), stellt nur eine vorübergehende Unterbrechung dar, da von Anfang an beabsichtigt war, die Verkaufsgespräche anschliessend weiterzuführen, und die Verschiebung mit diesem Ziel erfolgte.

    Der Zusammenhang dieser Phasen wird durch den Umstand unterstrichen, dass zwei Teppiche von den Wohnräumen der Klägerin zu den Geschäftsräumen der Beklagten mitgenommen wurden, die dann als Anzahlung fungierten. Die Beklagte wendet ein, dass die Zahlungsmodalitäten erst festgelegt werden konnten, als eine Einigung über den Ankauf eines neuen Teppichs erzielt wurde (act. 30 S. 5). Aber unabhängig davon lässt sich die Mitnahme der beiden Teppiche schwerlich anders denn als Vorbereitungshandlung im Hinblick auf einen zumindest beabsichtigten späteren Kauf eines Teppichs verstehen. Ein anderer Zweck wurde jedenfalls nicht dargetan.

  8. Es zeigt sich, auch wenn man von der Sachdarstellung der Beklagten ausgeht, dass im Sinne der Lehre zu Art. 40a ff. OR von einer einzigen Verhandlungssituation auszugehen ist, die mit dem Angebot eines (von der Klägerin verschmähten) Teppichs in den Wohnräumen der Klägerin ihren Anfang nahm und in deren weiterem Verlauf die Klägerin bei der Beklagten einen Teppich kaufte.

Die Klägerin hat demnach ein Widerrufsrecht i.S. von Art. 40b OR. Die Beklagte räumt ein, dass sie die Klägerin darüber nicht orientierte, weil sie nie auf die Idee gekommen wäre, dass ein Haustürgeschäft vorliegen könnte. Ihre Auffassung, deshalb treffe sie keine Orientierungspflicht (act. 30 S. 11), geht fehl. Demnach wurde die Frist gemäss Art. 40e OR nicht ausgelöst und ist der Widerruf mit

Schreiben vom 19. Dezember 2014 (act. 4/8) rechtzeitig erfolgt. Damit hat die Klägerin Anspruch auf Rückerstattung ihrer Leistungen (Art. 40f Abs. 1 OR).

Mit den Einzelheiten der Regelung der Rückabwicklung setzt sich die Berufung nicht auseinander. Darauf muss daher nicht eingegangen werden, sondern es kann auf das Urteil der Vorinstanz verwiesen werden (act. 33 S. 9 f.).

III.

Die Berufung ist demnach abzuweisen und das Urteil der Vorinstanz ist (einschliesslich der Regelung der Nebenfolgen) zu bestätigen. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind ausgangsgemäss der Beklagten zu auferlegen. Da die Klä- gerin keine erheblichen Aufwendungen hatte, hat ihr die Beklagte für das Rechtsmittelverfahren keine Parteientschädigung zu bezahlen.

Es wird erkannt:
  1. Die Berufung wird abgewiesen. Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich,

    10. Abteilung - Einzelgericht, vom 21. April 2016 wird bestätigt.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'000.- festgesetzt.

  3. Die Gerichtskosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Beklagten und Berufungsklägerin auferlegt und mit ihrem Kostenvorschuss verrechnet.

  4. Für das Berufungsverfahren wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Klägerin und Berufungsbeklagte unter Beilage des Doppels von act. 30, sowie an das Bezirksgericht und an die Obergerichtskasse, je gegen Empfangsschein.

    Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 24'000.-.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Der Vorsitzende:

lic. iur. P. Diggelmann

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. O. Canal

versandt am:

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