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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:NP160022
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid NP160022 vom 10.02.2017 (ZH)
Datum:10.02.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Aussonderung
Schlagwörter : Beweis; Mercedes; Vater; Beweismittel; Antizipierte; Beweiswürdigung; Besitz; Partei; Recht; Vorinstanz; Zeuge; Tatsache; Klägers; Berufung; Konkurs; Gericht; Zeugen; Recht; Aufgr; Innere; Beweise; Vaters; Aussage; Eigentum; Verfahren; Familie; Entscheid; Besitzes; Eigentums
Rechtsnorm: Art. 104 ZPO ; Art. 105 BGG ; Art. 152 ZPO ; Art. 154 ZPO ; Art. 242 OR ; Art. 29 BV ; Art. 53 ZPO ; Art. 8 ZGB ; Art. 895 ZGB ; Art. 924 ZGB ; Art. 93 BGG ;
Referenz BGE:136 I 229;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: NP160022-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin Dr. L. Hunziker Schnider, Vorsitzende, Oberrichter Dr. H.A. Müller und Oberrichter Dr. M. Kriech sowie Gerichtsschreiber lic. iur. L. Casciaro

Beschluss vom 10. Februar 2017

in Sachen

  1. ,

    Kläger und Berufungskläger

    vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X.

    gegen

    Konkursmasse B. ,

    Beklagte und Berufungsbeklagte vertreten durch Konkursamt C.

    betreffend Aussonderung

    Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichts im vereinfachten Verfahren am Bezirksgericht Meilen vom 3. November 2015 (FV150027-G)

    Erwägungen:

    1. Sachverhalt / Prozessgeschichte
      1. Sachverhalt

        Am tt. November 2014 wurde über den Vater des Klägers und Berufungsklägers (fortan: Kläger), B. , in C. der Privatkonkurs eröffnet. Unter anderem wurde das streitgegenständliche Fahrzeug Mercedes Coupé (2-türig, elfenbeinfarben; 1. Inverkehrssetzung November 1970; fortan: der Mercedes) zu einem Schätzungswert von Fr. 10'000.- inventarisiert (Urk. 3/1). Der Kläger verlangte mit Schreiben vom 25. Februar 2015 und 9. März 2015 an die Konkursverwaltung die Aussonderung des Mercedes aus der Konkursmasse, da ihm sein Vater diesen bereits 1997 geschenkt habe (Urk. 1 S. 2 f.; Urk. 11/4 und 11/6). Die Konkursverwaltung lehnte die Aussonderung mit Verfügung vom 23. März 2015 ab, da es sich bei der geltend gemachten Schenkung um ein formungültiges mündliches Schenkungsversprechen handle und die eigentumsbegründende Besitzübertragung nicht erfolgt sei (Urk. 3/1). Der Mercedes steht - bis heute - in einer von der D. AG vermieteten Halle in E. /TG. Die D. AG macht am Mercedes für ihre im Konkurs von B. eingegebene Forderung (aufgelaufene Mietzinsen) ein Retentionsrecht geltend. Die Konkursverwaltung anerkennt das Retentionsrecht zumindest einstweilen und verweigert deshalb die Herausgabe des Mercedes unabhängig vom Entscheid über die Aussonderungsklage (Urk. 10 S. 2, Urk. 18 S. 2 und Urk. 56; Urk. 57/1).

      2. Erstinstanzliches Verfahren

        Mit Eingabe vom 13. April 2015 machte der Kläger innert der von der Konkursverwaltung angesetzten Frist (Urk. 3/1) beim Einzelgericht im vereinfachten Verfahren am Bezirksgericht Meilen (Vorinstanz) eine Aussonderungsklage anhängig (Urk. 1). Betreffend den Verfahrensgang vor Vorinstanz ist auf den angefochtenen Entscheid zu verweisen (Urk. 27 S. 2 f.). Das erstinstanzliche Verfahren endete mit dem abweisenden Urteil vom 3. November 2015. Der Kläger nahm die begründete Fassung des Urteils am 29. März 2016 entgegen (Urk. 28/2).

      3. Berufungsverfahre n

      Mit Eingabe vom 3. Mai 2016 erhob der Kläger dagegen rechtzeitig Berufung (Urk. 35; Beilagen und -verzeichnis: Urk. 38 und 39/3) mit folgenden Anträgen:

      1. In Gutheissung der Berufung sei das Fahrzeug Mercedes Coupe

      mit der Inventar-Nr. sub Inv. III 5 aus der Konkursmasse auszusondern und dem Berufungskläger auf erstes Verlangen auszuhändigen.

      2. Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen (zzgl. 8% MWST) zu Lasten der Berufungsbeklagten.

      Den mit Verfügung vom 25. Mai 2016 eingeforderten Kostenvorschuss leistete der Kläger rechtzeitig (Urk. 40 und 41). Die Beklagte und Berufungsbeklagte (fortan: Beklagte) lehnte die im Juni 2016 vorgeschlagene Durchführung einer Vergleichsverhandlung ab, weil die D. AG als Retentionsgläubigerin nicht daran teilnehmen wollte und ohne deren Teilnahme die Beklagte keinem Vergleich zustimmen könne (Urk. 42). Die vom Gericht angeregten aussergerichtlichen Vergleichsgespräche waren nicht von Erfolg gekrönt bzw. wurden gar nicht geführt. Die vom Kläger in der Folge am 7. September 2016 beantragte Sistierung zwecks aussergerichtlicher Vergleichsgespräche wurde mit Verfügung vom 11. Oktober 2016 abgelehnt (Urk. 42A-51). Nachdem der Kläger sich Einsicht in die Akten diverser gegen seinen Vater vom Betreibungsamt Bezirk Frauenfeld durchgeführter Betreibungsverfahren verschafft hatte, reichte er am 28. Oktober 2016 eine unaufgeforderte Eingabe ein (Urk. 52; Beilagen und -verzeichnis: Urk. 53 und 54/1- 13). Mit Eingabe vom 7. November 2016 beantwortete die Beklagte fristgerecht die Berufung und nahm zur klägerischen Eingabe vom 28. Oktober 2016 Stellung (Urk. 51 S. 4; Urk. 56; Beilage: Urk. 57/1). Am 5. Dezember 2016 reichte der Klä- ger fristgerecht eine Stellungnahme dazu ein. Diese wurde der Beklagten am

      7. Dezember 2016 zugestellt (Urk. 58 und 59; Urk. 60). Seither erfolgten keine weiteren Eingaben. Die Sache erweist sich als spruchreif.

    2. Materielles
  1. Rüge der Gehörsverletzung (nicht abgenommene Beweismittel)

    Der Kläger rügt, die Vorinstanz habe sein rechtliches Gehör verletzt, indem sie die Abnahme diverser offerierter Zeugenaussagen abgelehnt habe; namentlich diejenige seines Vaters B. zur Frage der inneren Tatsache der Übertragung des Besitzes am Mercedes mittels Besitzeskonstitut, diejenigen diverser Familienmitglieder (F. , G. , H. und I. ) zur Frage, ob der Mercedes innerhalb der Familie während 20 Jahren als Fahrzeug des Klägers bezeichnet worden sei, und diejenige von J. zur Frage, ob der Vater ein Kaufangebot

    J. s für den Mercedes ausgeschlagen habe mit der Begründung, der Mercedes gehöre dem Kläger (Urk. 35 Rz. 8-10 und Rz. 14-17).

    Falsch sei, dass es sich bei der Zeugenaussage des Vaters um ein subjektiv untaugliches Beweismittel handle. Die Vorinstanz habe diesbezüglich eine unzuläs- sige und willkürliche antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen (Urk. 35 Rz. 9). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz habe der Vater als Konkursit sehr wohl ein Interesse daran, dass der Mercedes in der Konkursmasse bleibe, damit diese möglichst hoch ausfalle (Urk. 35 Rz. 8 f.). Allein der Umstand, dass es sich beim Zeugen um den Vater des Klägers handle, dürfe nicht dazu führen, dass er nicht zugelassen werde, zumal der Vater der Einzige sei, der über die ihn betreffenden inneren Tatsachen direkt Auskunft geben und seinen Willen zur formlos vollziehbaren Handschenkung des Mercedes an den Kläger bestätigen könne (Urk. 35 Rz. 9). Sachfremd sei ferner, der Aussage des Vaters von vornherein keinen Glauben zu schenken, da es nicht glaubhaft sei, dass dieser dem Kläger im Säuglingsalter ein Auto geschenkt habe (Urk. 35 Rz. 10).

    Nicht nachvollziehbar sei sodann die Argumentation der Vorinstanz, die Zeugenbefragung der Familienmitglieder und von J. vermöchten selbst bei erfolgreichem Beweisergebnis die Sachverhaltsdarstellung des Klägers nicht zu stützen (Urk. 35 Rz. 16). Es stimme eben gerade nicht, dass die Umstände, wonach der Mercedes in der Familie jeweils als derjenige des Klägers bezeichnet worden sei, der Vater den Mercedes für den Kläger aufbewahrt habe und der Vater ein Kaufangebot für den Mercedes abgelehnt habe, nicht darauf schliessen liessen, es sei eine Handschenkung bzw. eine Eigentumsübertragung erfolgt. Es handle sich dabei um (Hilfs-) Indizien zum Nachweis rechtserheblicher Tatsachen

    (Urk. 35 Rz. 16 S. 11). Würde man den Ausführungen der Vorinstanz folgen, wür- de dies bedeuten, dass der Kläger seinen Anspruch ohnehin nicht zu beweisen vermöchte bzw. der Beweis seines Anspruchs ohnehin unmöglich sei und er mithin sein Recht nicht durchsetzen könnte (Urk. 35 Rz. 16 S. 11).

  2. Standpunkt der Beklagten

    Die Beklagte hält dafür, das Vorbringen, der Vater habe ein Interesse daran, dass der Mercedes unter Konkursbeschlag falle, gehe ins Leere. Der voraussichtliche geringe Erlös für den Mercedes vermöchte die Vermögenssituation des Vaters nicht relevant zu verbessern. Es sei ausserdem ein grosses - menschlich verständliches - Anliegen des Vaters, dass der Mercedes dem Sohn ausgehändigt werde. Dies zeige sich darin, dass der Kläger und der Vater jeweils die gleiche Rechtsvertretung hätten. Die Befragung von Zeugen über die familieninterne Bezeichnung des Mercedes sei zum Beweis der Eigentumsübertragung untauglich. Auch wenn der Mercedes dem Kläger bloss versprochen worden wäre, wäre nachvollziehbar, dass familienintern vom Fahrzeug des Sohnes gesprochen worden wäre (Urk. 56 S. 2 f.).

  3. Hand sche nk ung , Eigentumsund Besitzübertragung

    Unbestritten ist, dass eine Übertragung des Eigentums am Mercedes auf den Kläger mangels eines schriftlichen Schenkungsvertrags nur durch eine sogenannte Schenkung von Hand zu Hand im Sinne von Art. 242 Abs. 1 OR hätte erfolgen können. Wie die Vorinstanz zutreffend darlegte, erfolgt eine Schenkung von Hand zu Hand durch die Übergabe der Sache vom Schenker an den Beschenkten. Es hat folglich eine Besitzesübergabe zu erfolgen, wobei diese auch in der - vorliegend aufgrund des damaligen Alters des Klägers einzig in Frage kommenden - Form des Besitzeskonstituts geschehen kann. Beim Besitzeskonstitut geht der Besitz einer Sache durch blosse Willenseinigung, d.h. ohne Übergabe der Sache, über, wenn der bisherige Besitzer selbst auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleibt (Art. 924 Abs. 1 ZGB; vgl. Urk. 36 S. 8). Unbestritten ist ferner, dass der Vater den damals noch nicht volljährigen und urteilsunfähigen Kläger bei der Willenseinigung mit Bezug auf die Besitzund damit

    die Eigentumsübertragung am Mercedes vertreten konnte. Darauf stützt sich die Klage (Urk. 1 S. 3).

  4. Beweislast, Beweisthema und Beweismittel

    1. Das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen hat derjenige, der aus ihr Rechte ableitet (Art. 8 ZGB). Folglich hat der Kläger regelmässig das Klagefundament zu beweisen, soweit es bestritten wird. Vorliegend bestritt die Beklagte insbesondere die Besitzund damit die Eigentumsübertragung am Mercedes (Urk. 10 S. 2). Konkret hat der Kläger deshalb zu beweisen, das sein Vater ihm (noch im Säuglingsalter) den Mercedes schenkte und ihm daran mittels Besitzeskonstituts den selbständigen, mittelbaren Besitz und damit das Eigentum übertrug (wobei sein Vater fortan als unselbständiger, unmittelbarer Besitzer den Mercedes für ihn verwahrte).

    2. Der Kläger trägt damit die Beweislast für eine innere Tatsache, welche einzig im seinerzeitigen Willen des Vaters bzw. in einem von diesem getätigten Gedankengang besteht. Eine innere Tatsache, welche sich nicht in äusseren Umständen manifestierte, kann naturgemäss direkt nur durch das Zeugnis derjenigen Person bewiesen werden, welche den fraglichen Gedankengang tätigte, den fraglichen Willen hatte oder die fragliche Absicht hegte. Soweit sich eine innere Tatsache in äusseren Umständen manifestierte, diese einem Beweis zugänglich sind und deren Vorliegen zwingend auf die innere Tatsache schliessen lässt, kann der Beweis für die innere Tatsache (auch) ohne das Zeugnis der betreffenden Person durch den Beweis der äusseren Umstände bewiesen werden. In allen anderen Fällen bleibt das Zeugnis der betreffenden Person das entscheidende Beweismittel. Schliesslich kann der Beweis auch durch den Nachweis von Indizien und Hilfstatsachen geführt werden. Indizien sind dabei äussere Umstände, deren Vorhandensein nicht zum Schluss zwingt, dass die fragliche innere Tatsache gegeben ist, aber immerhin für deren Vorliegen sprechen. Hilfstatsachen sind Umstän- de, deren Vorliegen das Zeugnis der Person, bei der sich die innere Tatsache verwirklichte, oder bestimmte Indizien stützt.

    3. Im vorliegenden Fall wurde als direkter Beweis für die innere Tatsache des behaupteten Besitzeskonstituts das Zeugnis des Vaters offeriert. Die Zeugnisse der Familienmitglieder des Klägers sollen demgegenüber dem Nachweis eines Indizes dienen (namentlich der Auffassung innerhalb der Familie, dass der Mercedes dem Kläger gehöre). Wurde innerhalb der Familie der Mercedes als das Fahrzeug des Klägers bezeichnet, so spricht dies - entgegen der Ansicht der Vorinstanz (Urk. 36 S. 11) - nämlich sehr wohl, jedoch nicht zwingend dafür, dass der Vater dem Kläger seinerzeit den Besitz und das Eigentum am Mercedes verschaffen wollte. Dasselbe gilt eingeschränkt auch für das Zeugnis von J. . Eingeschränkt deshalb, weil die blosse Ablehnung eines Kaufangebots J. s noch nicht für die Sachverhaltsdarstellung des Klägers spricht (der Vater hätte das Kaufangebot auch bei blosser Schenkungsabsicht abgelehnt). Bezeichnete der Vater bei der Ablehnung des Kaufangebots hingegen auch gegenüber

      J. den Mercedes als das Auto seines Sohnes, handelt es sich dabei ebenfalls um ein Indiz für die erfolgte Besitzesund Eigentumsübertragung. Die vom Kläger angebotenen Zeugnisse können folglich nicht als von vornherein bzw. grundsätzlich untaugliche Beweismittel bezeichnet werden; vielmehr sind sie ihrer Natur nach geeignet, den erforderlichen Beweis für rechtserhebliche Tatsachen bzw. für massgebliche Indizien zu erbringen.

  5. Beweisanspruch und antizipierte Beweiswürdigung

    1. Jede Partei hat das Recht, dass das Gericht die von ihr formund fristgerecht angebotenen tauglichen Beweismittel abnimmt (Art. 152 Abs. 1 ZPO). Es handelt sich bei diesem Beweisanspruch um das Korrelat zur Beweislast. Denn wenn eine Partei jene Tatsachen zu beweisen hat, aus denen sie Rechte ableitet, muss ihr folgerichtig auch zugestanden werden, deren Beweis anzutreten. Das Recht auf Beweis ist ausserdem auch Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 53 ZPO und Art. 29 BV) und der Beweislastverteilungsregeln (Art. 8 ZGB; vgl. ZK ZPO-Hasenböhler, Art. 152 N 9).

    2. Unter antizipierter Beweiswürdigung ist die Bewertung eines Beweismittels vor dessen Abnahme zu verstehen. Die Ablehnung eines angebotenen Beweismittels in antizipierter Beweiswürdigung beschneidet den Beweisanspruch. Diese

      vorgezogene Bewertung kann entweder vom Gesetzgeber oder vom Gericht vorgenommen werden. Bei der gesetzlichen antizipierten Beweiswürdigung verbietet die anwendbare Prozessordnung gewisse Beweismittel oder -erhebungsmethoden. Demgegenüber liegt eine richterliche antizipierte Beweiswürdigung vor, wenn das Gericht nach einer vorgängigen (negativen) Prognose auf die Abnahme eines an sich zulässigen Beweismittels verzichtet (vgl. dazu Martin Tanner, Antizipierte Beweiswürdigung nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, in: AJP 2015,

      S. 735 ff., S. 737 und 740). Das Bundesgericht verwendet mit Bezug auf die antizipierte Beweiswürdigung in konstanter Rechtsprechung regelmässig die folgende Formel (etwa in BGer 4A_155/2015 vom 24. August 2015, E. 4.2): Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) gewährt den Parteien insbesondere das Recht, mit rechtzeitig und formrichtig angebotenen erheblichen Beweismitteln gehört zu werden. Keine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV liegt vor, wenn ein Gericht darauf verzichtet, beantragte Beweise abzunehmen, weil es aufgrund bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geän- dert würde (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 131 I 153 E. 3 S. 157).

      Das Bundesgericht greift in eine antizipierte Beweiswürdigung nur ein, wenn sie willkür-

      lich und damit offensichtlich unhaltbar ist (Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 131 I 153 E. 3 S. 157).

    3. Mit Bezug auf objektiv untaugliche Beweismittel (z.B. ein blinder Zeuge zur Wahrnehmung einer Farbnuance) ist sich Lehre und Praxis einig, dass der Beweisanspruch durch eine antizipierte Beweiswürdigung eingeschränkt werden darf (siehe die Übersicht in: Tanner, a.a.O, S. 743 f.).

    4. Ob auch aufgrund subjektiver Untauglichkeit eine antizipierte Beweiswürdigung stattfinden und wie weit diese allenfalls gehen darf, ist hingegen Gegenstand einer Kontroverse. Subjektiv untauglich ist ein Beweismittel, wenn es seiner Natur nach an sich zur Beweiserhebung geeignet wäre, vom Gericht aber im konkreten Einzelfall als unergiebig oder nicht aussichtsreich eingestuft wird und deshalb auf eine Beweisabnahme verzichtet wird (ZK ZPO-Hasenböhler, Art. 152

      N 29). In der Praxis spielen vor allem zwei Konstellationen potentieller subjektiver

      Untauglichkeit eines Beweismittels eine Rolle: Erstens, wenn seit dem strittigen

      Lebensvorgang sehr viel Zeit verstrichen ist und sich beispielsweise ein Zeuge voraussichtlich nicht mehr daran erinnern kann, sowie zweitens, wenn ein Zeuge von vornherein als unglaubwürdig eingestuft wird, weil er Eigeninteressen im Prozess hat, sich zu früherer Korrespondenz in Widerspruch setzen müsste oder in einem Näheoder Abhängigkeitsverhältnis zu einer Partei steht (vgl. Tanner, a.a.O., S. 744 f.).

    5. Eine antizipierte Würdigung kann aufgrund eines bereits feststehenden Beweisergebnisses erfolgen. Bei dieser Variante der antizipierten Beweiswürdigung beendet das Gericht das Beweisverfahren vorzeitig, weil es seine Meinung über strittige Tatsachen bereits gebildet hat und annimmt, dass die Abnahme weiterer Beweismittel nichts mehr an seiner Überzeugung ändern würde. Das Bundesgericht spricht sich in langjähriger, konstanter Praxis für die Zulässigkeit dieser Variante der antizipierten Beweiswürdigung aus. Erforderlich ist allerdings nach Auffassung des Bundesgerichts, dass das Gericht seine Überzeugung nicht bloss auf die allgemeine Lebenserfahrung, auf allgemeine tatsächliche Vermutungen oder auf Indizien abstellt, sondern aufgrund einer Würdigung der bereits erhobenen Beweise zur festen Überzeugung gelangt, der (umzustossende) Beweis sei unumstösslich bereits erbracht (BGer 5A_769/2011 vom 2. März 2012, E. 5.1). In der Lehre wird diese Variante des antizipierten Beweisergebnisses unterschiedlich kritisch beurteilt (vgl. die Übersicht der Lehrmeinungen in: Tanner, a.a.O.,

      S. 747 f.).

    6. Zusammenfassend ist die antizipierte Beweiswürdigung aufgrund objektiver Untauglichkeit eines Beweismittels sowie die antizipierte Beweiswürdigung durch vorzeitige Beendigung des Beweisverfahrens, wenn das Beweisergebnis für das Gericht aufgrund bereits abgenommener, stichhaltiger Beweise feststeht, in Nachachtung der höchstrichterlichen Praxis zuzulassen.

      Mit Bezug auf die antizipierte Beweiswürdigung aufgrund subjektiver Untauglichkeit eines Beweismittels ist indessen Zurückhaltung zu üben. Insbesondere die Ablehnung eines Zeugen aufgrund seines Näheverhältnisses zu einer Partei verstösst gegen die Prinzipien der Schweizerischen Zivilprozessordnung. Wäh- rend die Zürcherische Zivilprozessordnung die Parteiaussagen, welche zugunsten der befragten Partei lauteten, noch nicht als Beweis zuliess (§ 149 Abs. 3 ZPO/ZH), lässt die Schweizerische Zivilprozessordnung die Parteibefragung und Beweisaussage ohne Einschränkung als vollund der Zeugenbefragung gleichwertiges Beweismittel zu. Wenn aber selbst die Aussage einer Partei ein vollwertiges Beweismittel bildet, so muss dies erst recht für die Aussage einer bloss der Partei nahestehenden Person oder einer Person mit Eigeninteressen am Prozessausgang gelten.

      Entscheidend ist denn auch nicht die allgemeine Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder einer Partei, welche sich aus der Ehrenund Gewissenhaftigkeit oder seiner Interessenlage ergibt - niemand lügt immer, ebenso wenig sagt keiner durchwegs die Wahrheit -, sondern vielmehr die konkrete Glaubhaftigkeit einer Aussage zum untersuchten Sachverhalt. Aussagen sind deshalb vom Richter nach den Erkenntnissen der Aussagepsychologie auf deren Wahrheitsgehalt zu untersuchen (vgl. zu dieser Thematik: Ludewig/Tavor/Baumer, Wie können aussagepsychologische Erkenntnisse Richtern, Staatsanwälten und Anwälten helfen, AJP 2011,

      S. 1415 ff., insb. S. 1418 Ziff. 1.5). Um eine Glaubhaftigkeitsprüfung vorzunehmen, muss die zu untersuchende Aussage aber zuerst gemacht werden. Deshalb ist in dieser Konstellation bei der antizipierten Würdigung höchste Zurückhaltung geboten. Hinzu kommt, dass selbst die - nur beschränkt massgebliche - Glaubwürdigkeit von Zeugen nicht schon gestützt auf die vermeintlich aktenkundige Interessenlage oder Nähe zu Prozessparteien abschliessend beurteilt werden kann, sondern aufgrund einer Befragung des Zeugen zu diesen Umständen erfolgen soll (Art. 172 lit. b ZPO).

      Ferner ist die Zulässigkeit der Ablehnung eines Zeugen auch an der Wichtigkeit desselben für die Wahrheitsfindung zu messen. Die Ablehnung eines Beweismittels in antizipierter Beweiswürdigung lässt sich nämlich bloss mit Kostenund

      Zeitaufwandseinsparungen rechtfertigen, nicht jedoch mit einer Förderung der Wahrheitsfindung. Deshalb ist, je wichtiger ein Beweismittel für die Wahrheitsfindung sein könnte, umso eher auf dessen Ablehnung in antizipierter Beweiswürdigung zu verzichten und dementsprechend ein Kostenund Zeitaufwand für die Beweisabnahme in Kauf zu nehmen, selbst wenn sich der Aufwand im Nachhinein, namentlich wenn das Beweismittel im Rahmen der nachfolgenden Beweiswürdigung als untauglich beurteilt und nicht beachtet wird, als nutzlos erweisen kann.

  6. Fazit

    1. Vorliegend kommt eine antizipierte Beweiswürdigung aufgrund eines feststehenden Beweisergebnisses nicht in Frage, weil gar keine Beweise abgenommen wurden.

      Bei der Befragung des Gemeinschuldners (d.h. des Vaters des Klägers) handelt es sich, wie oben dargelegt, um das einzige Beweismittel, das den direkten Nachweis der in Frage stehenden inneren Tatsache zulässt. Seine Aussage ist damit ein sehr wichtiges Beweismittel. Es ist zwar zumindest nicht von der Hand zu weisen, dass es - wie die Beklagte vorbringt - dem Vater des Klägers ein grosses Anliegen ist, den Mercedes aus dem Konkursbeschlag zu lösen und dem Kläger zu verschaffen, selbst wenn sich dadurch die Konkursmasse in einem geringen Umfang verringert und zu einem tieferen Deckungsgrad, verbunden mit höheren Verlustscheinen, führen kann. Deshalb, aber auch aufgrund des offenkundigen Näheverhältnisses von Vater und Sohn sowie der offenbar gleichen Rechtsvertretung des Vaters und des Klägers, welche auf gleichgerichtete Interessen schliessen lässt, sind betreffend die Glaubwürdigkeit des Vaters gewisse Vorbehalte anzubringen. Hingegen kann seine Einvernahme mittels geeigneter Fragen zur Besitzübertragung, aber auch zu seinen Beweggründen und den weiteren Umständen, sowie deren Würdigung nach den Erkenntnissen der Aussagepsychologie durchaus einen anderen Schluss zulassen. Dies gilt umso mehr, wenn die Aussagen der weiteren Familienmitglieder zur Bezeichnung des Mercedes in den vergangenen Jahren mit in die Würdigung einbezogen werden, sodass sich das Gericht ein stimmiges Gesamtbild verschaffen kann, ob der Vater seinerzeit den inneren Vorgang der Besitzübertragung tatsächlich vorgenommen hat. Entgegen der Ansicht des Klägers ist sein Vater aber nicht als Zeuge, sondern vielmehr als Partei zu befragen. Der Gemeinschuldner ist in Prozessen der Masse nämlich als Partei zu behandeln (anstatt vieler: ZK ZPO-Weibel/ Walz, Art. 169

      N 2). Der entsprechende klägerische Beweisantrag ist folglich als Antrag auf Parteibefragung des Vaters entgegenzunehmen. Die Familienmitglieder des Klägers sind demgegenüber wie beantragt als Zeugen zu befragen.

      Ferner kann sich aus den gleichen Gründen auch die Zeugenaussage von

      J. als aufschlussreich erweisen. An dessen Glaubwürdigkeit sind im Übrigen mit Bezug auf die prozessuale Interessenlage keine Einschränkungen zu machen. Sein geltend gemachtes Retentionsrecht am Mercedes hat nämlich unabhängig von den Eigentumsverhältnissen Bestand (Art. 895 Abs. 3 ZGB), weshalb es für ihn nicht auf den Ausgang des vorliegenden Verfahrens ankommt.

    2. Im Ergebnis lehnte die Vorinstanz also wichtige und taugliche Beweismittel in antizipierter Beweiswürdigung ab, wodurch sie den Beweisanspruch und das rechtliche Gehör des Klägers verletzte. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur Durchführung des Beweisverfahrens im Sinne der obigen Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 318 Abs. 1 lit. c Ziff. 2 ZPO). Dazu wird die Vorinstanz zunächst eine Beweisverfügung gemäss Art. 154 ZPO zu erlassen haben, in welcher sie die von den Parteien vor Aktenschluss für bestrittene Behauptungen genannten Hauptund Gegenbeweismittel (einschliesslich der eingereichten Urkunden) aufzuführen haben wird.

    3. Auf die weiteren Parteivorbringen, die sich auf die reformatorische Beurteilung der Sache beziehen, ist damit nicht weiter einzugehen.

III. Kostenund Entschädigungsfolgen
  1. Vorliegend rechtfertigt es sich, die Verteilung der Prozesskosten des Berufungsverfahrens sowie den Entscheid über die Parteientschädigung dem neuen Entscheid der Vorinstanz vorzubehalten. Die Vorinstanz wird zusammen mit den vor ihr aufgelaufenen Prozesskosten nach Massgabe des endgültigen Verfahrensausgangs darüber zu entscheiden haben (Art. 104 Abs. 4 ZPO).

  2. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens sind in Anwendung von § 4 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 und 2 GebV OG auf Fr. 1'750.- festzulegen.

Es wird beschlossen:

  1. Das Urteil des Einzelgerichts im vereinfachten Verfahren am Bezirksgericht Meilen vom 3. November 2015 wird aufgehoben und die Sache zur Ergän- zung des Verfahrens und zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 1'750.- festgesetzt.

  3. Die Regelung der Prozesskosten des vorliegenden Berufungsverfahrens wird dem neuen Entscheid des Bezirksgerichtes vorbehalten.

  4. Es wird vorgemerkt, dass der Kläger einen Kostenvorschuss von Fr. 1'750.- geleistet hat.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.

    Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht,

    1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

    Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.

    Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 10'000.-.

    Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.

    Zürich, 10. Februar 2017

    Obergericht des Kantons Zürich

    1. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. L. Casciaro versandt am:

kt

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