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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:NG230012
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid NG230012 vom 11.01.2024 (ZH)
Datum:11.01.2024
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 4A_105/2024
Leitsatz/Stichwort:Forderung / Einseitige Vertragsänderung (Rückweisung)
Schlagwörter : Berufung; Berufungsklägerin; Vertrag; änderung; Mieter; Mietvertrag; Wohnung; Vermieter; Berufungsbeklagte; Miete; Mieter; Licht; Vertragsänderung; Recht; Mietung; Daten; Vorinstanz; Berufungsbeklagten; Kündigung; Person; Partei; Vermieterin; Verhältnis; Partei; Personen; Einkommen; Untervermietung; Verfahren; Wohnsitz; Mietzins
Rechtsnorm: Art. 1 OR ; Art. 109 BV ; Art. 122 BV ; Art. 143 ZPO ; Art. 154 OR ; Art. 170 ZGB ; Art. 19 OR ; Art. 2 ZGB ; Art. 20 OR ; Art. 224 ZPO ; Art. 24 BV ; Art. 253 OR ; Art. 256 OR ; Art. 26 BV ; Art. 262 OR ; Art. 265 OR ; Art. 266l OR ; Art. 269d OR ; Art. 270b OR ; Art. 271 OR ; Art. 271a OR ; Art. 29 BV ; Art. 30 DSG ; Art. 31 DSG ; Art. 311 ZPO ; Art. 312 ZPO ; Art. 324 ZPO ; Art. 49 BV ; Art. 5 ZGB ; Art. 53 ZPO ; Art. 58 ZPO ; Art. 6 DSG ; Art. 6 ZGB ; Art. 90 BGG ; Art. 91 ZPO ;
Referenz BGE:101 II 125; 121 III 260; 97 II 390;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: NG230012-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur. et phil. D. Glur und Oberrichter Dr. E. Pahud sowie Gerichts- schreiber Dr. M. Tanner

Urteil vom 11. Januar 2024

in Sachen

Stadt Zürich,

Beklagte und Berufungsklägerin

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X. ,

gegen

A. ,

Kläger und Berufungsbeklagter

vertreten durch Rechtsanwalt MLaw Y. ,

betreffend Forderung / Einseitige Vertragsänderung (Rückweisung) Berufung gegen ein Urteil des Mietgerichtes Zürich (Kollegialgericht) vom

19. Juli 2023 (MJ230012)

Rechtsbegehren des Klägers und Berufungsbeklagten:

(act. 1 S. 2)

1. Es sei die mit Formular vom 21. August 2020 mitgeteilte Mietver- tragsänderung für die 3.5-Zimmer-Wohnung, im 5. Obergeschoss, an der Adresse B. -strasse …, … Zürich, für ungültig resp. missbräuchlich zu erklären und es sei diese aufzuheben.

2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MwSt.) zulasten der Beklagten.

Ursprüngliche Anträge der Beklagten und Berufungsklägerin:

(act. 34 S. 2)

1. Die Klage sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist,

2. unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Klägers.

Modifizierte Anträge der Beklagten und Berufungsklägerin:

(act. 60 S. 2)

1. Die Klage sei abzuweisen und demgemäss sei festzustellen, dass die einseitige Vertragsänderung vom 21. August 2020 gültig ist;

2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der kla- genden Partei.

Urteil des Mietgerichtes:

  1. In Gutheissung der Klage wird die Vertragsänderungsanzeige der Beklagten vom 21. August 2020 im Sinne der Erwägungen für missbräuchlich erklärt, soweit sie sich nicht als nichtig erweist und über eine blosse Absichtserklä- rung hinausgeht und soweit der Kläger sich mit der Anpassung nicht einver- standen erklärt hat.

  2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 4'950.00.

  3. Die Kosten werden der Beklagten auferlegt. Sie werden zulasten des vom Kläger geleisteten Kostenvorschusses von Fr. 3'960.– bezogen. Dieser Be- trag ist dem Kläger aber durch die Beklagte zu ersetzen. Soweit der Vor-

    schuss zur Deckung der Kosten nicht ausreicht, werden die Kosten der Be- klagten in Rechnung gestellt.

  4. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für das erstinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 6'207.– (inkl. MWSt) zu bezahlen.

  5. [Mitteilungen].

  6. [Rechtsmittel der Berufung; Frist 30 Tage].

Berufungsanträge der Beklagten und Berufungsklägerin:

(act. 73 S. 2)

1. Das angefochtene Urteil des Mietgerichts Zürich vom 19. Juli 2023 (Geschäfts-Nr. MJ230012-L) sei aufzuheben, die Klage sei abzuweisen und es sei festzustellen, dass die einseitige Vertragsänderung der Be- klagten/Berufungsklägerin vom 21. August 2020 gültig ist;

2. unter Kosten- und Entschädigungsfolgen für das erst- und das zweitin- stanzliche Verfahren zulasten des Klägers/Berufungsbeklagten.

Erwägungen:

I.

1.

Die Beklagte und Berufungsklägerin (fortan Berufungsklägerin) schloss am

6. November 1998 mit dem Kläger und Berufungsbeklagten (fortan Berufungsbe- klagter) einen Mietvertrag über eine 3,5-Zimmerwohnung an der B. - strasse … in … Zürich ab (act. 3/1). Mit Formular vom 21. August 2020 teilte die Berufungsklägerin dem Berufungsbeklagten mit, dass ab dem 1. Januar 2024

Zusatzpflichten auf Basis VGV [gemeint der Verordnung über die Grundsätze der Vermietung von städtischen Wohnungen vom 10. Januar 2018; {AS 846.100}] (vgl. Begleitschreiben [act. 3/8]) gelten würden (act. 3/5). In diesem Begleit- schreiben hielt die Berufungsklägerin fest, der Stadtrat von Zürich habe per

1. Januar 2019 die neue Verordnung über die Grundsätze der Vermietung von städtischen Wohnungen vom 10. Januar 2018 in Kraft gesetzt. Diese Verordnung sehe Bestimmungen zum Wohnsitz, zur Wohnungsbelegung, zu den wirtschaftli- chen Verhältnissen, zur Einkommensentwicklung, zum persönlichen Gebrauch, zur Untervermietung sowie zur Informations- und Auskunftspflicht bzw. Aus- kunftsermächtigung vor. All diese Bestimmungen würden die allenfalls bereits im bestehenden Mietvertrag enthaltenen Bestimmungen ersetzen oder – soweit die- se Themen im bestehenden Mietvertrag noch gar nicht behandelt worden seien – ergänzen. Dabei gehe es konkret um die folgenden neuen Mietvertragsbestim- mungen (act. 3/8):

Wohnsitz, Wohnungsbelegung

Die Mietpartei verpflichtet sich, den zivil- und steuerrechtlichen Wohnsitz in der Stadt Zürich anzumelden und diesen während der ganzen Vertragsdauer beizubehalten. Die Wohnung darf nicht als Zweitwohnung verwendet werden. Davon ausgenommen sind Personen in Ausbildung. Die Missachtung dieser Vorschriften berechtigt die Vermieterin den Mietvertrag zu kündigen.

Die Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner des Mietobjekts darf die Zahl der Zimmer um höchstens eins unterschreiten. Bei höherer Unterschreitung gilt das Mietobjekt als unterbe- legt. Bei der Berechnung der minimal erforderlichen Personenzahl werden nur Personen be- rücksichtigt, welche die Wohnsitzvorschriften erfüllen.

Die Einhaltung der Belegungsvorschriften ist für die Vermieterin eine unabdingbare Voraus- setzung für die Erfüllung des Mietvertrags. Bei deren Verletzung ist ein Wohnungswechsel erforderlich, falls der vertragsgemässe Zustand nicht anderweitig hergestellt werden kann. Die Vermieterin macht der Mietpartei bei einer Unterbelegung nach Möglichkeit zwei zumut- bare Ersatzangebote. Lehnt die Mietpartei die Ersatzangebote ab oder kann die Vermieterin keine Ersatzangebote unterbreiten, die den Vorgaben der VGV entsprechen, ist die Vermie- terin berechtigt, den Mietvertrag zu kündigen.

Wirtschaftliche Verhältnisse, Einkommensentwicklung

Der Mietzins und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Mietpartei müssen in einem ange- messenen Verhältnis zu einander stehen. Massgebend sind der Bruttomietzins und das steuerrechtlich massgebende Einkommen des gesamten Haushalts. Ein Zehntel des steu- erbaren Haushaltvermögens, das 200 000 Franken übersteigt, wird dem massgebenden Einkommen zugerechnet.

Das angemessene Verhältnis gilt im laufenden Mietverhältnis als verletzt, wenn das mass- gebende Einkommen gemäss Absatz 1 über 70 000 Franken liegt und gleichzeitig das Sechsfache des Bruttomietzinses übersteigt. Bei Verletzung des angemessenen Verhältnis- ses kann die Vermieterin von der Mietpartei einen Wohnungswechsel verlangen.

Wird ein Wohnungswechsel verlangt, macht die Vermieterin nach Möglichkeit zwei zumut- bare Ersatzangebote. Lehnt die Mietpartei diese ab oder kann die Vermieterin keine Ersatz- angebote unterbreiten, die den Vorgaben der VGV entsprechen, ist die Vermieterin berech- tigt, den Mietvertrag zu kündigen. Bei einem massgebenden Haushalteinkommen über

230 000 Franken kann das Mietverhältnis von der Vermieterin ohne Ersatzangebot gekün- digt werden.

Die Mietpartei ist sich bewusst und anerkennt, dass sich die vorgenannten Verhältniszahlen, Anteile und Frankenwerte im Zuge einer allfälligen Anpassung der VGV ändern können und ab Inkraftsetzung der Änderungen auch für diesen Mietvertrag Gültigkeit haben. Die Miet- partei wird über solche Änderungen gegebenenfalls schriftlich informiert.

Persönlicher Gebrauch, Untervermietung

Die Mietpartei verpflichtet sich, die gemietete Wohnung während der gesamten Vertrags- dauer selber zu bewohnen. Die Missachtung dieser Vorschrift berechtigt die Vermieterin, den Mietvertrag zu kündigen. Vorbehalten bleibt die zulässige Untervermietung gemäss nachfolgenden Absätzen 2 und 3.

Die Untervermietung ist nur mit vorgängiger Zustimmung der Vermieterin gestattet. Dabei gilt Folgendes: Die Untervermietung eines Teils der Wohnung ist zulässig. Ab Einzug der Untermietpartei gelten die Bestimmungen betreffend Wohnsitz, Belegung und wirtschaftli- che Verhältnisse für den Haushalt der Mietpartei als Ganzes. Die Untervermietung der gan- zen Wohnung ist zulässig, wenn sie maximal ein Jahr andauert und einmaligen Charakter hat. Sie hat keine Belegungs-, Wohnsitz- und Einkommensvorgaben zu erfüllen.

Untervermietungen, welche die im vorstehenden Absatz erwähnten Voraussetzungen für eine teilweise oder vollständige Untervermietung nicht erfüllen sowie kurzzeitige Vermietun- gen eines Teils oder der ganzen Wohnung über Vermietungsplattformen oder andere Orga- nisationsformen gelten für die Vermieterin als wesentlicher Nachteil im Sinne von Art. 262 Abs. 2 lit. c OR und berechtigen sie, die entsprechende Zustimmung zur Untermietung zu verweigern. Bei wiederholter Missachtung des Zustimmungserfordernisses ist die Vermiete- rin berechtigt, den Mietvertrag zu kündigen.

Informations- und Auskunftspflicht / Auskunftsbevollmächtigung

Die Mietpartei ist verpflichtet, der Vermieterin die zur Kontrolle der Vermietungsbedingun- gen gemäss diesem Mietvertrag sowie die zum Vollzug der VGV notwendigen Auskünfte zu erteilen und auf Verlangen entsprechende Nachweise vorzulegen. Bei Verletzung dieser Pflichten oder bei Täuschung ist die Vermieterin berechtigt, das Mietverhältnis zu kündigen.

Die Mietpartei ermächtigt die Vermieterin überdies zu diesem Zweck beim Personenmelde- amt, beim Steueramt und bei anderen zuständigen Stellen, welche für die Mietvertrags- umsetzung erforderliche Daten bearbeiten, die erforderlichen Auskünfte und Daten, insbe- sondere über den Zivilstand, die Personenzahl, den Wohnsitz sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse einzuholen. Der Mietvertrag mit seinen nachträglichen Änderungen gilt als Ausweis über die vorerwähnten Ermächtigungen.

Weiter legte die Berufungsklägerin ihrem Mietvertragsanpassungsschreiben die VGV bei (act. 3/7).

2.

Mit Eingabe vom 23. September 2020 beantragte der Berufungsbeklagte bei der Schlichtungsbehörde Zürich, die oben dargestellten einseitigen Mietvertragsände- rungen für ungültig zu erklären und aufzuheben (act. 6/1). Die Schlichtungsbehör- de unterbreitete den Parteien mit Beschluss vom 2. Juni 2021 einen Urteilsvor- schlag, worin sie die Klage abwies (act. 6/7). Der Berufungsbeklagte lehnte die- sen Urteilsvorschlag am 25. Juni 2021 ab (act. 6/10). In der Folge erteilte die Schlichtungsbehörde dem Berufungsbeklagten mit Beschluss vom 30. Juni 2021 die Klagebewilligung (act. 6/11).

3.

Am 12. August 2021 (Datum Poststempel) machte der Berufungsbeklagte eine Klage mit dem eingangs wiedergegebenen Rechtsbegehren beim Mietgericht Zü- rich (fortan Vorinstanz) anhängig (act. 1). Mit Zirkulationsbeschluss vom 6. April 2022 trat die Vorinstanz auf diese Klage nicht ein (act. 38). Dagegen erhob die Berufungsklägerin am 23. Mai 2022 (Datum Poststempel) Berufung beim Oberge- richt des Kantons Zürich (act. 43). Dieses hob mit Urteil vom 29. November 2022 den vorinstanzlichen Zirkulationsbeschluss vom 6. April 2022 auf und wies die Sache zur Durchführung des Verfahrens und zu neuer Entscheidung an die Vo- rinstanz zurück (act. 52). Am 19. Juli 2023 erliess die Vorinstanz das vorstehende Urteil (act. 68 = act. 72 = act. 74 [fortan act. 72]).

4.

Dagegen erhob die Berufungsklägerin am 12. September 2023 (Datum Post- stempel) erneut Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich (act. 73). Mit Ver- fügung vom 15. September 2023 setzte die Vorsitzende der Kammer der Beru- fungsklägerin eine Frist an, um einen Kostenvorschuss von Fr. 3'900.– zu leisten (act. 75). Dieser Vorschuss ging mit Valutadatum vom 26. September 2023 bei der Obergerichtskasse ein (act. 77). Von der Einholung einer Berufungsantwort bzw. einer vorinstanzlichen Vernehmlassung kann abgesehen werden (Art. 312 Abs. 1 ZPO; Art. 324 ZPO analog). Die Berufungsschrift (act. 73) ist dem Beru- fungsbeklagten mit dem vorliegenden Endentscheid zuzustellen.

II.

1.

Die Berufung ist bei der Rechtsmittelinstanz innert 30 Tagen seit Zustellung des begründeten Entscheids schriftlich und begründet einzureichen (Art. 311 Abs. 1 ZPO). Die Rechtsmittelschrift muss Anträge enthalten, aus welchen hervorgeht, wie der angefochtene Entscheid abgeändert werden soll. Die Vorinstanz stellte der Berufungsklägerin das angefochtene Urteil vom 19. Juli 2023 am 24. Juli 2023 zu (act. 70). Die Berufungsklägerin übergab ihr Rechtsmittel am 12. September 2023 der Post (act. 73 S. 1). Die Sendung traf damit unter Berücksichtigung der Sommergerichtsferien rechtzeitig innert der 30-tägigen Berufungsfrist beim Ober- gericht ein (Art. 143 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 145 Abs. 1 lit. b ZPO; KUKO ZPO- Hoffmann-Nowotny/Brunner, 3. A., Art. 143 N 7). Das Rechtsmittel enthält eine Begründung und die vorstehenden Berufungsanträge (act. 73 S. 2). Mit Valutada- tum vom 26. September 2023 überwies die Berufungsklägerin rechtzeitig den ihr auferlegten Kostenvorschuss von Fr. 3'900.– an die Kasse des Obergerichtes (act. 77). Damit sind alle Berufungsvoraussetzungen erfüllt, weshalb auf das Rechtsmittel einzutreten ist.

2.

    1. Zwischen den Parteien ist strittig, ob die mit Schreiben vom 21. August 2020 mitgeteilte (act. 3/5 und act. 3/8) einseitige Mietvertragsänderung rechtsgül- tig ist. Die Vorinstanz erwog dazu vorab zusammengefasst, im Mietrecht werde die Kündigungsfreiheit einzig durch den Grundsatz von Treu und Glauben einge- schränkt (Art. 271 Abs. 1 OR). Gemäss Art. 271a OR dürfe eine Kündigung ins- besondere nicht dazu dienen, eine einseitige Vertragsänderung oder Mietzinsan- passung durchzusetzen. Bei der Beurteilung einer Kündigung sei von positiven Loyalitätskriterien (Art. 2 Abs. 1 ZGB) sowie vom Sozialschutzgedanken auszu- gehen und weniger vom Verbot des Rechtsmissbrauchs (Art. 2 Abs. 2 ZGB). Beim Kündigungsschutz im engeren Sinn genüge nur ein erhebliches Interessen- gefälle zum Nachteil des Mieters für eine Aufhebung der Kündigung (act. 72

      E. 4.2.1).

    2. Die Mietvertragsänderung sei missbräuchlich: So nehme sich die Beru- fungsklägerin das Recht heraus, über ihr Mietreglement wesentliche Fragen der Umsetzung der VGV dem Stadtrat zu überlassen, der diese Regeln auch fast nach Belieben ändern könne. Damit verletze die Berufungsklägerin nicht nur

      Art. 269d Abs. 3 OR, sondern grundlegende Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit. Es sei zudem geradezu willkürlich, bei der Kündigung einer Wohnung auf das steu- erbare Einkommen abzustellen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von selb- ständigerwerbenden Personen schlage sich nur sehr begrenzt im steuerbaren Einkommen nieder (act. 72 E. 4.3.5). Den Vermieter gehe es nichts an, ob der Mieter die Sache persönlich benütze oder nicht. In diesem Sinne verfolgten Miet- verträge für gewöhnlich auch keine fiskalischen oder volkswirtschaftlichen Zwe- cke, wie eine Förderung des lokalen Gewerbes. Indem die Berufungsklägerin eine Wohnsitzpflicht einführen wolle, verstosse sie gegen die Niederlassungsfreiheit von Art. 24 BV. Der Staat sei auch bei seinem privatrechtlichen Handeln an die Grundrechte gebunden. Mit der Einführung einer Wohnsitzpflicht gestalte die Be- rufungsklägerin das Vertragsgefüge in grundlegender Weise um. Dies verstosse gegen das Verbot der Teilkündigungen (act. 72 E. 4.3.6).

    3. Art. 4 Abs. 5 aDSG (bzw. Art. 6 Abs. 6 DSG) bestimme ausdrücklich, dass eine für die Datenbearbeitung erforderliche Einwilligung der betroffenen Person erst gültig sei, wenn sie im Einzelfall, nach angemessener Information und vor al- lem freiwillig erfolge. Bei einer angefochtenen einseitigen Vertragsänderung kön- ne von Freiwilligkeit indessen keine Rede sein. Die Vertragsänderung erweise sich in diesem Punkt als offensichtlich nichtig. Die von der Berufungsklägerin be- absichtigte eigenmächtige Datenbeschaffung über eine Änderungsmitteilung im Sinne von Art. 269d Abs. 3 OR sei unzulässig (act. 72 E. 4.3.7).

    4. Schliesslich modifizierten die weitreichenden Einschränkungen des Ge- brauchsrechts das Gleichgewicht der vertraglichen Leistungen stark zu Gunsten der Berufungsklägerin. Da mit diesen Änderungen keine Mietzinsanpassungen einhergingen, seien Erstere auch deshalb missbräuchlich (act. 72 E. 4.3.8).

3.

    1. Die Berufungsklägerin hält dem entgegen, dank der einseitigen Vertrags- änderung (Art. 269d Abs. 3 OR) könne eine Änderungskündigung vermieden werden. Da weder Art. 269d OR noch Art. 270b Abs. 2 OR einen Massstab für die Missbräuchlichkeit setze, sei gemäss Bundesgericht auf das allgemeine Miss- brauchsverbot von Art. 2 ZGB abzustellen. Es genüge daher, wenn der Vermieter einen plausiblen Grund für die beabsichtigte Vertragsänderung geltend machen könne. Nicht massgebend sei die Zumutbarkeit der Vertragsänderung für den Mieter im konkreten Fall (act. 73 S. 9).

    2. Wie die Vorinstanz zu Recht festgehalten habe, wehre sich der Berufungs- beklagte nicht gegen die mittels der Vertragsänderung eingeführten Belegungs- vorschriften. Die Vorinstanz habe folglich auch keine weiteren Erwägungen dazu gemacht. Dennoch habe die Berufungsklägerin ein schützenswertes Interesse an der Feststellung, dass sich die Vertragsänderungsanzeige auch in dieser Hinsicht als gültig erweise. Denn es sei möglich, dass sich die Belegungsverhältnisse beim Berufungsbeklagten inskünftig änderten, sodass die Berufungsklägerin zur Durchsetzung ihres Anspruchs eine rechtliche Handhabe benötige. Die Gültigkeit der Vertragsänderung gehe auch in dieser Hinsicht aus dem Dispositiv des vo- rinstanzlichen Urteils nicht genügend deutlich hervor (act. 73 S. 10).

    3. Die Vorinstanz verkenne sodann das Sanktionensystem der VGV, welches eine Kündigung nur als ultima ratio vorsehe. Bei Vorliegen besonderer persönli- cher Umstände oder hohem Alter könne ein Wohnungswechsel als unzumutbar taxiert und auf eine Kündigung verzichtet werden. Es entspreche einem legitimen Interesse einer Vermieterin, ihre Wohnungen an solche Mieter abzugeben, die da- rauf angewiesen seien (act. 73 S. 11). Es bestehe notorisch eine grosse Nachfra- ge nach städtischen Wohnungen, weshalb sich für die Wohnung des Berufungs- beklagten ohne Weiteres neue Mieter finden würden. Auch wenn im Kündigungs- zeitpunkt noch kein konkreter Mietnachfolger bekannt sei, könne daher von einer verpönten Kündigung auf Vorrat keine Rede sein (act. 73 S. 12).

    4. Soweit die Vorinstanz die eingeführte Einschränkung des Rechts auf Un- tervermietung als nichtig bezeichne, könne ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Der Vermieter könne für die Untervermietung gewisse Einschränkungen vorsehen. Die in Art. 7 Abs. 2 VGV vorgesehene zeitliche Einschränkung wirke sich nicht zwingend nachteilig oder in rechtsverletzender Weise auf die Rechtsposition des Mieters aus. Im Lichte des verfassungsmässig garantierten Rechts auf Eigentum (Art. 26 BV) und des richtig verstandenen Sozialschutzbedürfnisses des Woh- nungsmieters (Art. 109 BV) sei es sachgerecht, die Untervermietung der Woh- nung als Ganzes auf ein Jahr zu beschränken. Damit bewege sich die Berufungs- klägerin auch im Rahmen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die Untervermietung bloss vorübergehend zulässig sei (act. 73 S. 13 f.). Die Mietver- tragsänderung bezwecke, die Dauer der Untervermietung nach objektiven und klar messbaren Angaben einzuschränken. Auch hier habe die Berufungsklägerin die Möglichkeit, auf eine Kündigung zu verzichten, wenn sich eine längere Unter- vermietung im konkreten Fall rechtfertigen lasse. Damit seien die neuen Vorga- ben bundesrechtskonform. Eine mehr als ein Jahr dauernde Untervermietung sei mit der Zielsetzung einer gerechten und nachhaltigen Bewirtschaftung der Mietob- jekte der Berufungsklägerin nicht zu vereinbaren. Mit der gegenteiligen Auslegung verletze die Vorinstanz Art. 262 Abs. 2 OR (act. 73 S. 14 f.).

    5. Eine Vermieterin könne im Rahmen der Rechtsordnung (Art. 19 Abs. 2 OR und Art. 20 OR) jederzeit, mithin auch nachträglich, Bedingungen an das mietver- tragliche Nutzungsrecht knüpfen. Es bestehe keine Norm des schweizerischen Rechts, welches der Berufungsklägerin die Einführung einer Wohnsitzpflicht ver- biete. Die Berufungsklägerin schränke mit der Wohnsitzpflicht weder die Bewe- gungs-, geschweige denn die Niederlassungsfreiheit einer Mietpartei ein. Die Nie- derlassungsfreiheit verschaffe keinen Grundrechtsanspruch, in einem bestimmten Quartier oder gar an einer bestimmten Strasse in der Stadt Zürich zu wohnen. Andernfalls könnte die Verletzung der Niederlassungsfreiheit von jeder gekündig- ten Mietpartei einer Wohnung angerufen werden. Indem die Vorinstanz das Erfor- dernis der Wohnsitzpflicht als unzulässige Teilkündigung qualifiziert und deswe- gen die Vertragsänderungsanzeige als nichtig bezeichnet habe, habe sie

      Art. 269d Abs. 3 OR, Art. 24 BV, Art. 109 BV und Art. 26 BV verletzt (act. 73 S. 15 f.).

    6. Auf die weiteren Ausführungen der Berufungsklägerin wird – soweit erfor- derlich – im Rahmen der folgenden Erwägungen näher eingegangen.

4.

Am 10. Januar 2018 erliess der Gemeinderat der Stadt Zürich die Verordnung über die Grundsätze der Vermietung von städtischen Wohnungen (VGV). Der Stadtrat setzte diesen Erlass auf den 1. Januar 2019 in Kraft. Die Berufungskläge- rin versteht die VGV nicht als kommunales materielles Privatrecht, das direkt all ihre bestehenden Mietverträge regelt. Vielmehr möchte sie den Inhalt der VGV in- direkt über einseitige Mietvertragsänderungen in die bestehenden einzelnen städ- tischen Mietverträge überführen. Die Berufungsklägerin misst der VGV folglich keine generell-abstrakte Wirkung bei. Entsprechend ist die VGV nicht im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 122 Abs. 1 BV, Art. 5 Abs. 1 ZGB und Art. 6 Abs. 1 ZGB hin zu überprüfen (vgl. zur inzidenten oder konkreten Normenkontrolle BGer, 2C_636/2020 vom 29. Dezember 2021,

E. 2; BGer, 2C_425/2014 vom 18. Juli 2015, E. 2.3.2). Vielmehr können sich die nachfolgenden Erwägungen auf die Frage beschränken, ob die Berufungsklägerin den Inhalt der VGV gegen den Willen der Berufungsbeklagten zu einem verbindli- chen Bestandteil ihres Mietvertrages erheben konnte.

5.

    1. Durch den Mietvertrag verpflichtet sich der Vermieter, dem Mieter eine Sa- che zum Gebrauch zu überlassen, und der Mieter, dem Vermieter dafür einen Mietzins zu leisten (Art. 253 OR). Wie alle Verträge entsteht auch der Mietvertrag nach den allgemeinen Regeln des Obligationenrechts: Erforderlich ist gemäss Art. 1 Abs. 1 OR der Austausch übereinstimmender Willenserklärungen (Schmid/Stöckli/Krauskopf, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil,

      3. A., Zürich/Basel/Genf 2021, N 897). Dabei bilden die Gebrauchsüberlassung, ihr Gegenstand sowie der Mietzins die objektiv wesentlichen Vertragselemente.

      Haben sich die Parteien nicht über diese essentialia negotii geeinigt, kommt kein Mietvertrag zustande (SVIT Mietrecht-Rohrer, 4. A., Vor. Art. 253–273c OR

      N 4 f.).

    2. Die Berufungsklägerin überliess dem Berufungsbeklagten per 1. April 1999 eine 3,5-Zimmer-Dachwohnung zu Wohnzwecken. Im Gegenzug verpflichtete sich die Mieterschaft dazu, der Berufungsklägerin einen Mietzins von anfänglich Fr. 2'493.– pro Monat zu bezahlen (act. 3/1). Es liegt somit eine konsensuale ent- geltliche Gebrauchsüberlassung und damit ein Mietvertrag im Sinne von Art. 253 ff. OR vor. Diese Ausgangslage ist zwischen den Parteien unbestritten.

6.

    1. Die Berufungsklägerin teilte dem Berufungsbeklagten mit Schreiben vom

      21. August 2020 eine einseitige Änderung dieses Mietvertrages im Sinne von Art. 269d Abs. 3 OR mit (act. 3/5 i.V.m. act. 3/8). Eine solche Mitteilung unterliegt

      der gerichtlichen Missbrauchskontrolle. Der Mieter kann die entsprechende Mittei- lung als missbräuchlich anfechten (Art. 270b OR).

    2. Im Folgenden ist zu prüfen, wie sich die strittigen Vorschriften auf den be- stehenden Mietvertrag auswirken. Art. 269d OR regelt die Mietzinserhöhungen und anderen einseitigen Vertragsänderungen durch den Vermieter wie folgt: Der Vermieter kann den Mietzins jederzeit auf den nächstmöglichen Kündigungster- min erhöhen. Er muss dem Mieter die Mietzinserhöhung allerdings mindestens zehn Tage vor Beginn der Kündigungsfrist auf einem vom Kanton genehmigten Formular mitteilen und begründen (Art. 269d Abs. 1 OR). Die Mietzinserhöhung ist gemäss Art. 269d Abs. 2 OR nichtig, wenn der Vermieter (a.) sie nicht mit dem vorgeschriebenen Formular mitteilt; (b.) sie nicht begründet; (c.) mit der Mitteilung die Kündigung androht oder ausspricht. Dabei gelten die Art. 269d Abs. 1 und Abs. 2 OR auch, wenn der Vermieter beabsichtigt, sonstwie den Mietvertrag ein- seitig zu Lasten des Mieters zu ändern, namentlich seine bisherigen Leistungen zu vermindern oder neue Nebenkosten einzuführen (Art. 269d Abs. 3 OR).

7.

Art. 269d Abs. 3 OR steht systematisch im Abschnitt Schutz vor missbräuchli- chen Mietzinsen und anderen missbräuchlichen Forderungen des Vermieters bei der Miete von Wohn- oder Geschäftsräumen. Folglich bildet diese Bestimmung Teil des sozialen Privatrechts. Der Bundesgesetzgeber statuierte diesen Abschnitt gestützt auf Art. 34septies aBV bzw. Art. 109 Abs. 1 BV, wonach er Vorschriften ge- gen Missbräuche im Mietwesen erlässt. Der verfassungsrechtliche Schutz der Mieterinnen und Mieter vor Missbräuchen ist offen gehalten und bedarf der Kon- kretisierung (SGK BV-Alvarez, 4. A., Art. 109 N 14). Erfasst werden namentlich Sachverhalte, bei denen eine Vertragspartei gegen Treu und Glauben verstösst oder die Vermieterschaft ihre überlegene Position ausnutzt, um ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zu schaffen (BSK BV-Cardinaux, Art. 109 N 12). Art. 109 Abs. 1 BV schützt in persönlicher Hinsicht ausschliesslich den Mieter als die schwächere Partei im Mietverhältnis (BSK BV-Cardinaux, Art. 109 N 10; ähnlich OFK BV-Biaggini, 2. A., Art. 109 N 3; SGK BV-Alvarez, 4. A.,

Art. 109 N 10). Demgegenüber vermittelt diese Verfassungsbestimmung der Ver- mieterschaft keinen Anpassungsanspruch. Folglich kann sich die Berufungskläge- rin nicht mit Erfolg auf Art. 109 BV berufen; ihre Überlegungen zur angeblich feh- lerhaften Anwendung dieser Verfassungsbestimmung sind unbeachtlich (act. 73 S. 5, 14–16).

8.

    1. Art. 269d Abs. 3 OR führt nicht näher aus, wann genau eine einseitige Ver- tragsänderung zu Lasten des Mieters vorliegt. Es handelt sich daher um einen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff. Der angefochtene Entscheid fasst eingehend die verschiedenen Literaturmeinungen und die bundesgerichtli- che Rechtsprechung zu Art. 269d Abs. 3 OR zusammen. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann darauf verwiesen werden (act. 73 E. 4.1.2 f.). Bedeutungslos ist in diesem Zusammenhang, dass die Berufungsklägerin eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist. Ebenso wenig ist massgeblich, nach welchen Modalitäten sie ih- ren Mietzins festsetzt. Aufgrund der derogatorischen Kraft des Bundesrechts ha- ben die mietvertraglichen Bestimmungen des Obligationenrechts stets Vorrang

      vor abweichendem kantonalem oder kommunalem Recht (Art. 49 Abs. 1 BV; BGer, 4A_425/2019 vom 11. November 2019, E. 8). Die Berufungsklägerin kann daher nicht gestützt auf einen kommunalen Erlass Art. 269d Abs. 3 OR modifizie- ren.

    2. Nicht unter Art. 269d Abs. 3 OR fallen Änderungen, die sich vorteilhaft auf die Mieterschaft auswirken. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut dieser Bestim- mung (zu Lasten des Mieters).

    3. Auch bagatellartige Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeit wirken sich nicht zu Lasten der Mieterschaft aus. Zu denken ist beispielsweise an unterge- ordnete bauliche Massnahmen, die der Vermieter für den Erhalt des Mietobjekts vornehmen muss (Art. 256 Abs. 1 OR) und die das Austauschverhältnis von Leis- tung und Gegenleistung nicht beeinflussen. Ein Hauseigentümer darf beispiels- weise unabhängig vom Mieter sein Treppenhaus weiss oder gelb anstreichen. Vorbehalten bleibt allenfalls ein Corporate-Identity bedingtes Interesse der Mie- terschaft an einer bestimmten Farbgebung. Ebenso wenig kann ein Mieter verlan- gen, dass sein Vermieter einen defekten Warmwasserboiler durch ein Modell ei- ner bestimmten Marke ersetzt. Solche Änderungen beeinflussen das mietvertrag- liche Synallagma bloss geringfügig, weshalb sie unbeachtlich sind (vgl. SVIT Miet- recht-Rohrer, 4. A., Art. 269d OR N 68).

    4. Vorliegend möchte die Berufungsklägerin dem Berufungsbeklagten unter anderem vorschreiben, welches Einkommen er maximal erzielen dürfe, um in der Wohnung bleiben zu können (act. 3/8 S. 2). Diese Vorgaben schränkt die wirt- schaftliche Entfaltungsmöglichkeit der Berufungsbeklagten ein, weshalb die Er- heblichkeitsschwelle von Art. 269d Abs. 3 OR überschritten ist.

9.

    1. Nachdem vorstehend die untere Schwelle für die Anwendbarkeit von

      Art. 269d Abs. 3 OR dargestellt wurde, ist in einem nächsten Schritt die entspre- chende obere Schwelle zu ermitteln. Zu prüfen ist, wie weitgehende Mietvertrags- änderungen der Vermieter gestützt auf diese Bestimmung erwirken kann.

    2. Von vornherein unzulässig sind alle Änderungsmitteilungen, die gegen zwingendes Recht verstossen. Der Vermieter kann beispielsweise nicht den Mie- ter dazu verpflichten, das Mietobjekt in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu erhalten (Art. 256 OR). Ebenso wenig kann der Vermieter auf diesem Weg einen Verrechnungsverzicht erwirken (Art. 265 OR) oder für den Kündigungsfall die Formularpflicht aufheben (Art. 266l Abs. 2 OR). Solche Ver- tragsänderungen sind von vornherein nichtig (Art. 20 Abs. 1 OR) und bedürfen keiner Anfechtung.

    3. Sind hingegen einseitige Mietvertragsanpassungen strittig, die nicht bereits gegen zwingendes Recht verstossen, dann stellen sich die folgenden zwei Fragen (SVIT Mietrecht-Rohrer, 4. A., Art. 269d OR N 67):

    4. Verträge sorgen für Rechtssicherheit, indem sie die Zukunft planbar ma- chen. Dieses Ziel erreichen sie nur, wenn sie einseitig weder in Frage gestellt noch modifiziert werden können. Verträge sind kein work in progress. Parteien müssen deshalb grundsätzlich auch Verträge mit nachträglicher Äquivalenzstö- rung befolgen (Huguenin, Obligationenrecht, Allgemeiner und Besonderer Teil,

      3. A., Zürich/Basel/Genf 2019, N 320). Die versprochenen Leistungen sind daher selbst dann zu erbringen, wenn der Erfüllungsaufwand grösser oder kleiner aus- fällt als vorgesehen, die fraglichen Leistungen an Wert gewinnen oder verlieren oder andere Gründe einer Partei die Vertragserfüllung erschweren (Koller, Hand- buch des Allgemeinen Teils des Obligationenrechts, Bd. I, 5. A., Bern 2023,

      N 29.02). Bloss ausnahmsweise weicht das Obligationenrecht vom Grundsatz der Vertragstreue ab, indem es einer Partei eine nachträgliche einseitige Vertragsan- passung ermöglicht. Dies zeigt sich bei der clausula rebus sic stantibus, die aus Art. 2 Abs. 2 ZGB abgeleitet wird (vgl. BGE 97 II 390 E. 6). Diese Regel ermög- licht nur in besonderen Ausnahmesituationen nachträgliche Vertragsanpassungen. Erforderlich ist eine unvorhersehbare Veränderung der Verhältnisse, die zu einer gravierenden Äquivalenzstörung führt (Gauch/Schluep/Schmid, Schweizeri- sches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 11. A., Zürich/Basel/Genf 2020, N 1297–1301).

    5. Wie ausgeführt, entsteht der Mietvertrag durch den Austausch überein- stimmender Willenserklärungen (Art. 1 Abs. 1 OR), wobei die Gebrauchsüberlas- sung, das Mietobjekt und die Entgeltlichkeit seine objektiv wesentlichen Bestand- teile bilden (vorne E. II/5.1). Der allgemeine Grundsatz der Vertragstreue gilt auch im Mietrecht. Ein gültig zustande gekommener Mietvertrag bindet beide Vertrags- parteien. Einer Mietvertragspartei darf daher nur unter eingeschränkten Voraus- setzungen ein Recht auf einseitige Vertragsänderung zugebilligt werden.

    6. Weiter ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass Mietverträge ein einheitliches Ganzes bilden. Der Entzug wesentlicher Teile eines Mietobjektes ist als Teilkündigung zu qualifizieren. Teilkündigungen sind nichtig und damit unwirk- sam (BSK OR I-Weber, 7. A., Art. 266a N 1a; Mietrecht für die Praxis-Thanei,

      10. A., Kap. 25.12).

    7. Art. 269d OR regelt neben den anderen einseitigen Vertragsänderungen auch die Mietzinserhöhung. Der Vermieter darf den vereinbarten Mietzins nach Vertragsschluss nicht nach eigenem Gutdünken erhöhen. Vielmehr muss er sich auf einen zulässigen Erhöhungsgrund abstützen können. Dazu zählen namentlich die Veränderung des Referenzzinssatzes (Art. 269a lit. b OR i.V.m. Art. 12–13 VMWG), der Teuerungsausgleich im Umfang von 40 % (Art. 269a lit. e OR i.V.m. Art. 16 VMWG) oder Mehrleistungen des Vermieters (Art. 269a lit. b OR i.V.m. Art. 14 VMWG). Mietzinserhöhungen sind somit nur in einem eng abgesteckten Rahmen zulässig. Um Wertungswidersprüche zwischen dem ersten und dritten Absatz von Art. 269d OR zu vermeiden, müssen ähnlich restriktive Voraussetzun- gen auch dann gelten, wenn andere einseitige Vertragsänderungen zu beurteilen sind.

    8. Art. 269d Abs. 3 OR erlaubt zusammengefasst keine fundamentalen Ein- griffe in das mietvertragliche Synallagma, die der Mieter im Zeitpunkt des Ver-

      tragsabschlusses nicht voraussehen konnte. Der Vermieter darf daher den Miet- vertrag nicht gestützt auf Art. 269d Abs. 3 OR in wesentlichen Punkten neu aus- gestalten. Zulässig sind bloss untergeordnete nachträgliche Leistungsschmäle- rungen, die dem Mieter objektiv betrachtet zugemutet werden können (BSK OR I- Weber, 7. A., 269d N 11).

    9. Art. 269d Abs. 3 OR bezeichnet keine Kriterien, anhand derer sich die Zu- lässigkeit anderer einseitiger Vertragsänderungen überprüfen liesse. Mangels ei- nes mietrechtsspezifischen Kontrollmassstabes erfolgt diese Überprüfung nach dem allgemeinen Missbrauchsverbot von Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB; BGer, 4A_74/2021 vom 30. April 2021, E. 2.3.1).

    10. Die Mietvertragsparteien können bei Vertragsschluss oder während eines laufenden Mietverhältnisses die Voraussetzungen für eine nachträgliche Ver- tragsänderung konsensual festlegen. Es ist ihnen beispielsweise freigestellt, den Fortbestand ihres Mietvertrages von einer auflösenden Bedingung (Art. 154 OR) abhängig zu machen (vgl. BGE 121 III 260 E. 5). In diesen Fällen weiss der Mie- ter bereits bei Vertragsschluss, worauf er sich einlässt. Solche Änderungen sind daher unproblematisch. Ähnliches gilt im Genossenschaftsrecht: Eine Genossen- schafterin muss nur dann in eine kleinere Wohnung umziehen, wenn eine statuta- rische Vorschrift sie ausdrücklich dazu verpflichtet (BGE 101 II 125 E. 3). Die Ge- nossenschafterin kann so klar erkennen, welche äusseren Umstände sie zu ei- nem Verlassen der Wohnung zwingen werden. Für einseitig mitgeteilte und kon- sensual vereinbarte Klauseln gelten unterschiedlich hohe Hürden. Erweist sich im Folgenden eine einseitig mitgeteilte Vertragsklausel als unzulässig, darf daraus nicht unbesehen auf ihre generelle Unzulässigkeit im Mietrecht geschlossen wer- den.

10.

Im Folgenden ist zu prüfen, wie die mit Schreiben vom 21. August 2020 mitgeteil- ten einzelnen Vertragsanpassungen (act. 3/5 i.V.m. act. 3/8) im Lichte der obigen Erwägungen zu würdigen sind.

11.

    1. Die Berufungsklägerin möchte den Berufungsbeklagten zunächst dazu verpflichten, ihren zivil- und steuerrechtlichen Wohnsitz während der ganzen Mietvertragsdauer in der Stadt Zürich beizubehalten (act. 3/5 i.V.m. act. 3/8 S. 2).

    2. Der Berufungsbeklagte hielt im vorinstanzlichen Verfahren ausdrücklich fest, die Einführung einer Wohnsitzpflicht sei eine zumutbare Vertragsänderung (act. 67 S. 11). Die Wohnsitzpflicht bildet daher nicht Gegenstand des vorliegen- den Rechtsstreites. Damit erübrigen sich Ausführungen zu den entsprechenden vorinstanzlichen Erwägungen (act. 72 E. 4.3.6).

12.

    1. Weiter möchte die Berufungsklägerin dem Berufungsbeklagten Vorgaben zur Wohnungsbelegung machen. Die Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner des Mietobjektes soll die Zahl der Zimmer höchstens um eins unterschreiten dürfen. Bei einer Unterbelegung ist vorgesehen, dass die Berufungsklägerin dem Mieter nach Möglichkeit zwei Ersatzangebote macht. Soweit der Mieter diese Ersatzan- gebote ablehnt oder wenn die Vermieterin keine Ersatzangebote zu unterbreiten vermag, soll diese den Mietvertrag kündigen dürfen (act. 3/5 i.V.m. act. 3/8 S. 2).

    2. Der Berufungsbeklagte äusserte sich dazu folgendermassen im vorinstanz- lichen Verfahren: Bereits sein ursprünglicher Mietvertrag vom 6. November 1998 enthalte Bestimmungen zur Wohnungsbelegung. Entsprechend erachte er diese einseitige Vertragsänderung als zumutbar und nicht als missbräuchlich (act. 67

      S. 11). In der Folge verzichtete die Vorinstanz ausdrücklich auf Erwägungen dazu (act. 72 E. 4.3.4). Die Berufungsklägerin macht geltend, sie habe ein schützens- wertes Interesse an der Feststellung der Gültigkeit dieser einseitigen Vertragsän- derung. Möglicherweise änderten sich nämlich künftig die Belegungsverhältnisse beim Berufungsbeklagten. Zur Durchsetzung ihres Anspruchs benötige sie daher eine rechtliche Handhabe. Die Gültigkeit der Vertragsänderung gehe aus dem Ur- teilsdispositiv nicht genügend klar hervor. Sie habe ein entsprechendes Feststel- lungsbegehren bereits bei der Vorinstanz gestellt (act. 73 S. 10 unter Hinweis auf act. 60 S. 2). Der angefochtene Entscheid enthalte nicht die beantragte Feststellung. Auf diese Weise setze sich die Vorinstanz über die Dispositionsmaxime (Art. 58 Abs. 1 ZPO) hinweg und verletze die Berufungsklägerin in ihrem An- spruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV).

    3. Aufgrund der Dispositionsmaxime darf das Gericht einer Partei nicht mehr und nichts anderes zusprechen, als sie verlangt, und nicht weniger, als die Ge- genpartei anerkannt hat (Art. 58 Abs. 1 ZPO; OFK ZPO-Sarbach, 3. A., Art. 58 N 2). Im Einklang hiermit kann die beklagte Partei in einem Zivilprozess (neben Anträgen auf Nichteintreten oder Abschreiben) grundsätzlich nur die Abweisung des klägerischen Begehrens verlangen. Darüber hinausgehende materielle Leis- tungs-, Gestaltungs- und Feststellungsanträge können bloss ausnahmsweise,

      nämlich im Rahmen einer Widerklage (Art. 224 ZPO) oder einer sogenannten ac- tio duplex (doppelseitigen Klage) geltend gemacht werden (CHK ZPO-Sutter- Somm/Seiler, Art. 222 N 4; DIKE ZPO-Pahud, 2. A., Art. 222 N 7 f.). Die Beru- fungsklägerin erhob im erstinstanzlichen Verfahren weder eine Widerklage noch liegt eine actio duplex vor.

    4. Der Berufungsbeklagte bezeichnete ausdrücklich die ihm auferlegte Pflicht zur persönlichen Benützung des Mietobjekts als nicht missbräuchlich (act. 67

S. 14). Aufgrund der Dispositionsmaxime war die Vorinstanz an diese einschrän- kende Umschreibung des Streitgegenstandes gebunden. Die Berufungsklägerin ihrerseits konnte, wie eben ausgeführt, im vorinstanzlichen Verfahren bloss nega- tiv die ganze oder teilweise Abweisung der Klage beantragen. Folglich hatte sie keinen Anspruch auf eine positive Feststellung der Gesetzeskonformität ihrer Ver- tragsklausel. Die Vorinstanz hat somit weder gegen die Dispositionsmaxime

(Art. 58 Abs. 1 ZPO) noch gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 53 Abs. 1 ZPO) verstossen. Da die Wohnungsbelegung nicht Gegenstand des vor- liegenden Rechtsstreites ist, erübrigen sich entsprechende Erwägungen.

13.

    1. Die Berufungsklägerin will den Berufungsbeklagten dazu verpflichten, das Mietobjekt selbst zu bewohnen. Im Widerhandlungsfall soll die Berufungsklägerin zur Kündigung berechtigt sein. Dabei soll eine zeitlich unbeschränkte Unterver-

      mietung eines Teils der Wohnung zulässig sein, sofern die Untermietpartei die Bestimmungen betreffend Wohnsitz, Belegung und wirtschaftliche Verhältnisse erfüllt. Eine Untervermietung der ganzen Wohnung soll hingegen nur erlaubt sein, wenn sie maximal ein Jahr andauert und einmaligen Charakter hat. Ein Verstoss gegen diese Vorgaben sowie eine Vermietung der Wohnung über sogenannte Vermietungsplattformen will die Berufungsklägerin als wesentlichen Nachteil im Sinne von Art. 262 Abs. 2 lit. c OR qualifizieren, der sie berechtigt, die Zustim- mung zur Untervermietung zu verweigern. Eine wiederholte Missachtung des Zu- stimmungserfordernisses soll zur Kündigung des Hauptmietverhältnisses führen (act. 3/5 i.V.m. act. 3/8 S. 2 f.).

    2. Der Berufungsbeklagte führte im vorinstanzlichen Verfahren aus, er habe gegen die Pflicht zum persönlichen Gebrauch der Wohnung nichts einzuwenden. Vielmehr erachte er diese einseitige Vertragsänderung als zumutbar (act. 67

      S. 45). In der Folge äusserte sich die Vorinstanz nicht zu dieser Klausel (act. 72

      E. 4.3.6). Die Berufungsklägerin wirft der Vorinstanz nun vor, sie hätte sich gleichwohl mit der Gültigkeit dieser Vertragsänderung befassen müssen. So habe sie im vorinstanzlichen Verfahren ausdrücklich die Feststellung der Gültigkeit der einseitigen Vertragsänderung vom 21. August 2020 beantragt (act. 60 S. 2). In- dem die Vorinstanz die Gültigkeit der Vertragsänderung nicht hinsichtlich der per- sönlichen Gebrauchspflicht überprüft habe, habe sie die Berufungsklägerin in ih- rem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (act. 73 S. 13).

    3. Der Berufungsbeklagte bezeichnete – wie ausgeführt – im vorinstanzlichen Verfahren die Pflicht zur persönlichen Benützung des Mietobjekts als nicht miss- bräuchlich (act. 67 S. 14). Aufgrund der Dispositionsmaxime war die Vorinstanz an diese klägerische Einschränkung des Streitgegenstandes gebunden. Die Beru- fungsklägerin ihrerseits konnte im vorinstanzlichen Verfahren bloss die Abwei- sung der Klage beantragen. Demgegenüber verfügte sie über keinen eigenen Feststellungsanspruch bezüglich der Gesetzeskonformität dieser Klausel. Es kann auf die obigen Ausführungen unter E. 12.3 f. verwiesen werden. Da die per- sönliche Benützung folglich nicht Rechtsmittelgegenstand bildet, erübrigt sich eine materielle Auseinandersetzung damit.

14.

    1. Die Berufungsklägerin möchte weiter ein angemessenes Verhältnis zwi- schen den wirtschaftlichen Verhältnissen der Mieterschaft und dem Wohnungs- mietzins erreichen. Um dieses Verhältnis zu ermitteln, rechnet sie einen Zehntel des steuerbaren Haushaltsvermögens, das Fr. 200'000.– übersteigt, dem mass- gebenden Einkommen der Mietpartei an. Das angemessene Verhältnis sieht sie als verletzt an, wenn das massgebende Einkommen über Fr. 70'000.– liegt und gleichzeitig das Sechsfache des Bruttomietzinses übersteigt (act. 3/5 i.V.m.

      act. 3/8 S. 2).

    2. Der Berufungsbeklagte führte im erstinstanzlichen Verfahren aus, sein Ein- kommen und Vermögen übersteige das zulässige Mass, weshalb er mit einer Kündigung rechnen müsse. Die Berufungsklägerin dürfe den Fortbestand seines Mietvertrages nicht von seiner Einkommenshöhe abhängig machen (act. 67

      S. 11 f.).

    3. Die Berufungsklägerin bestreitet nicht, dass der Berufungsbeklagte auf- grund seiner finanziellen Situation möglicherweise mit einer Kündigung rechnen müsse. Indessen sei keineswegs sicher, ob es am Ende tatsächlich zu einer sol- chen Kündigung kommen werde. Die Berufungsklägerin werde nämlich nur dann Massnahmen ergreifen, wenn 15 % der Wohnungen das angemessene Verhältnis zwischen Einkommen und Mietzins verletzten. Das Vorgehen zur Wiedererrei- chung der 15 %-Grenze sei genau festgelegt, wobei die Berufungsklägerin nur die nötigen Mietverhältnisse angehe. Die Berufungsklägerin habe ein legitimes Inte- resse, ihre günstigen Wohnungen an solche Mieter abzugeben, die als Folge ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse auf derartige Objekte angewiesen seien. Entgegen der Vorinstanz bilde die Durchsetzung der Vorgaben betreffend wirtschaftliche Verhältnisse keine Kündigung auf Vorrat. Es bestehe bekanntlich ein grosses In- teresse an städtischen Wohnungen, weshalb sich nach einer Kündigung sofort ei- ne andere Person als neue Mieterin finden liesse (act. 73 S. 10–13).

    4. Auch dazu kann vorab auf die zutreffenden vorinstanzlichen Ausführungen verwiesen werden (act. 72 E. 4.3.5). Ergänzend ist Folgendes festzuhalten: Ver-

mieter sind im Normalfall an möglichst finanzkräftigen Mietern interessiert, verur- sachen diese doch weniger Zahlungsausfälle. Vor diesem Hintergrund bilden Ma- ximalverdienstklauseln ungewöhnliche Vertragsbestandteile, mit deren nachträgli- chen Einführung eine Mieterin nicht zu rechnen braucht. Eine Mieterin muss be- reits bei Vertragsschluss wissen, wie sie die Vertragsbeendigung abwenden kann. Bei einer Maximalverdienstklausel ist dies kaum möglich. In welche Richtung sich das Einkommen und Vermögen einer Einzelperson entwickelt, hängt häufig von langfristigen Weichenstellungen im Leben ab, wie der Übernahme einer gut be- zahlten Stelle oder dem Ausschlagen einer Erbschaft. Die Berufungsklägerin kann daher nicht nachträglich einseitig eine Maximalverdienstklausel in den bestehen- den Mietvertrag einführen.

15.

    1. Schliesslich möchte die Berufungsklägerin den Berufungsbeklagten ver- pflichten, der Berufungsklägerin alle notwendigen Auskünfte zu erteilen und ent- sprechende Nachweise vorzulegen, die zur Kontrolle der vorstehend umschriebe- nen neuen Vermietungsbedingungen nötig sind. Weiter soll die Berufungsbeklag- te die Berufungsklägerin ermächtigen, beim Personenmeldeamt, beim Steueramt und bei anderen Stellen die erforderlichen Auskünfte und Daten einzuholen. Der entsprechend modifizierte Mietvertrag soll diese Ermächtigung belegen (act. 3/5

      i.V.m. act. 3/8 S. 3).

    2. Der Berufungsbeklagte erachtet diese einseitige Vertragsänderung als un- zumutbar und missbräuchlich. Die Berufungsklägerin dürfe den Fortbestand des Mietverhältnisses nicht von seinen wirtschaftlichen Verhältnissen abhängig ma- chen. Demzufolge verfüge die Berufungsklägerin auch über kein schützenswertes Interesse, seine Steuer- und Personendaten zu nutzen (act. 67 S. 15).

    3. Die Berufungsklägerin ihrerseits macht geltend, die Auskünfte zum steuer- baren Einkommen und Vermögen dienten der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Sie erachte es (unter Verweis auf § 16 Abs. 2 IDG und § 17 MERG) als fraglich, ob sie für die Beschaffung dieser Daten überhaupt eine Ermächtigung benötige. Die Berufungsklägerin habe zu keinem Zeitpunkt mit dieser einseitigen

      Vertragsänderung irgendwelche datenschutzrechtlichen Mechanismen umgehen wollen. Sie agiere bei der Vermietung solcher Wohnungen nicht in Konkurrenz zu privaten Vermietern, weil sie keine Gewinnabsicht verfolge. Sie nehme daher nicht am wirtschaftlichen Wettbewerb teil. Stattdessen erfülle sie gestützt auf

      Art. 21 Abs. 1 GO einen öffentlich-rechtlichen Auftrag. Dies sei auch der Grund, weshalb diese Liegenschaften Teil ihres Verwaltungsvermögens bildeten. Ent- sprechend unterstehe sie bei der Vermietung der Wohnung dem IDG. Der Zivil- stand, die Belegungsdaten, die Meldeverhältnisse sowie die wirtschaftlichen Ver- hältnisse der Mieterinnen und Mieter seien allgemeine Daten im Sinne von § 3 Abs. 3 IDG, die nicht zu den besonderen Daten im Sinne von § 3 Abs. 4 IDG zähl- ten. Entsprechend sei keine Einwilligung für die Bearbeitung dieser Personenda- ten erforderlich. Die einseitige Vertragsänderung wolle die Änderungskündigung verhindern. Die Berufungsklägerin könnte sich unbestrittenermassen auf kon- sensualem Weg eine Einwilligung bzw. Ermächtigung zur Datenbearbeitung ertei- len lassen. Entsprechend müsse dies auch mittels einer einseitigen Vertragsände- rung möglich sein: Denn nur so könne eine verpönte Änderungskündigung ver- mieden werden. Umgekehrt wäre es geradezu widersinnig, müsste die Beru- fungsklägerin das Mietverhältnis kündigen, um anschliessend mit dem Mietnach- folger die Pflicht zur Auskunftserteilung vertraglich zu vereinbaren. Art. 8 VGV bil- de eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die fragliche Datenbearbeitung durch die Berufungsklägerin im Sinne von § 8 IDG. Wenn die Vorinstanz eine ge- setzliche Grundlage für das Bearbeiten von Personendaten durch die Berufungs- klägerin verneine, wende sie § 4 ff., § 8 Abs. 1 und § 9 IDG falsch an. Im Ergebnis verletze sie damit auch Art. 269d Abs. 3 OR (act. 73 S. 18–24).

    4. Die Vorinstanz macht zutreffende Ausführungen zum Datenschutz, auf welche vorab verwiesen werden kann (act. 72 E. 4.3.7). Ergänzend ist festzuhal- ten, dass das Privatrecht keine allgemeine Informationspflicht kennt. Die Ver- tragspartner müssen sich daher nicht von sich aus wechselseitig über Umstände orientieren, die für die andere Seite bedeutsam sein könnten (Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, Schweizerisches Obligationenrecht, All- gemeiner Teil, Bd. I und II, 11. A., Zürich/Basel/Genf 2020, N 958 und 2645). Eine Aufklärungspflicht über die eigenen Vermögensverhältnisse besteht grundsätzlich

      nur, wenn eine gesetzliche Vorschrift eine solche Pflicht begründet (etwa Art. 170 ZGB), die Parteien sie ausdrücklich vereinbaren oder wenn sonst besondere Um- stände vorliegen (vgl. Schwenzer/Fountoulakis, Schweizerisches Obligationen- recht, Allgemeiner Teil, 8. A., Bern 2020, N 38.06). Vielmehr ist es Sache jeder einzelnen Partei, der anderen vor Vertragsschluss die aus ihrer Sicht zentralen Fragen, etwa zur Lebenssituation des Vertragspartners und zum Vertragsobjekt, zu stellen. Versäumt eine Vermieterin solche vorvertraglichen Abklärungen, kann sie diese nicht über eine einseitige Vertragsänderung nachholen, um sich gestützt darauf eines unliebsamen Vertrages zu entledigen.

    5. Das IDG regelt den Umgang der öffentlichen Organe mit Informationen (§ 1 Abs. 1 IDG). Zu diesen Organen zählen unter anderem Gemeinden und ihre Ver- waltungen sowie alle weiteren Organisationen im Kanton Zürich, sofern diese mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben betraut sind (§ 3 Abs. 1 IDG). Vom Anwen- dungsbereich dieses Gesetzes ausgeschlossen sind hingegen all diejenigen öf- fentlichen Organe, welche am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen und dabei nicht hoheitlich handeln (§ 2c Abs. 1 IDG). Diese beiden Voraussetzungen müs- sen kumulativ erfüllt sein (Baeriswyl, in: Baeriswyl/Rudin [Hrsg.], Praxiskommen- tar zum Informations- und Datenschutzgesetz des Kantons Zürich [IDG], Zü- rich/Basel/Genf 2012, § 2 IDG N 7). Öffentliche Organe, die ihre Leistung in Kon- kurrenz mit anderen (meist privaten) Personen am Markt anbieten, sollen nicht durch öffentlich-rechtliche Datenschutzbestimmungen eingeschränkt werden und so einen Konkurrenznachteil erleiden. Ob ein öffentliches Organ am wirtschaftli- chen Wettbewerb teilnimmt, ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen. Im Zentrum stehen dabei folgende Fragen (VGer ZH, VB.2019.00281 vom 24. Juli 2019, E. 2, unter Hinweis auf Baeriswyl, a.a.O., § 2 IDG N 11): Wird mit der Leis- tung ein öffentliches oder privates Interesse verfolgt? Regelt überwiegend das Privatrecht die fragliche Tätigkeit? Steht das öffentliche Organ in einem tatsächli- chen Konkurrenzverhältnis zu anderen privaten Anbietern?

    6. Wie die Berufungsklägerin selbst einräumt, handelte sie beim Vermieten ih- rer Wohnung an den Berufungsbeklagten nicht hoheitlich (act. 73 S. 19). Sie hat keine individuell-konkrete Verfügung erlassen, in der sie dem Berufungsbeklagten

      autoritativ ein Nutzungsrecht an ihrer Wohnung einräumte. Vielmehr schlossen beide Parteien als gleichgestellte Subjekte einen Vertrag ab. Mangels eines Sub- ordinationsverhältnisses ist somit die erste der beiden Voraussetzungen von § 2c Abs. 1 IDG zu bejahen. Die Berufungsklägerin vermietete dem Berufungsbeklag- ten ihre Wohnung nach Massgabe von Art. 253 ff. OR. Die Vereinbarung beruht somit auf Privatrecht und nicht etwa – was theoretisch auch denkbar wäre – auf einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsordnung. Die Berufungsklägerin überlässt dem Berufungsbeklagten ihr Mietobjekt nicht als staatlich subventionierte Woh- nung, sondern im Rahmen einer Kostenmiete. Neben der Berufungsklägerin ver- mieten auch zahlreiche privatrechtlich organisierte Genossenschaften ihre Woh- nungen nach einem solchen Entschädigungsmodell. Die Berufungsklägerin steht zu diesen privaten Anbietern in einer direkten Konkurrenz. Aufgrund dieses Wett- bewerbs untersteht sie nicht dem IDG.

    7. Damit bleibt zu prüfen, ob das Mietverhältnis der Datenschutzgesetzge- bung des Bundes untersteht (vgl. § 2c Abs. 2 IDG). Per 1. September 2023 ist das totalrevidierte Bundesgesetz über den Datenschutz vom 25. September 2020 in Kraft getreten (Datenschutzgesetz [DSG]). Laufende Gerichtsverfahren fallen nicht unter die Übergangsbestimmungen von Art. 69–72a DSG. Entsprechend ist die vorliegende Angelegenheit nach dem neuen Datenschutzgesetz zu beurteilen. Dieses Gesetz gilt für die Bearbeitung von Daten natürlicher Personen durch pri- vate Personen (Art. 2 Abs. 1 lit. a DSG). Die Berufungsklägerin ist zwar eine öf- fentlich-rechtliche Körperschaft, handelt vorliegend aber als Privatrechtssubjekt. Folglich ist sie dem Datenschutzgesetz unterworfen (SHK DSG-Rudin, 2. A.,

Art. 2 N 15; OFK DSG-Powell/Schönbachler, Ausgabe 2023, Art. 2 N 10; Baeris- wyl, a.a.O., § 2 IDG N 13). Art. 5 lit. d DSG versteht unter Bearbeiten von Daten jeden Umgang mit Personendaten, unabhängig von den angewandten Mitteln und Verfahren, insbesondere das Beschaffen, Speichern, Aufbewahren, Verwenden, Verändern, Bekanntgeben, Archivieren, Löschen oder Vernichten von Daten. Das Einholen von Auskünften beim Personenmeldeamt, dem Steueramt und weiteren Behörden ist als Datenbeschaffung und damit -bearbeitung zu qualifizieren. Wer Personendaten bearbeitet, darf die Persönlichkeit der betroffenen Personen nicht widerrechtlich verletzen (Art. 30 Abs. 1 DSG). Eine Persönlichkeitsverletzung liegt

unter anderem dann vor, wenn Personendaten entgegen der ausdrücklichen Wil- lenserklärung der betroffenen Person bearbeitet werden (Art. 30 Abs. 2 lit. b DSG). Vorliegend widersetzt sich die Berufungsbeklagte explizit der geplanten Datenbearbeitung. Eine Persönlichkeitsverletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch eine Einwilligung der betroffenen Person, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 31 Abs. 1 DSG). Ein überwiegendes Interesse fällt namentlich dann in Betracht, wenn die Datenbearbeitung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Abwicklung eines Vertrages steht (Art. 31 Abs. 2 lit. a DSG). Dabei müs- sen die Bearbeitungshandlungen verhältnismässig, insbesondere erforderlich sein (SHK DSG-Pfaffinger, 2. A., Art. 31 N 54; OFK DSG-Steiner/Laux, Ausgabe 2023, Art. 31 N 23). Die Berufungsklägerin kann – wie oben dargelegt – an die Einkom- mens- und Vermögenshöhe keine mietvertragliche Kündigungsfolge knüpfen. Der Berufungsklägerin fehlt somit das erforderliche schützenswerte Interesse, um die entsprechenden Auskünfte bei den zuständigen amtlichen Stellen einzuholen. Die Datenbearbeitung ist somit nicht erforderlich und damit widerrechtlich.

16.

Nach dem Gesagten ist die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil des Mietgerichts Zürich vom 19. Juli 2023 zu bestätigen.

III.

1.

Der Streitwert beträgt nach übereinstimmender Darstellung beider Parteien Fr. 30'100.– (act. 1 S. 3; act. 73 S. 4 f.). Diese Streitwerthöhe erweist sich als

nicht offensichtlich unrichtig (vgl. Art. 91 Abs. 2 ZPO), weshalb sie auch im vorlie- genden Verfahren gilt. Dies führt zu einer Entscheidgebühr von Fr. 3'900.– (§ 4 Abs. 1 i.V.m. § 12 GebV OG). Ausgangsgemäss sind die Kosten des zweitin- stanzlichen Verfahrens der Berufungsklägerin aufzuerlegen und mit dem von ihr geleisteten Vorschuss von Fr. 3'900.– zu verrechnen (act. 77).

2.

Die Berufungsklägerin unterliegt im vorliegenden Rechtsmittelverfahren. Sie hat daher keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Dem Berufungsbeklagten ist mangels Einholens einer Berufungsantwort kein nennenswerter Aufwand ent- standen, weshalb ihm auch keine Parteientschädigung zuzusprechen ist.

Es wird erkannt:

  1. Die Berufung wird abgewiesen. Das Urteil des Mietgerichts Zürich vom

    19. Juli 2023 wird bestätigt.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'900.– festgesetzt und der Berufungsklägerin auferlegt.

    Die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens werden mit dem von der Berufungsklägerin geleisteten Vorschuss von Fr. 3'900.– verrechnet.

  3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Berufungsbeklagten unter Bei- lage der Berufung (act. 73), sowie an das Mietgericht Zürich, je gegen Emp- fangsschein.

    Nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine mietrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 30'100.–.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Vorsitzende:

lic. iur. E. Lichti Aschwanden

Der Gerichtsschreiber:

Dr. M. Tanner

versandt am:

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