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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:NG220005
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid NG220005 vom 15.09.2022 (ZH)
Datum:15.09.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Anfechtung Kündigung / Erstreckung Mietverhältnis
Schlagwörter : Berufung; Beschwerde; Vorinstanz; Bezirks; Entscheid; Fähig; Klage; Vertretung; Bezirksrat; Kündigung; Urteil; Rechtsschutzinteresse; Partei; Gungen; Beurteilung; Vertreten; Verfügung; Horgen; Klägers; Akten; Verfahren; Aufschiebende; Beschluss; Folgend:; Pensionsvertrag; Erhob; Gesetzliche; Tatsache; Interesse; Obergericht
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 229 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 322 ZPO ; Art. 374 ZGB ; Art. 382 ZGB ; Art. 395 ZGB ; Art. 67 ZPO ; Art. 68 ZPO ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:138 III 374; 143 III 42; 144 III 349;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: NG220005-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. A. Strähl und Oberrichter Dr. E. Pahud sowie Gerichtsschreiber MLaw S. Widmer

Beschluss vom 15. September 2022

in Sachen

  1. A. ,

  2. B. ,

Kläger und Berufungskläger,

gegen

Stiftung C. ,

Beklagte und Berufungsbeklagte,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur., LL.M. X.

betreffend

Anfechtung Kündigung / Erstreckung Mietverhältnis

Berufung gegen eine Verfügung des Mietgerichtes des Bezirkes Horgen vom 11. Februar 2022 (MJ200005)

Erwägungen:

    1. A. (nachfolgend: Klägerin 1) leidet seit längerem an Demenz und ist dauerhaft auf Betreuung angewiesen. Am 23. Oktober 2019 schlossen die Stif- tung C. (nachfolgend: Beklagte) und die Klägerin 1, vertreten durch ihren Ehemann B. (nachfolgend: Kläger 2), einen Pensionsvertrag betreffend ein Einer-Zimmer im Alterszentrum (vgl. act. 3/3). Mit Schreiben vom

      7. Januar 2020 kündigte die Beklagte den Pensionsvertrag per sofort mit der Be- gründung, sie könne die geeignete Pflege und Betreuung der Klägerin 1 nicht mehr gewährleisten (act. 3/2).

    2. Die Kläger fochten die Kündigung in der Folge bei der Schlichtungsbehörde des Bezirks Horgen an, welche am 9. März 2020 mangels Einigung die Klagebe- willigung erteilte (act. 2). Mit nicht unterzeichneter Eingabe vom 16. April 2020 (act. 1) und unterzeichneter Ergänzung vom 30. April 2020 (act. 5) erhob der Klä- ger 2 beim Mietgericht des Bezirks Horgen (nachfolgend: Vorinstanz) Klage und beantragte, die Kündigung des Pensionsvertrags sei für nichtig, eventualiter missbräuchlich zu erklären; subeventualiter sei das Mietverhältnis angemessen zu erstrecken (act. 1 S. 1). Mit Verfügung vom 24. Juni 2020 setzte die Vorinstanz den Klägern Frist an, um u.a. zu erklären, ob der Kläger 2 in eigenem Namen o- der als Vertreter der Klägerin 1 Klage erhoben habe, und um den Mangel der (al- lenfalls) fehlenden Unterschrift(en) zu beheben (act. 8). Mit vom Kläger 2 unter- zeichneter Eingabe vom 13. Juli 2020 erklärte dieser, dass er sowohl im eigenen als auch im Namen der Klägerin 1 Klage erhebe, wies auf die Handlungsunfähig- keit der Klägerin 1 hin und stellte sinngemäss ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (act. 11). Die sich stellende Frage, wer die Interessen der Kläge- rin 1 in welchem Bereich wahrnehmen soll, beschäftigte seit spätestens Ap-

      ril 2020 die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Bezirks Horgen (nach- folgend: KESB) sowie die angerufenen Rechtsmittelinstanzen (vgl. act. 7/1-9, 17- 19, 25, 31/1-6 und 33). Einem in diesem Zusammenhang gefällten Beschluss und Urteil des Obergerichts vom 4. Oktober 2021 (act. 33) entnahm die Vorinstanz sodann, dass die Klägerin 1 derzeit in der Institution D. untergebracht sei, dort über einen gesicherten Heimplatz verfüge und Abklärungen betreffend eine

      künftige Unterbringung der Klägerin 1 in der Pflegeabteilung des E. im Gang seien. Mit Verfügung vom 8. Dezember 2021 hielt die Vorinstanz fest, einstweilen vom Bestand des gesetzlichen Vertretungsrechts des Klägers 2 für die Klägerin 1 auszugehen (act. 37 S. 5), und setzte den Klägern Frist an, um darzulegen, ob bzw. inwiefern sie angesichts der gegenwärtigen Wohn- und Be- treuungssituation der Klägerin 1 über ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung der Kündigung des Pensionsvertrags vom 23. Oktober 2019 verfügten. Gleichzeitig forderte die Vorinstanz die Kläger auf, innert derselben Frist zu erklären, ob sie an ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege festhal- ten wollten, und dieses gegebenenfalls zu begründen und zu belegen (vgl. act. 37

      S. 5 und S. 8 f.). Mit Eingabe vom 10. Januar 2022 nahmen die Kläger zum Rechtsschutzinteresse Stellung und hielten an ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege fest (act. 39 mit Beilagen 40/1-5). Mit Verfügung vom

      11. Februar 2022 trat die Vorinstanz auf die Klage mangels Rechtsschutzinteres- ses der Kläger nicht ein und wies das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu- folge Gegenstandslosigkeit ab (act. 41 = act. 45 [Aktenexemplar] = act. 47).

    3. Dagegen erhob der Kläger 2 mit Eingabe vom 24. März 2022 wiederum so- wohl im eigenen Namen als auch im Namen der Klägerin 1 Berufung (act. 46). Mit Schreiben vom 4. April 2022 wurde den Parteien sowie der KESB der Eingang der Berufung mitgeteilt (act. 49/1-4). Die Akten der Vorinstanz wurden von Amtes wegen beigezogen (act. 1-43). Am 19. April 2022 meldete sich F. als Bei- ständin der Klägerin 1 telefonisch und erklärte, dass der Kläger 2 die Klägerin 1 wohl nicht vertreten könne. Unter Verweis auf einen Beschluss der KESB vom

18. Mai 2021 (vgl. act. 51/1), ein Urteil des Bezirksrats vom 18. Februar 2022 (vgl. act. 51/2) und einen obergerichtlichen Entscheid vom 13. April 2022 (PQ220008) führte sie aus, es bestehe für die Klägerin 1 eine Beistandschaft nach Art. 394 und Art. 395 ZGB mit der Befugnis zur Vertretung vor allen Behörden und Gerich- ten (ausgenommen in Erbschaftssachen) sowie in Wohnbelangen (act. 50). Auf weitere prozessleitende Schritte wurde verzichtet (vgl. Art. 322 Abs. 1 ZPO). Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

    1. Zunächst ist auf die Frage einzugehen, ob der Kläger 2 berechtigt war, auch im Namen der Klägerin 1 Berufung zu erheben. Gemäss Art. 68 ZPO kann sich jede prozessfähige Partei im Prozess vertreten lassen. Prozessfähig ist, wer handlungsfähig ist (Art. 67 Abs. 1 ZPO). Die Vertreterin oder der Vertreter hat sich durch eine Vollmacht auszuweisen (Art. 68 Abs. 3 ZPO). Auf Aufforderung der Vorinstanz, die Klage im Namen der Klägerin 1 von der vertretungsberechtigten Person bzw. im Falle der Handlungsfähigkeit der Klägerin 1 von ihr selber ge- nehmigen zu lassen (act. 23), reichte der Kläger 2 im erstinstanzlichen Verfahren zwei von der Klägerin 1 unterzeichnete (General-)Vollmachten ein (vgl. act. 28). Er betonte dabei aber wie bereits zuvor, dass die Klägerin 1 seiner Meinung nach handlungsunfähig sei (vgl. act. 26; ferner act. 11). Für eine handlungsunfähige Person handelt nach Art. 67 Abs. 2 ZPO ihre gesetzliche Vertretung. Der Kläger 2 bezeichnet sich in der Berufungsschrift denn auch selbst als gesetzlicher Vertre- ter der Klägerin 1.

    2. Gemäss Art. 374 ff. ZGB kann dem Ehegatten einer urteilsunfähigen Person in gewissen Bereichen von Gesetzes wegen ein Vertretungsrecht zukommen. Zu diesen Bereichen gehören der Abschluss, die Änderung oder die Aufhebung eines Betreuungsvertrags (Art. 382 ZGB), Entscheide über medizinische Mass- nahmen (Art. 377 ff. ZGB) und die ordentliche Verwaltung von Einkommen und Vermögen (Art. 374 ZGB). Das gesetzliche Vertretungsrecht des Ehegatten be- steht allerdings nur, soweit keine Beistandschaft besteht und die urteilsunfähig gewordene Person vor Eintritt der Urteilsfähigkeit keinen Vorsorgeauftrag bzw. keine Patientenverfügung getroffen hat (vgl. Art. 374 Abs. 1 ZGB; Art. 377 f. ZGB und Art. 382 Abs. 3 ZGB). Mit Beschluss vom 18. Mai 2021 (act. 51/1) ordnete die KESB zum Schutz der Klägerin 1 diverse Massnahmen an: Sie errichtete u.a. (er- neut) eine Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung nach Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 Abs. 1 ZGB. Als Beiständin ernannte sie F. vom

      G. und betraute diese namentlich mit der Aufgabe, für eine geeignete Wohnsituation der Klägerin 1 besorgt zu sein und die Klägerin 1 bei allen in die- sem Zusammenhang erforderlichen Handlungen umfassend zu vertreten (vgl. act. 51/1 Dispositiv-Ziffer 2). Weiter nahm die KESB Vormerk davon, dass der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 378 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB berechtigt sei, seine

      Ehefrau in medizinischen Angelegenheiten zu vertreten (act. 51/1 Dispositiv- Ziffer 9). Einer allfälligen Beschwerde gegen die betroffenen Dispositiv-Ziffern entzog die KESB die aufschiebende Wirkung (act. 51/1 Dispositiv-Ziffer 15).

    3. Dagegen erhob der Kläger 2 am 18. Juni 2021 Beschwerde beim Bezirksrat Horgen (nachfolgend: Bezirksrat) und beantragte die (superprovisorische) Wie- derherstellung der aufschiebenden Wirkung. Mit Beschluss vom 5. August 2021 wies der Bezirksrat den Antrag des Klägers 2, es sei der Beschwerde die auf- schiebende Wirkung zu erteilen, ab. Eine dagegen beim Obergericht eingereichte Beschwerde (Verfahren PQ210060) hiess die Kammer mit Beschluss vom

      4. Oktober 2021 gut und erteilte der Beschwerde an den Bezirksrat die aufschie- bende Wirkung (vgl. act. 33). Mit Urteil vom 18. Februar 2022 - d.h. sieben Tage nachdem die Vorinstanz auf die Klage der Kläger betreffend Anfechtung der Kün- digung des Pensionsvertrags vom 23. Oktober 2019 nicht eingetreten war - wies der Bezirksrat die Beschwerde des Klägers 2 ab und entzog ihm in Gutheissung einer Beschwerde seiner Tochter zusätzlich auch das Vertretungsrecht nach

      Art. 378 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB in medizinischen Angelegenheiten (act. 51/2 Disposi-

      tiv-Ziffern I. und II.). Einer allfälligen Beschwerde an das Obergericht entzog der Bezirksrat die aufschiebende Wirkung (act. 51/2 Dispositiv-Ziffer VI.).

    4. Nachdem die Kammer den vom Kläger 2 vorgängig gestellten Antrag auf Wiedererteilung der aufschiebenden Wirkung mit Verfügung vom 16. März 2022 abgewiesen hatte, erhob der Kläger 2 mit Eingabe vom 28. März 2022 Beschwer- de gegen das Urteil des Bezirksrats vom 18. Februar 2022. Mit Urteil vom

      13. April 2022 wies die Kammer die Beschwerde des Klägers 2 ab (Verfahren PQ220008). Dagegen gelangte der Kläger 2 mit Beschwerde vom 24. Mai 2022 an das Bundesgericht, welches die Beschwerde mit Entscheid vom 12. Juli 2022 abwies, soweit auf sie einzutreten war (BGer 5A_384/2022 vom 12. Juli 2022).

    5. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass seit dem

18. Februar 2022 (Urteil des Bezirksrats) bis heute ununterbrochen die Beistän- din, F. , für die Besorgung einer geeigneten Wohnsituation der Klägerin 1 und für die Vertretung der Klägerin 1 in allen damit zusammenhängenden Handlungen zuständig ist. Dem Kläger 2 ist seit dem 18. Februar 2022 auch das ge- setzliche Vertretungsrecht in medizinischen Angelegenheiten entzogen. Der Klä- ger 2 war daher nicht berechtigt, am 24. März 2022 im Namen seiner Gattin, der Klägerin 1, Berufung zu erheben. Prozesshandlungen des nicht legitimierten Ver- treters sind grundsätzlich von Anfang an nichtig (BSK ZPO-TENCHIO, 3. Aufl. 2017, Art. 68 N 17; BGer 5D_70/2016 vom 8. Dezember 2016, E. 1.2). Sie kön- nen allerdings von der vertretenen Partei oder, wenn diese handlungsunfähig ist, von der gesetzlichen Vertretung nachträglich genehmigt werden. Der Mangel wird dadurch geheilt (OGer ZH, NP130003 vom 27. Februar 2013, E. 2.c; vgl. HRUBE- SCH-MILLAUER, DIKE-Komm-ZPO, 2. Aufl. 2016, Art. 68 N 11; BK ZPO-STERCHI,

Art. 68 N 16; ferner BGer 5A_402/2021 vom 21. Juni 2022, E. 2.2.2; BSK ZPO-

TENCHIO, 3. Aufl. 2017, Art. 67 N 36). Entsprechend wäre grundsätzlich der Bei- ständin und der KESB Frist anzusetzen (vgl. Art. 416 Abs. 1 Ziff. 9 ZGB), um zu erklären, ob sie die Berufung im Namen der Klägerin 1 nachträglich genehmigen wollten oder nicht. Davon ist indes abzusehen, da auf die Berufung(en) aus den nachfolgenden Gründen ohnehin nicht einzutreten ist.

    1. Mit der Berufung können die unrichtige Rechtsanwendung und die unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Gemäss Art. 311 Abs. 1 ZPO ist die Berufung innert der dreissigtägigen Rechtsmittelfrist schriftlich und begründet einzureichen. Die Begründung muss dabei hinreichend genau und eindeutig sein, um von der Rechtsmittelinstanz ohne Weiteres ver- standen werden zu können. Die Berufung führende Partei hat sich mit den Erwä- gungen des vorinstanzlichen Entscheids auseinanderzusetzen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen der angefochtene Entscheid aus ihrer Sicht un- richtig ist und in welchem Sinne er abgeändert werden soll. Es sind die vo- rinstanzlichen Erwägungen zu bezeichnen, die angefochten werden, und die Ak- tenstücke zu nennen, auf denen die Kritik beruht (vgl. BGE 138 III 374 E. 4.3.1; BGer 5A_209/2014 vom 2. September 2014, E. 4.2.1; BGer 5A_387/2016 vom 7. September 2016, E. 3.1). Auch von juristische Laien, an deren Begründung keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden, wird zumindest eine minimale Aus- einandersetzung mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids verlangt (OGer ZH, LF210089 vom 24. November 2021, E. 4.2). Auch sie dürfen sich

      nicht darauf beschränken, bloss auf die Vorakten zu verweisen, pauschale Kritik am vorinstanzlichen Entscheid zu üben oder das zu wiederholen, was sie bereits vor Vorinstanz vorgebracht haben (vgl. OGer ZH, PS20006 vom 4. Februar 2021, E. 4; PS200210 vom 2. November 2020 E. 4; PS160079 vom 26. Mai 2016,

      E. II./3.1). Enthält die Berufung keine hinreichende Begründung, ist auf sie nicht einzutreten (HUNGERBÜHLER/BUCHER, DIKE-Komm-ZPO, 2. Aufl. 2016, Art. 321

      N 17).

    2. Neue Tatsachen und Beweismittel werden im Berufungsverfahren nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (Art. 317 Abs. 1 ZPO). Bei Tatsachen und Beweismitteln, die bereits vor Eintritt des Akten- schlusses im erstinstanzlichen Verfahren bestanden haben, spricht man von sog. unechten Noven. In Bezug auf diese obliegt es dem Berufungskläger, detailliert

      darzulegen, weshalb er die Tatsache oder das Beweismittel nicht schon vor erster Instanz vorbringen konnte (vgl. BGE 144 III 349 E. 4.2.1; BGE 143 III 42 E. 4.1). Tut er dies nicht und liegt die Zulässigkeit des unechten Novums nicht aus ande- ren Gründen auf der Hand, so ist es im Berufungsverfahren nicht zu berücksichti- gen.

    3. Die Vorinstanz erwog, auf eine Klage werde nur eingetreten, sofern die Pro- zessvoraussetzungen gegeben seien. Zu diesen von Amtes wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzungen gehöre u.a. das Rechtsschutzinteresse. Die klagende Partei müsse an der gerichtlichen Beurteilung ein persönliches Interesse haben, welches zudem aktuell und praktischer Natur sei. Im Kündigungsschutzverfahren fehle ein solches Interesse, wenn die Mieterin das Mietobjekt - sei es aufgrund Ausweisung oder freiwilligem Auszug - verlasse. Wie der Kläger 2 in seiner Stel- lungnahme zum Rechtsschutzinteresse bestätige, sei die Klägerin 1 derzeit mit gutem Einvernehmen im D. untergebracht. Aus den Erwägungen des obergerichtlichen Entscheids vom 4. Oktober 2021 ergebe sich, dass bereits im Juni 2021 Rechnungen des D. hätten bezahlt werden müssen, womit diese Unterbringung keine Zwischenlösung darstelle. Vom Kläger 2 werde ausserdem nicht bestritten, dass Abklärungen betreffend eine künftige Unterbringung in der

      Pflegeabteilung des E. im Gang seien. Zur Frage, worin unter diesen Um- ständen das praktische Interesse an der Beurteilung der Rechtmässigkeit der Kündigung bzw. Erstreckung des Pensionsvertrags vom 23. Oktober 2019 liegen solle, hätten sich die Kläger nicht geäussert. Sie brächten bloss implizit vor, dass die Einrichtung der Beklagten für die Unterbringung der Klägerin 1 geeigneter wä- re als das D. . Die Beurteilung der besseren Eignung sei jedoch nicht Ge- genstand des Kündigungsschutzverfahrens und ändere nichts daran, dass nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein praktisches Interesse an der Beurteilung der Gültigkeit der Kündigung fehle, wenn der Mieter die Mietsache bereits verlas- sen habe. Da sich ein Rechtsschutzinteresse somit weder aus den Ausführungen des Klägers 2 noch aus den Akten ergibt, sei auf die Klage nicht einzutreten (act. 45 S. 3 E. 4).

    4. Mit diesen Erwägungen des angefochtenen Entscheids setzt sich der pro- zesserfahrene Kläger 2 in seiner Berufungsschrift nicht auseinander. Er wirft der Vorinstanz darin keine unrichtige Sachverhaltsfeststellung vor. Ebenso wenig macht er geltend, die Vorinstanz habe das Rechtsschutzinteresse basierend auf dem festgestellten Sachverhalt zu Unrecht verneint. Vielmehr versucht er die Be- rufungsinstanz mit neuen Tatsachenbehauptungen zum Hintergrund des Unter- bringungswechsels, zur Gesundheitsgeschichte der Klägerin 1 und zu den prakti- schen Vorteilen einer Rückverlegung in die Einrichtung der Beklagten vom Fort- bestehen eines schutzwürdigen Interesses an der Beurteilung der Klage zu über- zeugen. Obwohl alle der neu behaupteten Tatsachen bereits vor dem Akten- schluss (Urteilsberatung) im erstinstanzlichen Verfahren bestanden zu haben scheinen (Art. 247 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 243 Abs. 2 lit. c und Art. 229 Abs. 3

ZPO; BGer 4A_165/2021 vom 18. Januar 2022, E. 3.2.3 und 3.3), äussert sich der Kläger mit keinem Wort dazu, weshalb er sie bei Beachtung der zumutbaren Sorgfalt nicht bereits innert der mit Verfügung der Vorinstanz vom

8. Dezember 2021 (act. 37) angesetzten Frist hätte vorbringen können. Dies liegt denn auch nicht auf der Hand, wies die Vorinstanz in der Verfügung doch aus- drücklich darauf hin, dass das Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses auf- grund der vorgefundenen Ausgangslage fraglich erscheine (act. 37 S. 7). Der Kläger 1 hatte demnach Anlass, sämtliche in diesem Zusammenhang möglicherweise relevanten Sachverhaltselemente bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen (vgl. auch Art. 247 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 243 Abs. 2 lit. c und

Art. 229 Abs. 3 ZPO sowie BGer 4A_165/2021 vom 18. Januar 2022, E. 3.2.3 und 3.3). Entsprechend bleiben die erstmals im Berufungsverfahren vorgebrachten Tatsachenbehauptungen allesamt unbeachtlich und ist auf die Berufung(en) man- gels (hinreichender) Begründung nicht einzutreten.

  1. Ausgangsgemäss werden die unterliegenden Kläger für das Berufungsver- fahren kostenpflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Im Fall der Berufung der Klägerin 1 wird umständehalber (s. E. 2.5 a.E.) auf die Erhebung von Gerichtskosten ver- zichtet. Ausgehend von einem Streitwert von schätzungsweise mindestens

    Fr. 15'000.- wird die Entscheidgebühr für die Beurteilung der Berufung des Klä- gers 2 in Anwendung von §§ 4, 7, 10 und 12 GebV OG auf Fr. 600.- festgesetzt.

  2. Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen, da der obsiegenden Be- klagten im Berufungsverfahren keine entschädigungspflichtigen Aufwendungen entstanden sind.

Es wird beschlossen:

  1. Auf die Berufung der Klägerin 1 wird nicht eingetreten.

  2. Auf die Berufung des Klägers 2 wird nicht eingetreten.

  3. Für die Beurteilung der Berufung der Klägerin 1 werden keine Kosten erho- ben.

  4. Die Entscheidgebühr für die Beurteilung der Berufung des Klägers 2 wird auf Fr. 600.- festgesetzt und dem Kläger 2 auferlegt.

  5. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  6. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Kläger unter Beilage je einer Kopie von act. 50, 50/1 und 50/2, die Beklagte unter Beilage eines Doppels von act. 46 und einer Kopie von act. 50, die Beiständin unter Beilage eines Doppels von act. 46 und einer Kopie von act. 50, die Kindes- und Erwach- senenschutzbehörde Horgen sowie an das Bezirksgericht Horgen, je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmit- telfrist an die Vorinstanz zurück.

  7. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche mietrechtliche Angelegenheit. Der Streit- wert beträgt mindestens Fr. 15'000.-.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:

MLaw S. Widmer versandt am:

16. September 2022

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