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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:NG180009
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid NG180009 vom 29.01.2019 (ZH)
Datum:29.01.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Kündigungsschutz / Ausweisung
Schlagwörter : Berufung; Vorinstanz; Kündigung; Klage; Mietzins; Wohnung; Partei; Parteien; Recht; Beklagten; Zahlung; Verfahren; Zahlungsverzug; Klageänderung; Ausweisung; Gesellschaft; Einfache; Standpunkt; Streit; Mietzinse; Mietgericht; Entscheid; Gebrauch; Wäre; Gebrauchsleihe; Zahlungsverzugs; Mietzinses; Mietverhältnis; Einfachen; Schulde
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 18 OR ; Art. 2 ZGB ; Art. 227 ZPO ; Art. 253a OR ; Art. 257d OR ; Art. 276 OR ; Art. 298 OR ; Art. 308 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 343 ZPO ; Art. 52 ZPO ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:123 III 18; 136 III 189; 139 III 126;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: NG180009-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichter

Dr. P. Higi und Oberrichter Dr. S. Mazan sowie Gerichtsschreiberin MLaw M. Schnarwiler

Urteil vom 29. Januar 2019

in Sachen

  1. ,

    Beklagter, Widerund Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X. ,

    gegen

  2. ,

    Klägerin, Widerund Berufungsbeklagte,

    vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Y. ,

    betreffend

    Kündigungsschutz / Ausweisung

    Berufung gegen ein Urteil des Mietgerichtes Zürich (Kollegialgericht) vom 27. Juni 2018 (MB170012)

    Klage:

    (act. 1 S. 2)

    1. Es sei die Kündigung vom 23. Dezember 2016 per 31. Januar 2017 ungültig bzw. missbräuchlich zu erklären;

    2. Eventualiter sei das Mietverhältnis um 4 Jahre zu erstrecken;

    3. Ausserdem sei die sinngemäss anlässlich der Schlichtungsverhandlung erhobene Widerklage vollumfänglich abzuweisen.

    4. Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen inkl. 8% MwSt. zu Lasten des Beklagten/Widerklägers.

Widerklage:

(act. 21 S. 2)

  1. Die Klage sei vollumfänglich abzuweisen.

  2. Die Klägerin sei widerklageweise richterlich aus der 6 ½-Zimmerwohnung, Apartment C, an der C. -Strasse , Zürich, auszuweisen und zu verpflichten diese innert 10 Tagen seit Rechtskraft des Ausweisungsurteils des Mietgerichts Zürich in einwandfrei gereinigtem Zustand an den Beklagten zurückzugeben.

  3. Gegen die Klägerin sei bei Widerhandlung gegen den richterlichen Befehl nach Ziff. 2 eine Vollstreckungsmassnahme gemäss Art. 343 Abs. 1 ZPO anzuordnen.

  4. Verlässt die Klägerin das in Ziff. 2 erwähnte Mietobjekt an der

    C. -Strasse , Zürich, nicht innert 10 Tagen seit Rechtskraft des Ausweisungsurteils des Mietgerichts Zürich, gereinigt und geräumt, sei das zuständige Stadtammannamt Zürich , anzuweisen, das Urteil auf Verlangen des Beklagten zu vollstrecken.

  5. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Klägerin.

Urteil des Mietgerichtes Zürich:

(act. 50 = act. 54 = act. 56, S. 44 f.)

  1. In Gutheissung der Klage wird im Sinne der Erwägungen festgestellt, dass die Kündigung des Beklagten und Widerklägers vom

    23. Dezember 2016 per 31. Januar 2017 nichtig ist.

  2. Die Widerklage wird abgewiesen.

  3. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 4'200.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 0.00 Barauslagen

    Fr. 4'200.00 Kosten total

  4. Die Kosten werden dem Beklagten und Widerkläger auferlegt. Im Betrag von Fr. 3'145.- werden sie zulasten des von ihm geleisteten Vorschusses für die Widerklage bezogen, im Betrag von

    Fr. 1'055.- vom Vorschuss von Fr. 3'145.-, den die Klägerin und Widerbeklagten für die Hauptklage geleistet hat. Der nicht benö- tigte Teil des Vorschusses der Klägerin wird derselben herausgegeben. Der Beklagte hat der Klägerin die von ihr bezogenen Kosten vollumfänglich zu ersetzen.

  5. Der Beklagte und Widerkläger wird verpflichtet, der Klägerin und Widerbeklagten eine Parteientschädigung von Fr. 7'420.- (inkl. MwSt.) zu bezahlen.

6.-7. [Mitteilung/Rechtsmittel]

Berufungsanträge des Beklagten, Widerund Berufungsklägers:

(act. 55 S. 2 f.)

  1. Das Urteil des Mietgerichts Zürich, Kollegialgericht, vom 27. Juni 2018 (Geschäfts-Nr. MB170012-L) sei aufzuheben und das vor erster Instanz gestellte Rechtsbegehren des Berufungsklägers sei gutzuheissen, welches lautet:

    1. Die Klage sei vollumfänglich abzuweisen.

  2. Die Klägerin sei widerklageweise richterlich aus der 6 ½- Zimmerwohnung, Apartment C, an der C. -Strasse ,

    Zürich, auszuweisen und zu verpflichten diese innert

    10 Tagen seit Rechtskraft des Ausweisungsurteils des Mietgerichts Zürich in einwandfrei gereinigtem Zustand an den Beklagten zurückzugeben.

  3. Gegen die Klägerin sei bei Widerhandlung gegen den richterlichen Befehl nach Ziff. 2 eine Vollstreckungsmassnahme gemäss Art. 343 Abs. 1 ZPO anzuordnen.

  4. Verlässt die Klägerin das in Ziffer 2 erwähnte Mietobjekt an der C. -Strasse , Zürich, nicht innert 10 Tagen seit Rechtskraft des Ausweisungsurteils des Mietgerichts Zürich, gereinigt und geräumt, sei das zuständige Stadtammannamt Zürich , anzuweisen, das Urteil auf Verlangen des Beklagten zu vollstrecken.

  5. Eventualiter sei die Klägerin per Juni 2018 aus der Wohnung auszuweisen.

  6. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Klägerin.

  1. Eventualiter sei das Urteil des Mietgerichts Zürich, Kollegialgericht, vom 27. Juni 2018 (Geschäfts-Nr. MB170012-L) aufzuheben und es sei die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts bzw. zur Durchführung des Beweisverfahrens und zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

  2. Unter Kosten und Entschädigungsfolgen zulasten der Berufungsbeklagten.

Berufungsanträge der Klägerin, Widerund Berufungsbeklagten:

(act. 72 S. 2)

  1. Es sei die Berufung vom 3. September 2018 vollumfänglich abzuweisen und das Urteil des Mietgerichtes Zürich (Kollegialgericht) vom 27. Juni 2018 (MB170012) in vollem Umfang zu bestä- tigen;

  2. Der Antrag des Berufungsklägers auf Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz sei abzuweisen;

  3. Anderslautende oder weitergehende Anträge des Berufungsklä- gers seien abzuweisen.

Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen zuzüglich MwSt. 7.7% zu Lasten des Berufungsklägers

Erwägungen:

I.

Übersicht zum Sachverhalt und Prozessgeschichte

  1. Sachverhalt

    1. B. (Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte, fortan Klägerin) und A. (Beklagter, Widerkläger und Berufungskläger, fortan Beklagter) waren mehrere Jahre miteinander liiert. Im mm.2012 kam D. und im mm.2015 E. zur Welt. Der Beklagte anerkannte für beide Kinder die Vaterschaft

      (act. 3/10-11).

    2. Im Jahr 2015 kaufte der Beklagte an der C. -Strasse , Zürich, eine Wohnung. Am 19. August 2015 erfolgte eine Überweisung von der Klägerin an den Beklagten über EUR 200'000.- mit dem Vermerk Anzahlung für die Wohnung (act. 3/14). Am 30. September 2015 schlossen die Parteien einen Mietvertrag für Wohnräume über die genannte Wohnung (wobei es sich gemäss der Klägerin bei der Unterschrift des Beklagten um eine Faksimile-Unterschrift handle, vgl. act. 43 S. 2). Darin vereinbarten sie einen Mietzins von Fr. 3'000.-

      (Fr. 2'800.- für die Wohnung und Fr. 200.- für den Parkplatz, vgl. act. 3/9). Die Klägerin wohnte in der Folge mit ihren Kindern - zuerst nur mit D. und nach dessen Geburt auch mit E. - in dieser Wohnung.

    3. Mitte August 2016 initiierte der Beklagte DNA-Tests, welche zutage brachten, dass es sich offenbar nur bei E. , nicht aber bei D. um sein leibliches Kind handelt (act. 23/7; act. 35/6 u. Prot. Vi. S. 34). Der Beklagte focht seine Vaterschaft von D. in der Folge beim Amtsgericht Stuttgart an (act. 8a-b). Die Vaterschaft wurde aberkannt (Prot. Vi S. 55).

    4. Mit Einschreiben vom 22. August 2016 erfolgte durch den Beklagten gegen- über der Klägerin eine Mahnung wegen Zahlungsverzugs aufgrund von Ausstand

des Mietzinses und Nebenkostenvorauszahlungen für die Monate Oktober 2015 bis und mit August 2016 unter Androhung der Kündigung im Falle der Nichtzahlung innert der 30-tätigen Frist (act. 23/13). Der Beklagte kündigte der Klägerin das Mietverhältnis mit amtlich genehmigten Formularen vom 22. August und

4. Oktober 2016 (act. 23/14) auf den 30. November 2016. Bei der Schlichtungsbehörde anerkannte er die Nichtigkeit dieser Kündigungen aus formellen Gründen (act. 3/18-19). Mit Einschreiben vom 16. November 2016 stellte der Beklagte der Klägerin erneut eine Mahnung wegen ausstehender Mietzinsen für die Monate Oktober 2015 bis November 2016 unter Kündigungsandrohung zu (act. 23/15). Mit amtlich genehmigtem Formular, datiert vom 23. Dezember 2016, kündigte er der Klägerin auf den 31. Januar 2017 wegen Zahlungsverzugs (act. 23/16).

  1. Prozessgeschichte

    1. Die Klägerin machte nach Durchlaufen des Schlichtungsverfahrens und Erhalt der Klagebewilligung ihre Klage betreffend Kündigungsschutz/Anfechtung am 12. Mai 2017 bei Mietgericht Zürich (fortan Vorinstanz) mit eingangs wiedergegebenen Begehren anhängig (act. 1). Nach Einholung einer Stellungnahme, im Rahmen derer der Beklagte widerklageweise die Ausweisung der Klägerin aus der Wohnung beantragte (act. 21), fand am 2. November 2017 die Hauptverhandlung statt (Prot. Vi. S. 7 ff.), und zwar zusammen mit derjenigen im Verfahren MD170002. Dieses Verfahren war vor Vorinstanz seit dem 30. Mai 2017 anhängig und hatte ein Ersuchen der Klägerin um Aberkennung der vom Beklagten in Betreibung gesetzten Mietzinsforderungen zum Gegenstand (vgl. act. 54 S. 3 u.

      E. I.3.2 f.). Am 27. November 2017 fand sodann eine Vergleichsverhandlung statt (Prot. Vi. S. 44 f.). Da kein Vergleich gefunden wurde, fand am 26. April 2018 die Fortsetzung der Hauptverhandlung statt (Prot. S. 46 ff.). Am 27. Juni 2018 erging der eingangs aufgeführte Entscheid der Vorinstanz (hier zitiert als act. 54). Gleichzeitig und im selben Dokument erging auch der Entscheid der Vorinstanz im Verfahren MD170002.

    2. Mit Eingabe vom 3. September 2018 (Datum Poststempel) erhob der Beklagte rechtzeitig Berufung mit den eingangs wiedergegebenen Begehren (act. 55

i.V.m. act. 52). Der Entscheid des Verfahrens MD170002 blieb unangefochten.

Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (act. 1-52). Mit Verfügung vom

12. September 2018 wurde dem Beklagten Frist zur Leistung eines Vorschusses für die mutmasslichen Rechtsmittelverfahrenskosten angesetzt und es wurde die Prozessleitung delegiert (act. 58). Mit Eingabe vom 17. September 2018 beantragte die Klägerin, der Beklagte habe für die mutmassliche Parteientschädigung eine Sicherheit zu leisten (act. 60). Nach Einholen einer Stellungnahme zu diesem Antrag (act. 63-65) wurde mit Verfügung vom 19. Oktober 2018 der Antrag auf Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung abgewiesen und es wurde Frist zur Beantwortung der Berufung angesetzt (act. 69). Die Berufungsantwort ging innert Frist ein (act. 72 u. 73 i.V.m. act. 70/2). Sie wurde dem Beklagten mit Kurzbrief vom 4. Januar 2019 zugestellt (act. 74/1). Der Beklagte äusserte sich in der Folge nicht mehr. Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

II.

Rechtliche Vorbemerkungen

  1. Mit der Berufung sind erstinstanzliche Endentscheide anfechtbar (Art. 308 Abs. 1 lit. a ZPO). In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert mindestens Fr. 10'000.- beträgt (Art. 308 Abs. 2 ZPO). Der Streitwert der Berufung ist hier ohne Weiteres gegeben (vgl. E. IV.).

  2. Mit der Berufung kann die unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz sowie eine unrichtige Rechtsanwendung der Vorinstanz geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO), zu der auch die unrichtige Anwendung des pflichtgemässen Ermessens gehört, weshalb das Gesetz dies nicht eigens erwähnt. Gemäss Art. 311 Abs. 1 ZPO sind die entsprechenden Beanstandungen von der Berufung führenden Partei in der Berufungsschrift einzeln vorzutragen und zu begründen. Fehlt ein Antrag und/oder eine hinreichende Begründung, tritt die Rechtsmittelinstanz insoweit auf die Berufung nicht ein. Neue Tatsachen und Beweismittel können nur noch in den Schranken von Art. 317 ZPO vorgetragen werden, und zwar auch in Verfahren, die erstinstanzlich noch der Untersuchungsmaxime unterstehen. Bei der Begründung ihrer Entscheidung darf sich die

Berufungsinstanz auf die wesentlichen Überlegungen konzentrieren, von welchen sie sich hat leiten lassen.

III.

Zur Berufung im Einzelnen

  1. Entscheid Vorinstanz und Standpunkte der Parteien

    1. Die Vorinstanz kam in ihrem Entscheid unter Würdigung der gesamten Umstände zum Schluss, es habe zwischen den Parteien keine ernstgemeinte Verpflichtung der Klägerin zur Leistung eines Mietzinses bestanden, weshalb keine Mietzinsforderung bestehe und die Zahlungsverzugskündigung ohne Berechtigung erfolgt sei.

      Im weiteren setzte sich die Vorinstanz mit der Frage auseinander, wie das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien zu qualifizieren sei. Sie erwog, ein Rechtsbindungswille der Parteien in Bezug auf die streitgegenständliche Wohnung sei gegeben. Der Beklagte habe die Wohnung erworben, die Klägerin habe für deren Kauf EUR 200'000.- zur Verfügung gestellt und die Herrichtung und Führung des Haushaltes und die Betreuung der Kinder übernommen. Damit hät- ten die Parteien gemeinsam Mittel eingesetzt, um einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen, namentlich der Klägerin und den Kindern ein Zuhause zu schaffen. Es sei von einer einfachen Gesellschaft auszugehen. Bezüglich derer liege aber keine gültige Kündigung vor, und selbst bei Vorliegen einer solchen dürfe einer Liquidation der einfachen Gesellschaft nicht vorgegriffen werden.

      So sei zu beachten, dass die Dispositionsmaxime Anwendung finde. Gegenstand des Verfahrens bilde die Gültigkeit der Zahlungsverzugskündigung vom

      23. Dezember 2016 per 31. Januar 2017 einerseits und ein allfälliger Rückgabeanspruch des Beklagten in diesem Zusammenhang andererseits. Die Mietzinsforderung bestehe nicht, und die Zahlungsverzugskündigung sei damit ohne Berechtigung erfolgt. Ab wann eine Rückgabeverpflichtung der Klägerin bestehe und von welchen Gegenleistungen dies abhänge, könne nur im Rahmen einer Liquidation der einfachen Gesellschaft entschieden werden. Dafür mangle es an der sachlichen Zuständigkeit der Vorinstanz und eine entsprechende Klageänderung wäre

      • selbst wenn eine solche erfolgt wäre - nicht zulässig (act. 54, insb. S. 34 ff.).

    2. Im Rahmen seiner Berufung erklärt der Beklagte zusammengefasst, nach Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens anzuerkennen, dass die Parteien keinen Mietvertrag abgeschlossen hätten. Entgegen der Vorinstanz handle es sich beim Rechtsverhältnis der Parteien aber nicht um eine einfache Gesellschaft, sondern um eine unentgeltliche Gebrauchsleihe. So sei zwischen den Parteien unstrittig, dass er der Klägerin die Wohnung unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe. Entsprechend habe er die Wohnung jederzeit zurückfordern können und die Kündigung der Wohnung sei folglich gültig ausgesprochen worden. Die Klage der Klägerin sei daher abzuweisen und das Ausweisungsbegehren gutzuheissen.

      Sollte indes aber auch die Berufungsinstanz das Rechtsverhältnis als einfache Gesellschaft qualifizieren, so sei festzustellen, dass die einfache Gesellschaft bereits aufgelöst worden und die Kündigung der Wohnung gültig sei. Die Vorinstanz hätte die Liquidation der einfachen Gesellschaft durchzuführen gehabt und das Ausweisungsbegehren wäre in diesem Rahmen gutzuheissen gewesen. So ergebe eine Auslegung der Rechtsbegehren der Parteien nach Treu und Glauben, dass die Parteien zur Frage der Dauer des Benutzungsrechts und damit die für die Liquidation erforderlichen Anträge gestellt hätten. Entsprechend hätte die Vorinstanz die Dauer des Benutzungsrechts und die Frage nach der Rückgabe der Wohnung regeln müssen (act. 55).

    3. Die Klägerin führt aus, die Vorinstanz habe die Kündigung infolge Zahlungsverzuges mangels Vorliegens einer Mietzinsforderung zu Recht als ungültig erachtet. Folgerichtig habe die Vorinstanz auch auf einen in diesem Zusammenhang geltend gemachten Rückgabeanspruch nicht eingehen müssen. Der Beklagte habe nun seinerseits anerkannt, dass keine Mietzinse ausstehend seien, weshalb er auch selbst bestätigt habe, dass die entsprechende Kündigung nicht gültig sei. Mit seiner Kündigung wegen Zahlungsverzugs habe er sich auf den Mietvertrag bezogen. Er könne sich nun im Rechtsmittelverfahren nicht neu darauf berufen, es handle sich um eine Gebrauchsleihe. Im Hinblick auf die einfache Gesellschaft fehlten denn gänzlich konkrete Hinweise, dass diese durch den Beklagten

      gekündigt worden wäre. Dass die einfache Gesellschaft bereits aufgelöst worden sei, bringe der Beklagte als Novum vor.

      Es werde bestritten, dass zwischen den Parteien eine Gebrauchsleihe vorliege. Es sei keine unentgeltliche Überlassung der Wohnung vereinbart worden, sondern es liege ein konstruierter Mietvertrag vor, welcher den Bindungswillen der Parteien zeige. Ein Gebrauchsleihevertrag bedürfte der übereinstimmenden Willenserklärung, an welcher es hier mangle, da der Beklagte mit seiner ausserordentlichen Kündigung gezeigt habe, dass er die Mietzinse als geschuldet erachtet und entsprechend kein übereinstimmender Vertragswille für eine Gebrauchsleihe bestanden habe. Die ausgesprochene Kündigung sei nichtig. Diese sei wegen Zahlungsverzuges ausgesprochen worden - ein solcher liege nicht vor.

  2. Beurteilung

    1. Vor Vorinstanz wurde ein Kündigungsschutzverfahren anhängig gemacht. Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens war es, die Gültigkeit einer Zahlungsverzugskündigung im Sinne von Art. 257d OR, eventualiter eine Erstreckung zu beurteilen sowie die widerklageweise und gestützt auf diese Kündigung verlangte Ausweisung. Wie gezeigt, kam die Vorinstanz zum Schluss, dass sich keine Pflicht der Klägerin auf Zahlung eines Mietzinses ergab, weshalb diese sich nicht im Zahlungsverzug habe befinden können. Die Vorinstanz schloss folgerichtig, eine Zahlungsverzugskündigung könne unter diesen Umständen nicht gültig sein. Ebenso folgerichtig wies sie die vom Beklagten gestützt auf die Zahlungsverzugskündigung verlangte Ausweisung der Klägerin aus der streitgegenständlichen Wohnung ab.

Wenn der Beklagte heute vor Berufungsinstanz anerkennt, dass kein Mietzins geschuldet war, so anerkennt er damit auch (mindestens implizit) das Ergebnis, zu dem die Vorinstanz in ihrem Verfahren kam. Die Frage, ob Mietzins geschuldet ist resp. sich die Klägerin in Zahlungsverzug befunden hat, bildete Drehund Angelpunkt des vorinstanzlichen Verfahrens. Es erscheint daher in sich widersprüchlich, wenn der Beklagte dennoch den Entscheid der Vorinstanz umfassend anficht.

2.2.1. Nach Art. 52 ZPO haben sich alle an einem Verfahren beteiligten Personen nach Treu und Glauben zu verhalten. Diese Bestimmung übernimmt in Bezug auf das prozessuale Verhalten die Massstäbe, welche der Art. 2 ZGB für das Handeln der Parteien im Privatverkehr generell aufstellt. Verboten bzw. unbeachtlich ist daher prozessuales Verhalten der Parteien, welches den Tatbestand von Art. 2 Abs. 2 ZGB erfüllt. Darunter fällt neben anderem das sogenannten widersprüchliche Verhalten, ein venire contra factum (vel dictum) proprium (vgl. OGer ZH NG170015 vom 4. Oktober 2017, E. III.3.2. u. NP130005 vom 10. Juli 2013,

E. II.4.4.). Ein widersprüchliches Verhalten liegt beispielsweise auch im Falle der nachträglichen Geltendmachung eines zuvor verworfenen Standpunktes vor (BGer 2C_502/2016 vom 24. Mai 2017, E. 2.4., m.w.H.).

        1. Vor Einleitung des vorinstanzlichen Verfahrens gab der Beklagte durch sein Verhalten zu erkennen, von einem Mietverhältnis und insbesondere von geschuldetem und fälligem Mietzins auszugehen. So verlangte er von der Klägerin wiederholt mittels Mahnung die Bezahlung des Mietzinses, und er drohte ihr für den Fall der Nichtbezahlung innert Frist mit der Kündigung (vgl. act. 23/13 u. 23/15). Schliesslich kündigte er der Klägerin unter Verwendung des gesetzlich für die Kündigung von Mietverhältnissen über Wohnund Geschäftsräume im Sinne von Art. 266l und Art. 298 OR vorgeschriebenen, amtlich genehmigten Formulars mit der Begründung Zahlungsverzug (Art. 257d OR) (act. 23/16). Damit bediente er sich ausdrücklich eines ausserordentlichen Kündigungsgrundes des Mietrechts und hielt die mietrechtlichen Spezialvorschriften für eine Kündigung ein. Den Standpunkt, Mietzins sei geschuldet und fällig, unterstrich er durch eine Betreibung der Klägerin auf den ausstehenden Mietzins, was zu dem von der Vorinstanz ebenfalls behandelten Aberkennungsverfahren führte (vgl. E. I./2.1., MD170002: vgl. auch act. 21 Rz. 39).

        2. Von diesem im Tatsächlichen gezeigten und erklärten Standpunkt rückte der Beklagte im gesamten vorinstanzlichen Verfahren nicht ab. Er machte konsequent geltend, es liege ein Mietverhältnis vor und ein Mietzins sei geschuldet (vgl. act. 21, insb. Rz. 24, 127, 142 f., 151 f.; Prot. Vi. S. 8, 16 f., 50 f.). Die Nichtzahlung des Mietzinses bilde Grund für die erfolgte Kündigung (act. 21, insb.

          Rz. 33 ff., 59 ff.; 78 ff., 112, 122, 133, 141; Prot. Vi. S. 8, 20 oben, 47 f.). Gestützt auf diese gültig erfolgte Kündigung infolge Nichtbezahlung des Mietzinses verlangte er denn auch widerklageweise die Ausweisung der Klägerin aus der Wohnung (act. 21 Rz. 164 ff.).

          Zwar trug er an zwei Orten vor, dass - sollte von der Unentgeltlichkeit des Vertragsverhältnisses ausgegangen werden - das Verhältnis zwischen den Parteien statt als Mietverhältnis als unentgeltliche Gebrauchsleihe zu qualifizieren sei (act. 21 Rz. 65; Prot. Vi. S. 51). Diese Argumentation erfolgte als Reaktion auf den Standpunkt der Klägerin, keinen Mietzins schuldig zu sein. Der Beklagte legte aber in der Folge nicht dar, woraus sich die Vereinbarung einer Gebrauchsleihe im Tatsächlichen ergeben sollte. Er machte weder geltend noch legte er dar, inwiefern gestützt auf einen solchen Vertrag ein Ausweisungsanspruch gegenüber der Klägerin bestünde. Vielmehr verwarf der Beklagte diesen aufgegriffenen Standpunkt vor Vorinstanz explizit unter erneutem Hinweis, es liege ein Mietverhältnis vor (vgl. act. 21 Rz. 65). Er überging dabei, dass die Qualifikation eines Vertragsverhältnisses dann, wenn es - wie hier - um einen offenkundig simulierten Mietvertrag geht, nicht eine blosse Rechtsfrage ist, sondern ebenso Tatfrage (vgl. Art. 18 Abs. 1 OR).

        3. it seinem gesamten Verhalten vor wie auch während des vorinstanzlichen Verfahrens zeigte der Beklagte im Übrigen auf, dass er von einem Mietverhältnis ausging. Durch die erfolgte Mahnung und die ausserordentliche Kündigung infolge Zahlungsverzugs machte klar, dass die Kündigung Folge der Nichtbezahlung des seiner Ansicht nach geschuldeten und fälligen Mietzinses aufgrund eines bestehenden Mietverhältnisses war. Im Umkehrschluss bedeutet ein solches Vorgehen und ist vom Empfänger einer entsprechenden Zahlungsaufforderung und Kündigung auch so zu verstehen, dass eine innert Frist erfolgte Zahlung des geltend gemachten, ausstehenden Mietzinses zu einem Verbleib in der Wohnung geführt hätte. Die Kündigung erfolgte wegen nicht bezahltem Mietzins. Nicht herauslesen lässt sich aus dem Vorgehen des Beklagten wie auch aus seinem vorgetragenen Standpunkt aber, es sei - sollte kein Mietzins geschuldet und die Kündigung aus diesem Grund nicht gültig ausgesprochen worden sein - mit dieser

          Kündigung zeitgleich eine bedingungslose, namentlich unabhängig von geschuldetem Mietzins gemeinte Aufforderung zu verstehen, die Wohnung an ihn zurückzugeben.

          Genau diese Auffassung vertritt der Beklagte - im Widerspruch zu seinem bisherigen Standpunkt - nun im Rahmen der von ihm erhobenen Berufung, nachdem er vor Vorinstanz nicht durchdringen konnte. So stellt er sich nicht nur neu auf den Standpunkt, ein Mietzins sei nun doch nicht geschuldet, sondern vielmehr auch, die Überlassung der Wohnung sei gänzlich ohne Gegenleistung erfolgt. Beim Verhältnis der Parteien in Bezug auf die streitgegenständliche Wohnung handle es sich doch nicht um ein Mietverhältnis, sondern (und dies im Sinne seines bereits verworfenen Standpunktes, vgl. E. III./2.2.2.2) um eine Gebrauchsleihe. Sodann macht der Beklagte weiter neu klar, dass es ihm offenbar schlicht darum geht, die Wohnung auf irgendeine Art zurückzuerhalten, indem er geltend macht, bei der Gebrauchsleihe die Wohnung ohnehin jederzeit zurückverlangen zu können (act. 55 Rz. 72 ff.); aber auch wenn man von einer einfachen Gesellschaft ausgehe, sei diese bereits aufgelöst und die Wohnung sei an ihn zurückzugeben (act. 55 Rz. 77 ff.).

        4. diesem - erkennbar prozessergebnisorientierten - Wechsel des Standpunktes liegt ein offensichtlicher Widerspruch, der unter den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs i.S. des Art. 2 Abs. 2 ZGB fällt. Die Berufung ist schon deshalb abzuweisen. Und es bleibt lediglich noch anzumerken, dass der Standpunkt des Beklagten, soweit er sich auf neue Tatsachenbehauptungen abstützen wollte, mit Blick auf Art. 317 Abs. 1 ZPO unhaltbar wäre.

    1. Aber auch andere Gründe stehen für sich allein genommen einer Gutheissung der Berufung entgegen. So stellt das Vorgehen des Beklagten auch eine unzulässige Klageänderung dar:

      1. Eine Klageänderung ist namentlich in einer Änderung des Streitgegenstandes zu erblicken, welcher mit der Rechtshängigkeit einer Klage, bei der Widerklage daher mit deren Erhebung, fixiert wird. Der klagenden Partei soll es nach Fixierung des Streitgegenstandes grundsätzlich nicht mehr möglich sein, ihre Ansprü-

che abzuändern, weil sonst die Gefahr einer Prozessverschleppung droht und zudem die beklagte Partei zwecks sachgerechter Verteidigung Klarheit über die gegen sie im Prozess erhobenen Ansprüche haben muss. Dennoch ist unter gewissen Voraussetzung eine Klageänderung zulässig. Es soll verhindert werden, dass ein hängiger Prozess auf einer ungenügenden oder unrichtigen Grundlage zu Ende geführt werden muss (BK ZPO-KILLIAS, Art. 227 N 1 f. m.w.H.). In einem ersten Schritt ist daher zu beurteilen, ob eine Klageänderung vorliegt, in einem zweiten Schritt sodann, ob eine solche zulässig ist.

        1. Die Klageänderung kann - gerade bei nicht individualisierten Forderungen

          • in der Änderung des Rechtsbegehrens bestehen. Sie liegt in einer inhaltlichen Änderung der (bisherigen) Rechtsbegehren, mit welchen mehr, Zusätzliches oder Anderes verlangt wird. Im Sinne eines zweigliedrigen Verständnisses des Streitgegenstandes kann die Klageänderung aber auch in der Änderung des Klagefundaments, das heisst des der Klage zu Grunde liegenden Lebenssachverhalts bestehen. Darunter ist der gesamte Komplex von Tatsachen zu verstehen, aus welchen die Klage abgeleitet wird. Die klagende Partei, welche ihren Anspruch auf einen anderen Lebenssachverhalt abstellt, der einen neuen Streitgegenstand begründet, macht damit einen neuen Anspruch geltend, dies unabhängig davon, ob das oder die Rechtsbegehren im Wortlaut geändert werden (BGE 123 III 18,

          E. 2a; SUTTER-SOMM, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2017, Rz. 385; BK-ZPO-KILLIAS, Art. 227 N 6 ff.; OGer ZH LA160008 vom 24. August 2016,

          E. III.; im Weiteren KUKO ZPO-NAEGELI/MAYHALL, 2. Aufl. 2014, Art. 227 N 5 ff., insb. N 16 f. m.V.a. BGE 139 III 126 E. 3.2.1. u. 3.2.3.; vgl. auch OGer ZH

          LB060110 vom 11. Dezember 2007, E. 3). Eine Klageänderung liegt damit beispielweise vor, wenn eine Geldforderung (in gleicher Höhe) nachträglich mit einem anderen Lebenssachverhalt begründet wird (BK-ZPO-KILLIAS, Art. 227 N 8).

        2. Aus Rechtsbegehren und Begründung der Widerklage vor Vorinstanz ergibt sich, dass die Ausweisung der Klägerin verlangt wird, weil sie ihrer sich aus Mietvertrag ergebenden Pflicht zur Zahlung des Mietzinses nicht nachgekommen und in der Folge eine gültige Kündigung ausgesprochen worden sei (act. 21

Rz. 164 ff., vgl. auch E. III./2.1.1). Damit war der Streitgegenstand der Widerklage

fixiert. Insbesondere ergibt eine Auslegung von Rechtsbegehren und Begründung nach Treu und Glauben - entgegen dem Beklagten - nicht, dass damit auch zeitgleich die Liquidation einer einfachen Gesellschaft beantragt wurde (so in act. 55 Rz. 96 f.).

Die Ausweisung der Klägerin wurde durch den Beklagten vor Vorinstanz also mit einer angeblichen Verletzung des Mietvertrages durch Nichtbezahlung des Mietzinses und der folglich am 23. Dezember 2016 ausgesprochenen Kündigung begründet. Mit der Berufung macht der Beklagte als Hauptstandpunkt wie gezeigt neu geltend, es liege eine Gebrauchsleihe vor. Damit behauptet er nicht nur das Vorliegen eines anderen Konsenses resp. anderen Vertrags als vor Vorinstanz (und damit einen anderen Lebenssachverhalt, vgl. dazu noch nachfolgend), sondern auch, er könne gestützt auf diesen Vertrag die Wohnung ohnehin jederzeit zurückverlangen und habe dies mit der ausgesprochenen Kündigung auch getan. Eventualiter stellt er sich (für den Fall, dass er mit seinem Hauptstandpunkt nicht durchdringen sollte und von einer einfachen Gesellschaft ausgegangen würde) auf den Standpunkt, er habe durch diverse Handlungen (Beendigung der Beziehung, Anfechtung der Vaterschaft, Ankündigung der Kündigung nach Mietvertragsrecht, Zustellung der Zahlungsverzugskündigungen vom 4. Oktober 2016 und 23. Dezember 2016) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er keine Beziehung mehr wolle und die Klägerin aus der Wohnung ausziehen solle. Damit habe er implizit erklärt, der Verbleib in der einfachen Gesellschaft sei für ihn nicht mehr zumutbar. Damit liege eine Auflösungserklärung der einfachen Gesellschaft vor und er verlange die Liquidation der einfachen Gesellschaft und in diesem Rahmen die Rückgabe der Wohnung an sich (vgl. act. 55 Rz. 82,

Rz. 85 ff., insb. Rz. 90). Mit dieser Begründung seines Anspruchs auf Herausgabe der Wohnung, welche von seinem vor Vorinstanz vertretenen Standpunkt im Tatsächlichen erheblich abweicht, ändert der Beklagte im Berufungsverfahren das Fundament seiner Klage. Das Vorliegen einer Klageänderung ist zu bejahen. Zu prüfen bleibt, ob eine solche Klageänderung hier zulässig ist.

        1. Im erstinstanzlichen Verfahren richtet sich die Zulässigkeit einer Klageän- derung nach Art. 227 ZPO. Demnach bedarf es eines sachlichen Zusammenhangs zum bisherigen Anspruch (Abs. 1 lit. a) oder der Zustimmung der Gegenpartei (Abs. 1 lit. b), sowie der sachlichen Zuständigkeit des urteilenden Gerichts, ansonsten - bei Übersteigung der sachlichen Zuständigkeit aufgrund des Streitwerts - eine Überweisung an das zuständige Gericht zu erfolgen hätte (Art. 227 Abs. 2 ZPO). Zusätzlich zu diesen Voraussetzungen muss die Klageänderung im Berufungsverfahren auf neuen Tatsachen und Beweismitteln (gemeint sind sowohl echte als auch unechten Noven, vgl. BSK ZPO-SPÜHLER, a.a.O., Art. 317

          N 14) beruhen (Art. 317 Abs. 2 lit. b ZPO).

        2. Die erfolgte Klageänderung vor Berufungsinstanz findet ihre Grundlage vordergründig in der vom vorinstanzlich vertretenen Standpunkt des Beklagten abweichenden rechtlichen Würdigung des Lebenssachverhaltes durch die Vorinstanz. Sie gründet insofern weder auf neuen Tatsachen noch auf neuen Beweismitteln. Entsprechend mangelt es an dieser Voraussetzung für eine Klageän- derung im Berufungsverfahren, weshalb eine solche nicht zulässig ist.

          In Bezug auf die Geltendmachung einer Gebrauchsleihe wäre ohnehin zusätzlich zu beachten, dass die diesbezüglichen Vorbringen - worauf schon hingewiesen wurde - unzulässige Noven im Sinne von Art. 317 Abs. 1 ZPO darstellt. So umfasst die Geltendmachung eines gänzlich anderen Vertragsverhältnisses durch den Beklagten auch die Behauptung, zwischen den Parteien liege ein anderer tatsächlicher (auch: natürlicher) Konsens vor als beim ursprünglich behaupteten Vertragsverhältnis. Während im Rahmen eines Mietverhältnisses die wesentlichen Vertragspunkte die Überlassung einer Sache gegen Leistung eines Mietzinses sind und zwischen den Parteien diesbezüglich Einigkeit vorliegen muss, bedarf es bei der Gebrauchsleihe des Konsenses bezüglich der Überlassung einer Sache zum Gebrauch auf (bestimmte oder unbestimmte) Zeit; die Leihe ist zwingend unentgeltlich (vgl. u.a. BGE 136 III 189, E. 3.2.). Das Vorliegen eines tatsächlichen Konsenses ist eine Tatfrage (vgl. z.B. BGer 5A_127/2013 vom

          1. Juli 2013, E. 4.1.). Soweit der Beklagte hier einen anderen tatsächlichen Konsens behauptet als vor Vorinstanz, handelt es sich um eine neue Tatsachenbehauptung, welche nur unter den Voraussetzungen von Art. 317 Abs. 1 ZPO zu beachten wäre. Indes stellt die Behauptung dieses anderen Konsenses weder ein

          echtes Novum dar, noch ist dargetan, dieser Umstand habe trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden können. Die Klageän- derung wäre daher auch unter diesem Aspekt nicht möglich.

          Ergänzend ist festzuhalten, dass entgegen dem Beklagten zwischen den Parteien auch nicht unstrittig ist, der Beklagte habe der Klägerin die Wohnung unentgeltlich zur Verfügung gestellt (so in act. 55 Rz. 75). Die Klägerin machte vor Vorinstanz vielmehr geltend, der Verzicht auf Mietzins habe einen Unterhaltsbeitrag des Beklagten dargestellt, zum andern schulde der Beklagte ihr noch Geld aus einem Darlehen, weshalb dieses mit dem geforderten Mietzins zu verrechnen sei. Ein Zahlungsrückstand liege deshalb nicht vor (z.B. act. 1 Rz. 17 f., 20, 28; act. 29 S. 11 f., S. 16, insb. S. 17 unten u. S. 20 unten, S. 23 Rz. 133; act. 43

          Rz. 4, 11). Darin zeigt sich ihr Standpunkt, der Erlass des Mietzinses sei Folge von Verpflichtungen, welche der Beklagte ihr gegenüber hat. Die Klägerin ist folglich nicht der Ansicht, dass ihr die Wohnung unentgeltlich überlassen worden wä- re.

        3. Die Klageänderung ist aus einem Weiteren Grund unzulässig, und wäre es bereits vor Vorinstanz gewesen (wie dies im Übrigen auch die Vorinstanz bemerkte, vgl. act. 54 E. 3.2.5 in fine): Das mit der bisherigen Klage befasste Gericht muss auch für die geänderte Klage sachlich zuständig sein. Die sachliche Zuständigkeit kann sich einerseits aufgrund des Streitwertes (vgl. auch Art. 227 Abs. 2 ZPO), andererseits aus der Natur der Sache ergeben. Denn obwohl die Voraussetzungen für die Figur der Klageänderung speziell normiert sind, muss eine geänderte Klage grundsätzlich auch die allgemeinen Prozessvoraussetzungen erfüllen (vgl. Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO; vgl. BSK ZPO-WILLISEGGER, 3. Aufl. 2017, Art. 227 N 39). Bei einer sich aus dem Streitgegenstand ergebenden Zuständigkeit eines Sachgerichts ist eine Klageänderung folglich nur zulässig, wenn auch der geänderte oder neue Anspruch in die Sachkompetenz dieses Gerichts fällt. In einem Verfahren vor einem kantonalen Arbeits-, Mietoder Handelsgericht kann deshalb keine Klageänderung angehoben werden, falls der neue oder ge- änderte Anspruch bei selbständiger Erhebung in die sachliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallen würde (BK ZPO-KILLIAS, Art. 227 N 34 f; BSK ZPO-

WILLISEGGER, a.a.O., Art. 227 N 41; PAHUD, DIKE-Komm ZPO, 2. Aufl. 2016,

Art. 227 N 15). Bei der Vorinstanz als Mietgericht handelt es sich um ein Sachgericht. Es ist gestützt auf § 21 Abs. 1 GOG/ZH für Streitigkeiten aus Miet-

(Art. 253a OR) und aus Pachtverhältnissen (Art. 276 OR) zuständig. In diesem Rahmen erachtete sich die Vorinstanz richtigerweise als sachlich zuständig für eine gestützt auf eine Zahlungsverzugskündigung i.S.v. Art. 257d Abs. 2 OR verlangten Ausweisung aus einer Wohnung. Nicht zuständig ist sie aber für die Beurteilung auf Herausgabe einer Wohnung im Falle einer Gebrauchsleihe. Ebenso wenig ist das Mietgericht sachlich zuständig für die Liquidation einer einfachen Gesellschaft. Auf eine Klageänderung wäre bereits durch die Vorinstanz nicht einzutreten gewesen (BSK ZPO-WILLISEGGER, a.a.O., Art. 227 N 41). Zusätzlich ist zu beachten, dass die entsprechenden Ansprüche sodann aufgrund des Streitwertes ohne weiteres im ordentlichen Verfahren zu behandeln wären, weshalb auch eine andere Verfahrensart als bei der Vorinstanz zur Anwendung gelangte.

2.3.4. Folglich wäre die Berufung auch aus diesem Grund abzuweisen, resp. wäre darauf nicht einzutreten.

3. Fazit

Die Berufung ist aus verschiedenen unabhängig voneinander bestehenden Gründen abzuweisen, soweit überhaupt darauf einzutreten ist. Letztlich offen bleiben kann, wie das Verhältnis zwischen den Parteien rechtlich zu qualifizieren wä- re, resp. ob die Qualifikation durch die Vorinstanz zutrifft. Gesichert ist heute, dass kein Zahlungsverzug i.S. des Art. 257d OR vorlag. Die Kündigung des Mietvertrages hat keine Gültigkeit, und ein Ausweisungsanspruch aus Mietvertragsrecht besteht nicht. Der Entscheid der Vorinstanz ist richtig.

IV.

Kostenund Entschädigungsfolgen

  1. Die Prozesskosten des erstund zweitinstanzlichen Verfahrens sind dem Ausgang entsprechend zu verlegen (vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Bemessung

    der Entscheidgebühr sowie der Parteientschädigung im angefochtenen Entscheid wurde nicht beanstandet, weshalb es bei dieser bleibt. Das führt zur gesamthaften Bestätigung des angefochtenen Urteils.

  2. Beim Streit um die Gültigkeit einer Kündigung berechnet sich der Streitwert des Rechtsmittelverfahrens nach dem Bruttomietzins bis zum Ablauf der dreijährigen Sperrfrist nach Art. 271a Abs. 1 lit. e OR zuzüglich der ordentlichen Kündigungsfrist. Unter Berücksichtigung der dreijährigen Sperrfrist und der dreimonatigen Kündigungsfrist (vgl. act. 3/9) kann der Vertrag frühestens nach 39 Monaten aufgelöst werden, was bei einem Bruttomietzins von Fr. 3'000.- (vgl. act. 3/9) einem Streitwert von Fr. 117'000.- entspricht. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr ist in Anwendung von § 4 Abs. 1-3, § 7 lit. a und § 12 Abs. 1 und 2 GebV OG auf Fr. 4'200.- festzusetzen. Sie ist dem Beklagten aufzuerlegen.

Der Klägerin ist sodann gestützt auf § 4 Abs. 1 u. 3, § 11 Abs. 1 sowie § 13 Abs. 1 und 2 AnwGebV eine Parteientschädigung zuzüglich 7.7% Mehrwertsteuer zuzusprechen.

Es wird erkannt:
  1. Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. Der Entscheid des Mietgerichts Zürich vom 27. Juni 2018 (MB1700012-L) wird bestätigt.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 4'200.- festgesetzt.

  3. Die Gerichtskosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden dem Berufungskläger auferlegt und mit dem von ihm geleisteten Vorschuss verrechnet.

  4. Der Berufungskläger wird verpflichtet, der Berufungsbeklagten für das zweitinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 4'300.- (darin Mehrwertsteuer von 7.7% inbegriffen) zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an das Mietgericht Zürich und an die Obergerichtskasse, je gegen Empfangsschein.

    Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine mietrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 117'000.-.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Der Vorsitzende:

lic. iur. P. Diggelmann

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw M. Schnarwiler

versandt am:

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