Zusammenfassung des Urteils NG180004: Obergericht des Kantons Zürich
Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis mit der Mieterin 1 und dem Mieter 2 wegen Eigenbedarfs. Die Mieterin 1 erhob Klage gegen die Kündigung und das Mietgericht entschied, dass die Kündigung missbräuchlich sei, da sie darauf abzielte, eine eheschutzrichterliche Vereinbarung zu umgehen. Die Vermieterin argumentierte, dass die Kündigung gerechtfertigt sei, da die Wohnung für die Mieterin 1 zu gross und für den Mieter 2 zu klein und teuer sei. Das Gericht entschied, dass die Eigenbedarfskündigung nicht rechtmässig war, da der Mieter 2 bereits vor der Kündigung Mieter der Wohnung war. Die Vermieterin hatte versucht, die Kündigung als formale Angelegenheit zu umgehen. Die Kündigung wurde daher für nichtig erklärt, und die Vermieterin wurde verpflichtet, der Mieterin eine Entschädigung zu zahlen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | NG180004 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 20.09.2018 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 4A_570/2018 |
Leitsatz/Stichwort: | Kündigungsschutz |
Schlagwörter : | Miete; Mieter; Kündigung; Vermieterin; Ehegatte; Recht; Ehegatten; Mieterin; Entscheid; Familienwohnung; Vorinstanz; Bundesgericht; Mietverhältnis; Berufung; Mieters; Verfahren; Wohnung; Anfechtung; Streitgenossenschaft; Klage; Urteil; Eigenbedarf; Prozessstandschaft; Kündigungsgr; Auflage; WEBER |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 153 KG ;Art. 162 ZGB ;Art. 169 ZGB ;Art. 2 ZGB ;Art. 270b OR ;Art. 271 OR ;Art. 271a OR ;Art. 273a OR ;Art. 308 ZPO ;Art. 312 ZPO ;Art. 70 ZPO ;Art. 71 ZPO ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | 115 II 361; 118 II 168; 118 III 168; 136 III 431; 140 III 491; 140 III 568; 140 III 598; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: NG180004-O/U
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein und Oberrichter Dr. P. Higi sowie Leitender Gerichtsschreiber lic. iur. T. Engler
in Sachen
,
Beklagte und Berufungsklägerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
gegen
,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.
betreffend Kündigungsschutz
Berufung gegen ein Urteil des Mietgerichtes des Bezirksgerichtes Meilen vom 16. Februar 2018 (MB160003)
(act. 1 S. 2)
1. Es sei festzustellen, dass die am 22. Oktober 2015 auf den
31. Januar 2016 ausgesprochene Kündigung betreffend das Mietverhältnis der Liegenschaft C. -strasse , D. nichtig ist.
Eventualiter sei die Kündigung für ungültig zu erklären.
Subeventualiter sei das Mietverhältnis für vier Jahre zu erstrecken.
Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten.
(act. 77 = act. 84 = act. 86)
1. In Abweisung des Hauptbegehrens wird festgestellt, dass die von der Beklagten mit Formular vom 22. Oktober 2015 auf den
31. Januar 2016 ausgesprochene Kündigung betreffend das Mietverhältnis der streitgegenständlichen Wohnung an der C. -strasse , D. , nicht nichtig ist.
In Gutheissung des Eventualbegehrens wird festgestellt, dass die von der Beklagten mit Formular vom 22. Oktober 2015 auf den
31. Januar 2016 ausgesprochene Kündigung betreffend das Mietverhältnis der streitgegenständlichen Wohnung an der C. -strasse , D. , missbräuchlich ist.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf CHF 6'000.-.
Die Gerichtskosten werden der Beklagten auferlegt.
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Parteientschädigung von CHF 14'310.- (8 % Mehrwertsteuer darin enthalten) zu bezahlen.
[6.-7.Mitteilung / Rechtsmittel]
der Beklagten und Berufungsklägerin (act. 85 S. 2):
1. Das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und die Klage sei abzuweisen.
Eventualiter sei festzustellen, dass die Kündigung des Mietverhältnisses C. -strasse , D. (Stockwerkeinheit Nr. , Maisonette-Wohnung im Sockelund Erdgeschoss sowie Nebenräume) vom 22. Oktober 2015 per 31. Januar 2016 gültig (nicht missbräuchlich) ist.
Der Klägerin / Berufungsbeklagten sei eine Räumungsfrist von 30 Tagen ab Rechtskraft des Urteils zu gewähren.
Subeventualiter (bei Abweisung der Berufung) sei die erstinstanzliche Prozessentschädigung (Disp. Ziff. 5) mit Fr. 13'250.00 festzusetzen.
Unter Kostenund Entschädigungsfolgen (zuzüglich Mehrwertsteuer) zulasten der Klägerin / Berufungsbeklagten.
Sachverhalt und Prozessgeschichte
Die Eheleute B. und E. erbauten im Jahr 2006 an der C. strasse in D. ein Zweifamilienhaus, begründeten Stockwerkeigentum an einer der beiden Stockwerkeigentumswohnungen (Maisonette-Wohnung im Sockelund Erdgeschoss sowie Nebenräume und Garagenplätze) und bewohnten diese Einheit in der Folge gemeinsam. E. nutzte den unteren Teil des Stockwerkeigentums beruflich, weshalb die Eheleute B. und E. mit der F. AG einen Mietvertrag schlossen. Im Jahr 2008 verkauften die Eheleute B. und E. die Stockwerkeigentumseinheit an G. , den Vater von E. (act. 5/3), der ihnen die Einheit am 14. Januar 2009 vermietete (act. 5/4), worauf sie sie weiterhin bewohnten. Mit der F. AG ging das Ehepaar ein Untermietverhältnis ein. Ende 2013 trennte sich das Ehepaar B.
und E. . In der gerichtlich genehmigten Eheschutzvereinbarung vom
10. September 2014 wurde der obere Teil des Mietobjekts B. zur alleinigen Benützung zugeteilt (act. 5/5). Am tt.mm.2015 verstarb G. , und dessen Ehefrau, A. , wurde - nachdem E. auf seinen Erbanteil an der Liegenschaft verzichtet hatte als Alleineigentümerin der Stockwerkeinheit im Grundbuch eingetragen (vgl. act. 1 S. 4 ff., act. 32 S. 5 sowie act. 33/5; vgl. zusammenfassend auch act. 84 S. 2 ff.).
B. wird im Folgenden auch als Mieterin 1 bezeichnet, E. (der nicht Partei des vorliegenden Verfahrens ist) auch als Mieter 2. A. wird nachfolgend auch als Vermieterin bezeichnet.
Mit separaten Schreiben vom 22. Oktober 2015 an die Mieterin 1 und den Mieter 2 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis mit den Mietern per 31. Januar 2016. Als Kündigungsgrund gab die Vermieterin Eigenbedarf an (act. 5/1, 33/1).
Die Mieterin 1 gelangte mit Eingabe vom 13. November 2015 an die zustän- dige Schlichtungsbehörde, welche ihr mit Beschluss vom 23. Februar 2016 die Klagebewilligung ausstellte (act. 3). Mit Eingabe vom 8. April 2016 erhob die Mieterin 1 Klage an das Mietgericht des Bezirksgerichts Meilen (nachfolgend Vorinstanz) und stellte das eingangs angeführte Rechtsbegehren (act. 1). Der Mieter 2 ging soweit bekannt nicht gegen die Kündigung vor.
Die Mieterin 1 erhob parallel zur Anfechtung der Kündigung eine Grundbuchberichtigungsklage, mit welcher sie sich auf Nichtigkeit des erwähnten Kaufvertrags aus dem Jahr 2008 beruft und gestützt darauf verlangt, sie und der Mieter 2 seien anstelle der Vermieterin im Grundbuch als Eigentümer einzutragen. Die Vorinstanz sistierte in der Folge ihr Verfahren mit Beschluss vom 20. September 2016. Das Obergericht des Kantons Zürich hob die Sistierung auf Beschwerde der Vermieterin hin mit Urteil vom 2. Dezember 2016 auf (vgl. act. 26 und act. 29).
Die Vorinstanz hiess mit dem eingangs angeführten Urteil vom 16. Februar 2018 das Eventualbegehren der Mieterin 1 gut und stellte fest, dass die Kündigung vom 22. Oktober 2015 auf den 31. Januar 2016 missbräuchlich sei (vgl.
act. 77 = act. 84 = act. 86). Das Urteil wurde der Vermieterin am 22. Februar 2018 zugestellt (act. 78/1).
Mit Eingabe vom 22. März 2018 erhob die Vermieterin Berufung gegen das Urteil vom 16. Februar 2018 und stellte die eingangs angeführten Berufungsanträge (act. 85).
Der Vorsitzende der Kammer setzte der Vermieterin mit Verfügung vom
5. April 2018 Frist an, um für die Kosten des Berufungsverfahrens einen Vorschuss von Fr. 3'800.00 zu bezahlen (act. 87). Der Vorschuss wurde innert Frist geleistet (act. 89).
Die Akten des erstinstanzlichen Verfahrens wurden beigezogen (act. 1-82). Es wurde davon abgesehen, der Mieterin 1 Gelegenheit zu geben, die Berufung zu beantworten (Art. 312 Abs. 1 ZPO). Das Verfahren ist spruchreif. Der Mieterin 1 ist indes noch ein Doppel von act. 85 zuzustellen.
Prozessuales
Gegen erstinstanzliche Endentscheide in vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Berufung zulässig, wenn der Streitwert Fr. 10'000.00 erreicht
(Art. 308 Abs. 2 ZPO).
Anders als im Verfahren vor der Vorinstanz (wo die Mieterin 1 im Hauptstandpunkt die Feststellung der Nichtigkeit der Kündigung verlangte) geht es im Berufungsverfahren nur um die Anfechtung der Kündigung. Der Streitwert bemisst sich in einem solchen Verfahren nach den Bruttomietzinsen während der vom jeweiligen Verfahren betroffenen Zeitdauer, d.h. ab Eingang des Rechtsmittels bis zum Ablauf der dreijährigen Sperrfrist (Art. 271a Abs. 1 lit. e OR) zuzüglich der ordentlichen Kündigungsfrist (vgl. OGer ZH NG180002 vom 1. Februar 2018, E. 5). Aus dem erwähnten Mietvertrag vom 14. Januar 2009 ergibt sich, dass der Vertrag unter Berücksichtigung einer Frist von drei Monaten auf Ende eines jeden
Monats gekündigt werden kann (act. 5/4). Die massgebliche Zeitdauer umfasst somit 39 Monate (April 2018 bis und mit Juni 2021).
Aus dem monatlichen Bruttomietzins von Fr. 1'988.00 (act. 26 S. 5; die Vermieterin beanstandet die Berechnung der Vorinstanz, die sich auf die Schilderung der Mieterin 1 stützte [act. 1 S. 5], nicht) ergibt sich danach ein Streitwert von gerundet Fr. 77'500.00.
Auf die rechtzeitig schriftlich und begründet erhobene Berufung ist somit einzutreten.
Im vorliegenden Verfahren gilt nach Art. 247 Abs. 2 lit. a ZPO i.V.m. Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO der eingeschränkte Untersuchungsgrundsatz. Dieser entbindet die Parteien indes nicht von ihren Mitwirkungspflichten, insbesondere wenn wie hier beide Parteien anwaltlich vertreten sind (vgl. BRUNNER/STEININGER, DIKEKomm-ZPO, 2. Auflage 2016, Art. 247 N 10, 12).
Vorbemerkung zum gemeinsamen Mietvertrag
Sind an einem Mietverhältnis auf der Mieteroder der Vermieterseite mehrere Personen vertreten, so ist zwischen dem Innenverhältnis und dem Aussenverhältnis zu unterscheiden (vgl. im Einzelnen JÖRG SCHMID, Die gemeinsame Miete
- Ausgewählte Fragen, AJP 2016 S. 31 ff., S. 33). Das Aussenverhältnis ist ein mietrechtliches. Es wird durch den erwähnten Mietvertrag vom 14. Januar 2009 bestimmt. Im Innenverhältnis ist die vom Familienrecht erfasste Rechtsbeziehung der Mieter 1 und 2 massgeblich. Auf die gerichtlich genehmigte Eheschutzvereinbarung der Mieter 1 und 2 vom 10. September 2014 wurde bereits hingewiesen (vgl. vorne Ziff. 1.1). Auf die Bedeutung dieser Unterscheidung wird nachfolgend, wo erforderlich, zurückgekommen.
Aktivlegitimation der Mieterin 1 zur Anfechtung der Kündigung
Die Vorinstanz bejahte die in ihrem Verfahren umstrittene Frage, ob das erwähnte Mietobjekt (Stockwerkeigentumseinheit an der C. -strasse ) nach der Trennung der Mieter noch eine Familienwohnung im Sinne von Art. 169 ZGB
darstelle (act. 86 S. 5 ff., insb. S. 8 f.). Die Vermieterin beanstandet das berufungsweise nicht (vgl. act. 85 S. 5 Ziff. 4). Auf die Frage ist daher nicht weiter einzugehen.
Die Vorinstanz erwog weiter, bei einem gemeinsamen Mietvertrag bestehe hinsichtlich der Klage auf Aufhebung der Kündigung (Art. 271 f. OR) nach BGE 140 III 598 grundsätzlich eine notwendige Streitgenossenschaft. Bei einem Mietvertrag über eine Familienwohnung verhalte es sich indes anders. Art. 273a OR berechtige in diesem Fall einen Ehegatten, der nicht Partei des Mietvertrags sei, gleich wie den Mieter, die Kündigung anzufechten. Das Bundesgericht habe diese Bestimmung in BGE 118 II 168 analog auf den Fall angewendet, in dem die Ehegatten gemeinsame Mieter der Familienwohnung seien. Auch in diesem Fall sei daher jeder Ehegatte (und damit jeder Mieter) für sich alleine berechtigt, die Kün- digung anzufechten. Ein Einbezug des Mieters 2 in das Verfahren sei nicht nötig (vgl. act. 86 S. 6 ff., S.10).
Die Vermieterin bringt berufungsweise zusammengefasst vor, der erwähnte Bundesgerichtsentscheid BGE 140 III 598 gelte entgegen der Vorinstanz auch für Familienwohnungen. Die Vorinstanz und die von ihr angeführte Literaturstelle würden ohne jede Begründung das Gegenteil behaupten. Dieser Standpunkt kön- ne auch nicht aus Art. 273a OR abgeleitet werden, da diese Bestimmung nur dem Ehegatten Rechte verleihe, der selber nicht Mieter sei. Da der Mieter 2 nicht in das Verfahren einbezogen worden sei, sei das Urteil der Vorinstanz nichtig
(act. 85 S. 3 ff., insb. S. 4 und S. 6). Auf diese Argumentation (Nichturteil infolge des unterbliebenen Einbezugs des Mieters 2) sei die Vorinstanz nicht eingegangen, womit sie den Anspruch auf Wahrung des rechtlichen Gehörs verletzt habe (act. 85 S. 3).
4.4. Vorab ist festzuhalten, dass die Rüge der Gehörsverletzung fehl geht. Die anwaltlich vertretene Vermieterin konnte dem Schluss der Vorinstanz, ein Einbezug des Mieters 2 in das Verfahren sei nicht nötig (act. 84 S. 10), ohne Weiteres entnehmen, dass die Vorinstanz ihrer erwähnten Argumentation (Nichturteil wegen fehlenden Einbezugs des Mieters 2) nicht folgte. Die Hinweise der Vorinstanz
auf die analog angewendete Bestimmung von Art. 273a OR genügten insoweit den Anforderungen an die Begründung des Entscheids.
Richtig ist, dass zwischen mehreren Mietern eines gemeinsamen Mietvertrags im Verfahren der Kündigungsanfechtung grundsätzlich notwendige Streitgenossenschaft (Art. 70 ZPO) besteht (es geht hier um das Aussenverhältnis im vorstehend geschilderten Sinn, vgl. Ziff. 3). Insoweit sind die Auffassungen in der Praxis und im Schrifttum einhellig. Die Anfechtung der Kündigung entscheidet über den Bestand Nichtbestand eines Rechtsverhältnisses und stellt daher eine Gestaltungsklage dar (auch wenn die Vorinstanz nach dem Wortlaut von Ziffer 2 ihres Dispositivs ein Feststellungsurteil erliess, handelt es sich dabei materiell um ein Gestaltungsurteil). Sind am entsprechenden Rechtsverhältnis mehrere Parteien beteiligt, so besteht hinsichtlich einer solchen Klage notwendige Streitgenossenschaft. Aus Gründen des Sozialschutzes ist dabei zwar jede Mieterpartei berechtigt, das Anfechtungsrecht selbständig geltend zu machen. Ficht aber nur ein Mieter die Kündigung an, so muss er den bzw. die anderen Mieter auf der Seite der Vermieterin mit ins Recht fassen. Unterlässt der anfechtende Mieter das, verliert er die Klageberechtigung bzw. die Aktivlegitimation (vgl. BGE 140 III 598 E. 3.2, bestätigt in BGer 4A_689/2016 vom 28. August 2017 [= mp 2017 S. 307 ff.], sowie statt vieler BSK OR I-WEBER, 6. Auflage 2015, Art. 273a N 3).
Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz von diesem Grundsatz insbesondere gestützt auf Art. 273a OR und auf den älteren Entscheid BGE 118 II 168 zu Recht eine Ausnahme machte, weil die Mieter im vorliegenden Fall verheiratet sind und das Mietverhältnis eine Familienwohnung betrifft.
Rechtslage nach Art. 273a OR
Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Bestimmung von Art. 273a OR, die sich nach ihrem Wortlaut nur auf den Fall bezieht, in dem lediglich ein Ehegatte Mieter der Familienwohnung ist und welche die Vorinstanz gesehen analog für den Fall gemeinsamer Miete anwendete. Die Bestimmung dient dem Schutz der Familienwohnung (ZK-HIGI, Art. 273a OR N 5). Sie berechtigt den Ehegatten des Mieters der Familienwohnung (der selber nicht am Mietverhältnis beteiligt ist) im
Fall der Kündigung durch die Vermieterin, die Kündigung anzufechten und die Rechte auszuüben, welche dem Mieter im Kündigungsfall zustehen. Die Vermieterin ist der Ansicht, dass die Mieterin 1 auch in diesem Fall (wenn sie gar nicht Mieterin wäre) ihre Anfechtungsklage gegen alle am Rechtsverhältnis Beteiligten, also gegen die Vermieterin und den Mieter 2 hätte richten müssen (act. 85 S. 5, 7). Daher ist zunächst zu prüfen, wie es sich in dieser Konstellation verhielte. Auf die analoge Anwendung der Bestimmung im vorliegenden Fall wird danach eingegangen (unten Ziff. 4.6).
Die Klage des Ehegatten des Mieters nach Art. 273a Abs. 1 OR stellt nach herrschender Auffassung einen Anwendungsfall einer Prozessstandschaft dar (Berechtigung einer Person, den Prozess in eigenem Namen an Stelle der berechtigten Person zu führen, vgl. zum Begriff SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Rz. 4.42). Ein Einbezug des anderen Ehegatten (d.h. des Mieters) in das Verfahren ist danach nicht nötig (in diesem Sinn implizit bereits BGE 115 II 361 = Pra 79 [1990] Nr. 37, E. 4c; vgl. im Einzelnen BSK OR I-WEBER,
6. Auflage 2015, Art. 273a N 1; ebenso ZK-HIGI, Art. 273a OR N 14 f.; THOMAS KOLLER, Die mietrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2014, ZBJV 2016 S. 1 ff., S. 48 [Kommentar zum bereits erwähnten BGE 140 III 598]; für Prozessstandschaft und Zulässigkeit der Einzelklage auch SVIT-Kommentar/ POLIVKA, 4. Auflage 2018, Art. 273a OR N 3, 6; CHK-HULLIGER/ HEINRICH, 3. Auf-
lage 2016, Art. 273a-c N 1; BK-HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Art. 169 ZGB N 81;
CORDULA LÖTSCHER, Die Prozessstandschaft im schweizerischen Zivilprozess, Diss. Basel 2016, S. 465). Die Natur der Prozessstandschaft als Berufung auf ein fremdes Recht im eigenen Namen hat im Grundsatz zur Folge, dass die Rechtskraft des in Prozessstandschaft erstrittenen Urteils sich auf den Inhaber des fremden Rechts erstreckt (vgl. WEBER, Der gemeinsame Mietvertrag, Diss. Zürich 1993 [nachfolgend zitiert als WEBER, Diss. 1993], S. 189 oben).
Allerdings geht die Prozessführungsbefugnis des Mieters durch die Klage des Ehegatten nicht unter. Die Prozessstandschaft ist in diesem Sinne keine ausschliessliche (LÖTSCHER, a.a.O., S. 465; auf die Konsequenzen dieses Umstands auf die Rechtskraftwirkung wird weiter unten zurückgekommen, vgl. Ziff. 4.6.5).
Nach der wohl herrschenden Auffassung liegt ein Fall einfacher Streitgenossenschaft nach Art. 71 ZPO vor, wenn beide Ehegatten Klage erheben (vgl. die Hinweise bei NICOLAS FUCHS, Die Kündigungsanfechtung bei Familienwohnungen - Aspekte der Prozessstandschaft, BJM 2017 S. 11 ff., S. 16 f., sowie von den soeben zitierten Autoren etwa BSK OR I-WEBER, 6. Auflage 2015, und HIGI, a.a.O., N 15).
st der Ehegatte, der nicht Mieter ist, dazu berechtigt, die Rechte des Mieters in Prozessstandschaft geltend zu machen, so ist damit auch gesagt, dass es nicht erforderlich ist, den anderen Ehegatten (der Mieter, d.h. die Person, deren Rechte geltend gemacht werden) mit der Vermieterin auf der Beklagtenseite ins Recht zu fassen. Das wäre dem Institut der Prozessstandschaft wesensfremd, da der Ehegatte das Recht des Mieters gerade selber geltend macht (vgl. WEBER, Diss. 1993, S. 189 oben; vgl. auch FUCHS, a.a.O., S. 16 ff., insb. S. 22 ff. zu den [beschränkten] Möglichkeiten des anderen Ehegatten, sich am Prozess zu beteiligen). Die Annahme einer unechten uneigentlichen notwendigen Streitgenossenschaft zwischen Mieter und Ehegatten ändert daran nichts (vgl. den von der Vermieterin als Beleg genannten Entscheid OGer ZH LH110002 vom 27. Februar 2012 [act. 85 S. 6] und dazu FUCHS, a.a.O., S. 17, sowie eingehend INGRID JENTSØRENSEN, Die Verfahrensrechte der Ehegatten bezüglich der Familienwohnung gemäss Art. 169 ZGB, Art. 273a OR und Art. 153 nSchKG, Mitteilungen aus dem Institut für zivilgerichtliches Verfahren in Zürich, 1996, S. 16 ff., S. 19 f.). Entscheidend ist, dass auch nach dieser Auffassung keine echte notwendige Streitgenossenschaft vorliegt, die den Einbezug aller Beteiligten in das Verfahren bedingte, sondern die Einzelklage des Ehegatten zulässig ist. Die unechte notwendige Streitgenossenschaft wird erst relevant, wenn beide Ehegatten klagen (vgl. JENT-SØRENSEN, a.a.O., S. 24).
die Ehegatten noch zusammenleben nicht, ist nicht entscheidend. Der Zweck des Schutzes der Familienwohnung verlangt, dass die entsprechenden Bestimmungen gerade auch dann weiter gelten, wenn die Ehegatten getrennt leben (vgl. BSK ZGB I-SCHWANDER, 5. Auflage 2014, Art. 169 N 9; vorausgesetzt ist aber selbstredend, dass die Wohnung noch als Familienwohnung zu qualifizieren ist [vgl. dazu vorne Ziff. 4.1]). Nach einer Trennung ist ein einvernehmliches Zusammenwirken der Ehegatten oft nur begrenzt möglich, und will der Mieter die Kündigung nicht anfechten, so würde sein Einbezug auf der Beklagtenseite den ehelichen Konflikt nur verschärfen. Gerade in diesem Fall gebietet der Schutz der Familienwohnung somit, dass der Ehegatte, der nicht Mieter ist, die Kündigung alleine anfechten kann, ohne Mitwirkung des anderen Ehegatten.
Die Vermieterin nennt für ihren gegenteiligen Standpunkt (wonach der Ehegatte des Mieters die Anfechtungsklage nach Art. 273a OR sowohl gegen die Vermieterin als auch gegen den Mieter erheben müsse, vgl. act. 85 S. 5 unten und S. 7 oben) zum einen ZK-HIGI, Art. 273a OR N 15 als Nachweis. Das Gesagte ergibt sich aus dieser Literaturstelle indes nicht. Im Gegenteil führt HIGI dort aus, dass (wenn beide Ehegatten klagen) einfache Streitgenossenschaft bestehe, dass beim Fernbleiben des Mieters vom Verfahren nur der nichtmietende Ehegatte Verfahrensbeteiligter sei und dass das Urteil dann nur auf dessen Namen laute. Die weitere von der Vermieterin genannte Belegstelle (JULIA DILLIER, Konkubinatspartner als gemeinsame Mieter von Wohnräumen, mp 2017 S. 239 ff.) äussert sich nur zur Rechtslage im Konkubinat, wo eine Anwendung der Bestimmungen über den Schutz der Familienwohnung selbstredend nicht in Frage kommt. Weshalb das, was im Konkubinat gilt, erst recht für ein Ehepaar gelten müsse (vgl. act. 85 S. 7), verdeutlicht die Vermieterin nicht und es ist dies angesichts der verschiedenen Rechtsgrundlagen auch nicht ersichtlich.
Es ist somit davon auszugehen, dass der Ehegatte des Mieters einer Familienwohnung (der selber nicht am Mietverhältnis beteiligt ist) die Kündigung der Vermieterin nach Art. 273a OR selbständig und unabhängig vom anderen Ehegatten anfechten kann und dass er seine Klage nur gegen die Vermieterin (und nicht auch gegen den Mieter und anderen Ehegatten) zu richten hat.
Analoge Anwendung von Art. 273a OR im gemeinsamen Mietverhältnis
Art. 273a OR bezieht sich nach seinem Wortlaut wie erwähnt nur auf den Fall, in dem lediglich ein Ehegatte Mieter der Familienwohnung ist. Das Bundesgericht hat diese Bestimmung im Entscheid BGE 118 II 168 (= Pra 82 [1993]
Nr. 112) analog auf ein gemeinsames Mietverhältnis (an einer Familienwohnung) angewendet:
Die Vermieterpartei hatte das Mietverhältnis gekündigt und der Ehemann die Kündigung angefochten. Das Bundesgericht verneinte für diesen Fall das Vorliegen einer notwendigen Streitgenossenschaft und wies den Berufungsgrund der fehlenden Klagelegitimation des Ehemannes ab. Das räumt im Grundsatz auch die Vermieterin ein (act. 85 S. 4). Das Bundesgericht begründete den Entscheid allerdings entgegen der verkürzten Zusammenfassung der Vermieterin (act. 85
S. 4) nicht nur mit dem Recht des klagenden Ehegatten zur Vertretung der ehelichen Gemeinschaft (nach aArt. 162 Abs. 1 ZGB) und der Eigenschaft der Wohnung als Genossenschaftswohnung. Es ging in der Begründung des Bundesgerichts auch nicht (nur) massgeblich darum, dass nur ein Ehegatte Mitglied der fraglichen Wohngenossenschaft war, und um die Frage, wieweit die erste Rechtsbeziehung (Miete) von der zweiten (Genossenschaft) abhängig war.
Das Bundesgericht äusserte sich vielmehr in einem ersten Schritt ausdrücklich zur Frage der Aktivlegitimation des Ehemannes, der die Kündigung alleine angefochten hatte, obwohl die Ehegatten beide Mieter (der Familienwohnung) waren. Das Bundesgericht wies dazu darauf hin, die Ehegatten könnten das Anfechtungsrecht nach Art. 273a OR einzeln ausüben, wenn sie nicht gemeinsam Mieter seien. Wenn sie gemeinsame Mieter seien, gebe es keinen Grund, ihnen dieselbe Möglichkeit zu verweigern. Das Bundesgericht wendete somit Art. 273a Abs. 1 OR ausdrücklich analog an und bejahte gestützt darauf die Aktivlegitimation des Ehemannes, die Kündigung alleine anzufechten und die entsprechende Klage gegen die Vermieterin zu erheben. Die Argumentation mit der Vertretung der ehelichen Gemeinschaft und dem Umstand, dass die Ehegatten die Wohnung noch gemeinsam bewohnten, war daneben nur ein weiterer Begründungsstrang (vgl. BGE 118 II 168 E. 2b). Letzteres (das nach wie vor bestehende Zusammenleben der Ehegatten) kann schon aus dem Grund kein entscheidendes Element darstellen, da die analog angewendete Bestimmung (Art. 273a OR) nicht an das Zusammenleben, sondern an die Eigenschaft der Wohnung als Familienwohnung anknüpft.
Erst in einem zweiten, hier nicht relevanten Schritt thematisierte das Bundesgericht sodann auch noch das Rechtsverhältnis zur Genossenschaft (vgl. BGE a.a.O., E. 3).
Die herrschende Auffassung im Schrifttum geht (teils unter ausdrücklichem Hinweis auf den erwähnten BGE 118 II 168) davon aus, dass ein Ehegatte sich auch dann auf den Schutz gemäss Art. 273a OR berufen kann, wenn beide Ehegatten Mieter der Familienwohnung sind (vgl. BSK OR I-WEBER, 6. Auflage 2015, Art. 273a N 4; vgl. auch WEBER, Diss. 1993, S. 188; CHK-HULLIGER/HEINRICH,
3. Auflage 2016, Art. 273a-c N 1; JÖRG SCHMID, Die gemeinsame Miete - Ausgewählte Fragen, AJP 2016 S. 31 ff., S. 36 f.; CAROLINE MEYER, Zur Sachlegitimation im Mietprozess, MRA 2010 S. 47 ff., S. 54; FUCHS, a.a.O. [vorne Ziff. 4.5.2], S. 30;
LACHAT/THANEI, Mietrecht für die Praxis, 9. Auflage 2016, S. 659 FN 57; KOLLER,
a.a.O. [vorne Ziff. 4.5.2], S. 48). Nur teilweise wird für den Fall, dass beide Ehegatten Mieter der Familienwohnung sind, von (echter) notwendiger Streitgenossenschaft ausgegangen (vgl. LÖTSCHER, Die Prozessstandschaft im schweizerischen Zivilprozess, Diss. Basel 2016, S. 466 Rz. 1099; ZK-HIGI, Art. 273a OR N 17).
Am Schutz der Familienwohnung bestehen die selben Interessen, unabhängig davon, ob beide Ehegatten Mieter sind ob nur einer es ist. Das spricht dafür, das selbständige Anfechtungsrecht auch dem Ehegatten zuzusprechen, der (im Fall gemeinsamer Miete) am Mietverhältnis mitbeteiligt ist. Es wäre nicht verständlich, wenn ein Ehegatte, der als Mieter Vertragspartei ist, hinsichtlich der Kündigung der Familienwohnung weniger Rechte hätte als ein Ehegatte, der am Mietverhältnis nicht beteiligt ist. Der auf den Entscheid BGE 118 II 168 zurück gehenden Auffassung, wonach (bei gemeinsamer Miete der Familienwohnung) jeder Mieter/Ehegatte die Rechte nach Art. 273a Abs. 1 OR in Anspruch nehmen kann, ist daher zu folgen. Das Bundesgericht bezweckte mit diesem Entscheid eine Harmonisierung bzw. Gleichstellung der Konstellationen (gemeinsame vs. einzelne Miete der Familienwohnung; vgl. FUCHS, a.a.O., S. 29; in diesem Sinne auch JENT-SØRENSEN, a.a.O., S. 18; unklar gemäss ZK-HIGI, Art. 273a OR N 20).
Art. 273a Abs. 1 OR beinhaltet danach ein im Schutz der Familienwohnung begründetes selbständiges gesetzliches Prozessführungsrecht jedes Ehegatten im Kündigungsschutzverfahren, unabhängig davon, ob nur ein Ehegatte Mieter der Familienwohnung ist ob beide es sind. Zwischen den Mietern besteht in diesem Fall anders als im Regelfall der gemeinsamen Miete keine (echte) notwendige Streitgenossenschaft. Vielmehr ist jeder Ehegatte/Mieter alleine zur Anfechtungsklage gegen die Vermieterpartei berechtigt. Aufgrund der Prozessstandschaft, von der auch in diesem Fall auszugehen ist (allenfalls von einer partiellen Prozessstandschaft, vgl. dazu FUCHS, a.a.O., S. 30 f.), wäre es auch in dieser Konstellation wesensfremd, den Einbezug des anderen Mieters/Ehegatten in den Prozess vorauszusetzen (vgl. vorne Ziff. 4.5.3).
Aus der neueren Bundesgerichtspraxis, auf welche die Vermieterin sich beruft, folgt nichts anderes:
Der von der Vermieterin und der Vorinstanz thematisierte Entscheid BGE 136 III 431 (= Pra 100 [2011] Nr. 18; vgl. act. 85 S. 4 und act. 84 S. 3) betraf die Anfechtung einer Mietzinserhöhung nach Art. 270b OR in einem gemeinsamen Mietverhältnis über eine Familienwohnung. Das Bundesgericht rekapitulierte darin zunächst den soeben diskutierten Entscheid BGE 118 III 168 und hielt fest, jener Entscheid habe sich nicht zur Frage geäussert, ob die darin in allgemeiner Form festgehaltenen Grundsätze nur für den dort entschiedenen Fall der Anfechtung der Kündigung gölten auch für andere Mietstreitigkeiten (BGE 136 III 431
E. 3.1). Sodann erwog das Bundesgericht, eine sinngemässe Anwendung von Art. 273a Abs. 1 OR auf den Fall der Anfechtung der Mietzinserhöhung komme nicht in Betracht. Die Bestimmung bezwecke nur den Schutz eines Ehegatten vor dem Verlust der gemeinsamen Wohnung. Das Risiko, die Familienwohnung zu verlieren, sei im Falle einer Streitigkeit über die Höhe des Mietzinses nicht gegeben. Daher bestehe zwischen den Mietern und Ehegatten in diesem Fall notwendige Streitgenossenschaft. Wie sie vorzugehen hätten, wenn sie über ein gemeinsames Vorgehen nicht einig wären, liess das Bundesgericht offen (BGE a.a.O., E. 3.3).
Das Bundesgericht hat mit diesem Entscheid damit die Auffassung gemäss BGE 118 III 168, wonach Art. 273a Abs. 1 OR für die Klage auf Aufhebung der Kündigung (Art. 271 f. OR) analog auch bei gemeinsamer Miete gilt, nicht relativiert, sondern implizit bestätigt. Sodann hat es das Bundesgericht abgelehnt, diese Praxis (welche eine Ausnahme von der notwendigen Streitgenossenschaft darstellt) auch auf die Anfechtung der Mietzinserhöhung anzuwenden.
Der bereits erwähnte Entscheid BGE 140 III 598 (= mp 2015 S. 59 ff. mit Ausführungen zum Sachverhalt) gemäss dem im Verfahren der Anfechtung der Kündigung bei gemeinsamer Miete grundsätzlich von notwendiger Streitgenossenschaft auszugehen ist (vgl. oben Ziff. 4.4) betraf einen Fall mit mehreren Mietern, die nicht verheiratet (sondern Mutter [bzw. deren Erben] und Tochter) waren. Das Bundesgericht verwies zunächst auf die beiden vorerwähnten Entscheide und fasste deren soeben aufgezeigten Inhalt zusammen (BGE 140 III 598
E. 3.1). Sodann kam das Bundesgericht zum erwähnten Schluss, dass die gemeinsamen Mieter im Kündigungsschutzverfahren eine notwenige Streitgenossenschaft darstellten, in dem Sinne, dass alle Mitmieter auf der einen anderen Parteiseite in den Prozess einzubeziehen seien. Ein Mitmieter, der die Kündigung alleine anfechten wolle, müsse daher die Vermieterin und die weiteren Mitmieter ins Recht fassen. Andernfalls werde ihm die Aktivlegitimation abgesprochen (BGE a.a.O. E. 3.2).
Der Entscheid stellt für gemeinsame Mietverhältnisse die aufgezeigte allgemeine Regel auf. Zum besonderen Fall, wie es sich mit verheirateten gemeinsamen Mietern einer Familienwohnung verhielte, äusserte sich das Bundesgericht dabei nicht. Dazu gab es angesichts des soeben erwähnten Sachverhalts keine Veranlassung. Das Bundesgericht ging auf diese Frage abgesehen von der einleitenden Zusammenfassung nicht ein und setzte sich mit dem Entscheid BGE 118 II 168 nicht auseinander. Es kam auf die dort geäusserte Ansicht (analoge Anwendung von Art. 273a OR auf die Kündigungsanfechtung beim gemeinsamen Mietvertrag) nicht zurück. Aus dem Entscheid BGE 140 III 568 kann deshalb für gemeinsame Mietverhältnisse an Familienwohnungen nichts geschlossen werden (vgl. in diesem Sinn auch die bereits erwähnte Kommentierung des Entscheids von THOMAS
KOLLER, a.a.O. [vorne Ziff. 4.5.2], S. 48). Für die vorliegend zu beurteilende Frage ergeben sich aus diesem Entscheid keine Rückschlüsse.
Der Entscheid BGer 4A_689/2016 vom 28. August 2017 (= mp 2017
S. 307 ff.), auf den die Vermieterin sich weiter beruft (act. 85 S. 6 f.), betraf ebenfalls einen Fall von mehreren Mietern, die nicht miteinander verheiratet waren (sondern eine Erbengemeinschaft bildeten, für die ein Willensvollstrecker eingesetzt worden war), und im Einzelnen eine Geschäftsraummiete. Das Bundesgericht betonte darin, dass die Regeln zum Kündigungsschutz (Art. 271 bis 273c OR) für Wohnungen und Geschäftsräume gleichermassen gölten, und es übertrug daher die Praxis gemäss BGE 140 III 598 auf diesen Fall. Massgeblicher Gehalt des Entscheids ist, dass auch bei der Geschäftsraummiete ein einzelner Erbe (nach Massgabe des erwähnten Präjudizes) zur Anfechtung der Kündigung berechtigt ist, wenn er neben der Vermieterin auch die Miterben einklagt (und der Kündigungsschutz nicht vom Willensvollstrecker geltend gemacht werden muss). Auch in diesem Entscheid setzte sich das Bundesgericht nicht mit der Praxis gemäss BGE 118 II 168 auseinander, und es äusserte sich nicht zur Frage, wie es sich bei verheirateten Mietern einer Familienwohnung verhält. Der zu beurteilende Sachverhalt bot dazu ebenfalls keine Veranlassung.
Es bleibt somit dabei, dass das Einzelklagerecht nach Art. 273a Abs. 1 OR auch verheirateten gemeinsamen Mietern der Familienwohnung zusteht.
4.6.5 Die von der Vermieterin diskutierte Problematik des Erfordernisses eines einheitlichen Entscheids (vgl. act. 85 S. 6) wird - das ist der Vollständigkeit halber anzumerken - durch das bereits Gesagte entschärft. Der Entscheid, der ergeht, ist ein einheitlicher, und er gilt sowohl gegenüber der Mieterin 1 als auch gegen- über dem Mieter 2 (unabhängig davon, dass der Mieter 2 im Rubrum des Entscheids nicht erscheint). Das folgt aus der (partiellen) Prozessstandschaft, mit welcher die Mieterin 1 sowohl ihre eigenen Mieterrechte als auch diejenigen des Mieters 2 geltend machte.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem erwähnten Institut der unechten notwendigen Streitgenossenschaft (wenn beide Ehegatten klagen bzw. sich am Prozess
beteiligen). Dass in diesem Zusammenhang vom Erfordernis eines einheitlichen Entscheids gesprochen wird, heisst nicht, dass zwingend beide Ehegatten am Prozess beteiligt sein müssten (entgegen der Vermieterin, act. 85 S. 6). Es heisst im Wesentlichen vielmehr nur, dass widersprüchliche Urteile zu vermeiden sind. Klagen beide Ehegatten bzw. beteiligen sich beide am Prozess, so muss ein einheitlicher Entscheid ergehen (was die einfache Streitgenossenschaft an sich ausschliesst). Ficht dagegen nur ein Ehegatte/Mieter die Kündigung an, so gilt das entsprechende Mieterrecht im Erfolgsfall als ausgeübt und tritt die Gestaltungswirkung des Entscheids für alle am Rechtsverhältnis Beteiligten ein. Scheitert die Anfechtungsklage des einen Ehegatten/Mieters, so wäre eine Klage des anderen theoretisch noch möglich. Sie wird praktisch aber an der kurzen Verwirkungsfrist scheitern, womit widersprüchliche Entscheide ebenfalls vermieden werden (vgl. JENT-SÖRENSEN, a.a.O. [vorne Ziff. 4.5.3], S. 24-26).
Aus dem gleichen Grund (Ablauf der Verwirkungsfrist des Mieters 2) gab es für die Vorinstanz keine Veranlassung, dem Mieter 2 Gelegenheit zu geben, sich am Verfahren zu beteiligen. Daran hatten weder der Mieter 2 (aufgrund des verwirkten Anfechtungsrechts) noch die Vermieterin (da ihr vom Mieter 2 aus demselben Grund keine Anfechtung mehr drohen konnte) ein Interesse (zu den beschränkten Möglichkeiten einer Beteiligung des Mieters 2 vgl. die bereits angebrachten Hinweise bei FUCHS, a.a.O. [vorne Ziff. 4.5.2], S. 22 ff. und S. 30).
4.7 Der Mieterin 1 ist nach dem Gesagten nicht zur Last zu legen, sie hätte ihre Anfechtungsklage gegen die Vermieterin und gegen den Mieter 2 zusammen erheben müssen. Der entsprechenden Rüge der Vermieterin ist nicht zu folgen, und die Berufung ist insoweit abzuweisen.
Anfechtung der Kündigung
Die Vorinstanz verneinte zunächst die (von der Mieterin 1 geltend gemachte) Nichtigkeit der Kündigung vom 22. Oktober 2015 und ging sodann auf die Anfechtbarkeit der Kündigung gestützt auf Art. 271 OR ein. Dazu erwog die Vorinstanz, die Vermieterin habe die Kündigung mit Eigenbedarf für ihren Sohn, den Mieter 2, begründet. Dieser sei im Zeitpunkt der Kündigung indes bereits (Mit-)
Mieter der streitgegenständlichen Wohnung gewesen. Der Grund, weshalb er die Wohnung seit geraumer Zeit nicht mehr bewohne, liege in der Eheschutzvereinbarung, welche die Mieter untereinander getroffen hätten und wonach die Wohnräumlichkeiten der Mieterin 1 zur alleinigen Nutzung verbleiben sollten. Die Vermieterin habe gegenüber dem Gericht angegeben, sie habe aus formalen Grün- den sowohl der Mieterin 1 als auch ihrem Sohn (dem Mieter 2) kündigen müssen, um im Anschluss daran mit ihm alleine einen neuen Mietvertrag abzuschliessen. Die Kündigung habe danach primär den Zweck verfolgt, die eheschutzrichterliche Vereinbarung der Mieter zu umgehen und den Mieter 2 als alleinigen Mieter in das Mietobjekt zurückzuholen. Das stehe im Widerspruch mit dem allgemeinen Gebot des loyalen und lauteren Verhaltens. Der Versuch, den zulässigen rechtlichen Weg für das angestrebte Ziel (Stellen eines Begehrens um Abänderung der Eheschutzmassnahme durch den Mieter 2) zu umgehen, sei nicht zu schützen. Daran vermöchte auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Mieterin 1 in der Vergangenheit ihrer Zahlungspflicht nicht rechtzeitig nachgekommen sei, da dies offensichtlich Folge der verspäteten Unterhaltszahlungen des Mieters 2 gewesen sei (vgl. act. 84 S. 17 ff.).
Die Vermieterin macht geltend, die Kündigung sei nicht missbräuchlich bzw. ungültig. Die Vorinstanz begründe ihren Entscheid mit dem Hinweis, die Kündigung umgehe die Eheschutzvereinbarung zwischen der Mieterin 1 und dem Mieter 2. Damit verkenne die Vorinstanz, dass die Vermieterin nicht an die Eheschutzvereinbarung bzw. an den Entscheid über diese gebunden sei, sondern vorbehältlich Missbräuchlichkeit frei kündigen könne. Die Vorinstanz unterstelle, der Mieter 2 habe die Kündigung initiiert, ohne dass er sich als Partei Zeugen dazu habe äussern können. Die Mieterin 1 habe ohnehin keine entsprechende Behauptungen vorgebracht. Sie habe, so die Vermieterin weiter, vor Vorinstanz plausible Kündigungsgründe angegeben. Die Mieterin 1 habe diese nicht bestritten. Im Einzelnen sei das Mietobjekt für die Mieterin 1 zu gross. Die Wohnung des Mieters 2 sei demgegenüber zu klein und zu teuer. Sein Besuchsrecht mit seinen drei Kindern werde damit erschwert bzw. verunmöglicht. Der geltend gemachte Eigenbedarf bezwecke, ihm ein geordnetes Familienleben zu ermöglichen. Zudem gehe es darum, das Familienbudget der Mieter 1 und 2 zu entlasten. Auf diese Gründe sei die Vorinstanz nicht eingegangen (act. 85 S. 7 f.).
Richtig ist, dass die Vermieterin nicht Partei des Eheschutzverfahrens der Mieter war und dass sie somit an die Eheschutzvereinbarung nicht gebunden ist. Das ist allerdings nicht entscheidend. Massgeblich ist nicht, ob die Vermieterin mit der streitbetroffenen Kündigung die besagte Eheschutzvereinbarung verletzte, sondern ob sie damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstiess
(Art. 271 OR). Dazu hat die Vorinstanz richtig festgehalten, zu fragen sei, ob ein vernünftiger Kündigungsgrund vorliege, der auch einen gewissenhaften, rücksichtsvollen und korrekten Vertragspartner in der gleichen Situation zur Kündigung veranlassen würde (vgl. act. 84 S. 18 sowie BSK OR I-WEBER, 6. Auflage 2015. Art. 271/ 271a OR N 4). Verlangt wird m.a.W. Anstand bei der Ausübung des Kündigungsrechts (ZK-HIGI, Art. 271 OR N 59, 59).
Kündigungsgrund
Die Vermieterin begründete die Kündigung vom 22. Oktober 2015 mit Eigenbedarf (act. 5/1, act. 33/1). Eigenbedarf der Vermieterpartei eines nahen Verwandten ist grundsätzlich ein legitimer Kündigungsgrund, solange er nicht lediglich vorgeschoben wird (BGer 4C.411/2006 vom 9. Februar 2007 = MRA 2007 S. 45 ff.,
E. 2.1; LACHAT/THANEI, a.a.O., S. 792). Dass sich der Eigenbedarf auf den Sohn der Vermieterin, den Mieter 2 bezog, ist zwischen den Parteien unbestritten (vgl. act. 1 S. 17 und act. 32 S. 10). Es besteht somit im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass die Person, deren Bedürfnis nach der Wohnung die Vermieterin als Kündigungsgrund heranzog (ihr Sohn), bereits vor der Kündigung Mieter des entsprechenden Mietverhältnisses war, allerdings nicht alleine, sondern in gemeinsamer Miete mit der Mieterin 1. Zu prüfen ist, ob diese Eigenbedarfskündigung vor Art. 271 OR standhält.
Umgehen der Nichtigkeitsfolge
Auszugehen ist davon, dass das Mietverhältnis der Vermieterin mit den Mietern 1 und 2 als einheitliches Rechtsverhältnis nur gesamtheitlich gekündigt werden kann. Eine Kündigung eines solchen Mietverhältnisses gegenüber nur einer Mietpartei wäre nichtig (vgl. BGE 140 III 491 E. 4.2.1).
Der Vermieterin war anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung vom
7. September 2017 zunächst offenbar nicht bewusst, dass ihr Sohn, dessen Bedarf sie geltend macht, bereits vor der Kündigung am Mietverhältnis über das fragliche Mietobjekt beteiligt war. Auf die Frage der Vorsitzenden des Mietgerichts, ob sie (die Vermieterin) ihrem Sohn gekündigt habe und sie ihn wieder als Mieter wolle, erklärte die Vermieterin, ihrem Sohn (dem Mieter 2) habe sie gar nicht gekündigt (Vi-Prot. S. 33 f.). Erst auf Vorhalt des an den Mieter 2 gerichteten Kündigungsschreibens vom 22. Oktober 2015 (vgl. act. 33/1) erinnerte sie sich daran, auch ihrem Sohn gekündigt zu haben, und erklärte, sie sei wahrscheinlich der Meinung gewesen, dies sei eine Formsache (Vi-Prot. S. 31, 34, 36).
Zum (Eigen-)Bedarf ihres Sohnes gab die Vermieterin an, der Sohn habe drei Kinder, die ihn alle 14 Tage regelmässig über das Wochenende und zusätzlich in den Ferien besuchten. Dafür sei die Wohnung mit zwei Kinderzimmern ideal. Sie finde, dass die Wohnung eigentlich ihrem Sohn gehöre bzw. sie finde, dass er in diese Wohnung gehöre (Vi-Prot. S. 31).
Das soeben Gesagte erhellt, dass das, was die Vermieterin mit der Kündigung des Mietverhältnisses an sich beabsichtigte (Kündigung nur gegenüber der Mieterin 1, um den Mieter 2 als alleinigen Mieter zu behalten), nichtig gewesen wäre. Die Vermieterin hat deshalb aus formellen Gründen auch dem Mieter 2 gekündigt und die Kündigung mit (seinem) Eigenbedarf begründet (act. 33/1). Die Kündigung verfolgte den Zweck, die Nichtigkeitsfolge einer Kündigung nur einer Mietpartei gegenüber (und damit die rechtliche Natur des gemeinsamen Mietverhältnisses an sich) zu umgehen. Bereits das spricht für einen Verstoss gegen Treu und Glauben.
Treuwidrige Kündigung
Die Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnund Geschäftsräume ist anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst
(Art. 271 Abs. 1 OR). Art. 271a OR nennt Fallgruppen treuwidriger Vermieterkün- digungen. Die hinter diesen Kategorien stehenden Wertungen sind bei der Beurteilung anderer Vermieterkündigungen auf Treuwidrigkeit hin zu beachten. Anders als bei Art. 2 Abs. 2 ZGB gilt es nicht, einen offenbaren Rechtsmissbrauch im Einzelfall zu bestimmen, sondern auch bloss schlichten Rechtsmissbrauch im Sinne gewöhnlicher Treuwidrigkeit, Unlauterkeit des sogenannten Unanstands. Zu überprüfen sind in erster Linie die kundgegebenen Kündigungsmotive (ZK-HIGI, Art. 271 OR N 53, 56, 63). Die Kündigung ist etwa dann treuwidrig, wenn sie widersprüchliches Verhalten darstellt. Das ist (nebst anderem) der Fall, wenn die kündigende Partei falsche Kündigungsgründe angibt die wahren Motive verschweigt bzw. verschleiert (ZK-HIGI, Art. 271 OR N 73; BSK OR I- WEBER, 6. Auflage 2015, Art. 271/271a N 3).
gemeinsamen Mietverhältnis richtet sich die Kündigung an mehrere Vertragspartner. Diese bilden eine Vertragspartei. Liegt der Kündigungsgrund im Verhalten eines der gekündigten Vertragspartner, so kann bereits dies genügen, um die Kündigung (allen gegenüber) nicht als treuwidrig erscheinen zu lassen. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Auch die am Rande erwähnten verspäteten Mietzinszahlungen waren für die Vermieterin ausdrücklich nicht der Kündigungsgrund, weil die Zahlungen ja schlussendlich immer eingingen (vgl. Vi-Prot. S. 36). Die Vermieterin macht wie erwähnt Eigenbedarf geltend (vgl. act. 5/1, 33/1). Fusst der angegebene Kündigungsgrund wie hier in einem Bedürfnis der Vermieterin, so hat dieses Bedürfnis jedem Mieter gegenüber dem Grundsatz von Treu und Glauben stand zu halten (es handelt sich hier im Kern um ein Recht persönlicher Natur, das auch bei gemeinsamer Miete jeder Partei als Einzelrecht zusteht, vgl. BSK OR I-WEBER, 6. Auflage 2014, Art. 271/ 271a N 2, sowie WEBER, Diss. 1993, S. 71 f.).
Verhältnis zum Mieter 2, dem Sohn der Vermieterin, fällt auf, dass der von der Vermieterin geltende Eigenbedarf gerade mit seinem Bedarf übereinstimmt. Ihm gegenüber bestand in diesem Sinn kein eigener Bedarf der Vermieterin, und der Kündigungsgrund erweist sich als unzutreffend. Der wahre Kündigungsgrund dem Mieter 2 gegenüber ist nicht Eigenbedarf der Vermieterin, sondern ihre Absicht, die Wohnung an ihn alleine zu vermieten (in Umgehung der erwähnten Nichtigkeitsfolge einer Kündigung nur gegenüber der Mieterin 1).
egenüber der Mieterin 1 sind die Ausführungen der Vermieterin zu ihrem Eigenbedarf an sich verständlich und vernünftig: Die Vermieterin verwies vor der Vorinstanz in erster Linie auf das Platzbedürfnis ihres Sohnes, da ihn seine drei Kinder regelmässig an Wochenenden und auch in den Ferien besuchten (Vi-Prot.
S. 31). Zudem ist der Vermieterin offenbar bekannt, dass ihr Sohn hohe Unterhaltsleistungen zu tragen hat und dass er sich im Scheidungsverfahren befindet (Vi-Prot. S. 31, 33, 36). Es erscheint aber nicht stichhaltig, sondern gegenteils vorgeschoben, wenn man berücksichtigt, dass die Mieterin 1 die Wohnung mit dem gemeinsamen Kind der Mieter bewohnt (Vi-Prot. S. 33 ff.) und dass es um die Scheidung des Sohnes von der Mieterin 1 geht, also um eine anstehende Än- derung der familiären Verhältnisse der Mieterschaft.
Gegen den Eigenbedarf spricht auch, dass die Vermieterin über mehrere vermietete Liegenschaften verfügt (sie nennt total 9 Wohnungen) und der Mieter 2 im Jahr 2015 in ein Riegelhaus der Vermieterin mit mehr Platz hätte ziehen können (vgl. dazu auch act. 1 S. 18 und act. 52 S. 12). Weshalb das nie zur Diskussion stand, vermochte die Vermieterin nicht anzugeben (Vi-Prot. S. 32, 38). Die Vermieterin verdeutlichte demgegenüber ihre Ansicht, die Wohnung gehöre ihrem Sohn, und damit das wahre Motiv ihrer Kündigung, die nach ihrem Verständnis alleine gegen die Mieterin 1 gerichtet war im Hinblick auf die mit der Scheidung der Mieter verbundene Änderung der familiären Verhältnisse (vgl. Vi-Prot. 33 ff.). Der geltend gemachte Eigenbedarf erweist sich insoweit gegenüber der Mieterin 1 als vorgeschobener Grund. Das verstösst gegen Treu und Glauben, zumal dafür kein überzeugendes Motiv ersichtlich ist, das auch im Interesse der Mieterschaft stün- de. Die Vermieterin behauptete schliesslich auch nicht, aus der angehenden Än- derung der familiären Verhältnisse der Mieterschaft entstünden ihr wesentliche Nachteile (vgl. Art. 271a Abs. 1 lit. f OR). Solche wären im Übrigen auch nicht ersichtlich.
Die Vorinstanz kam somit zu Recht zum Schluss, die Kündigung vom
22. Oktober 2015 habe gegen Treu und Glauben verstossen. Die Berufung ist daher auch insoweit abzuweisen.
Erstinstanzliche Kostenund Entschädigungsfolgen
Die Vermieterin rügt, die Vorinstanz habe der Mieterin 1 auf die Parteientschädigung einen Mehrwertsteuerzuschlag zugesprochen, obwohl die Mieterin 1 keinen solchen beantragt habe (act. 85 S. 8). Dem ist nicht zu folgen. Die Eingaben der Rechtsvertretung der Mieterin beinhalten einen Hinweis auf die massgebliche MWST-Nummer (vgl. act. 1, act. 52). Das durfte die Vorinstanz nach Treu und Glauben als Antrag auf Berücksichtigung eines MWST-Zuschlags verstehen.
Die Berufung ist somit vollumfänglich abzuweisen und der angefochtene Entscheid ist zu bestätigen.
Zweitinstanzliche Kostenund Entschädigungsfolgen
Ausgangsgemäss wird die Vermieterin für das Berufungsverfahren kostenpflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Der Mieterin 1 ist mangels Aufwendungen im Berufungsverfahren keine Parteientschädigung zuzusprechen.
Grundlage der Gebührenfestsetzung bilden der Streitwert bzw. das tatsächliche Streitinteresse, der Zeitaufwand des Gerichts und die Schwierigkeit des Falls (§ 2 Abs. 1 GebV). Dem tragen die Tarife gemäss §§ 4 ff. GebV OG Rechnung. Der Streitwert beträgt gerundet Fr. 77'500.00 (vgl. vorne Ziff. 2.1). Unter Berücksichtigung der Reduktionsgründe von § 4 Abs. 3 bzw. § 7 lit. a i.V.m. § 12 Abs. 1 und 2 GebV OG führt dies zu einer Gerichtsgebühr von Fr. 3'800.00.
Die Berufung wird abgewiesen. Das Urteil des Mietgerichts des Bezirksgerichts Meilen vom 16. Februar 2018 wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'800.00 festgesetzt.
Die Gerichtskosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Beklagten und Berufungsklägerin auferlegt und mit ihrem Kostenvorschuss verrechnet.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Klägerin und Berufungsbeklagte unter Beilage eines Doppels von act. 85, sowie an das Bezirksgericht Meilen, je gegen Empfangsschein, und an die Obergerichtskasse.
Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche, mietrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt rund Fr. 77'500.00.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Der Vorsitzende:
lic. iur. P. Diggelmann
Der Leitende Gerichtsschreiber:
lic. iur. T. Engler
versandt am:
21. September 2018
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