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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:NG170023
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid NG170023 vom 05.06.2018 (ZH)
Datum:05.06.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Kündigungsschutz
Schlagwörter : Kündigung; Vertrag; Berufung; Beklagten; Vorinstanz; Recht; Bewohner; Mietrechtliche; Vertrags; Erstreckung; Ordentliche; Wohngruppe; Partei; Gültig; Mietrechtlichen; Parteien; Kündigungsfrist; Sachlich; Element; Gemischte; Klage; Digkeit; Entscheid; Mietgericht; Miete; Mietverhältnis; Verträge; Gerin; Kündigungsschutz; Mitbewohner
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 123 ZPO ; Art. 257f OR ; Art. 266a OR ; Art. 266c OR ; Art. 266e OR ; Art. 271 OR ; Art. 272 OR ; Art. 272a OR ; Art. 272c OR ; Art. 308 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 4 ZPO ; Art. 59 ZPO ; Art. 60 ZPO ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:118 II 157; 131 III 528; 139 III 49; 142 III 91;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: NG170023-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein und Oberrichter Dr. P. Higi sowie Gerichtsschreiberin MLaw M. Schnarwiler

Urteil vom 5. Juni 2018

in Sachen

  1. ,

    Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsklägerin, unentgeltlich vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,

    gegen

    Verein B. ,

    Beklagter, Widerkläger und Berufungsbeklagter, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y. ,

    betreffend Kündigungsschutz

    Berufung gegen einen Entscheid des Mietgerichtes (Kollegialgericht) des Bezirkes Zürich vom 3. November 2017 (MB170008)

    Klage:

    (act. 1 S. 2; act. 26/1 S. 2; act. 27 S. 1)

    1. Die vom Beklagten erklärte Kündigung vom 23. September 2016 auf den 31. Oktober 2016 sei für ungültig zu erklären, soweit sie wirksam ist;

    1. es sei festzustellen, dass die vom Beklagten erklärte Kündigung vom 11. Januar 2017 auf den 28. Februar 2017 unwirksam sei;

    2. eventualiter sei das Mietverhältnis einmalig bis mindestens

31. Dezember 2019 zu erstrecken;

unter Kostenund Entschädigungsfolgen (zuzügl. 8% MwSt.) zu Lasten des Beklagten.

Widerklage:

(act. 30 S. 1)

1. Die beiden Klagen seien vollumfänglich abzuweisen.

2. Das Stadtammannamt Zürich 3 sei anzuweisen, die Klägerin auf erstes Verlangen des Beklagten aus dem von der Klägerin bewohnten Zimmer der Wohngruppe C. , ... [Adresse] auszuweisen.

Alles unter Entschädigungsfolge (zuzügl. 8% MwSt.) zu Lasten der Klägerin.

Beschluss und Urteil des Mietgerichtes Zürich:

(act. 36 = act. 45 = act. 47, S. 42 f.)

Es wird beschlossen:

1. Das Eventualbegehren (Ziffer 3 des modifizierten Klagebegehrens) betreffend Erstreckung des Mietverhältnisses wird als gegenstandslos abgeschrieben.

2.-3. [Mitteilung/Rechtsmittel]

Es wird erkannt:

  1. In Abweisung von Ziffer 1 des modifizierten Klagebegehrens wird die Kündigung vom 23. September 2016 per 31. Oktober 2017 als wirksam und gültig erklärt.

  2. In Abweisung von Ziffer 2 des modifizierten Klagebegehrens wird die Kündigung vom 11. Januar 2017 per 28. Februar 2017 als wirksam und gültig erklärt.

  3. In Gutheissung der Widerklage wird der Klägerin unter Androhung der Zwangsvollstreckung im Weigerungsfall befohlen, das von ihr bewohnte Zimmer der Wohngruppe C. , ... [Adresse], unverzüglich zu räumen und dem Beklagten ordnungsgemäss zu übergeben.

  4. Das Stadtammannamt Zürich 3 wird angewiesen, diesen Befehl gemäss Disp. Ziff. 4 nach Eintritt der Rechtskraft auf Verlangen des Beklagten zu vollstrecken. Die Kosten für die Vollstreckung sind vom Beklagten vorzuschiessen. Sie sind ihm aber, einschliesslich der Rechtskraftbescheinigungskosten, von der Klägerin zu ersetzen.

  5. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 4'500.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 0.00 Barauslagen

    Fr. 4'500.00 Kosten total

  6. Die Kosten werden der Klägerin auferlegt. Sie werden zufolge der ihr gewährten unentgeltlichen Rechtspflege einstweilen auf die Gerichtskasse genommen, wobei die Klägerin auf die Nachzahlungspflicht gemäss Art. 123 ZPO hingewiesen wird.

  7. Die Klägerin wird verpflichtet, dem Beklagten eine Parteientschä- digung von Fr. 5'940.- (inkl. 8% MwSt.) zu bezahlen.

    8.-9. [Mitteilung/Rechtsmittel]

    Berufungsanträge der Klägerin, Widerbeklagten und Berufungsklägerin:

    (act. 46 S. 2)

    • 1. In Gutheissung der Berufung seien der angefochtene Beschluss und das angefochtene Urteil des Mietgerichts Zürich vom

      3. November 2017 aufzuheben;

      1. die vom Berufungsbeklagten mit amtlichem Formular vom

        23. September 2016 per 31. Oktober 2016 erklärte Kündigung des Mietverhältnisses sei für ungültig zu erklären, soweit sie wirksam ist;

      2. es sei festzustellen, dass die vom Berufungsbeklagten mit amtlichem Formular vom 11. Januar 2017 per 28. Februar 2017 erklär- te Kündigung des Mietverhältnisses unwirksam sei;

      3. eventualiter, d.h. für den Fall der Gültigkeit und Wirksamkeit der Kündigung des Berufungsbeklagten vom 23. September 2016 per

        31. Oktober 2016 sei die Sache zum Entscheid über das Erstreckungsbegehren der Berufungsklägerin an die Vorinstanz zurückzuweisen;

      4. die Widerklage des Berufungsbeklagten sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist;

unter Kostenund Entschädigungsfolgen (zuzüglich Mehrwertsteuer) des vorinstanzlichen mietgerichtlichen und des vorliegenden Berufungsverfahrens zu Lasten des Berufungsbeklagten.

Berufungsanträge des Beklagten, Widerklägers und Berufungsbeklagten:

(act. 52 S. 2)

  • 1. Auf die Berufung betreffend Widerklage (Antrag 5) sei nicht einzutreten; eventualiter sei der Berufungsantrag 5 abzuweisen.

2. Die Berufung der Klägerin sei im Übrigen (Anträge 1-4) vollumfänglich abzuweisen.

Alles unter Kostenund Entschädigungsfolge (zuzüglich Mehrwertsteuer) zulasten der Berufungsklägerin.

Erwägungen:

I.

(Übersicht zum Sachverhalt und Prozessgeschichte)

  1. Sachverhalt

    1. Am 9. Dezember 2009 schlossen A. (Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsklägerin, fortan Klägerin) und der Verein B. (Beklagter, Widerkläger und Berufungsbeklagter, fortan Beklagter) einen Aufenthaltsvertrag für Bewohnerinnen und Bewohner mit Eintritt per 1. Januar 2010 für die Wohngruppe

      C. (act. 3/2 = act. 26/3/2 = act. 32/4, nachfolgend zitiert als act. 3/2).

    2. Die Wohngruppe C. befindet sich in einer Elfzimmerwohnung und bietet acht Frauen und Männern mit einer psychischen Beeinträchtigung einen Wohnplatz. Neben einem möblierten Zimmer, allen Mahlzeiten und der Besorgung der Hauswäsche steht den Bewohnern gemäss dem Aufenthaltsvertrag die Betreuung und Beratung durch den Beklagten in lebenspraktischen Bereichen zu (vgl. act. 32/2 u. 3/2 sowie die Ausführungen unter E. III./3.).

    3. Gemäss den sich in den Akten befindlichen Verlaufsprotokollen kam es am

      6. August 2016 zu einem Konflikt zwischen der Klägerin und einer Mitbewohnerin, worauf die Klägerin im Rahmen eines Gesprächs am 9. August 2016 darauf hingewiesen worden sei, nicht in der Wohngruppe wohnen zu können, wenn sie ein bedrohliches Verhalten zeige (act 32/8/2 u. 32/8/3). Vom 9. bis 17. August 2016 befand sich die Klägerin im Rahmen einer fürsorgerischen Unterbringung im Sanatorium Kilchberg (act. 27 S. 3 u. act. 30 S. 11). Mit Schreiben vom 11. August 2016 sprach der Beklagte ihr gegenüber eine Schriftliche Verwarnung mit Kündigungsandrohung aus und begründete dies mit einer erneuten Eskalation trotz mündlicher und schriftlicher Verwarnung (act. 3/3 = 32/9). In einer individuellen Vereinbarung zwischen dem Beklagten und der Klägerin vom 16. August 2016 wurde das problematische Verhalten der Klägerin und die Suche nach einer neuen Wohnform thematisiert, ebenso in einem Gespräch am 18. August 2016 (act. 32/15 u. act. 32/16).

    4. Mit Schreiben vom 23. September 2016 kündigte der Beklagte der Klägerin unter Verwendung des amtlich genehmigten Formulars per 31. Oktober 2016 den eingangs genannten Vertrag mit der Begründung, er habe in den letzten Wochen eine nachhaltige Zerrüttung des Verhältnisses der Klägerin zu den Mitbewohnern feststellen müssen (act. 3/4 = act. 32/10/1 u. act. 3/5 = act. 32/10/2).

    5. Nachdem am 29. Dezember 2016 die in der Wohngruppe C. auf dem Tisch bereitgestellte Mittagssuppe versalzen war (act. 27 S. 5 u. S. 12; act. 30

S. 17), brachte die Klägerin an der Bürotür der Wohngruppe eine gelbe Karte an, auf welcher sie mit der Erteilung einer roten Karte drohte (act. 30 Rz. 3.1.2;

act. 32/13). Mit Schreiben vom 11. Januar 2017 kündigte der Beklagte den Aufenthaltsvertrag unter Verwendung des amtlich genehmigten Formulars per

28. Februar 2017 mit der Begründung, der Aufenthalt der Klägerin in der Wohngruppe sei für die Mitbewohner wie auch das Betreuerteam unzumutbar; für den Fall, dass die erste Kündigung nicht gültig sei, werde ihr daher erneut gekündigt (act. 3/6 = 32/14/1; act. 3/7 = act. 32/14/2).

  1. Prozessgeschichte

    1. Mit Eingabe vom 27. Oktober 2016 focht die Klägerin die Kündigung vom

      23. September 2016 bei der Schlichtungsbehörde Zürich an. Am 9. Februar 2017 fand die Schlichtungsverhandlung statt. Gleichentags wurde der Klägerin die Klagebewilligung erteilt (act. 4). Am 27. März 2017 reichte die Klägerin die Klage betreffend Kündigungsschutz/Anfechtung beim Mietgericht Zürich (fortan Vorinstanz) ein (act. 1). Mit Eingabe vom 13. Februar 2017 focht die Klägerin auch die Kündigung vom 11. Januar 2017 an. Die Schlichtungsverhandlung fand am

      6. April 2017 statt. Die Klagebewilligung wurde gleichentags erteilt (act. 26/4). Am

      26. Mai 2017 reichte die Klägerin die Klage betreffend Kündigungsschutz/Anfechtung bei der Vorinstanz ein (act. 26/1).

    2. Mit Verfügung vom 1. Juni 2017 vereinigte die Vorinstanz die beiden anhän- gig gemachten Verfahren aufgrund des engen Zusammenhangs (act. 26/8). Am

      15. Juni 2017 fand die Hauptverhandlung statt, in der der Beklagte widerklageweise die Ausweisung der Klägerin aus der Wohngruppe C. beantragte (Prot. Vi. S. 5 ff.). Am 18. September 2017 fand eine Instruktionsverhandlung zwecks Führung von Vergleichsgesprächen statt. Die Vergleichsgespräche scheiterten (Prot. Vi. S. 24 f.). Am 3. November 2017 erging der eingangs aufgeführte Entscheid durch die Vorinstanz.

    3. Mit Eingabe vom 15. Dezember 2017 (Datum Poststempel) erhob die Klägerin rechtzeitig Berufung gegen diesen Entscheid (act. 46; vgl. zur Rechtzeitigkeit act. 37). Die Klägerin stellte darin unter anderem ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands in der Person von Rechtsanwalt lic. iur. X. .

    4. Mit Verfügung vom 30. Januar 2018 wurde dem Beklagten Frist zur Erstattung der Berufungsantwort angesetzt und die Prozessleitung wurde delegiert (act. 50). Die Berufungsantwort ging innert Frist ein (act. 51 u. act. 52). Mit Verfü- gung vom 7. März 2018 wurde der Klägerin die Berufungsantwort zur Kenntnis zugestellt. Sodann wurde ihr die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und es wurde ihr in der Person von Rechtsanwalt lic. iur. X. ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt (act. 53). Den Parteien wurde zugleich mitgeteilt, der gesetzlich vorgesehene Schriftenwechsel sei abgeschlossen (vgl. a.a.O., S. 2). Am

10. April 2018 ging eine unaufgeforderte Stellungnahme der Klägerin ein (act. 56) die dem Beklagten zugestellt wurde (vgl. act. 57). Dieser äusserte sich in der Folge nicht mehr. Das Verfahren erweist sich als spruchreif. Die Akten der Vorinstanz wurden beigezogen (act. 1-43).

II.

(Rechtliche Vorbemerkungen)

  1. Mit der Berufung sind erstinstanzliche Endentscheide anfechtbar (Art. 308 Abs. 1 lit. a ZPO). In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Berufung nur

    zulässig, wenn der Streitwert mindestens Fr. 10'000.- beträgt (Art. 308 Abs. 2 ZPO). Der Streitwert der Berufung ist hier ohne Weiteres gegeben (vgl. E. IV./2.).

  2. Mit der Berufung kann die unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz sowie eine unrichtige Rechtsanwendung der Vorinstanz geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO), zu der auch die unrichtige Anwendung des pflichtgemässen Ermessens gehört, weshalb das Gesetz dies nicht eigens erwähnt. Gemäss Art. 311 Abs. 1 ZPO sind die entsprechenden Beanstandungen von der Berufung führenden Partei in der Berufungsschrift einzeln vorzutragen und zu begründen. Fehlt ein Antrag und/oder eine hinreichende Begründung, tritt die Rechtsmittelinstanz insoweit auf die Berufung nicht ein. Neue Tatsachen und Beweismittel können nur noch in den Schranken von Art. 317 ZPO vorgetragen werden, und zwar auch in Verfahren, die erstinstanzlich noch der Untersuchungsmaxime sowie der Offizialmaxime unterstehen. Bei der Begründung ihrer Entscheidung darf sich die Berufungsinstanz auf die wesentlichen Überlegungen konzentrieren, von welchen sie sich hat leiten lassen.

III.

(Zur Berufung im Einzelnen)

  1. Kurzübersicht Urteil Vorinstanz und Standpunkte der Parteien

    1. Die Vorinstanz erachtete sich für die Streitigkeit als sachlich zuständig und die mietrechtlichen Bestimmungen über den Kündigungsschutz als anwendbar, da das mietrechtliche Element im Vertrag zwischen den Parteien vorherrschend sei. Es sei von einer Miete eines möblierten Zimmers auszugehen, weshalb die Kündigungsfrist einen Monat betrage. Die erste Kündigung vom 23. September 2016 qualifizierte die Vorinstanz als gültige ordentliche Kündigung. Danach sei es zu einer kalten Erstreckung gekommen. Die zweite Kündigung während der kalten Erstreckung vom 11. Januar 2017 qualifizierte die Vorinstanz als gültige ausserordentliche Kündigung - unter anderem, da die Klägerin die Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber den Mietbewohnern und Betreuern trotz erfolgter Abmahnung wiederholt verletzt habe. In der Folge prüfte die Vorinstanz das Erstreckungsbegehren der Klägerin nicht mehr und hiess die widerklageweise beantragte Ausweisung des Beklagten aus der Wohngruppe C. gut (act. 45).

    2. Die Klägerin stellt sich in ihrer Berufungsschrift auf den Standpunkt, es sei nicht von einer Miete eines möblierten Zimmers, sondern von einer Wohnungsmiete und damit von einer dreimonatigen Kündigungsfrist auszugehen, welche der Beklagte nicht eigehalten habe. Bei der Kündigung vom 23. September 2016 handle es sich um eine ausserordentliche Kündigung. Da dieser Umstand aus der Kündigung nicht klar hervorgehe und es ohnehin an einer erneuten Pflichtverletzung der Klägerin seit der Abmahnung am 11. August 2016 fehle, sei diese ungül- tig oder zumindest unwirksam. Die ausserordentliche Kündigung vom 11. Januar 2017 sei sodann bedingt oder alternativ erfolgt und damit wirkungslos. Die Fortsetzung des Mietverhältnisses sei denn auch nicht unzumutbar und das Verhältnis zu den Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern nicht nachhaltig zerrüttet gewesen (act. 46).

    3. Der Beklagte bringt in seiner Berufungsantwort vor, die Vorinstanz habe sich zu unrecht als sachlich zuständig erachtet, weshalb auch das Obergericht grundsätzlich nicht sachlich zuständig sei. Das Obergericht sei aber dennoch sachlich zuständig, da es auch bei einer Behandlung der Streitigkeit durch das ordentliche Gericht die zuständige Rechtsmittelinstanz gewesen wäre. Ein Nichteintreten kä- me einem prozessualem Leerlauf gleich. Entgegen der Vorinstanz sei die mietrechtliche Komponente sodann nicht überwiegend und von dieser zu stark gewichtet worden - die Kündigungsschutzbestimmungen des Mietrechts seien nicht anwendbar, die Kündigung richte sich nach Auftragsrecht. So oder anders seien die ausgesprochenen Kündigungen aber wirksam und gültig, weshalb die Berufung abzuweisen sei (act. 52).

  2. Sachliche Zuständigkeit

    1. Die Vorinstanz erachtete sich als sachlich zuständig. So bedürfe es zur Bejahung der sachlichen Zuständigkeit, dass zwischen den Parteien ein Mietverhältnis vorliege. Das streitgegenständliche Vertragsverhältnis enthalte mehr Leistungen als nur das Überlassen von Wohnraum. Das mietrechtliche Element sei aber

      vorherrschend oder zumindest gleichwertig zu den anderen Komponenten, weshalb von einer mietrechtlichen Streitigkeit auszugehen und die sachliche Zustän- digkeit des Mietgerichts zu bejahen sei (vgl. act. 45 E. II./1.).

    2. In seiner Berufungsantwort vertritt der Beklagte - wie gezeigt - die Ansicht, das Mietgericht sei für die Beurteilung der Klage sachlich nicht zuständig gewesen, da es sich um einen gemischten Vertrag handle und verweist auf die Rechtsprechung der Kammer (act. 52 Rz. 2, unter Hinweis auf OGer ZH NP170010 vom 30. Mai 2017, E. 3.4.3.).

      1. Das Gericht tritt gestützt auf Art. 59 Abs. 1 ZPO auf eine Klage nur ein, wenn die Prozessvoraussetzungen gemäss Art. 59 Abs. 2 ZPO erfüllt sind, wozu unter anderem die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gehört. Die Prüfung erfolgt von Amtes wegen (vgl. Art. 60 ZPO). Vorbringen zu den Prozessvoraussetzungen unterliegen folglich auch nicht der Novenschranke nach Art. 317 ZPO, weshalb die Einwendungen des Beklagten zu beachten sind (vgl. SEILER, Die Berufung nach ZPO, 2013, N 1268 f.).

        Der Kanton Zürich hat für jeden Bezirk ein Mietgericht vorgesehen (vgl. § 3 Abs. 2 GOG/ZH; Art. 4 Abs. 1 ZPO), welches über Streitigkeiten zu befinden hat, wenn es sich um eine solche aus einem Mietoder Pachtverhältnis über Wohnoder Geschäftsräume handelt (§ 21 GOG/ZH). Die sachliche Zuständigkeit des Mietgerichts und des mietgerichtlichen Einzelgerichts beschränkt sich gemäss

        § 21 Abs. 1 lit. a und § 26 GOG/ZH somit auf alle Klagen aus Mietverträgen, deren vertragsgemässer Gebrauch eines Raums im Wohnen oder Geschäften im Sinne des OR besteht und auf die daher die Bestimmungen über die Wohnund Geschäftsraummiete des OR Anwendung finden (vgl. OGer ZH NP170010 vom

        30. Mai 2017, E. 3.4.2 f.). Unzuständigkeit besteht gemäss Urteil der Kammer unter anderem für die Beurteilung aller Klagen aus Gebrauchsüberlassungsverträ- gen, die weder als Miete noch als Pacht von Wohnund/oder Geschäftsraum i.S. des OR zu qualifizieren sind, sondern z.B. als gemischter Vertrag (vgl. OGer ZH NP170010 vom 30. Mai 2017, E. 3.4.3, auf welches sich auch der Beklagte bezieht). In Hinblick auf gemischte Verträge ist die Rechtsprechung der Kammer zu präzisieren. So ist die sachliche Zuständigkeit der Mietgerichte nicht in jedem Fall

        zu verneinen. Vielmehr ist diese dann zu bejahen, wenn bei einem gemischten Vertrag auf das im Streit liegende Vertragselement die mietrechtlichen Bestimmungen zu Wohnund Geschäftsräumen des OR im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung als anwendbar erscheinen.

      2. Bei der Frage nach der sachlichen Zuständigkeit und damit der Frage, ob die mietrechtlichen Bestimmungen zu Wohnund Geschäftsräumen zur Anwendung gelangen, handelt es sich um eine sogenannte doppelt relevante Tatsache. Sie ist damit sowohl für die Zuständigkeit als auch für die Begründetheit der Klage erheblich. Im Rahmen der Prüfung der sachlichen Zuständigkeit ist zu ihrer Beantwortung in erster Linie auf das von der Klägerin geltend Gemachte abzustellen und dieses ist als wahr zu unterstellen. Allfällige Einwände der Gegenpartei sind im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung unbeachtlich (BSK OR I-KAISER JOB,

6. Aufl. 2015, Art. 33 N 21). Demnach ist im Fall von gemischten Verträgen danach zu fragen, ob die Klägerin einen Sachverhalt geltend macht, gestützt auf welchen die Anwendung der mietrechtlichen Bestimmungen des OR als angezeigt erscheint. Die Frage nach der tatsächlich Anwendbarkeit ist erst im Rahmen der materiellen Prüfung abschliessend zu beantworten.

2.4. Vor Vorinstanz brachte die Klägerin vor, Gegenstand des Vertrages sei die Überlassung eines möblierten Einzelzimmers zur alleinigen Benützung sowie diverse gemeinschaftliche Räume zur Mitbenützung mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern der Wohngruppe C. . Der Vertrag beinhalte sodann verschiedene Dienstleistungen des Beklagten zu Gunsten der Klägerin. Es gehe im Vertrag aber überwiegend um die Überlassung von Wohnraum gegen Entgelt, weshalb die mietrechtlichen Bestimmungen des OR zur Anwendung gelangten (act. 1 Rz. 3; act. 26/1 Rz. 2; act. 27 Rz. 2 u. Rz. 6; Prot. Vi. S. 11 f., vgl. auch act. 56 Rz. 2.2). Aufgrund der Sachvorbringen der Klägerin, namentlich aufgrund des von ihr ins Recht gereichten Vertrages und der Umschreibung desselben, ist von einem gemischten Vertrag auszugehen (vgl. die nachfolgenden Ausführungen unter E. III./3.), wobei die Klägerin ihrerseits eher von einem typischen Vertrag mit Beimischung auszugehen scheint, indem sie den dominierenden Charakter des mietrechtlichen Elements betont. So oder anders ist aber die Anwendbarkeit der mietrechtlichen Kündigungsschutzbestimmungen auf das streitgegenständliche Verhältnis zu bejahen, wie nachfolgend zu zeigen sein wird (vgl.

E. III./3.). Entsprechend ist die sachliche Zuständigkeit des Mietgerichts gegeben. Die Vorinstanz ist zu Recht auf die Klage eingetreten.

  1. Anwendbare Bestimmungen

    1. Die Parteien schlossen einen Aufenthaltsvertrag für Bewohnerinnen und Bewohner, welcher neben dem Überlassen eines Zimmers (Beherbergung) noch weitere Dienstleistungen zu Gunsten der Klägerin beinhaltet, u.a. Betreuung und Beratung. Angesichts der verschiedenen Bestandteile des Vertrages wird deutlich, dass es sich nicht um einen vom Gesetzgeber spezifisch geregelten Vertrag, sondern um einen Innominatkontrakt handelt. Es gilt, das anwendbare Recht zu bestimmen (BSK OR I-AMSTUTZ/MORIN, a.a.O., Einl. vor Art. 184 ff. N 2 u. N 5 ff.).

    2. Während die Klägerin sich vor Vorinstanz auf den Standpunkt stellte, es sei Mietrecht anwendbar, brachte der Beklagte vor, grundsätzlich von einem auftragsrechtlichen Verhältnis auszugehen; zumindest wenn der Kombinationstheorie gefolgt werde, stehe der Anwendbarkeit der mietrechtlichen Kündigungsschutzbestimmungen aber nichts im Weg (act. 27 Rz. 6; Prot. Vi. S. 11 f.; act. 30 S. 2; Prot. Vi. S. 6 u. S. 9).

      Die Vorinstanz erwog, der Schwerpunkt beim streitgegenständlichen Vertrag könne nicht von Vornherein im Mietrecht erkannt werden. Der Vertrag enthalte aber eine klare mietrechtliche Komponente, gehe es doch vorwiegend darum, Menschen mit psychischer Beeinträchtigung eine möglichst optimale Wohnform zu bieten. Für die Bewohnerinnen und Bewohner dürfte die Wohnungsmiete das zentrale Element des Vertrages darstellen, würden sie doch den Aufenthaltsvertrag meist abschliessen, um ein Zuhause zu haben und nicht wegen der im Tarif inbegriffenen Leistungen. Aufgrund dieser Wesentlichkeit der mietrechtlichen Komponente sei von der Anwendbarkeit der mietrechtlichen Bestimmungen und daher vom Vorliegen einer mietrechtlichen Streitigkeit auszugehen (act. 45

      E. II./1.3.-1.5.).

    3. In der Berufungsantwort rügte der Beklagte, die mietrechtliche Komponente sei im zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnis untergeordnet, jedenfalls entgegen der Würdigung der Vorinstanz nicht überwiegend. Für die Bewohnerinnen und Bewohner komme der Betreuungskomponente höhere, zumindest aber gleiche Bedeutung zu wie der Wohnkomponente. Die Kündigungsschutzbestimmungen des Mietrechts seien nicht anwendbar (act. 52 Rz. 2.2.1 u. Rz. 7).

    4. Bei den Innominatkontrakten wird zwischen gemischten Verträgen und Verträgen eigener Art unterschieden. Gemischte Verträge unterscheiden sich von Verträgen eigener Art dadurch, dass sie verschiedene Vertragstypen kombinieren, während letztere gänzlich neue Schöpfungen darstellen (BSK OR I- AMSTUTZ/MORIN, a.a.O., Einl. vor Art. 184 ff. N 8 ff.). Vom gemischten Vertrag zu unterscheiden ist wiederum der Fall, dass ein Vertragstyp in einer derartigen Weise dominiert, dass der atypischen Leistung untergeordnete Bedeutung zukommt, so dass der Typus der Hauptleistung den ganzen Vertrag regelt (sog. typischer Vertrag mit Beimischung, BSK OR I-AMSTUTZ/MORIN, a.a.O, Einl. vor Art. 184 ff. N 9). Beim vorliegenden Aufenthaltsvertrag werden verschiedene Vertragstypen kombiniert (Miete, Auftrag, Werkvertrag), ohne dass von Vorneherein ein klarer Schwerpunkt erkannt werden kann. Es ist daher von einem gemischten Vertrag auszugehen und es ist das anwendbare Recht zu bestimmen.

          1. Aus der Inhaltsfreiheit des Vertragsrechtes ergibt sich, dass zum anwendbaren Recht bei gemischten Verträgen als erstes die Frage danach zu stellen ist, was die Parteien im zu beurteilenden Vertrag festgelegt haben oder hät- ten, wenn sie daran gedacht hätten, eine entsprechende Regelung zu treffen. Die Inhaltsfreiheit wird aber durch zwingendes Vertragstypenrecht begrenzt, welches wiederum zur Anwendung gelangt, wenn der Vertrag dem Vertragstypenrecht mit zwingenden Bestimmungen zugeordnet werden kann. Dies ist anhand der Auslegung der Essentialia zu beantworten (BIBER, Die Anwendung der mietrechtlichen Schutzbestimmungen auf gemischte Verträge, mp 2014 S. 1, Rz. 19 ff.; ZK ORHIGI, 4. Aufl. 1995, Vorbem. zu Art. 266-266o OR N 174 ff. und N 178).

          2. Das Ergebnis dieser Auslegung hängt aber seinerseits davon ab, nach welcher Rechtsanwendungstheorie vorgegangen wird. Insgesamt ist eine Tendenz des Bundesgerichts feststellbar, auf gemischte Verträge die Kombinationstheorie anzuwenden, was sachgerecht erscheint (vgl. zum Ganzen etwa BGE 139 III 49, E. 3.3; BGE 131 III 528 = Pra 95 [2006] Nr. 43, E. 7.1.; ferner: BSK OR I- AMSTUTZ/MORIN, a.a.O., Einl. vor Art. 184 ff. N 23, m.w.H.; OGer ZH NG110007

      vom 26. Januar 2012, E. 2.9.3.; OGer ZH NM080008 vom 20. Oktober 2008,

      E. 2.9.3.). Anders als bei der Absorptionstheorie ist der gemischte Vertrag nach der Kombinationstheorie nicht dem Recht eines einzigen Vertragstyps zu unterstellen. Vielmehr muss jede Rechtsfrage, welche ein gemischter Vertrag aufwirft, isoliert betrachtet und im Zusammenhang untersucht werden, welches der im Vertrag enthaltenen Typenrechte für diese konkrete Frage dominiert. Hierzu ist vom Schwerpunkt des Vertrages auszugehen, der als einheitliche Gesamtvereinbarung zu erfassen ist (vgl. Regeste von BGE 131 III 528). Der Aspekt des Regelungsschwerpunktes ist demzufolge nur massgebend für die Lösung eines konkreten Rechtsproblems, nicht aber für die Zuordnung eines Vertrags als Ganzes unter einen bestimmten gesetzlichen Vertragstyp. Diese Theorie der Übernahme gesetzlicher Einzelanordnung wird in der juristischen Umgangssprache auch als Blumenpflücktheorie bezeichnet. Die zwingenden Gesetzesbestimmungen und damit die mietrechtlichen Schutzbestimmungen finden dann Anwendung, wenn der gemischte Vertrag die Essentialia der Miete enthält und der Regelungsschwerpunkt in der eigentlichen Überlassung eines Raumes liegt. Letztlich steht in einem solchen Fall das Grundbedürfnis, ein Dach über den Kopf zu haben, auf dem Spiel (BIBER, a.a.O., Rz. 85 m.w.H.). Zu beachten ist sodann im Rahmen des zu bestimmenden Rechts, dass es angesichts der wechselseitigen Abhängigkeit der verschiedenen vermischten Vertragselemente nicht möglich ist, Rechtsfragen, welche sich für diese Elemente gleichermassen stellen (wie z.B. die Kündigung) nach Massgabe jeweils unterschiedlicher Typenrechte zu beantworten; ansonsten müsste der auftragsrechtliche Teil nach Auftragsund der mietrechtliche Teil nach Mietrecht beurteilt werden. Gemäss dem Bundegericht ist daher für die spezifische Einzelfrage - hier die Kündigung - von den durch die Typenrechte zur Verfügung gestellten Regeln die adäquateste anzuwenden, wobei Schutzgedanke

      und Schwerpunkt beim Entscheid über die Adäquanz heranzuziehen sind. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Wichtigkeit des einen oder anderen Elements im Hinblick auf die Gestaltung der Gesamtrechtslage ist die Interessenlage der Parteien, wie sie in der von ihnen getroffenen vertraglichen Regelung zum Ausdruck gelangt (BGE 118 II 157, E. 2c; BGE 131 III 528 = Pra 95 (2006) Nr. 43,

      E. 7.1.; vgl. auch OGer ZH NG110007 vom 26. Januar 2012, E. 2.9.2. ff.).

          1. Aus den einzelnen Vertragsbestandteilen wird deutlich, dass die Parteien mit dem Vertragsverhältnis eine Form des betreuten Wohnens regelten. Die vertraglichen Leistungen des Beklagten, welche im Pensionspreis inbegriffen sind, umfassen das Zurverfügungstellen von Wohnraum (Benützung Einzelzimmer und Mitbenützung Gemeinschaftsräume) inkl. Besorgung der Hauswäsche und die tägliche Verpflegung (alle Mahlzeiten, sofern nicht anders festgehalten). Weiter bietet der Beklagte den Bewohnern der Wohngruppe C. , nämlich acht Frauen und Männern mit psychischer Beeinträchtigung, die Betreuung und Beratung in lebenspraktischen Bereichen im Rahmen des Konzepts (act. 3/2). Vom Beklagten wird den Bewohnerinnen und Bewohnern der Wohngruppe Unterstützung geboten für das Erlernen von Strategien im Umgang mit Krankheitssymptomen und Krisen, das Aufrechterhalten einer externen Tagesstruktur, die hilfreiche Gestaltung der Freizeit, das Aufbauen und Pflegen sozialer Kontakte, das selbständige Ausführen von Hausarbeiten, das Fördern sozialer Kompetenzen etc. Während sechs Tagen in der Woche ist ein Teammitglied des Beklagten in der Wohngruppe anwesend, ansonsten ist das Team bei Notfällen telefonisch erreichbar (vgl. act. 32/2). Mietrechtliches Element stellt folglich die Überlassung des Zimmers sowie die (Mit-)Benützung der Gemeinschaftsräume dar. Keine mietrechtlichen Elemente, sondern auftragsoder werkvertragliche Elemente sind die Reinigung der Hauswäsche, die teilweise Verpflegung sowie die Beratungsund Betreuungsleistungen.

          2. Vergleichbare Vertragsgebilde werden in der Literatur als Heimvertrag, Beherbergungsund Betreuungsvertrag oder Pensionsvertrag bezeichnet. Da die mietrechtlichen Elemente gemäss den Autoren oft in den Hintergrund träten, fänden Auftrags-, Kaufoder Werkvertragsrecht bzw. auch Hinterlegungsrecht Anwendung. Beim Mietrecht handle es sich in diesem Fall um eine typenfremde Nebenleistung; die Bestimmungen über den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen fänden ebenso wenig Anwendung wie diejenigen über den mietrechtlichen Kündigungsschutz (so: BISANG, Fragen im Zusammenhang mit gemischten Verträgen mit mietrechtlichem Einschlag, mietrechtspraxis 2010 S. 235; BREITSCHMID/WITTER/STECK, Der Heimvertrag, fampra 04/2009, S. 867 ff., S. 885 u.

            S. 888). Wie sich dies jedoch im Einzelfall - und insbesondere für den streitgegenständlichen Vertrag - verhält, kann nicht gestützt auf diese generalisierten Aussagen beantwortet werde, handelt es sich beim Heimvertrag doch gerade nicht um einen einheitlichen Vertragstypus. Dass pauschale Aussagen zur Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit der mietrechtlichen Bestimmungen nicht möglich sind, zeigt sich an der grossen Vielfalt an Verträgen, die durch Kombination erschaffen werden können und innerhalb derer die einzelnen Vertragstypen stärker oder schwächer ausgeprägt in Erscheinung treten. Es ist daher anhand des konkreten Vertrags und im Hinblick auf die Kündigung danach zu fragen, ob das mietrechtliche Element tatsächlich in den Hintergrund tritt.

          3. Eine Gegenüberstellung der vertraglichen Elemente macht deutlich, dass sowohl das mietrechtliche Element als auch die mietvertragsfremden Elemente wesentlich sind. Eine Gewichtung lässt sich unter anderem anhand des Pensionspreises ablesen, wie dies auch die Vorinstanz zutreffend ausführte (act. 45 E. II./1.4). Aufgrund des Verhältnisses des Pensionspreises in Höhe von Fr. 6'126.- (vgl. act. 32/6) zu dem vom Beklagten für die Elfzimmerwohnung zu leistenden Mietzins in Höhe von Fr. 3'476.- (vgl. act. 32/7) lässt sich tatsächlich nicht leichthin annehmen, das Vertragsverhältnis werde schwergewichtig durch

            das mietrechtliche Element geprägt. Der Pensionspreis ist indes nur ein wesentlicher Vertragsbestandteil, welcher in die Beurteilung einfliesst.

          4. In diesem Sinn setzte sich auch die Vorinstanz mit dem streitgegenständlichen Vertrag auseinander. Sie geht aber in ihren Erwägungen etwas weit, wenn sie den Bewohnern unterstellt, die angebotenen Dienstleistungen stellten für sie keinen für den Vertragsabschluss entscheidenden Aspekte dar. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Bewohner wohl gerade diese Form des Wohnens

            wählen, weil sie eine Unterstützung, wie sie durch den Beklagten geboten wird, und das gemeinschaftliche Zusammenwohnen mit den anderen Bewohnern, inklusive Verpflegung und gemeinsamer Einnahme der Mahlzeiten etc., suchen. Die Aussicht darauf, diese durch den Beklagten angebotenen Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können, erscheint daher neben dem Wohnen als wesentlicher Faktor, warum eine Person in einer solchen Institution wohnt.

          5. Zu beachten ist aber auch, dass sich der Alltag der Bewohner trotz den Leistungen des Beklagten als in weiten Teilen autonom ausgestaltet und diese nicht auf eine derart engmaschige Betreuung, wie dies beispielsweise in einem klassischen Pflegeheim der Fall wäre, angewiesen sind (resp. eine solche auch nicht in Anspruch nehmen könnten, da dies vom Beklagten nicht angeboten wird; vgl. auch act. 52 Rz. 7.2 unten). So sind die Bewohner der Wohngruppe C. immer wieder ohne Teammitglied des Beklagten in der Wohnung (so über Nacht und am Sonntag den ganzen Tag), teilweise selbst um ihr Essen besorgt (insb. Samstag Abend und Sonntag Abend, vgl. act. 27 S. 2), waschen ihre persönliche Wäsche und reinigen ihr Zimmer selber und selbständig sowie die Gemeinschaftsräume gemeinsam nach einem Plan. Auch sollten die Bewohner gemäss eigener Beschreibung des Beklagten über eine Tagesstruktur im Rahmen einer geschützten oder ungeschützten Arbeitstätigkeit ausserhalb der Wohngruppe verfügen (vgl. act. 32/2). Die Bewohner bedürfen damit nicht der Rundumbetreuung oder -pflege und führen offenbar einen weitgehend autonomen Alltag, in welchem sie auf das Unterstützungsangebot des Beklagten zurückgreifen können. Ziel des Angebotes des Beklagten ist es, Menschen mit Beeinträchtigung eine möglichst optimale Form des Wohnens zu bieten (so auch die Vorinstanz, vgl. act. 45

            E. II./1.4.).

          6. Unter Beachtung dessen ist im Hinblick auf die Kündigung die Interessenslage der Bewohner darin zu sehen, dass sie durch die Wohngruppe C. ein Zuhause haben, in welchem sie zusätzlich die nötige Unterstützung zum Meistern ihres Alltages erhalten. Gerade in Bezug auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses erscheint das Element des Wohnens damit klar als vordergründig. So bedeutet eine Kündigung für die Bewohner nicht nur, dass sie die Leistungen

      des Beklagten nicht mehr in Anspruch nehmen können, sondern primär auch, dass sie ihr Zuhause verlieren und sich eine neue Bleibe suchen müssen. Ist es den Bewohnern nicht möglich, innerhalb der Kündigungsfrist eine neue geeignete Wohnform zu finden, stehen sie auf der Strasse. Würde Auftragsrecht zur Anwendung gelangen, stünden den Bewohnern nur sehr beschränkte Möglichkeiten offen, sich gegen die Kündigung zur Wehr zu setzen; insbesondere bestünde auch nicht die Möglichkeit, länger in der Wohngruppe zu verbleiben, wenn sie trotz ausgiebiger Suche innerhalb der Kündigungsfrist keine neue, geeignete Wohnform gefunden hätten. Im Interesse der Bewohner und zu deren Schutz sind die mietrechtlichen Schutzbestimmungen anzuwenden. Dies insbesondere auch, da es sich bei den Bewohnern um die wirtschaftlich und - insbesondere auch mit Blick auf die psychischen Beeinträchtigungen - sozial schwächeren Parteien handelt, welche des Schutzes bedürfen. Es erscheint daher sachgerecht, auf den Aufenthaltsvertrag die Kündigungsschutzbestimmungen gemäss Art. 271 ff. OR anzuwenden und ebenso die damit einhergehenden Formvorschriften gemäss Art. 266l-266o OR, soweit der Vertrag seinerseits keine strengeren Formvorschriften aufstellt.

  2. Massgebliche Kündigungsfrist

    1. Während das Mietverhältnis über ein möbliertes Einzelzimmer nach

      Art. 266e OR mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden kann, gilt für die Wohnraummiete nach Art. 266c OR eine gesetzliche Kündigungsfrist von drei Monaten auf einen ortsüblichen Termin resp. auf Ende einer dreimonatigen Mietdauer. Die Kündigungstermine sind dispositiver Natur, die Fristen sind hingegen für beide Parteien zwingende Mindestfristen. Wird der vertragliche, ortsübliche oder gesetzliche Kündigungstermin nicht eingehalten oder die vertragliche oder gesetzliche Kündigungsfrist missachtet, so entfaltet die Kündigung ihre Wirkung auf den nächstmöglichen Termin (Art. 266a Abs. 2 OR).

    2. Zur Frage nach der Kündigungsfrist - welche von der Klägerin vor Vorinstanz als nicht eingehalten moniert wurde - erwog die Vorinstanz, es handle sich um eine Miete eines möblierten Zimmers im Sinne von Art. 266e OR. Entsprechend erachtete sie die Kündigungsfrist als eingehalten (vgl. act. 45

      E. IV./2.3.). Die Klägerin rügt, entgegen der Vorinstanz sei von einer Wohnungsmiete im Sinne von Art. 266c OR auszugehen (act. 46 Rz. 9).

    3. Die Frage, welche Kündigungsfrist hier zur Anwendung gelangt, resp. sich die Kündigung überhaupt nach den Fristen von Art. 266a ff. OR zu richten hat, kann offen bleiben. Erweist sich eine Kündigung im Lichte der Art. 266l ff. und Art. 271 f. OR nämlich als gültig (was die Kündigung vom 23. September 2016, wie nachfolgend gezeigt wird, ist), spielt es keine Rolle, wenn im Aufenthaltsvertrag allenfalls fälschlicherweise eine zu kurze Frist vereinbart wurde. Die Kündigung entfaltet dann auf den nächst möglichen gesetzlich zulässigen Termin ihre

      vertragsauflösende Wirkung, was nach Vorbringen der Klägerin der 31. Dezember 2016 gewesen wäre. Die Klägerin wohnte bis dahin in der Wohngruppe C. und ihre Ausweisung wurde zuvor nicht verlegt. Selbst wenn also die Kündigungsfrist gemäss Art. 266c OR zur Anwendung gelangte, wäre diese eingehalten worden. Aus den Vorbringen der Klägerin lässt sich damit nichts ableiten, was ihre tatsächliche oder rechtliche Situation beeinflussen würde. Weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich.

  3. Qualifikation und Gültigkeit der Kündigung vom 23. September 2016

    1. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen zur Gültigkeit und der Anfechtbarkeit einer ordentlichen Kündigung zutreffend wiedergegeben (act. 45

E. IV./3.2 u. E. IV./4.1), ebenso die Umstände, unter welchen eine ausserordentliche Kündigung ausgesprochen werden kann (a.a.O., E. IV./8.1). Um Wiederholungen zu vermeiden, kann darauf verwiesen werden. Es sei jedoch nochmals betont, dass die ordentliche Kündigung eines unbefristeten Mietverhältnisses mit Blick auf die Kündigungsfreiheit unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen und Termine grundsätzlich jederzeit möglich ist, ohne dass ein besonderer Kündigungsgrund vorliegen muss (Art. 266a Abs. 1 OR). Anfechtbar ist eine (fristund formgerechte) ordentliche Kündigung daher nur, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst (Art. 271 Abs. 1 OR). Als treuwidrig gilt eine Kündigung, wenn sie ohne objektives, ernsthaftes und schützenswertes Interesse und damit aus reiner Schikane erfolgt oder Interessen der Parteien tangiert, die in

einem krassen Missverhältnis zueinander stehen (BGE 142 III 91, E. 3.2.1. m.w.H.).

      1. Die Vorinstanz erwog, der Beklagte habe der Klägerin unter Einhaltung der Formvorschriften schriftlich mit amtlich genehmigtem Formular vom

        23. September 2016 den Vertrag per 31. Oktober 2016 gekündigt (act. 3/5 = act. 32/10/2) und damit die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist und den Kün-

        digungstermin eingehalten. Es liege daher eine ordentliche Kündigung vor. Es finde sich weder in der Kündigung selbst, noch im Begleitscheiben ein Hinweis, es handle sich - wie von der Klägerin geltend gemacht - um eine ausserordentliche Kündigung. Einzig die Abmahnung vom 11. August 2016 (act. 3/3 = act. 32/9) könne ein Indiz für eine ausserordentliche Kündigung sein. Dies alleine reiche aber nicht aus. Die Bezugnahme des Beklagten in der Kündigung auf ein zerrüt- tetes Verhältnis deute darauf hin, das schlechte Verhältnis als solches - und nicht ein einzelner Vorfall - habe zu seinem Entschluss geführt, den Vertrag aufzulösen (act. 45 E. IV./3.3.).

      2. In der Kündigung sei, so die Vorinstanz weiter, kein gegen Treu und Glauben verstossendes Verhalten des Beklagten zu erkennen. Der Beklagte habe der Klägerin immer wieder klar gemacht, mit der bestehenden Situation unzufrieden zu sein (mit Verweis auf act. 32/8/3, 32/16, 32/15). Die unbestrittenen Kündigungsgründe des Beklagten seien legitim und nachvollziehbar. Es liege keine blosse Schikane oder ein Missverhältnis der Parteiinteressen vor. Der Kündigungsgrund sei weder vorgeschoben, noch sei in der Kündigung ein illoyales Verhalten des Beklagten zu erkennen. Die Kündigung sei nicht missbräuchlich und damit auch unter diesem Aspekt gültig (act. 45 E. IV./4.2.).

      1. Die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe verkannt, dass der Beklagte mit der Kündigung vom 23. September 2016 auch die gesetzliche Kündigungsfrist nach Art. 257f Abs. 3 OR (ausserordentliche Kündigung) eingehalten habe. Dies spreche gegen eine ordentliche Kündigung. Weiter verweist die Klägerin auf die Verfügung der Vorinstanz vom 19. Oktober 2016. Aus dieser ergebe sich, der Mietgerichtspräsident sei seinerseits eher von einer ausserordentlichen statt von einer ordentlichen Kündigung ausgegangen (vgl. act. 6/5 E. 5.3). Dem Schluss

        der Vorinstanz, weder in der Kündigung selbst noch im Begleitschreiben vom

        23. September 2016 finde sich ein Hinweis auf eine ausserordentliche Kündigung, sei entgegenzuhalten, es finde sich auch kein Hinweis auf eine ordentliche Kündigung. Weiter sprächen die Abmahnung mit Kündigungsandrohung vom

        11. August 2016 und die schriftliche Begründung der Kündigung vom

        23. September 2016 für die Annahme einer ausserordentlichen Kündigung wegen Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Mitbewohnerinnen und Mitbewohner nach Art. 257f Abs. 3 OR. Aufgrund dieser Umstände habe auch die Klä- gerin eher annehmen dürfen, es handle sich um eine ausserordentliche Kündigung, und nicht um eine ordentliche (act. 46 Rz. 10).

      2. Die Klägerin macht weiter geltend, die Kündigung vom 23. September 2016 sei treuwidrig und damit ungültig. So sei es die vertragliche Pflicht des Beklagten gewesen, bei allfälligen Konflikten aktiv zu werden und diese mithilfe der Wohnhausleitung und/oder einer unabhängigen Beschwerdeinstanz zu schlichten. Indem er dieser Pflicht nicht nachgekommen sei, habe er das Gebot der schonenden Rechtsausübung verletzt. Sodann habe die Klägerin an der Aussprache vom 18. August 2016 die Bereitschaft erklärt, an sich zu arbeiten. Der Beklagte wäre vor diesem Hintergrund und insbesondere im Hinblick auf sein Betriebskonzept gehalten gewesen, diese Bereitschaft zu fördern, statt das Mietverhältnis mit ihr zu kündigen (act. 46 Rz. 12).

      1. Den Erwägungen der Vorinstanz, in welchen sie in nachvollziehbarer Weise und unter Abwägung sämtlicher relevanter Aspekte darlegte, weshalb von einer ordentlichen Kündigung auszugehen sei, kann gefolgt werden. So überzeugt insbesondere die Argumentation der Vorinstanz, einziges Indiz für das Vorliegen einer ausserordentlichen Kündigung sei die erfolge Abmahnung vom 11. August 2016. Der Beklagte habe aber in seiner Kündigung nicht Bezug auf eine erneute Pflichtverletzung genommen, sondern das Vertragsverhältnis unter Hinweis auf ein zerrüttetes Verhältnis und daher aufgrund allgemeiner Umstände gekündigt. Dies zeigt, dass der Beklagte grundsätzlich - und nicht wegen einer Pflichtverletzung - nicht mehr gewillt war, das Mietverhältnis fortzuführen. Entsprechend war für die Klägerin erkennbar, dass die Kündigung nicht gestützt auf einen erneuten

        Vorfall erfolgte, sondern aufgrund der schwierigen Gesamtsituation. Wesentlich ist ebenso, dass die Kündigung erkennbar dem zur ordentlichen Vertragsauflösung Vereinbarten folgte.

      2. Falsch ist im Übrigen die Auffassung der Klägerin, es könne nicht von einer ordentlichen Kündigung ausgegangen werden, da die Kündigung nicht als ordentlich bezeichnet worden sei. Zwar muss sich aus einer ausserordentlichen Kündigung unzweifelhaft ergeben, dass sie ausserordentlich ist (vgl. z.B. SVITKommentar Mietrecht, 3. Aufl. 2008, Art. 257f N 49 unter Hinweis auf MRA 5/96

        S. 228). Eine ordentliche Kündigung muss hingegen nicht noch explizit als solche bezeichnet werden, weil sie dem Regelfall der Auflösung von Verträgen auf unbestimmte Dauer entspricht. Das war für die Klägerin objektiv - gemäss Vertrauensprinzip - sowie zusätzlich aufgrund der Umstände ohne Weiteres erkennbar. Insbesondere wurde - wie gezeigt - nicht auf eine erneute Pflichtverletzung Bezug genommen, sondern auf das allgemein zerrüttete Verhältnis.

      3. Weiter trifft es zwar zu, dass der Mietgerichtspräsident im Rahmen der Verfügung vom 16. Oktober 2016 erwog, es scheine sich aufgrund der Umstände um eine ausserordentliche Kündigung zu handeln (vgl. act. 6/5 E. 5.3.). Er hielt an anderer Stelle aber auch fest, es handle sich bei dieser Einschätzung um eine vorläufige, summarische Prüfung der Sachund Rechtslage aufgrund des damaligen Aktenstandes (act. 6/5 S. 6 f. E. 5.1.). Nicht diese Einschätzung ist massgeblich, sondern der Entscheid des Gerichts. Die Klägerin kann daher aus der vorläufigen Einschätzung nichts zu ihren Gunsten ableiten.

      1. Auch zur Frage der Treuwidrigkeit der Kündigung hat sich die Vorinstanz bereits einlässlich geäussert. Sie erkannte beim Beklagten ein nachvollziehbares Motiv für die Kündigung, weshalb diese nicht treuwidrig sei. Dem ist zu folgen. Eine Kündigung, welcher ein legitimes, nämlich ein sachlich oder persön- lich nachvollziehbares Motiv zugrunde liegt, ist grundsätzlich gültig. Aus den Akten zeigt sich, dass das Verhältnis der Klägerin zu ihren Mitbewohnern problematisch war und dies mit der Klägerin von Seiten des Beklagten thematisiert wurde (vgl. Verlaufsprotokolle des Beklagten, act. 32/8/2-3; individuelle Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beklagten, act. 32/15; Gesprächsprotokoll

        act. 32/16; vgl. auch oben E. I./1.3.) und es auch zu einer schriftlichen Verwarnung gekommen war (act. 3/3 = act. 32/9). Dass der Beklagte das Mietverhältnis zur Klägerin auflöste, ist somit sachlich nachvollziehbar, zumal dem Beklagten das Interesse zuzubilligen ist, die Wohngruppe möglichst reibungslos führen zu können. Die Möglichkeit, einem problematischen Mitbewohner kündigen zu kön- nen, dient im Übrigen auch dem Schutz der anderen Mitbewohner und es ist nicht treuwidrig, die Interessen der übrigen Mitbewohner höher zu gewichten und zu Gunsten dieser demjenigen zu kündigen, welcher ein problematisches Verhalten zeigt.

      2. Nur der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass im Handeln des Beklagten entgegen der Klägerin keine Vertragsverletzung zu erkennen ist. Der Vertrag zwischen den Parteien legt dem Beklagten keine Handlungspflicht im Rahmen von Konflikten zwischen den Bewohnern auf. Vielmehr wird den Bewohnerinnen und Bewohnern der Wohngruppe C. die Möglichkeit angeboten, sich im Falle von Konflikten an die Wohnhausleitung zu wenden und, sollte keine Lösung gefunden werden, eine unabhängige Beschwerdeinstanz anzurufen (vgl. Wortlaut von act. 3/2, S. 3 Ziff. 7). Es stand damit der Klägerin ihrerseits frei, diese Möglichkeiten auszuschöpfen, was sie offensichtlich nicht tat.

5.6. Bei der Kündigung vom 23. September 2016 handelt es sich somit um eine gültige ordentliche Kündigung, die ihre vertragsauflösende Wirkung spätestens per 31. Dezember 2016 entfaltete.

  1. Kündigung vom 11. Januar 2017/Erstreckung

        1. Neben der Anfechtbarkeit der Kündigung verfügt die Mieterschaft bei Wohnund Geschäftsräumen als weiteres Mittel - sollte sich die ordentliche Kün- digung als gültig erweisen - über den Erstreckungsanspruch (vgl. Art. 272 OR), welcher auch als nachträglicher Kündigungsschutz bezeichnet wird (ZK OR-HIGI, a.a.O., Art. 272 N 6, N 55 u. N 57 ff.; BSK OR I-WEBER, a.a.O., Art. 272 N 1). Ver-

          langt werden kann die Erstreckung, wenn die Beendigung der Miete für den Mieter eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Das Gesetz nennt in Art. 272 Abs. 2 OR eine nicht abschliessende Aufzählung an Kriterien, welche bei der Beurteilung der Frage nach Härtegründen im Zuge einer Interessensabwägung zu würdigen sind. Die Praxis verlangt neben den in Art. 272 Abs. 2 OR genannten Kriterien unter anderem auch, dass sich der Mieter nach Erhalt der Kündigung ernsthaft um Ersatzraum bemüht hat (SVIT-Kommentar Mietrecht, a.a.O., Art. 272 N 33 ff., m.w.H.). Für das Vorliegen eines Härtegrundes und damit auch für genügend erfolgte Suchbemühungen trägt der Mieter die Beweislast (BSK OR I-WEBER, a.a.O., Art. 272 N 13). Das Gesetz enthält sodann in Art. 272a OR eine abschliessende Aufzählung der Fälle, in denen die Erstreckung ausgeschlossen ist. Unter anderem ist dies der Fall, wenn die Kündigung wegen schwerer Verletzung der Pflicht zu Sorgfalt und Rücksichtnahme im Sinne von Art. 257f OR erfolgt ist (Art. 272a Abs. 1 lit. b OR).

        2. Macht die Mieterschaft ein Kündigungsschutzoder Erstreckungsbegehren anhängig (vgl. Art. 273 Abs. 1 u. 2 OR), so kommt es häufig vor, dass der Kündigungstermin verstreicht, ohne dass das Verfahren rechtskräftig erledigt ist. Da eine Ausweisung des Mieters während des Verfahrens von der Prüfung der Gültigkeit bzw. von der richterlich festgestellten Beendigung abhängt, kommt der Mieter alleine durch das pendente Verfahren in den Genuss einer Weitergeltung des Mietvertrages. In solchen Fällen spricht man von einer kalten Erstreckung (vgl. z.B. BSK OR I-WEBER, a.a.O., Art. 272c N 7).

        3. Für die Dauer der Erstreckung gilt der Mietvertrag grundsätzlich unver- ändert weiter (Art. 272c OR). Die vertraglich vereinbarten Kündigungsmöglichkeiten gelten aber während der Erstreckung nicht mehr. Es ist jedoch möglich, das Mietverhältnis während der Erstreckung ausserordentlich zu kündigen (vgl. zum Ganzen z.B.: Mietrecht für die Praxis/ SPIRIG, 9. Aufl. 2016, S. 718 f., S. 853; SVIT-Kommentar, a.a.O., Art. 257f N 26 ff.).

      1. Die Vorinstanz qualifizierte den Umstand, dass die Klägerin nach Ablauf der Kündigungsfrist der ersten Kündigung weiterhin in der Wohngruppe C. wohnte, als kalte Erstreckung, weshalb der Beklagte nicht mehr habe ordentlich kündigen können. Die Kündigung am 11. Januar 2017 sei denn auch ausserordentlich erfolgt. Die Vorinstanz prüfte in der Folge, ob diese ausserordentliche

        Kündigung gültig und wirksam ist und bejahte dies (act. 45 E. IV./6 ff.). Sie prüfte einen allfälligen Erstreckungsanspruch folglich nicht mehr (a.a.O., E. IV./5).

      2. Die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe die zweite Kündigung aus verschiedenen Gründen zu unrecht als wirksame ausserordentliche Kündigung angesehen (vgl. act. 46 Rz. 13; auf eine Wiedergabe des genauen Standpunktes der Klägerin kann im Lichte der nachfolgenden Ausführungen verzichtet werden). Sodann beantragt die Klägerin für den Fall, dass die Kündigung vom 23. September 2016 als gültige ordentliche Kündigung qualifiziert werde, die Erstreckung des Mietverhältnisses, resp. die Rückweisung zur Beurteilung dieser Frage an die Vorinstanz (a.a.O., Rz. 14).

        1. Ob es sich bei der zweiten Kündigung vom 11. Januar 2017 um eine gültige ausserordentliche Kündigung handelt oder nicht, ist zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr von Relevanz. Sogar wenn man dies verneinte und einen Erstreckungsanspruch bejahen würde, wäre aufgrund der seit Ablauf der Kündigungsfrist verstrichenen Zeitdauer von mehr als 1 1/2 Jahren, während derer die Klägerin in den Genuss einer faktischen Erstreckung kam, ein Erstreckungsanspruch konsumiert. Denn die Grundsätze des Art. 272 OR sowie die in deren Zusammenhang entwickelten Massstäbe können auf Verträge, wie hier einer zu beurteilen ist, nicht tel-quel übernommen werden. Geht es um ein enges Zusammenleben und ist dieses gestört, können nur kurz Dauern in Frage kommen, also solche von Monaten.

        2. Es wäre ohnehin fraglich, ob der Klägerin überhaupt ein Anspruch auf eine Erstreckung des Vertragsverhältnisses zustünde. Sie behauptet in der Berufung gar keine und vor Vorinstanz keine als ernsthaft zu wertenden Suchbemü- hungen (vgl. act. 27 S. 13). Zum einen ist die erforderliche Härte damit insoweit in der Berufung nicht dargetan und wäre auch sonst aufgrund der Akten nicht konkret ersichtlich. Zum anderen zeigt sich unter Berücksichtigung der Interessen des Beklagten, insbesondere im Hinblick auf das schwierige Verhältnis der Klägerin zu deren Mitbewohnern, aber ohnehin, dass eine allfällige Erstreckung auf keinen Fall mehr als 1 1/2 Jahre zu gewähren wäre.

    Nur der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Kündigung vom 11. Januar 2017 unter Verweis auf die zutreffenden Ausfüh- rungen der Vorinstanz um eine gültige und wirksame ausserordentliche Kündigung handeln würde, weshalb schon gestützt darauf ohnehin kein Erstreckungsanspruch bestünde.

  2. Fazit

Bei der Kündigung vom 23. September 2016 handelt es sich um eine gültige ordentliche Kündigung, die das Vertragsverhältnis spätestens per 31. Dezember 2016 auflöste. Ein Erstreckungsanspruch besteht zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr. Die gegen den Beschluss und das Urteil vom 3. November 2017 erhobene Berufung der Klägerin ist daher abzuweisen, was im Ergebnis zur Bestätigung des angefochtenen Entscheides führt.

VI.

(Kostenund Entschädigungsfolgen)

  1. Die Prozesskosten des erstund zweitinstanzlichen Verfahrens sind dem Ausgang entsprechend zu verlegen (vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Bemessung der Entscheidgebühr sowie der Parteientschädigung im angefochtenen Entscheid wurden nicht beanstandet, weshalb es bei dieser bleibt. Das führt zur gesamthaften Bestätigung des angefochtenen Urteils.

  2. Beim Streit um die Gültigkeit einer Kündigung berechnet sich der Streitwert des Rechtsmittelverfahrens nach dem Bruttomietzins ab Eingang des Rechtsmittels bis zum Ablauf der dreijährigen Sperrfrist zuzüglich der ordentlichen Kündigungsfrist. Vorliegend ging die Berufung am 15. Dezember 2017 bei der Kammer ein. Unter Berücksichtigung der dreijährigen Sperrfrist nach Art. 271a Abs. 1 lit. e OR und der einmonatigen Kündigungsfrist (vgl. act. 3/2) könnte der Vertrag bei der Gutheissung des Rechtsmittels des Klägerin frühestens auf Ende Januar 2021 aufgelöst werden, was 37 Monaten und bei einem Bruttomietzins von

Fr. 2'930.- (vgl. act. 32/6) einem Streitwert von rund Fr. 108'410.- entspricht. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr ist in Anwendung von § 4 Abs. 1-3, § 7 lit. a

und § 12 Abs. 1 und 2 GebV OG auf Fr. 2'000.- festzusetzen. Sie ist der Klägerin aufzuerlegen, jedoch zufolge der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Klägerin ist auf die Nachzahlungspflicht gemäss Art. 123 ZPO hinzuweisen.

Dem Beklagten ist sodann gestützt auf § 4 Abs. 1 u. 3, § 11 Abs. 1 sowie

§ 13 Abs. 1 und 2 AnwGebV eine Parteientschädigung von Fr. 2'850.- zuzüglich 7.7% Mehrwertsteuer, gesamthaft somit Fr. 3'070.- zuzusprechen.

Es wird erkannt:
  1. Die Berufung wird abgewiesen. Der Entscheid des Mietgerichts Zürich vom

    3. November 2017 (MB170008-L) wird bestätigt.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 2'000.- festgesetzt.

  3. Die Gerichtskosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Klägerin auferlegt. Infolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege werden sie einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Klägerin wird auf die Nachzahlungspflicht gemäss Art. 123 ZPO hingewiesen.

  4. Die Klägerin wird verpflichtet, dem Beklagten für das zweitinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'070.- (inkl. 7.7% MwSt.) zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an das Mietgericht Zürich und an die Obergerichtskasse, je gegen Empfangsschein.

    Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine mietrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 128'920.-.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Der Vorsitzende:

lic. iur. P. Diggelmann

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw M. Schnarwiler

versandt am:

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