Zusammenfassung des Urteils NC210003: Obergericht des Kantons Zürich
Der Beschwerdeführer X._____ wurde durch einen Arzt fürsorgerisch untergebracht, was er angefochten hat. Es wurde festgestellt, dass X._____ an paranoider Schizophrenie leidet. Nach verschiedenen Gutachten und Berichten wurde entschieden, dass die fürsorgerische Unterbringung aufgehoben wird. X._____ zeigt Bereitschaft, noch bis Ende April in der Klinik zu bleiben. Die Klinik wird angewiesen, die Nachbetreuung zu regeln. Die Kosten des Verfahrens in Höhe von CHF 2'958.00 werden dem Kanton Graubünden auferlegt. Die Entscheidung kann beim Schweizerischen Bundesgericht angefochten werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | NC210003 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Zivilkammer |
Datum: | 21.12.2021 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Bereinigung Zivilstandsregister |
Schlagwörter : | Berufung; Zivilstand; Vorinstanz; Recht; Gemeindeamt; Verfahren; Eheschliessung; Zivilstands; Eritrea; Urteil; Personalien; Zivilstandsregister; Geburt; Schweiz; EPLF-ZGB; Entscheid; Gericht; Vorname; Berufungsverfahren; Anerkennung; Bezirksgericht; Kinder; Tochter; Bericht; Eintrag |
Rechtsnorm: | Art. 12 EMRK ;Art. 123 ZPO ;Art. 14 BV ;Art. 310 ZPO ;Art. 311 ZPO ;Art. 317 ZPO ;Art. 42 ZGB ;Art. 45 IPRG ;Art. 59 ZPO ;Art. 70 ZPO ;Art. 90 BGG ;Art. 95 ZPO ; |
Referenz BGE: | 119 II 264; 120 II 5; 137 III 385; 138 III 374; 138 III 537; 142 I 93; 142 III 413; 144 III 394; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: NC210003-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin Dr. D. Scherrer, Vorsitzende, Oberrichterin Dr. S. Janssen und Oberrichter lic. iur. A. Huizinga sowie Gerichtsschreiber MLaw M. Wild
Beschluss und Urteil vom 21. Dezember 2021
in Sachen
Berufungskläger
gegen
Gesuchstellerin und Berufungsbeklagte betreffend Bereinigung Zivilstandsregister
Rechtsbegehren:
(Urk. 1, Prot. I. S. 6 ff. sinngemäss)
Es seien die Personalien der Gesuchstellerin im schweizerischen Zivilstandsregister wie folgt zu bereinigen:
Name: A.
Vorname: A.
Geburtsdatum: tt. Dezember 1988
Geschlecht: weiblich
Staatsangehörigkeit: Eritrea
Urteil des Einzelgerichts im summarischen Verfahren am Bezirksgericht Zürich vom 7. April 2021:
(Urk. 22 S. 25 f. = Urk. 24 S. 25 f.)
Der Eintrag der Personalien der Gesuchstellerin im Schweizerischen Zivilstandsregister wird wie folgt bereinigt:
Geburtsdatum: tt. Dezember 1988
Familienname der Mutter: D.
Vorname der Mutter: D.
Familienname des Vaters: E.
Vorname des Vaters: E.
Die Kosten werden festgesetzt auf:
Fr. 900.- Entscheidgebühr
Fr. 165.- Dolmetscherkosten
Fr. 31.- Einholung Zivilstandsurkunde
Die Kosten werden der Gesuchstellerin auferlegt, jedoch zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Eine Nachforderung im Sinne von Art. 123 ZPO bleibt vorbehalten.
[Mitteilungssatz]
[Rechtsmittel: Berufung; Frist: 10 Tage]
Berufungsanträge:
des Berufungsklägers (Urk. 23 S. 2 sinngemäss):
Dispositiv-Ziffer 1 des Urteils des Bezirksgerichts Zürich EP200020-L/U vom 7. April 2021 sei hinsichtlich des festgestellten Zivilstandes, Zivilstandsbzw. Heiratsdatums sowie Namens des Ehegatten aufzuheben. Stattdessen sei festzustellen, dass die Berufungsbeklagte ledig sei.
Eventualiter sei die Angelegenheit an das Bezirksgericht Zürich zur Ergänzung des Urteils hinsichtlich des Zivilstandes sowie der Abstammung der gemeinsamen Kinder der Berufungsbeklagten und ihres Ehegattens zurückzuweisen.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Staatskasse der Berufungsbeklagten.
Erwägungen:
Nach der Geburt ihrer Tochter F. am tt.mm 2019 wurde die aus Eritrea stammende und bis anhin noch nicht im Personenstandsregister aufgenommene Gesuchstellerin und Berufungsbeklagte (fortan Gesuchstellerin) mit den folgenden Minimalangaben im Register eingetragen (Urk. 6/2+3 und 18):
Name: A.
Ledigname: -/Vorname: A.
Andere Namen: -/Geburtsdatum: 1988
Geburtsort: unbekannt
Zivilstand: unbekannt
Staatsangehörigkeit: Eritrea
Name/Vorname Vater: -/Name/Vorname Mutter: -/-
Eine vollständige Eintragung der Personalien der Gesuchstellerin wurde mit Verfügung des Zivilstandsamtes Zürich vom 18. Dezember 2019 aufgrund fehlender Unterlagen und strittiger Angaben verweigert (Urk. 6/4).
Mit Eingabe vom 20. Februar 2020 stellte die Gesuchstellerin beim Bezirksgericht Zürich (Vorinstanz) ein Begehren um Berichtigung des Zivilstandsregisters (Urk. 1). Auf Einladung der Vorinstanz (Urk. 11) nahm das Gemeindeamt des Kantons Zürich (fortan Gemeindeamt) mit Eingabe vom 20. Juli 2020 ablehnend zum Gesuch Stellung (Urk. 12). Am 11. Dezember 2020 führte die Vorinstanz eine persönliche Befragung mit der Gesuchstellerin durch (Prot. I. S. 6 ff.). In der Folge wurde dem Gemeindeamt erneut die Möglichkeit gegeben, Stellung zu nehmen (Urk. 20), welche diese mit Eingabe vom 30. März 2021 wahrnahm (Urk. 21). Mit Urteil vom 7. April 2021 schloss die Vorinstanz das erstinstanzliche Verfahren ab (Urk. 22 = Urk. 24).
Mit Eingabe vom 21. April 2021 reichte das Gemeindeamt Berufung ein und stellte die obgenannten Anträge (Urk. 23). Mit Verfügung vom 3. Juni 2021 wurde der Gesuchstellerin Frist zur Stellungnahme angesetzt (Urk. 28). Die Gesuchstellerin hat sich innert Frist nicht vernehmen lassen.
Die vorinstanzlichen Akten (Urk. 1-22) sowie die Akten des Verfahrens EP200021-L am Bezirksgericht Zürich (Urk. 30/1-16) wurden beigezogen. Das Verfahren erweist sich als spruchreif.
Gleichzeitig mit der Gesuchstellerin stellte C. , der geltend macht, mit der Gesuchstellerin verheiratet zu sein, bei der Vorinstanz ein Gesuch um Feststellung der Personalien (vorinstanzliches Verfahren EP200021-L). In jenem Verfahren stellte die Vorinstanz mit Urteil vom 7. April 2021 die Personalien, mit Ausnahme seines Geburtsdatums, antragsgemäss fest (Urk. 30/16 Dispositiv- Ziffern 1 und 2).
1.1 Erstinstanzlich entscheidet das Einzelgericht im summarischen Verfahren über die Bereinigung des Zivilstandsregisters im Sinne von Art. 42 ZGB (Art. 248 lit. e ZPO, Art. 249 lit. a Ziff. 4 ZPO, § 24 lit. c GOG). Verlangt wie vorliegend eine Privatperson die Berichtigung eines Eintrags, so handelt es sich um ein Einparteienverfahren. Das Gemeindeamt ist zwar anzuhören, ist aber nicht eigentliche Partei des Verfahrens. Führt allerdings das Gemeindeamt in der Folge
wie vorliegend gegen den Entscheid des Einzelgerichts Beschwerde Berufung, so wird das Verfahren vor zweiter Instanz zu einem Zweiparteienverfahren. Aus Art. 42 Abs. 2 ZGB, wonach die kantonalen Aufsichtsbehörden klageberechtigt sind, im Verbund mit der obergerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich, dass diese auch zur Beschwerde bzw. Berufung legitimiert sind. Die kantonalen Aufsichtsbehörden nehmen im Bereinigungsverfahren das öffentliche Interesse an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Eintragungen in den Zivilstandsregistern wahr (BBI 1996 I 52).
Dieses öffentliche Interesse müssen sie in allen Instanzen wahren können, weshalb sie von Gesetzes wegen zur Ergreifung eines Rechtsmittels legitimiert sind, wenn sie sich vor Einzelgericht in ablehnender Weise zum Berichtigungsbegehren vernehmen liessen (vgl. zum Ganzen OGer ZH RC170002 vom 20.11.2017, E. 3.a). Das Gemeindeamt ist aufgrund seiner ablehnenden Stellungnahme vor Vorinstanz (vgl. Urk. 12 und 21) grundsätzlich zur Berufung zugelassen und Partei im vorliegenden Berufungsverfahren.
1.2. Das Gemeindeamt macht in seiner Berufungsschrift vorab geltend, die Vorinstanz habe sich nicht vollständig mit dem Rechtsbegehren der Gesuchstellerin auseinandergesetzt, da diese sinngemäss auch um Anpassung der Personalien ihres Kindes F. , geboren am tt.mm 2019, ersucht habe. Die Vorinstanz habe es unterlassen, die Tochter in das Verfahren miteinzubeziehen und über diesen Antrag zu entscheiden (Urk. 23 S. 4).
Dem Gemeindeamt ist zuzustimmen, dass die Vorinstanz es unterlassen hat, sich zur Änderung der Personalien der Tochter zu äussern, obwohl die Gesuchstellerin in ihrem Begehren um Berichtigung des Zivilstandsregisters vom
20. Februar 2020 darum ersucht hatte, den Nachnamen ihrer Tochter von F. auf C. zu ändern (vgl. Urk. 1). Aufgrund der umfassenden
Überprüfungsbefugnis (vgl. E. III.2) und da eine Rückweisung an die Vorinstanz die Ausnahme darstellt, könnte eine solche Lücke von der Berufungsinstanz gefüllt werden (vgl. BSK ZPO-Spühler, Art. 318 N 5).
Auch insoweit müssen indes die Prozessvoraussetzungen erfüllt sein, damit das Berufungsgericht auf die Berufung eintreten kann, was von Amtes wegen zu prüfen ist (Art. 59 und 60 ZPO). Vorliegend stellt sich angesichts dessen, dass über einen Antrag der Gesuchstellerin erstinstanzlich nicht entschieden wurde, was diese in der Folge unangefochten liess, die Frage nach der Beschwer des Gemeindeamtes, dem Rechtsschutzinteresse im Sinne von Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO im Rechtsmittelverfahren. Formelle Beschwer einer Partei liegt vor, wenn das Dispositiv des Entscheides von ihren Anträgen abweicht. Von materieller Beschwer einer Partei wird gesprochen, wenn ihren Anträgen zwar entsprochen wurde, sie aber gleichwohl durch den angefochtenen Entscheid in ihrer
Rechtsstellung beeinträchtigt ist (ZK ZPO-Zürcher, Art. 59 N 14; BGE 120 II 5 Erw. 2a). Das Gemeindeamt hat nicht dargelegt, dass resp. inwieweit es dadurch, dass die Vorinstanz es unterlassen hat, sich zum Antrag der Gesuchstellerin auf Änderung der Personalien ihrer Tochter F. zu äussern, beschwert wäre, und dies ist auch nicht ersichtlich. Auf den sinngemässen Berufungsantrag des Gemeindeamtes, es sei über das Begehren der Gesuchstellerin auf Anpassung der Personalien ihrer Tochter F. zu entscheiden, ist daher nicht einzutreten.
Mit der Berufung können unrichtige Rechtsanwendung und unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Die Berufungsinstanz verfügt über eine umfassende Überprüfungsbefugnis der Streitsache, d.h. über unbeschränkte Kognition bezüglich Tat- und Rechtsfragen, einschliesslich der Frage richtiger Ermessensausübung (Angemessenheitsprüfung; BGer 5A_184/2013 vom 26. April 2013, E. 3.1). In der schriftlichen Berufungsbegründung (Art. 311 ZPO) ist hinreichend genau aufzuzeigen, inwiefern der erstinstanzliche Entscheid in den angefochtenen Punkten als fehlerhaft zu betrachten ist bzw. an einem der genannten Mängel leidet (BGE 142 I 93 E. 8.2; BGE 138 III 374 E. 4.3.1). In rechtlicher Hinsicht ist das Berufungsgericht, in Anwendung des Grundsatzes iura novit curia, bei seiner Prüfung weder an die Erwägungen der ersten Instanz noch an die mit den Rügen vorgetragenen Argumente der Parteien gebunden. In tatsächlicher Hinsicht ist es nicht an die Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden, auch wenn mangels entsprechender Sachverhaltsrügen der Parteien im Berufungsverfahren der erstinstanzliche Entscheid nach dem Gesagten in der Regel als Grundlage des Rechtsmittelverfahrens dient (vgl. zum Ganzen BGE 144 III 394 E. 4.1.4 m.H. auf BGE 142 III 413 E. 2.2.4 und weitere Entscheide). Das Berufungsgericht kann die Rügen der Parteien folglich auch mit abweichenden Erwägungen gutheissen abweisen (sog. Motivsubstitution; BGer 2C_124/2013 vom 25. November 2013, E. 2.2.2; für das Verfahren vor Bundesgericht: BGE 138 III 537 E. 2.2 und BGE 137 III 385 E. 3). Die Berufungsinstanz hat sich abgesehen von offensichtlichen Mängeln grundsätzlich auf die Beurteilung der Beanstandungen zu beschränken, die in der Berufungsschrift (oder in der Berufungsantwort) in
rechtsgenügender Weise erhoben werden (vgl. BGE 142 III 413 E. 2.2.4 m.H.; BGer 5A_111/2016 vom 6. September 2016, E. 5.3).
Gemäss Art. 317 Abs. 1 ZPO können im Berufungsverfahren neue Tatsachen und Beweismittel (Noven) nur noch berücksichtigt werden, wenn sie kumulativ ohne Verzug vorgebracht werden (lit. a) und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (lit. b). Dabei hat, wer sich auf Noven beruft, deren Zulässigkeit darzutun (vgl. BGer 5A_330/2013 vom 24. September 2013, E. 3.5.1; BGer 5A_266/2015 vom 24. Juni 2015, E. 3.2.2).
Bei den vom Gemeindeamt mit der Berufungsschrift eingereichten Beilagen (vgl. Urk. 26/1-8) handelt es sich entweder um vorinstanzliche Verfahrensakten um Urkunden, welche bereits vor Vorinstanz eingereicht wurden, weshalb deren Berücksichtigung unproblematisch ist.
1. Die Vorinstanz hiess den Antrag der Gesuchstellerin auf gerichtliche Registerbereinigung ihrer Personalien gut und passte ihre Angaben im Schweizerischen Zivilstandsregister zu ihrem Geburtsdatum, Geburtsort, Zivilstand sowie zur Abstammung an (vgl. Urk. 24 S. 25). Zur im Berufungsverfahren angefochtenen Anpassung betreffend Zivilstand (vgl. Berufungsanträge) führte sie zusammengefasst aus, dass gestützt auf die Ausführungen der Gesuchstellerin und ihres Partners C. im Verfahren EP200021-L sowie die eingereichte Heiratsurkunde der religiöse Eheschluss zwischen der Gesuchstellerin und C. in Eritrea als glaubhaft erscheine, mithin die Eheschliessung im Ausland tatsächlich erfolgt sei (Urk. 24 S. 14). In Auseinandersetzung mit den eritreischen Gesetzesbestimmungen kam sie sodann zum Schluss, dass die Eheschliessung im Sinne von Art. 45 IPRG gültig zustande gekommen sei (Urk. 24 S. 14 ff.). Da trotz damaliger Minderjährigkeit der Gesuchstellerin die Eheschliessung auch nicht gegen den schweizerischen ordre public verstosse, sei die am tt. September 2005 in G. in Eritrea geschlossene Ehe zwischen der Gesuchstellerin und C. in der Schweiz
anzuerkennen und der Zivilstand der Gesuchstellerin im Zivilstandsregister auf verheiratet zu bereinigen (Urk. 24 S. 22 f.).
Das Gemeindeamt bringt vor, die Vorinstanz habe in ihrem Entscheid nicht berücksichtigt, dass auf Seiten der gesuchstellenden Partei eine notwendige Streitgenossenschaft nach Art. 70 ZPO vorgelegen habe. Es handle sich bei der Registerbereinigungsklage nach Art. 42 ZGB um eine Gestaltungklage, die auf Aufhebung, Begründung Abänderung eines Rechtsverhältnisses gerichtet sei und nur mit Wirkung gegen alle aufgehoben, begründet abgeändert werden könne. Die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, als sie das Gesuch der Gesuchstellerin und dasjenige von C. (vorinstanzliches Verfahren EP200021-L) nicht gemeinsam behandelt und in zwei verschiedenen Urteilen über das gleiche Rechtsverhältnis, den Zivilstand, entschieden habe. Die Feststellung der Eheschliessung habe zudem auch einen direkten Einfluss auf die in der Schweiz geborenen Kinder, weshalb diese auch als Streitgenossen in den Prozess hätten aufgenommen werden müssen (Urk. 23 S. 4 f.).
Was die Aufnahme der in der Schweiz geborenen Kinder der Gesuchstellerin in den Prozess und damit den Eventualantrag des Gemeindeamts anbelangt, erweist sich die Rüge des Gemeindeamts sogleich als unbegründet, sind die Kinder doch von diesen Anpassungen nicht direkt betroffen. Inwiefern Anpassungen des Zivilstands Auswirkungen auf die Abstammung der Kinder hat, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, weshalb in Bezug auf die Kinder keine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt.
Dem Gemeindeamt ist mit Verweis auf die von ihm zitierte Lehre (BSK ZPO- Ruggle, Art. 70 N 10 und 42 f.) soweit zuzustimmen, dass es sich bei der Feststellung des Zivilstands, mithin der Anerkennung der in Eritrea geschlossenen Ehe zwischen der Gesuchstellerin und C. , um einen Rechtsakt handelt, welcher beide Ehegatten gleichermassen betrifft, weshalb sie grundsätzlich in einem einzigen Verfahren zu behandeln wäre. Die Praxis sieht aber eine Ausnahme für diejenigen Streitgenossen vor, die zum Vornherein erklärt haben, dass sie ein Urteil vorbehaltlos anerkennen würden. Deren Einbezug in das Verfahren ist nicht erforderlich (BK ZPO-Gross/Zuber, Art. 70 N
20 m.w.H.). Die Gesuchstellerin und C. reichten ihre Gesuche zusammen bei der Vorinstanz ein und beantragten beide die Anerkennung ihrer Ehe (vgl. E. II). Aufgrund der unterschiedlichen Klagearten (Berichtigungsklage nach Art. 42 ZGB respektive allgemeine Feststellungsklage [vgl. zur Differenzierung: BGE 119 II 264 E. 6; siehe auch BGer 5A_549/2015 vom 11. Januar 2016, E. 3.3.; OGer ZH LF150010 vom 7. Dezember 2015, E. 6a; BSK ZPO-Mazan, Art. 249 N 8])
eröffnete die Vorinstanz zwei separate Verfahren, die sie jedoch parallel bearbeitete und in Bezug auf die Anerkennung der Ehe auch gleichentags einheitlich entschied (vgl. Urk. 30/16). Es rechtfertigt sich daher in der vorliegenden Konstellation davon auszugehen, dass sowohl die Gesuchstellerin als auch C. sich mit der vorbehaltlosen Anerkennung der Urteile des anderen einverstanden erklärten, als sie ihre in diesem Punkt gleichlautenden Gesuche einreichten. Entsprechend konnte in Bezug auf C. davon abgesehen werden, ihn als Partei im vorliegenden Verfahren aufzunehmen. Die Rüge des Gemeindeamts erweist sich damit als unbegründet.
Des Weiteren macht das Gemeindeamt eine unrichtige Rechtsanwendung geltend. Die Vorinstanz habe Art. 45 Abs. 1 IPRG falsch angewandt, als sie festgehalten hatte, dass die religiöse Eheschliessung der minderjährigen Gesuchstellerin mit C. nach eritreischem Recht grundsätzlich gültig gewesen sei. Die Vorinstanz habe zutreffend ausgeführt, dass auch gewohnheitsrechtliche resp. religiös geschlossene Ehen gültig seien. Der nachträglichen Eintragung der religiös bzw. gewohnheitsrechtlich geschlossenen Ehe in die staatlichen Zivilstandsregister komme daher im Normalfall nur deklarative Wirkung zu. Anders stelle sich aber die Sachlage bei der Eheschliessung von Minderjährigen dar. Grundsätzlich seien Eheschliessungen von unter 18-jährigen Personen zulässig, sofern weder Braut noch Bräutigam unter 15 Jahre alt sei. Der eritreische Gesetzgeber habe aber bei Eheschliessungen von Minderjährigen einen Schutzmechanismus eingerichtet. Aus diesem Grund seien alle Eheschliessungen von minderjährigen Personen nachträglich nach Prüfung der persönlichen Gegebenheiten durch ein staatliches Gericht zu bestätigen. Dem Gericht komme in diesem Zusammenhang ein Auswahlermessen zu, ob es die Eheschliessung aus eritreischer Sicht für
wirksam erkläre nicht. Fehle es an einem solchen Gerichtsurteil, einer staatlichen Urkunde einem direkten Nachweis der staatlichen Anerkennung, bestünden höchste Zweifel an der Wirksamkeit resp. Gültigkeit der Eheschliessung nach eritreischem Recht (Urk. 23 S. 5 f. mit Hinweisen). Die Gesuchstellerin und C. hätten sich nie um eine staatliche Anerkennung ihrer religiösen Minderjährigenehe gekümmert, weshalb bis zum Nachweis der Gültigkeit die Wirksamkeit der Eheschliessung in der Schwebe stehe (Urk. 23 S. 5 f.). Die Eheurkunde der religiösen Eheschliessungsbehörde sowie die Aussagen der mutmasslichen Eheleute würden als Beweismittel nicht ausreichen, da die betroffenen Personen ihre Eheschliessung unabhängig von staatlichen Vorschriften subjektiv als gültig empfinden würden. Das blosse Glaubhaftmachen des anbegehrten Zivilstands sei ungenügend und es bestünden höchste Zweifel an der Rechtsgültigkeit der in Eritrea geschlossenen Ehe. Deshalb sei bei der Gesuchstellerin der ledige Zivilstand festzustellen eventualiter das Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen (Urk. 23 S. 6 f.).
Eine im Ausland gültig geschlossene Ehe wird gemäss Art. 45 Abs. 1 IPRG in der Schweiz grundsätzlich anerkannt. Im Lichte des favor matrimonii, wonach im Zweifelsfall die Gültigkeit der Ehe anzunehmen ist, ist Art. 45 Abs. 1 IPRG so zu verstehen, dass die Ehe nach dem Recht am Ort der Eheschliessung des Wohnsitzoder Heimatstaates wenigstens einer der Heiratswilligen gültig sein muss (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht vom
10. November 1982, BBl 1983 I 263, S. 327 und 343; ZK IPRG-Widmer
Lüchinger, Art. 45 N 1; BSK IPRG-Bodenschatz, Art. 45 N 2 f.). Diese Bestimmung ist Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, das Zustandekommen und den Bestand der Ehe zu begünstigen, und steht im Einklang mit dem verfassungs- und völkerrechtlichen Schutz der Ehe (Art. 14 BV, Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 EMRK). Mit anderen Worten ist die Ehe gültig, wenn sie nicht nach allen massgebenden Gültigkeitsstatuten von Amtes wegen für ungültig erklärt werden müsste (BVGer E-1721/2019 vom 28. Juni 2019, E. 4.2.2 m.w.H.). Ein Verstoss gegen den schweizerischen Ordre public ist der einzige Grund, weswegen einer im Ausland gültig geschlossenen Ehe die Anerkennung in der Schweiz verweigert werden darf (BSK IPRG-Bodenschatz, Art. 45 N 21).
Rechtsgrundlage für Eheschliessungen in Eritrea im Jahr 2005 ist das Vorläufige Zivilgesetzbuch Eritreas von 1991 (VZGB), welches durch das Zivilgesetzbuch der Eritreischen Widerstandsbewegung EPLF (EPLF-ZGB) ergänzt wird. Der eritreische Gesetzgeber trug bei der Regelung der Eheschliessung der ethnischen und religiösen Vielfalt des Landes dadurch Rechnung, dass nicht nur die staatliche Zivilehe anerkannt wurde, sondern auch Ehen, welche in der Form einer der im Lande vorhandenen Religionen gemäss den örtlichen Gebräuchen geschlossen wurden (Dietrich Nelle in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Eritrea,
S. 15). Gemäss VZGB bestimmen sich die Voraussetzungen, unter denen eine religiöse Ehe geschlossen werden kann, sowie deren Form nach der betreffenden Religion (Art. 605 Abs. 1 VZGB). Daneben sind die durch das VZGB und das EPLF-ZGB vorgesehenen allgemeinen materiellen Voraussetzungen von Art. 582 bis 596 VZGB zu beachten (Art. 605 Abs. 2 VZGB). Art. 46 EPLF-ZGB sieht daneben insbesondere vor, dass die Ehe auf freiem Willen der Eheleute zu gründen hat (Abs. 1) und dass gewohnheitsrechtlich geschlossene Ehen von Kindern unter fünfzehn Jahren verboten sind (Abs. 4).
Wie die Vorinstanz korrekt ausführte, sieht weder das VZGB noch das EPLF-ZGB vor, dass eine nachträgliche Prüfung und Registrierung in einem Register durch ein staatliches Gericht eine andere staatliche Behörde zwingend notwendig wäre, damit eine religiöse Minderjährigenehe Rechtsgültigkeit erlangt. Eine solche Bestimmung ist weder dem Gesetzestext noch der bekannten Literatur zu entnehmen. In Art. 48 EPLF-ZGB respektive Art. 605 Abs. 3 VZGB ist festgehalten, dass auch religiöse Eheschliessungen in das Eheregister der Volksversammlung am Ort des Aufenthalts einzutragen respektive zu beurkunden sind. Diese Eintragung Beurkundung hat jedoch keinen Einfluss auf das rechtsgültige Zustandekommen der Ehe. Die Eheschliessung wird gültig, sobald die Trauung abgeschlossen ist und der entsprechende Beamte, Geistliche Älteste das Paar als verheiratet erklärt (Bericht SEM, Fokus Eritrea, Identitäts- und Zivilstandsdokumente, Bern,
21. Januar 2021, S. 17 m.w.H.; Nelle, a.a.O. S. 2-3; Eritrea: Registrierung von Eheschliessungen, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Schweizerische
Flüchtlingshilfe, S. 5 f., https://www.ecoi.net/en/file/local/2002662/
180719-eri-registrierung-ehe.pdf, abgerufen am 21. Dezember 2021; für das neue Eritreische Zivilgesetzbuch aus dem Jahr 2015, in welchem die bisherigen Regelungen grösstenteils übernommen werden: Amanuel Yohannes Abraha, Marriage Law in Eritrea, Types and Methods of Proof von 2018, S. 3 und 11, https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfmöabstract_id=3201871, abgerufen am
21. Dezember 2021). Dass Art. 46 Abs. 3 EPLF-ZGB daran im vorliegenden Fall nichts ändert, hat die Vorinstanz eingehend und überzeugend dargelegt; auf die entsprechenden Erwägungen im vorinstanzlichen Urteil (Urk. 24 S. 18 ff.) kann verwiesen werden. Doch selbst wenn Art. 46 Abs. 3 EPLF-ZGB nicht bloss im Rahmen einer Ungültigkeitsklage dergleichen anwendbar wäre, bliebe es bei der weiteren Argumentation der Vorinstanz, wonach eine Veränderung der Umstände den Mangel des Alters beheben und eine fehlerhafte Ehe gültig machen kann, sobald der minderjährige Ehegatte das Mündigkeitsalter erreicht hat und weiterhin verheiratet ist bzw. dies sein will (Urk. 24 S. 20). Dass diese Argumentation falsch sei, macht das Gemeindeamt nicht geltend und ist insbesondere angesichts des Inhalts von Art. 608 Abs. 2 VZGB auch nicht ersichtlich. Die Rüge des Gemeindeamts, dass die Gültigkeit der Ehe bis zu einer staatlichen Anerkennung in der Schwebe stehe (Urk. 23 S. 6), ist somit nicht zutreffend. Nur weil die Gesuchstellerin und C. auf eine amtliche Registrierung ihrer Ehe verzichteten und keine Bestätigung im Sinne von Art. 46 Abs. 3 EPLF-ZGB vorliegt, kann deren Rechtsgültigkeit nicht von vornherein angezweifelt werden.
Gemäss übereinstimmenden Ausführungen der Gesuchstellerin und
C. haben sie am tt. September 2005 kirchlich in G. vor mehreren Zeugen geheiratet (Prot. I S. 15 f.; Prot. S. 15 ff. in EP200021-L). Die Gesuchstellerin führte dasselbe bereits anlässlich ihrer Befragung durch das Staatssekretariat für Migration am 14. Dezember 2017 im Rahmen des Asylverfahrens aus (Urk. 6/7 resp. 9/2 S. 3). Als Beleg liegt zudem eine Kopie der (teilweise) übersetzten Heiratsurkunde der eritreisch-orthodoxen Kirche im Recht, welche das Heiratsdatum (der tt.01.1998 im äthiopischen Kalender entspricht dem tt.09.2005 im gregorianischen Kalender), die Namen der Ehegatten sowie der
Zeugen samt Unterschriften aufführt (Urk. 3/7 und 9/7). Dieses Dokument stellt, trotz fehlender Fotos der Ehegatten, eine religiöse Zivilstandsurkunde dar, welche auch heute grundsätzlich von den eritreischen Behörden akzeptiert wird (Bericht SEM, Fokus Eritrea, Identitäts- und Zivilstandsdokumente, Bern, 21. Januar 2021,
S. 55 ff. und 63). Es liegen keine Hinweise dafür vor, dass die Ausführungen der Gesuchstellerin und von C. der Wahrheitsgehalt der Heiratsurkunde in Frage zu stellen wären. Die Gesuchstellerin hatte am angegebenen Hochzeitstag die Altersgrenze von 15 Jahren überschritten (vgl. Art. 46 Abs. 4 EPLF-ZGB). Zusammenfassend sind keine Gründe respektive Ehehindernisse (Art. 582 bis 596 VZGB, Art. 46 EPLF-ZGB) ersichtlich, aus denen die religiöse Eheschliessung der Gesuchstellerin in Eritrea keine Gültigkeit haben sollte beziehungsweise von Amtes wegen als für ungültig erklärt werden müsste. Aufgrund der anerkennungsfreundlichen Haltung von Art. 45 IPRG ist deren Ehe mit C. somit grundsätzlich anzuerkennen.
Da die Vorinstanz mit Hinweis auf die zutreffende Rechtsprechung korrekt ausführte, dass die Minderjährigkeit der Gesuchstellerin zum Zeitpunkt der Eheschliessung nicht per se einen Verstoss gegen den Schweizer ordre public darstellt (vgl. Urk. 24 S. 22 f.), was vom Gemeindeamt denn auch nicht gerügt wurde, ist an deren Schlussfolgerung, die Ehe der Gesuchstellerin anzuerkennen und deren Zivilstand entsprechend anzupassen, nichts auszusetzen.
Ausgangsgemäss wäre das unterliegende Gemeindeamt kostenpflichtig. Diesem bzw. dem Kanton Zürich können jedoch keine Kosten auferlegt werden (§ 200 lit. a GOG). Demgemäss sind für das Berufungsverfahren keine Gerichtskosten zu erheben.
Für das Berufungsverfahren sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen, dem Gemeindeamt zufolge seines Unterliegens, der Gesuchstellerin mangels relevanter Umtriebe, verzichtete sie doch darauf, sich vernehmen zu lassen (Art. 106 Abs. 1, Art. 95 Abs. 3 ZPO).
Es wird beschlossen:
Auf den Berufungsantrag, es sei über das Begehren der Gesuchstellerin um Anpassung der Personalien ihrer Tochter F. zu entscheiden, wird nicht eingetreten.
Schriftliche Mitteilung und Rechtsmittelbelehrung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen und das Urteil des Einzelgerichts im summarischen Verfahren am Bezirksgericht Zürich vom 7. April 2021 wird bestätigt.
Für das Berufungsverfahren werden keine Gerichtskosten erhoben.
Für das Berufungsverfahren werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.
Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.
Zürich, 21. Dezember 2021
Obergericht des Kantons Zürich
Zivilkammer
Der Gerichtsschreiber:
MLaw M. Wild versandt am:
lm
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