Zusammenfassung des Urteils NA110037: Obergericht des Kantons Zürich
Die Berufungsklägerin wurde auf Anordnung eines Notfallpsychiaters in eine Klinik eingewiesen, da sie in einem psychotischen Zustand war und sich selbst gefährdete. Obwohl sie ein Entlassungsgesuch stellte, wurde dieses abgelehnt, da sie weiterhin als gefährdet eingestuft wurde. Die Berufungsklägerin erhob Berufung gegen diese Entscheidung und argumentierte, dass die Vorwürfe gegen sie haltlos seien. Das Gericht entschied letztendlich, dass die Berufung begründet war, und ordnete die sofortige Entlassung der Berufungsklägerin aus der Klinik an.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | NA110037 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 02.09.2011 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Fürsorgerische Freiheitsentziehung |
Schlagwörter : | Berufung; Berufungsklägerin; Klinik; Person; Belastung; Gesundheit; Gutachter; Vorinstanz; Verwahrlosung; Freiheitsentziehung; Entlassung; Selbstgefährdung; Entscheid; Geisteskrankheit; Anstalt; Umgebung; Fremdgefährdung; Medikamente; Behandlung; Urteil; Sinne; Zustand; Fürsorge |
Rechtsnorm: | Art. 316 ZPO ;Art. 397 ZGB ;Art. 397a ZGB ;Art. 397a ZPO ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | BGE 5A_288/2011; BGE 5A_312/2007; BGE 5A_766/2007; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: NA110037-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein, Vorsitzende, Oberrichterin Dr.
L. Hunziker Schnider und Oberrichter lic. iur. P. Hodel sowie Gerichtsschreiberin MLaw A. Schmoker.
in Sachen
,
Gesuchstellerin und Berufungsklägerin,
sowie
betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung
Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes (10. Abteilung) des Bezirkes Zürich vom 11. August 2011 (FF110140)
Die Gesuchstellerin und Berufungsklägerin (nachfolgend Berufungsklägerin) wurde am 7. August 2011, 02.00 Uhr, auf Anordnung von Notfallpsychiater
Dr. C.
im Sinne einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung in die B.
Klinik eingewiesen (act. 5). Dies nachdem die Berufungsklägerin in psychotischem Zustand der Polizei aufgefallen war. Sie habe berichtet, dass sie einen Chip im Kopf implantiert habe und sich verfolgt fühle. Bei Eintritt in die Klinik sei die Berufungsklägerin nicht erreichbar gewesen und habe das Personal als jemanden aus dem 2. Weltkrieg verkannt. Sie habe erklärt, sie sei seit 1956 in Kriegsgefangenschaft. Ein Alkoholtest habe 1,56 Promille ergeben. Der einweisende Arzt stellte aufgrund ihres akuten psychotischen Zustandes mit Wahnvorstellungen eine Selbstgefährdung der Berufungsklägerin fest (act. 5). Nachdem die Berufungsklägerin mit Eingabe vom 8. August 2011 beim Einzelgericht (10. Abteilung) des Bezirkes Zürich ein Entlassungsgesuch gestellt hatte (act. 1), wurde sie in der Verhandlung vom 11. August 2011 angehört, und es wurde das psychiatrische Gutachten mündlich erstattet (vgl. Protokoll FF110140 S. 7 ff., S. 15 ff.). Mit Verfügung und unbegründetem Urteil vom gleichen Tag bewilligte das Einzelgericht der Berufungsklägerin die unentgeltliche Prozessführung, wies das Entlassungsgesuch jedoch ab (act. 7). Der Berufungsklägerin wurde der begrün- dete Entscheid am 15. August 2011 zugestellt (act. 9/2).
Gegen diesen Entscheid erhob die Berufungsklägerin mit Eingaben vom
17. August 2011 Berufung (act. 12A und 12B = act. 17). Sie verlangt ihre unverzügliche Entlassung aus der Klinik, da sie der Ansicht ist, für ihren derzeitigen Aufenthalt bestünden keine ausreichenden Gründe (act. 12 A).
Mit den vorinstanzlichen Erwägungen setzt sich die Berufungsklägerin nur marginal auseinander. In ihrer Berufungsschrift vom 17. August 2011 führt sie bezogen auf den vorinstanzlichen Entscheid aus, was man sich über mich zusammengeschrieben hatte, ist haltlos. Es wurde überhaupt nichts aktenkundig gemacht und zwar wahrheitsgemäss wie der Tathergang vom 6.8.2011 auf den 7.8.2011 wahrheitsgemäss verlaufen war. Der 6. August 2011 sei der 100-jährige
Geburtstag ihres Onkels gewesen. Das alles sei eine ausgesprochene abgekarterte kriminelle Schweinerei (act. 12B S. 3). Betreffend des Gutachters führt die Berufungsklägerin aus, dieser Gutachter alias D. verfügt lediglich über ein gefälschtes Ausweispapier und hat ganz grausam in Bayern zugeschlagen (act. 12B S. 4). Die übrigen Ausführungen der Berufungsklägerin erscheinen wahngeprägt und sind für die Entscheidfindung unbehelflich. Es ist ohne mündliche Verhandlung aufgrund der Akten zu entscheiden (§ 186 Abs. 2 GOG; Art. 316 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 184 Abs. 1 GOG). Die Verfahrensbeteiligte B. hat im Rahmen der Verhandlung vor Vorinstanz bereits Gelegenheit erhalten, sich bezüglich einer Entlassung der Berufungsklägerin zu äussern (VI Prot. [FF110140]
S. 21 f.). Da die Berufungsklägerin in ihrer Eingaben diesbezüglich nichts Neues vorbringt, ist eine schriftliche Antwort im Sinne von § 186 GOG für den vorliegenden Entscheid nicht notwendig.
Eine mündige entmündigte Person darf wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht, anderen Suchterkrankungen schwerer Verwahrlosung in einer geeigneten Anstalt untergebracht zurückbehalten werden, wenn ihr die nötige persönliche Fürsorge nicht anders erwiesen werden kann (Art. 397a Abs. 1 ZGB). Sowohl für die Einweisung als auch die Zurückbehaltung in einer Anstalt sind die Prinzipien der Verhältnismässigkeit und der Subsidiarität zu berücksichtigen. Vorausgesetzt ist mit anderen Worten, dass die betroffene Person infolge der im Gesetz umschriebenen Schwächezustände persönlicher Fürsorge bedarf, die ihr nur in einer Anstalt gewährt werden kann. Die Verhältnismässigkeit einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung ist insbesondere bei einer erheblichen Selbstgefährdung gegeben, das heisst dann, wenn die betroffene Person zum Beispiel mangels Einsicht in eine behandlungsbedürftige körperliche Krankheit aufgrund von Suizidalität ihre eigene Gesundheit ihr Leben ernstlich gefährdet. Zu berücksichtigen ist ferner die Belastung, welche die Person für ihre Umgebung bedeutet (Art. 397a Abs. 2 ZGB). Unter diesem Gesichtspunkt ist auch einer allfälligen Fremdgefährdung Rechnung zu tragen. Eine solche liegt vor, wenn die betroffene Person zum Beispiel wegen ihres agressiven gefährlichen Verhaltens eine Gefahr für Leib und Leben von Drittpersonen darstellt sonst wie das Wohlbefinden und die seelische Gesundheit anderer
auf erhebliche und elementare Weise beeinträchtigt (BGE 5A_288/2011 vom 19. Mai 2011).
Die Zurückbehaltung in einer Anstalt im Rahmen der fürsorgerischen Freiheitsentziehung ist namentlich dann gerechtfertigt, wenn im Fall der Entlassung die professionelle Nachbetreuung der betroffenen Person nicht sichergestellt ist, wenn diese über keine Wohngelegenheit verfügt, ihr Verwahrlosung droht wenn sie sich selbst andere gefährdet (vgl. BGE 5A_766/2007 vom 22. Januar 2008,).
Erste Voraussetzung eines fürsorgerischen Freiheitsentzuges ist somit - neben anderen - das Vorliegen einer Geisteskrankheit im Rechtssinne (Art. 397a Abs. 1 ZGB). Davon kann gesprochen werden, wenn auf die Dauer psychische Störungen vorliegen, die stark auffallen und einem besonnenen Laien als uneinfühlbar, qualitativ tief gehend abwegig, grob befremdend erscheinen (BSK-Geiser, 3. Auflage, 2006, Art. 397a N 6-7, Art. 369 N 21; ZR 85 (1986) Nr. 118 S. 296),
wobei sich der rechtliche und der medizinische Begriff nicht decken (BSK-Geiser, a.a.O., Art. 369 N 21).
Mit zutreffender Begründung, auf die generell verwiesen werden kann, legte die Vorinstanz im angefochtenen Urteil dar, dass bei der Berufungsklägerin eine Geisteskrankheit im Rechtssinne vorliegt (act. 8 S. 4 f.). Der Gutachter stellte fest, die Berufungsklägerin leide mit Sicherheit an einer schweren psychischen Störung. Es handle sich dabei um eine wahnhafte Störung (VI Prot. S. 16). Diesem Sachverständigenbefund hält die Berufungsklägerin in ihrer Berufungsschrift nichts entgegen, was einen anderen Schluss zuliesse. Vielmehr treten die Auswirkungen der psychischen Erkrankung auch in der Berufungsschrift zu Tage, wobei Wahnvorstellungen unübersehbar sind. So führt die Berufungsklägerin unter Anderem aus, der Gutachter verfüge lediglich über gefälschte Ausweispapiere und habe ganz grausam in Bayern zugeschlagen. Betreffend ihres Sohnes führt
die Berufungsklägerin aus, der jetzige E.
habe Angst vor dem Sterben.
Die Blutrauschsüchtigen hätten bereits seinen Mord in Planung. Sie habe es über den Kriegsverbrecher Sender RTL erfahren müssen, über diese Sendung Deutschland sucht den Superstar. Ihre Vorwarnungen an diesen jetzigen
E. werte dieser als Belastung und Telefonterror und wisse dies gar nicht zu schätzen (act. 12B. S. 7 f.).
Die gesetzliche Voraussetzung des Vorliegens einer Geisteskrankheit ist somit erfüllt.
Nebst dem Vorliegen einer Geisteskrankheit wird die Notwendigkeit der persönlichen Fürsorge aufgrund des Schwächezustandes vorausgesetzt. Die fürsorgerische Freiheitsentziehung bezweckt in jedem Fall den Schutz der betroffenen Person. Ein Schutzbedürfnis liegt bei der Möglichkeit einer Selbstgefährdung einer schweren Verwahrlosungsgefahr vor. Dem Schutz der Umgebung sowie Dritter kommt hingegen nur subsidiäre Bedeutung zu. Fremdgefährdung ist somit zwar auch im Rahmen von Art. 397a Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen. Bildet der Betroffene jedoch eine Gefahr für Dritte, indem er hochwertige Güter wie Leben und Gesundheit gefährdet, kommt vorab die Strafverfolgung zum Zug (Zürcher Kommentar ZPO-Spirig, 1995, Art. 397a N 336 ff.).
Die Klinikeinweisung der Berufungsklägerin am 6. August 2011 erfolgte gemäss Einweisungspapier aufgrund einer vom Notfallpsychiater festgestellten Selbstgefährdung (act. 5 S. 1). Gemäss Eintrittsrésumé vom 7. August 2011 wurde bei der Berufungsklägerin ein Alkoholtest durchgeführt, welcher einen Alkoholwert von 1,56 ‰ ergab, jedoch wurden weder eine akute Selbstnoch Fremdgefährdung und keine Suizidalität festgestellt. Der Aufnahmearzt stellte fest, die Berufungsklägerin habe sich beim Eintritt in einem ungepflegten Allgemeinzustand befunden, hingegen sei ihr Ernährungszustand gut gewesen (act. 5 S. 2).
Der Gutachter führte zur Frage, wie sich eine sofortige Entlassung auf den Gesundheitszustand der Berufungsklägerin auswirken würde aus, die Berufungsklägerin sei absolut krankheitsund behandlungsuneinsichtig. Sie lehne jegliche ärztliche Betreuung ausserhalb der Klinik ab. Eine Entlassung würde bedeuten, dass sich die psychische Störung weiter chronifiziere und würde wahrscheinlich zu erneuten Einweisungen in der Klinik führen. Die Berufungsklägerin sei nicht in dem Sinne fremdgefährlich, dass sie jemandem etwas antun würde, aber sie belaste ihre Umgebung massiv durch mehrfache Telefonanrufe. Er habe
auch gehört, dass die Berufungsklägerin öfters Suiziddrohungen ausgesprochen habe. Dies vor allem, wenn sie zu viel getrunken und nicht diese Aufmerksamkeit gar eine Ablehnung erfahren habe (VI Prot. S. 16 f.). Es bestehe jedoch keine akute Gefahr für andere und auch für sie selbst nicht. Gegenwärtig streite die Berufungsklägerin jegliche Suizidgedanken ab (VI Prot. S. 18). Dem Gutachten ist weiter zu entnehmen, dass mit der entsprechenden Medikation wohl die Ängste der Berufungsklägerin zurückgehen würden. Die Berufungsklägerin lebe in ihrem Wahn wahrscheinlich unter grossem Stress, wenn man bedenke, wie viele Morde darin passieren würden und welche Bedrohungen bestünden. Es bestehe die Hoffnung, dass der ausgedehnte Wahn mit Medikamenten rückläufig würde. Man müsse der Berufungsklägerin jedoch Zeit lassen, um die Motivationsarbeit zu erstellen, damit sie die Medikamente freiwillig nehme. Nach Meinung des Gutachters solle man der Klinik Zeit lassen, um einen Weg zu finden, der Berufungsklägerin zu Medikamenten zu verhelfen (VI Prot. S. 18).
Dr. med. F. von der B. erklärte, die Berufungsklägerin sei schwer krank. Ein gewisser Leidensdruck sei erkennbar. Das Problem sei, dass sie die Realität ganz anders sehe, als alle um sie herum. Dies mache es sehr schwierig, ihr zu helfen, da sie alles, was die Klinik ihr anbiete, wieder als etwas Gefährliches und Bedrohliches interpretiere. Deshalb sei es bisher nicht möglich gewesen, ihr die Medikamente zu verabreichen, die wahrscheinlich helfen und die Situation verbessern würden. Eine unmittelbare Suizidalität Fremdgefährdung liege wahrscheinlich nicht vor. Die ganze Situation stelle jedoch eine starke Belastung für das ganze Milieu der Berufungsklägerin dar. Der Sohn sei stark belastet und gemäss dessen Angaben auch die Mutter der Berufungsklägerin (VI Prot. S. 21). Wichtige körperliche Untersuchungen seien noch ausstehend, insbesondere sei eine Konsultation eines Zahnarztes von Nöten. Wahrscheinlich liege keine vitale Gefährdung vor, aber die Situation sei unzweifelhaft schlecht und eine Belastung für das Milieu der Berufungsklägerin (VI Prot. S. 22).
Die Vorinstanz führte zum Bedürfnis der persönlichen Fürsorge aus, die Berufungsklägerin sei bereits im Jahr 2002 mit Neuroleptika behandelt worden, wobei es ihr während zwei Jahren besser gegangen sei. Erst als sie die Medikamente im Jahr 2004 abgesetzt habe, habe sich die chronifizierte Wahnstörung zunehmend entwickeln können. Die Berufungsklägerin könne somit klar von
einer konsequenten neuroleptischen Therapie profitieren. Die B.
stelle im
gegenwärtigen Zeitpunkt zur Stabilisierung des momentan akuten Krankheitsbildes eine geeignete Anstalt dar, in welcher die Berufungsklägerin die für sie notwendige Behandlung erhalten könne. Aufgrund der mangelnden Kooperationsfähigkeit und Einsichtigkeit seitens der Berufungsklägerin sei eine andere Betreuungsform nicht denkbar (VI Prot. S. 6 f.).
Zur Frage der Verhältnismässigkeit befand die Vorinstanz, die Berufungsklägerin müsse, damit eine Verbesserung ihres Zustandes erreicht werden könne, einerseits medikamentös behandelt werden und andererseits seien wichtige körperliche Untersuchungen, insbesondere die Konsultation eines Zahnarztes, erforderlich. Die Berufungsklägerin gefährde sich zumindest mittelbar selbst und sei nicht in der Lage, für ihre physische und psychische Gesundheit selbst zu sorgen. Ihr aktuelles Umfeld biete zudem keine genügende Gewähr für eine Stabilisierung. Ohne fachärztliche Behandlung und nachhaltige Einstellung der gebotenen Medikation sei zu befürchten, dass sich der Gesundheitszustand der Berufungsklägerin weiter verschlechtere und es zu einer weiteren Belastung ihres Umfeldes sowie in der Folge zu einer erneuten Einweisung mittels FFE komme (VI Prot.
S. 8). Die psychiatrische Behandlung der Berufungsklägerin liege unter diesen Umständen im öffentlichen Interesse, welches ihrem Interesse an einer selbstbestimmten Wahl des Aufenthaltes und der Verwirklichung ihrer persönlichen Bedürfnisse derzeit vorgehe (VI Prot. S. 8 f.).
Vorliegend steht ausser Zweifel, dass die Berufungsklägerin an einer Geisteskrankheit leidet, welche grundsätzlich einer medikamentösen Behandlung bedarf. Offensichtlich ist die Berufungsklägerin jedoch nicht bereit, die Medikamente freiwillig einzunehmen, wobei weder der Gutachter noch die Berufungsgegnerin eine Zwangsmedikation ausdrücklich befürworten überhaupt in Erwägung ziehen (VI Prot. S. 18 und S. 21). Das Gutachten geht davon aus, dass sich bei einer Entlassung der Berufungsklägerin die psychische Störung nicht än- dere, sondern weiter chronifiziere (VI Prot. S. 17). Gemäss der behandelnden
Ärztin sei das Ziel im Moment, die Berufungsklägerin zur freiwilligen Medikamenteneinnahme zu motivieren. Ob dies erfolgreich verlaufe, sei ungewiss und falls dies misslinge, sei nicht bekannt, wie weiter fortzufahren sei (VI Prot. S. 21). Der angefochtene Entscheid enthält denn auch keine konkreten Ausführungen, wie die medikamentöse Behandlung der Berufungsklägerin gewährleistet werden soll, wenn eine Motivation zur freiwilligen Einnahme scheitern sollte.
Weder der Gutachter noch die behandelnde Ärztin gehen von einer akuten Selbstoder Fremdgefährdung der Berufungsklägerin aus. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung rechtfertigt die Sicherstellung der medikamentösen Therapie alleine, weil keine Gewähr für eine ambulante Behandlung besteht und folglich damit zu rechnen ist, dass die Wahnideen der damit einhergehende Realitätsverlust anhalten werden, eine Aufrechterhaltung des fürsorgerischen Freiheitsentzuges nicht (BGE 5A_312/2007 vom 10. Juni 2007). Dies muss umso mehr in einem Fall wie dem vorliegenden gelten, wo auch innerhalb der stationären Behandlung eine medikamentöse Therapie infolge Verweigerung der Patientin nicht gewährleistet ist.
Die Vorinstanz ging davon aus, der Gesundheitszustand der Berufungsklägerin erfordere eine medizinische Betreuung (act. 8 S. 7). Eine vitale Gefährdung wird jedoch von der behandelnden Ärztin verneint (VI Prot. S. 22). Eine zahnärztliche Untersuchung der Berufungsklägerin mag zwar durchaus notwendig erscheinen, jedoch vermag ein schlechter Zustand der Zähne für sich alleine noch keine akute Selbstgefährdung zu begründen. Der Gutachter spricht überdies von einer gewissen Verwahrlosungstendenz. Die Vorinstanz attestiert der Berufungsklägerin aber zu Recht keine schwere Verwahrlosung, wie sie Art. 397a Abs. 1 ZGB nennt. Eine solche wäre denn auch nicht damit zu begründen, dass die Berufungsklägerin drei Wochen lang einen geschwollenen Fuss hatte, und diesen nicht ärztlich untersuchen liess. Der Allgemeinzustand der Berufungsklägerin wurde anlässlich ihrer Aufnahme in die B. als ungepflegt eingestuft. Eine schwere Verwahrlosung im Sinne von Art. 397a Abs. 1 ZGB ist jedoch immer nur dann anzunehmen, wenn der Betroffene einen Zustand der Verkommenheit erreicht hat, der mit der Menschenwürde schlechterdings nicht mehr vereinbar ist
(Bonetti, in: Health Insurance Liability Law [HILL], 2007 II Nr. 12 S. 18). Insgesamt gibt es zwar vorliegend Hinweise darauf, dass die Berufungsklägerin stellenweise sowohl ihre Hygiene wie auch ihre Gesundheit vernachlässigt, jedoch bestehen keine Anzeichen einer schweren Verwahrlosung im Sinne von Art. 397a Abs. 1 ZGB. Insbesondere scheint die Berufungsklägerin in der Lage zu sein, selbstän- dig zu wohnen und sich angemessen zu ernähren (VI Prot. S. 13). Der Sohn der Berufungsklägerin erklärte anlässlich eines Telefongesprächs mit der Vorinstanz, es bestehe die Gefahr, dass die Berufungsklägerin ihre Wohnung verliere. Sie habe bereits eine Kündigungsandrohung erhalten, da sie Nachbarn belästigt habe (act. 6). Aus einer Kündigungsandrohung allein kann aber weder eine schwere Verwahrlosung abgeleitet noch eine akute Selbstgefährdung angenommen werden.
Nach dem oben Ausgeführten besteht keine Notwendigkeit der persönlichen Fürsorge aufgrund der Geisteskrankheit der Berufungsklägerin in einer Anstalt. Weder besteht die ernsthafte Möglichkeit der akuten Selbstgefährdung noch die einer schweren Verwahrlosung, weshalb bereits das Schutzbedürfnis der Berufungsklägerin zu verneinen ist.
Was die Belastung für die Umgebung anbelangt, hat die Vorinstanz erwogen, diese sei massiv (act. 8 S. 8). Es ist dabei jedoch zu berücksichtigen, dass die Umgebung, namentlich die Familie, ein hohes Mass an Belastung zu tragen hat, da nur eine unzumutbare Belastung den Tatbestand von Art. 397 Abs. 2 ZGB erfüllt (Zürcher Komm. ZGB-Spirig, Art. 397a N 351). Vor allem ist jedoch zu bedenken, dass eine Belastung der Umgebung für sich alleine nicht ausreicht, um eine fürsorgerische Freiheitsentziehung anzuordnen (Züricher Komm. ZGB-Spirig, Art. 397a N 340). Der Sohn der Berufungsklägerin erklärte, die Berufungsklägerin belästige ihn und ihre Mutter immer wieder telefonisch. Überdies trinke sie zwei Liter Kochwein pro Tag und beschimpfe fremde Personen mitten auf der Strasse in Einkaufsgeschäften wie der Migros. Sobald die Berufungsklägerin Alkohol getrunken habe, sei sie sehr agressiv (act. 6). Grundsätzlich ist bei der Frage nach der Fremdgefährdung nicht nur auf die Gefährdung von Leib und Leben von Dritten abzustellen, sondern auch zu berücksichtigen, welche Gefahr die Person
für das Wohlbefinden und die seelische Gesundheit anderer bedeutet. Es ist unstrittig, dass die Berufungsklägerin ihr Umfeld schwer belastet, wobei psychische Schäden bei ihrem Sohn sowie der Mutter eine mögliche Folge sein können. Nach dem Gesetzesaufbau zeigt sich aber, dass die Belastung für die Umgebung nur mitzuberücksichtigen ist. In erster Linie muss es immer darum gehen, die Vorund Nachteile, welche die fürsorgerische Freiheitsentziehung der betroffenen Person bringt, gegeneinander abzuwägen, da die FFE eine fürsorgerische und nicht eine polizeiliche Massnahme darstellt (Bonetti, a.a.O., S. 19). Auch wenn die Telefonanrufe der Berufungsklägerin und der Umstand, dass sie ihren Sohn nicht als solchen erkennt, die seelische Gesundheit der Familienmitglieder zu beeinträchtigen droht, rechtfertigt dies für sich alleine ein Zurückbehalten der Berufungsklägerin in der fürsorgerischen Freiheitsentziehung nicht.
Nach dem Gesagten erweist sich die Zurückhaltung der Berufungsklägern als unverhältnismässig. Es liegt weder eine akute Selbstnoch eine Fremdgefährdung vor. Die zweifellos schwere Belastung für ihr Umfeld alleine reicht nicht aus, um die Berufungsklägerin weiterhin gegen ihren Willen in der Anstalt zu belassen.
Im Ergebnis ist die Berufung gutzuheissen und die Berufungsklägerin unverzüglich aus der Klinik zu entlassen.
6. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben. Mangels erheblicher Umtriebe ist der Berufungsklägerin für dieses Verfahren keine Prozessentschädigung zuzusprechen (§ 183 GOG).
Die Berufung wird gutgeheissen, und das Urteil des Einzelgerichtes (10. Abteilung) des Bezirkes Zürich vom 11. August 2011 wird aufgehoben. Die Berufungsklägerin ist unverzüglich aus der Klinik zu entlassen.
Die Gerichtsgebühr für beide Instanzen sowie die weiteren Kosten gemäss Dispositiv-Ziff. 3 des angefochtenen Urteils fallen ausser Ansatz.
Der Berufungsklägerin wird mangels Umtriebe keine Entschädigung zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Berufungsklägerin, an die verfahrensbeteiligte Klinik sowie - unter Rücksendung der Akten an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
versandt:
MLaw A. Schmoker
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