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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:LY230022
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LY230022 vom 01.09.2023 (ZH)
Datum:01.09.2023
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 5A_774/2023
Leitsatz/Stichwort:Ehescheidung (vorsorgliche Massnahmen)
Schlagwörter : Berufung; Vorinstanz; Einkommen; Unterhalt; Beklagten; Erwägung; Massnahme; änderung; Entscheid; Gungen; Hypothetisch; Hypothetische; Massnahmen; Partei; Erwägungen; Recht; Abänderung; Unterhalts; Verfahren; Eheliche; Einkommens; Vorsorgliche; Begründung; Erwerbstätigkeit; Verfügung; Parteien; Scheidung; Vorinstanzlichen; Verhältnisse; Gericht
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 112 ZGB ; Art. 132 ZPO ; Art. 163 ZGB ; Art. 176 ZGB ; Art. 179 ZGB ; Art. 272 ZPO ; Art. 308 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 312 ZPO ; Art. 314 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 57 ZPO ; Art. 8 ZGB ; Art. 98 BGG ;
Referenz BGE:138 III 289; 138 III 374; 141 III 376; 141 III 569; 143 III 42;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LY230022-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach und Oberrichterin lic. iur.

R. Bantli Keller sowie Gerichtsschreiberin MLaw M. Schnarwiler

Beschluss vom 1. September 2023

in Sachen

  1. ,

    Beklagter und Berufungskläger

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. _,

    gegen

  2. ,

Klägerin und Berufungsbeklagte

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y. _, betreffend Ehescheidung (vorsorgliche Massnahmen)

Berufung gegen eine Verfügung des Einzelgerichtes im ordentlichen Verfah- ren des Bezirksgerichtes Uster vom 2. Juni 2023; Proz. FE130001

Erwägungen:

I.

    1. Die Parteien haben am tt. Juni 2000 geheiratet. Sie haben die gemeinsamen Kinder C. , geboren am tt. Februar 2001, und D. , geboren am tt. Sep- tember 2003 (act. 13).

    2. Am 3. Juni 2010 haben sich die Parteien getrennt und sie standen sich seit Juli 2010 vor dem Einzelgericht s.V. des Bezirksgerichtes Uster (Eheschutzge- richt) in einem Eheschutzverfahren gegenüber. Im Rahmen dieses Eheschutzver- fahrens trafen sie eine Vereinbarung, gemäss welcher die Kinder unter die Obhut der Klägerin und Berufungsbeklagten (fortan Klägerin) gestellt wurden und in der das Besuchsrecht zwischen den Kindern und dem Beklagten und Berufungsklä- ger (fortan Beklagter) geregelt wurde. Zudem wurde der Unterhalt geregelt: Der Beklagte verpflichtete sich gemäss Vereinbarung zur Leistung von monatlichen Unterhaltsbeiträgen von Fr. 6'600.–, davon Fr. 4'200.– für die Klägerin persönlich und je Fr. 1'200.– zzgl. allfällige Kinderzulagen für jedes Kind (Ziff. 4 der Verein- barung, act. 2/24). Die Vereinbarung wurde durch das Eheschutzgericht mit Ent- scheid vom 27. September 2010 genehmigt bzw. wurde davon Vormerk genom- men (Geschäfts-Nr. EE100088-I, act. 4/25)

    1. Mit Eingabe vom 4. Januar 2013 reichte der Beklagte beim Einzelgericht im ordentlichen Verfahren des Bezirksgerichtes Uster (fortan Vorinstanz) ein gemein- sames Scheidungsbegehren und Begehren um Regelung der strittigen Nebenfol- gen durch das Gericht (Art. 112 ZGB) ein, das die Parteien am 4. bzw. 18 Oktober 2012 unterzeichnet hatten (act. 1 u. 3). Nach durchgeführter Anhörung und In- struktionsverhandlung wurde den Parteien mit Verfügung vom 27. Mai 2013 die Klägerinnen- und Beklagtenrolle zugeteilt und das Verfahren strittig fortgeführt, wobei im Verlaufe des Scheidungsverfahrens durch die Vorinstanz wiederholt (su- perprovisorisch) beantragte vorsorgliche Massnahmen zu behandeln waren

      (act. 29 ff.).

    2. Namentlich (und hier interessierend) mit Eingabe vom 14. August 2020 stell- te der Beklagte (superprovisorisch) ein solches Massnahmebegehren. Er zielte mit diversen Anträgen im Wesentlichen und soweit hier vordergründig relevant darauf, es sei in Abänderung der durch das Eheschutzgericht genehmigten Ver- einbarung Ziff. 4 seine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt an die Klägerin persönlich per sofort aufzuheben (act. 444, insb. Antrag Ziff. 1.4.1.).

    3. Die Vorinstanz wies die Begehren – soweit diese superprovisorisch gestellt waren – mit Verfügung vom 19. August 2020 ab (act. 447). Am 3. November 2020 fand vor der Vorinstanz eine Verhandlung zu den vorsorglichen Massnahmen statt, wobei keine Parteivorträge zu den Massnahmen erfolgten und keine Ver- gleichsgespräche geführt wurden, da die Klägerin einen Interessenskonflikt auf Seiten des Parteivertreters des Beklagten geltend machte (Prot. Vi. S. 144 ff.). Mit Verfügung vom 30. November 2022 setzte die Vorinstanz der Klägerin Frist an, zum vom Beklagten mit Eingabe vom 14. August 2020 gestellten vorsorglichen Massnahmebegehren Stellung zu nehmen (act. 505). Die Stellungnahme erfolgte am 11. Januar 2023 (act. 513).

    4. Am 6. März 2023 fand die Schlussverhandlung im Scheidungsverfahren statt (Prot. Vi. S. 158 ff.). Nach dem Einreichen weiterer Unterlagen durch den Beklag- ten (act. 526) erging am 2. Juni 2023 die Verfügung zu den vom Beklagten bean- tragten vorsorglichen Massnahmen und das Urteil in der Scheidung ([act. 531 = act. 540/1 =] act. 541). Die beantragten vorsorglichen Massnahmen wies die Vor- instanz vollumfänglich ab (act. 541 S. 125 f. Verfügung Dispositiv Ziff. 2).

    1. Gegen diese Abweisung des Massnahmebegehrens erhebt der Beklagte mit Eingabe vom 6. Juli 2023 (Datum Poststempel) Berufung und stellt die folgenden Anträge (act. 539 S. 2).

      a) Die Verfügung des BG Uster vom 2. Juni 2023, Dispositiv Ziffer 2, Geschäfts-Nr. FE130001, sei aufzuheben und es sei Dispositiv Ziff. 4 der Verfügung des BG Uster vom 27. September 2010 da- hingehend abzuändern, so dass der an die Berufungsbeklagte festgelegte persönliche eheliche Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich CHF 4'200 rückwirkend per 14. August 2020 – oder seit wann rechtens – und bis zu einer anderslautenden Entscheidung aufgehoben wird.

      1. Eventualiter: Die Verfügung des BG Uster vom 2. Juni 2023, Dispositiv Ziffer 2, Geschäfts-Nr. FE130001, sei aufzuheben und es sei Dispositiv Ziffer 4 der Verfügung des BG Uster vom 27. September 2010 dahingehend abzuändern, so dass der Berufungsbeklagte eine Eigenversorgungsleistung von monatlich CHF 3'200 an den persönliche festgelegte persönli- che eheliche Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich

        CHF 4'200 rückwirkend per 14. August 2020 – oder seit wann rechtens – und bis zu einer anderslautenden Entscheidung anzurechnen ist und mithin der monatlich eheliche Unterhalts- betrag an die Berufungsbeklagte persönlich ab dem 14. Au- gust 2020 – oder seit wann rechtens – mit CHF 1'000 festzu- legen ist.

        1. Subeventualiter: Die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

          b) Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich der ge- setzlichen Mehrwertsteuer) zu Lasten der Berufungsbeklagten.

    2. Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (act. 1–537). Mit Verfügung vom 18. Juli 2023 wurde dem Beklagten Frist zur Leistung eines Vorschusses für die mutmasslichen Gerichtskosten angesetzt (act. 542). Der Beklagte leistete den Vorschuss innert Frist (act. 543 u. 544). Am 4. August 2023 (Datum Poststempel) reichte der Beklagte eine weitere Eingabe ein, mit welcher er seine Berufung er- gänzte (act. 545).

    3. Da sich die Berufung als unbegründet erweist (vgl. nachfolgende Erwägun- gen), kann auf das Einholen einer Stellungnahme verzichtet werden (Art. 312 Abs. 1 ZPO). Der Klägerin ist mit dem vorliegenden Entscheid ein Doppel der Be- rufungsschrift (act. 539) zuzustellen.

II.

1. Gegen erstinstanzliche Entscheide über vorsorgliche Massnahmen ist die Berufung zulässig (Art. 308 Abs. 1 lit. b ZPO). Gegenstand des vorliegenden Ver- fahrens sind Ehegattenunterhaltsbeiträge ab dem 14. August 2020 bis zur Rechtskraft des erstinstanzlichen Scheidungsurteils. Damit liegt eine vermögens- rechtliche Streitigkeit vor, wobei der Streitwert für die Berufung erreicht ist

(Art. 308 Abs. 2 ZPO, vgl. Verfügung vom 18. Juli 2023, act. 542).

    1. Die Berufung ist innerhalb der Rechtsmittelfrist begründet einzureichen (Art. 311 ZPO). Die Rechtsmittelfrist beträgt in summarischen Verfahren 10 Tage

      (Art. 314 Abs. 1 ZPO). Eine Nachbesserung der Berufungsschrift nach Ablauf die- ser Frist kommt nur bei behebbaren formalen Mängeln wie der fehlenden Unter- schrift infrage (Art. 132 Abs. 1 ZPO). Eine inhaltliche Ergänzung oder Nachbesse- rung der Berufungsschrift nach Ablauf der Frist ist nicht möglich (BGer 5A_7/2021 vom 2. September 2021, E. 2.2 m.w.H.).

    2. Der Beklagte nahm den vorinstanzlichen Entscheid am 26. Juni 2023 in Empfang (vgl. act. 523). Die zehntägige Berufungsfrist lief ihm entsprechend am

6. Juli 2023 ab. Die Berufung vom 6. Juli 2023 (Datum Poststempel) (act. 532) wurde daher rechtzeitig erhoben. Nicht mehr innerhalb der Berufungsfrist erfolgte indes die Eingabe vom 4. August 2023 (Datum Poststempel), mit welcher der Be- klagte seine Berufung inhaltlich ergänzte (act. 545). Sie ist daher nicht beachtlich.

    1. Im Berufungsverfahren wird der erstinstanzliche Entscheid überprüft. Dabei kann sowohl die unrichtige Rechtsanwendung als auch die unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Ebenfalls gerügt wer- den kann die (blosse) Unangemessenheit des vorinstanzlichen Entscheides, da es sich bei der Berufung um ein vollkommenes Rechtsmittel handelt. Bei der Er- messensüberprüfung auferlegt sich die Berufungsinstanz grundsätzlich insoweit Zurückhaltung, als sie nicht eigenes Rechtsfolgeermessen ohne Weiteres an die Stelle des vorinstanzlichen stellt, insbesondere wo es örtliche und persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen gilt, denen das Sachgericht nähersteht (vgl.

      BK ZPO-STERCHI, 2012, Art. 310 N 3; BLICKENSTORFER, DIKE-Komm ZPO, 2. Aufl.

      2016, Art. 310 N 10).

    2. Es gilt die Begründungsobliegenheit, was bedeutet, dass die Berufung füh- rende Partei sich mit den Erwägungen der Vorinstanz im Einzelnen auseinander- zusetzen und konkret aufzuzeigen hat, was am angefochtenen Urteil oder am Verfahren des Bezirksgerichtes falsch war. Daher genügt es nicht, lediglich auf die vor erster Instanz vorgetragenen Vorbringen zu verweisen oder diese einfach zu wiederholen, sich mit Hinweisen auf frühere Prozesshandlungen zufriedenzu- geben oder den angefochtenen Entscheid in allgemeiner Weise zu kritisieren.

      Fehlt eine hinreichende Begründung, tritt die Berufungsinstanz insoweit auf die Berufung nicht ein (vgl. z.B. BGE 138 III 374 E. 4.3.1).

    3. Gemäss Art. 317 Abs. 1 ZPO werden neue Tatsachen und Beweismittel (Noven) im Berufungsverfahren nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz hätten vorgebracht werden können.

    4. Die Berufungsinstanz wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO) und ist weder an die Begründung der Berufung noch an die Erwägungen der Vor- instanz gebunden. Bei der Begründung ihres Entscheids konzentriert sich die Be- rufungsinstanz auf die wesentlichen Überlegungen, von welchen sie sich leiten lässt. Die Begründungspflicht verpflichtet die Berufungsinstanz insbesondere nicht, sich mit jedem einzelnen Einwand der Parteien auseinanderzusetzen.

III.

    1. Eheschutzentscheide wirken grundsätzlich auch in den Zeitraum des hängi- gen Scheidungsverfahrens hinein, soweit sie nicht durch vorsorgliche Massnah- men im Rahmen des Scheidungsverfahrens ersetzt werden. Bei der Abänderung von Eheschutzmassnahmen im Rahmen vorsorglicher Massnahmen während des Scheidungsverfahrens sind die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sinngemäss anwendbar (Art. 276 Abs. 1 u. 2 ZPO

      i.V.m. Art. 271 ff. ZPO und Art. 172 ff. ZGB; BGer 5A_549 vom 11. September 2017, E. 4.). Gemäss dem damit zur Anwendung gelangenden Art. 179 Abs. 1 ZGB passt das Gericht auf Begehren eines Ehegatten die Massnahmen an, wenn sich die Verhältnisse ändern. Die Bestimmungen über die Änderung der Verhält- nisse bei Scheidung gelten dabei sinngemäss. Voraussetzung ist also eine we- sentliche und dauerhafte Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der An- ordnung der Massnahme. Eine Abänderung ist ferner möglich, wenn die tatsächli- chen Umstände, die dem Massnahmenentscheid zu Grunde lagen, sich nachträg- lich als unrichtig erwiesen haben, oder dem Gericht die Tatsachen nicht zuverläs- sig bekannt waren; in allen anderen Fällen aber steht die formelle Rechtskraft des

      Eheschutzentscheides einer Abänderung entgegen (BGE 143 III 42, E. 5.2; BGE 141 III 376 E. 3.3.1; BGer 5A_1018/2015 vom 8. Juli 2016, E. 4.; BSK ZGB I-ISEN-

      RING/KESSLER, 7. Aufl. 2022, Art. 179 N 3 f.). Veränderungen, welche im Zeitpunkt des Eheschutzentscheides bereits voraussehbar waren und mitberücksichtigt worden sind, bilden sodann keinen Abänderungsgrund (BGer 5A_597/2013 vom 4. März 2014, E. 3.4 u.H.a. BGE 138 III 289, E. 11.1.1 u. 131 III 189, E. 2.7.4).

    2. Es ist Sache der antragstellenden Partei, glaubhaft zu machen, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse seit Erlass des Eheschutzentscheides wesentlich und dauerhaft verändert haben bzw. das Eheschutzgericht von unrichtigen tat- sächlichen Verhältnissen ausgegangen ist. Die Veränderung mit den Kriterien der Wesentlichkeit und der Dauerhaftigkeit müssen zudem grundsätzlich zum Zeit- punkt der Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens eingetreten sein (BGer 5A_874/2019 vom 22. Juni 2020, E. 3.2.; FamKomm-MEIER/VETTERLI, 4. Aufl.

2022, Band I, Art. 176 ZGB N 2a).

  1. Vorliegend haben die Parteien – wie einleitend bereits gezeigt (vgl. E. I./1.2)

    • im Rahmen des Eheschutzverfahrens eine Vereinbarung getroffen, welche durch das Eheschutzgericht mit Verfügung vom 27. September 2010 genehmigt worden war (act. 4/24–25). Ziffern 4 und 6 der Vereinbarung lauteten wie folgt:

      (…)

      4. Der Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin für die Dauer des Getrenntlebens einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von insgesamt CHF 6'600.00 zu bezahl- ten, nämlich CHF 4'200.00 für die Klägerin persönlich und CHF 1'200.00, zu- züglich allfällige gesetzliche oder vertragliche Kinderzulagen, für jedes Kind, zahlbar im Voraus jeweils auf den Ersten eines jeden Monats, erstmals auf den 1. Juli 2010.

      Der Beklagte ist berechtigt, die seit 1. Juli 2010 an den Unterhalt der Klägerin und der Kinder bereits bezahlten Beiträge von gesamt CHF 12'500.00 zur Ver- rechnung zu bringen.

      (…)

      1. Dieser Vereinbarung liegen folgende finanzielle Verhältnisse der Parteien zu- grunde:

        • Erwerbseinkommen Beklagter (inkl. 13. Monatslohn, exklusive Kinderzula- gen): CHF 12'000.00 netto;

        • Erwerbseinkommen Klägerin: CHF 0.–;

        • Bedarf Beklagter: CHF 4'800.00

        • Bedarf Klägerin: CHF 6'000.00.

      (…)

          1. Mit Eingabe vom 14. August 2020 beantragte der Beklagte vor Vorinstanz im Rahmen des Scheidungsverfahrens (das erste und einzige Mal) eine Anpas- sung bzw. Aufhebung der durch ihn monatlich an die Klägerin zu zahlenden Un- terhaltsbeiträge von Fr. 4'200.–.

            Er führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Regelung im Eheschutz- entscheid sei getroffen worden, da der Klägerin Betreuungspflichten unterstellt worden seien und sie sich darin nicht von ihm – dem Beklagten – habe unterstüt- zen lassen wollen. Einer Erwerbstätigkeit habe sie so nicht nachgehen können. Indes habe sich die Klägerin nie darauf verlassen bzw. nie darauf vertrauen dür- fen, dass sich die Frage nach der ihr zumutbaren Eigenversorgung mit Blick auf die geltende Rechtsprechung im Verlaufe des Verfahrens nicht stellen würde, zu- mal die Kinder älter geworden seien und die später erforderliche Betreuung einer Erwerbstätigkeit nicht mehr entgegengestanden habe. Die Klägerin habe sich in den Jahren 2017 und 2018 in bescheidenem Umfang und mit wenigen Bewerbun- gen um eine Teilzeitanstellung im Bereich der Stoff- und Wollhandarbeit bemüht, aber keine Anstellung gefunden. Im Jahr 2018 habe sie selbst ein Geschäft eröff- net und sich selbständig gemacht. Das Geschäft scheine gut zu laufen und die Klägerin generiere aus ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit ein Einkommen. Da- mit habe die Klägerin nachgewiesen, über die zeitliche Kapazität zu verfügen, um einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachzugehen. Der Klägerin wäre es denn möglich, zum Zeitpunkt des Abänderungsbegehrens ein monatliches Einkommen von min- destens netto Fr. 4'500.– zu erwirtschaften, hätte sie sich rechtzeitig um eine An- stellung bemüht, womit ihr dieser Betrag als hypothetisches Einkommen anzu- rechnen sei (act. 444).

          2. Die Klägerin bestritt, dass sie nicht mehr habe darauf vertrauen dürfen, sich nicht um eine Erwerbstätigkeit bemühen zu müssen. Der bei der Trennung ge- schlossene Vergleich habe zu keinem Zeitpunkt vorgesehen, dass sie wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen habe. Diese Vereinbarung hätten die Parteien im Bewusstsein darüber getroffen, dass die Kinder älter werden würden und der Be- treuungsaufwand sich reduzieren würde. Zudem habe die Klägerin auch aufgrund der Lebensstellung während der Ehe mit klassischer Rollenverteilung und guten wirtschaftlichen Verhältnissen sowie ihres Alters auf den Weiterbestand der bishe- rigen Aufgabenteilung vertrauen dürfen. Auch habe der Beklagte selbst all die Jahre die Abänderung der Unterhaltsbeiträge nicht angestrebt, mithin den rechtli- chen und faktischen Zustand akzeptiert. Aufgrund all dessen habe die Klägerin sich darauf verlassen und nach Treu und Glauben davon ausgehen dürfen, dass sie nicht verpflichtet sei, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Der Klägerin sei es denn weder zuzumuten noch möglich, eine Arbeitsstelle zu finden, was ihre diver- sen vergeblichen Versuche, eine Anstellung zu finden, zeigten. Einziger Ausweg sei die Eröffnung eines eigenen Lädelis im Jahr 2019 gewesen, in welchem die Klägerin Selbstgebasteltes verkaufe, Kurse gebe, Kleideränderungen mache, etc. Gerade zu Beginn sei diese Tätigkeit aber mehr als Hobby zu bezeichnen gewe- sen. Entsprechend habe im Jahr 2019 ein Verlust resultiert und im Jahr 2020 praktisch kein Gewinn. Zwischenzeitlich habe sie ihren Gewinn kontinuierlich stei- gern können und erziele aktuell (Stand: 11. Januar 2023) einen solchen von durchschnittlich Fr. 1'432.35 im Monat. Dieser Betrag könne ihr aber frühestens ab Januar 2022 angerechnet werden (act. 513).

      3.2 Die relevanten Erwägungen der Vorinstanz zu den vorsorglichen Massnah- men finden sich in ihrem Entscheid auf den Seiten 69 ff., Erwägung 5. Die Vorin- stanz erwog zur Frage, inwiefern geänderte Verhältnisse im Sinne von Art. 179 ZGB vorlägen, der Beklagte leite den Anspruch auf eine Anpassung aus der Ver- änderung der Einkommenszahlen der Klägerin ab, indem er ein hypothetisches Einkommen der Klägerin von monatlich Fr. 4'500.– geltend mache. Ein (hypotheti- sches) Einkommen sei der Klägerin aber erst ab dem 1. Januar 2024 anzurech- nen, wenn diese nach einer ausreichenden Übergangsfrist die Gelegenheit ge- habt habe, ihr Einkommen anzupassen. Denn auch wenn die Klägerin eine überaus lange Zeit nach der definitiven Trennung keiner Erwerbstätigkeit nachgegan- gen sei, habe der Beklagte seinerseits erst im August 2020 einen Antrag auf eine Anpassung der Unterhaltsregelung gestellt. Hinzu komme, dass bereits im Sep- tember 2010 – dem Zeitpunkt des Eheschutzentscheides – mit Blick auf die da- mals noch geltende 10/16er-Regel vorhersehbar gewesen sei, dass sich für die Klägerin angesichts des Alters des jüngsten Kindes die Frage nach der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gestellt habe. Weder sei aber in der Eheschutzvereinba- rung eine entsprechende Anpassung des Unterhaltes vorgesehen worden, noch sei mit Eingabe des Scheidungsverfahrens durch Antrag auf Anordnung vorsorgli- cher Massnahmen eine entsprechende Änderung angestrebt worden. Mit Blick darauf, dass im vorliegenden Scheidungsverfahren wiederholt Anträge um Anord- nung vorsorglicher Massnahmen gestellt worden seien, wäre es dem Beklagten denn auch zuzumuten gewesen, einen entsprechenden Antrag bereits früher zu stellen, und unter diesen Umständen wäre der Klägerin allenfalls bereits auch frü- her ein hypothetisches Einkommen anzurechnen gewesen. Konkret ergebe sich, dass sich die Einkommensverhältnisse der Klägerin nicht wesentlich verändert hätten, habe sie doch in den sieben Monaten vor Einleitung des Antrages mit dem von ihr eröffneten Laden einen monatlichen Verlust von Fr. 245.– erzielt, danach einen Gewinn von monatlich Fr. 370.–. Bei dieser Situation sei nicht von einer we- sentlichen Veränderung der Einkommenssituation der Klägerin zum Zeitpunkt des Abänderungsbegehrens am 14. August 2020 auszugehen (act. 541 E. 5., insb.

      E. 5.4. ff.).

          1. Vorab – bevor sein Standpunkt wiederzugeben ist – ist zur Berufungsschrift des Beklagten (act. 539) der Klarheit halber das Folgende festzuhalten: Der Be- klagte will mit seiner Berufung in erster Linie erreichen, dass der Klägerin ab dem Zeitpunkt der Anhängigmachung seines Abänderungsbegehrens ein hypotheti- sches Einkommen anzurechnen und der Ehegattenunterhalt entsprechend herab- zusetzen bzw. aufzuheben sei. Seine Ausführungen dazu finden sich in der Beru- fungsschrift auf S. 11 ff. unter dem Titel Verletzung des anwendbaren Rechts zur Festlegung des Zeitpunktes der Anrechnung eines (hypothetischen) Einkom- mens. Neben diesen Ausführungen finden sich in der Berufungsschrift Vorbe- merkungen, welche indes im Wesentlichen eine Zusammenfassung des Verfahrensganges vor und eine allgemeine Kritik am Urteilsaufbau der Vorinstanz ent- halten und aus denen der Beklagte nichts Konkretes für seinen Standpunkt ablei- tet (a.a.O., S. 6 ff.); zudem macht der Beklagte eine Verletzung der Dispositions- und Verhandlungsmaxime (a.a.O, S. 13), der Beweisregel der ZPO und des ZGB (a.a.O., S. 14 f.) und der Vorschriften zum Summarverfahren geltend (a.a.O.,

            S. 16), und er erhebt Rügen hinsichtlich einer falschen Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz (a.a.O., S. 17 ff.). Auf diese Ausführungen ist später einzu- gehen (vgl. E. III./5.). Hier wiederzugeben sind – da vordergründig relevant – ein- zig die Ausführungen des Beklagten zur Verletzung des anwendbaren Rechts zur Festlegung des Zeitpunktes der Anrechnung eines (hypothetischen) Einkom- mens:

          2. Diesbezüglich trägt der Beklagte vor, die Vorinstanz gehe fehl, wenn sie in der Erwägung 4.3.8.8 die Anrechenbarkeit eines rückwirkenden hypothetischen Einkommens verneine. Zwar sei es zutreffend, dass grundsätzlich eine Überg- angsfrist anzusetzen sei und diese erst mit der erstmaligen richterlichen Eröffnung Wirkung entfalten könne. Eine rückwirkende Anrechnung eines hypothetischen Einkommens sei ausnahmeweise aber durchaus möglich. Ein solcher Fall liege

      u.a. dann vor, wenn für die vermeintlich unterhaltsberechtigte Person die gefor- derte Umstellung in ihren Lebensverhältnissen und das Erfordernis ihres vermehr- ten beruflichen Einsatzes vorhersehbar gewesen seien. Diese Voraussetzung sei vorliegend erfüllt. So sei die Vorinstanz in ihren Erwägungen 4.1.–4.3.8.7. explizit zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin damit habe rechnen müssen, wieder ei- ner Erwerbstätigkeit nachgehen zu müssen. In der Begründung der Selbständig- keit der Klägerin erkenne die Vorinstanz dann zu Recht die Aufgabe des Stand- punktes durch die Klägerin, wonach für sie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unmöglich sei. Entsprechend bringe die Vorinstanz die erwähnte Ausnahme zu Unrecht nicht zur Anwendung. 2018 habe sich die Klägerin in Kenntnis der da- mals geltenden Rechtslage selbständig gemacht und damit selbst den Beweis er- bracht, einer 100% Anstellung nachgehen zu können. Damit seien die Vorausset- zungen zur Anrechnung eines hypothetischen Einkommens bereits im August 2020 erfüllt gewesen. Aufgrund der geltenden Rechtslage habe die Klägerin damit rechnen müssen, dass wenn sie einer Arbeitstätigkeit nachgehe, sie ihre Eigenversorgungskapazität maximal ausschöpfen müsse. Entsprechend habe – entge- gen der Vorinstanz – hier eine rückwirkende Anrechnung des hypothetischen Ein- kommens zu erfolgen (act. 539 Ziff. 3.b.i).

        1. Wie gezeigt (hiervor E. III./3.2 einleitend), finden sich die Erwägungen der Vorinstanz zu den vorsorglichen Massnahmen in ihrem Entscheid in der Erwä- gung 5. Auffallend ist, dass der Beklagte auf diese Erwägung im Rahmen seiner eben wiedergegebenen Begründung keinen Bezug nimmt. Vielmehr nimmt er ex- plizit Bezug auf die vorinstanzlichen Erwägungen 4.1.–4.3.8.8., wobei diese zwar durchaus Ausführungen zur Frage der Anrechenbarkeit eines hypothetischen Ein- kommens enthalten (vgl. act. 541 S. 25 ff. E. 4.3.) und an einer Stelle auch vernei- nen, dass der Klägerin rückwirkend ein hypothetischen Einkommen angerechnet werden kann (vgl. act. 541 S. 43 E. 4.3.8.9, wobei der Beklagte auf diese letzte Erwägung 4.3.8.9. wiederum gar nicht Bezug nimmt). Diese Erwägungen erfolgen in erster Linie aber in Bezug auf den nachehelichen Unterhalt und zur Frage, in- wiefern der Klägerin diesbezüglich ein hypothetisches Einkommen anzurechnen sei. Der eheliche Unterhalt ist da nicht Thema. Entsprechend setzt sich der Be- klagte mit den hier relevanten vorinstanzlichen Erwägungen 5.4.–5.6. (act. 541

          S. 72 ff.) nicht auseinander und genügt damit einer hinreichenden Begründung nicht.

        2. Mangels dieser Auseinandersetzung verfängt letztlich auch die Kritik des Be- klagten nicht, die Vorinstanz habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass ein hypo- thetisches Einkommen ausnahmeweise rückwirkend anzurechnen sei, da für die Klägerin das Erfordernis des vermehrten beruflichen Einsatzes vorhersehbar ge- wesen sei. Mit dieser Frage setzt sich die Vorinstanz, wenn auch nicht unter expli- ziter Nennung der rechtlichen Grundlagen bzw. entsprechenden Rechtsprechung, wohl auseinander. Namentlich legt sie in der Erwägung 5.4. (act. 541 S. 72 f.) dar, weshalb der Klägerin für die Zeit vor dem Entscheid (und damit eben auch nicht rückwirkend) kein hypothetisches Einkommen angerechnet werden könne. Dies begründete die Vorinstanz im Wesentlichen (und wie gezeigt, vgl. hiervor

          E. III./3.2) mit dem langen Zuwarten des Beklagten bis zum Stellen des Abände- rungsbegehrens sowie dem Umstand, dass keine Regelung zur Anpassung des

          Unterhaltes zum Zeitpunkt der Eheschutzvereinbarung trotz geltender 10/16-Re- gel und trotz vorhersehbarer Veränderung der Verhältnisse (fortschreitendes Alter der Kinder, Reduktion des Betreuungsaufwandes) getroffen worden und auch mit Einreichung des Scheidungsverfahrens nicht verlangt worden sei. Damit gibt die Vorinstanz dem Standpunkt der Klägerin recht, wonach sie aufgrund dieser Um- stände darauf habe vertrauen dürfen, sich nicht um eine Erwerbstätigkeit bemü- hen zu müssen (vgl. hiervor E. III./3.1.2). Diesen Erwägungen setzt der Beklagte

    • mangels einer Auseinandersetzung damit – nichts entgegen.

      1. Falsch ist im Übrigen die Behauptung des Beklagten, die Vorinstanz sei im Rahmen der Erwägungen 4.1.–4.3.8.7. – wobei er es unterlässt, die exakte Fund- stelle zu bezeichnen – richtig zum Schluss gekommen, die Klägerin habe durch Begründung ihrer Selbständigkeit ihren Standpunkt aufgegeben, wonach für sie die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit unmöglich sei. Die Vorinstanz erwog an einer Stelle nämlich lediglich, die Klägerin habe ihren ursprünglichen Stand- punkt, wonach sie im Alter über 50 Jahren gemäss der 45er-Regel keiner Arbeits- tätigkeit mehr nachzugehen habe, implizit aufgegeben (vgl. act. 541 S. 31

        E. 4.3.4.3.). Die Vorinstanz impliziert aber nicht, dass die Klägerin ihren Stand- punkt, dass ihr die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch aus anderen Gründen unmöglich sei, aufgegeben habe. Ohnehin erfolgen diese vorinstanzlichen Erwä- gungen aber im Hinblick auf den nachehelichen Unterhalt. Der Beklagte hätte konkret darzutun, inwiefern sie auch im Hinblick auf den Ehegattenunterhalt und das von ihm gestellte Abänderungsbegehren relevant wären.

      2. Wenn der Beklagte sodann ausführt, die Vorinstanz sei in den Erwägungen 4.1.–4.3.8.7. selbst zum Schluss gekommen, dass die Klägerin mit der Wiederauf- nahme einer Erwerbstätigkeit habe rechnen müssen, so unterlässt er es wie- derum, die Fundstelle genau zu bezeichnen, und eine entsprechende Stelle findet sich auch nicht. Auf das entsprechende Vorbringen ist schon deshalb nicht weiter einzugehen.

        1. Neben dem, dass der Beklagte sich ungenügend bzw. gar nicht mit den vor- instanzlichen Entscheidgründen auseinandersetzt, steht einer Anpassung der Unterhaltsbeiträge im Rahmen des Berufungsverfahrens zudem das Folgende im Wege:

        2. Im ehelichen Summarverfahren gilt zwar sowohl vor erster als auch zweiter Instanz bezüglich der Ehegattenunterhaltsbeiträge die eingeschränkte Untersu- chungs- sowie die Dispositionsmaxime. Dies bedeutet, dass das Gericht regel- mässig eine erhöhte Fragepflicht trifft (Art. 272 ZPO, vgl. auch: BSK ZPO-BÄHLER,

  2. Aufl. 2017, Art. 272 N 1; ZK ZPO-SUTTER-SOMM/HOSTETTLER, 3. Aufl. 2016,

Art. 272 N 12). Jedoch bleibt zu beachten, dass die soziale Untersuchungsmaxi- me nur zum Ausgleich eines Machtgefälles zwischen den Parteien greift. Daraus folgt, dass sich das Gericht bei zwei anwaltlich vertretenen Parteien bei der Fest- stellung des Sachverhaltes wie im ordentlichen Prozess zurückzuhalten hat (ZK ZPO-SUTTER-SOMM/HOSTETTLER, 3. Aufl. 2016, Art. 272 N 14 m.w.H.; vgl. auch

Botschaft ZPO, BBl 2006 S. 7221 ff., S. 7348). Eine anwaltlich vertretene Partei, welche einen Anspruch geltend macht, muss wissen, welcher Behauptungen und Unterlagen es zur Gutheissung ihres Gesuches bedarf, und es ist ihre Aufgabe, dem Gericht die nötigen Tatbestandselemente zu nennen (Behauptungs- und Substantiierungslast) und ihm die verfügbaren Beweismittel zu liefern (Beweis- last), welche unter die ihr Begehren stützenden Normen zu substantiieren sind (BGE 141 III 569, E. 2.3.1; ZK ZPO-SUMMER-SOMM/SCHRANK, 3. Aufl. 2016,

Art. 55 N 64 u. 71; BSK ZPO-GEHRI, 3. Aufl. 2017, Art. 55 N 3; z.B. auch: BGer

4A_519/2010 vom 11. November 2010, E. 2.2).

      1. Wird die Abänderung von Unterhaltsbeiträgen verlangt und sind die Abände- rungsvoraussetzungen erfüllt, so setzt das Gericht die Unterhaltsbeiträge neu fest. Hierzu sind auch die übrigen Berechnungselemente, die dem abzuändern- den Entscheid zu Grunde lagen, auf den neuesten Stand zu bringen (vgl. statt vie- ler: FamKomm-MAIER/VETTERLI, 4. Aufl. 2022, Band I, Art. 179 N 3b). Selbstre- dend ist dies nur möglich, wenn das Gericht von der gesuchstellenden Partei, wel- che die Abänderung der Unterhaltsbeiträge erreichen will, über die entsprechen- den Verhältnisse (Einkommen und Bedarfszahlen der Parteien) unterrichtet wird, hat doch der Berufungskläger wie im erstinstanzlichen Verfahren auch im Beru- fungsverfahren seine Behauptungen bestimmt und vollständig aufzustellen (vgl.

ZPO-Rechtsmittel-KUNZ, 2013, Art. 311 N 96; ZK ZPO-REETZ/THEILER, 3. Aufl.

2016, Art. 311 N 33 u. 36). Es ist insbesondere nicht Aufgabe der Kammer, in den vorinstanzlichen Akten nach Vorbringen und Unterlagen zu suchen, welche das Begehren des Beklagten zu stützen bzw. überhaupt erst zu begründen vermögen (statt vieler: OGer ZH LY130013 vom 6. August 2013, E. I./4).

Der Beklagte äussert sich im Rahmen seiner Berufung mit keinem Wort da- zu, auf welche Zahlen die Kammer zur neuen Festsetzung des Ehegattenterhal- tes abzustellen hätte, und dazu hatte er sich bereits in seinem am 14. August 2020 gestellten Abänderungsbegehren vor Vorinstanz nicht geäussert (act. 444). Weder enthält seine Berufungsschrift (oder die Eingabe vor Vorinstanz, act. 444) Ausführungen zu den Positionen und der Höhe des Bedarfes der Klägerin, noch zu seinem eigenen Einkommen oder Bedarf. Im Rahmen der Berufungsschrift macht er auch nirgends explizit geltend, es wäre für die hiesige Berechnung des Ehegattenunterhaltes auf die von der Vorinstanz im Zusammenhang mit dem nachehelichen Unterhalt angenommenen Bedarfs- und Einkommenszahlen abzu- stellen bzw. legt er nicht dar, inwiefern diese im Hinblick auf den Ehegattenunter- halt allenfalls anzupassen wären. Selbst wenn dem Standpunkt des Beklagten, es sei der Klägerin grundsätzlich ein rückwirkendes hypothetisches Einkommen an- zurechnen, zu folgen wäre, wäre damit eine Überprüfung und Anpassung des Ehegattenunterhaltes nicht möglich. Ebenso verunmöglicht diese ungenügende Begründung, die Ehegattenunterhaltsbeiträge für die Zukunft, namentlich bis zum Eintritt der Rechtskraft des vorinstanzlichen Scheidungsurteiles, anzupassen. Die im Eventualstandpunkt aufgestellte Rechnung des Beklagten, wonach vom Unter- haltsanspruch der Klägerin in der Höhe von Fr. 4'200.-- ihre Eigenversorgungs- leistung von Fr. 3'200.-- ab seit wann rechtens in Abzug zu bringen sei, was zu einer noch zu leistenden Unterhaltszahlung von Fr. 1'000.-- führe (act. 539 S. 2, 20), kann nicht übernommen werden. Dem ehelichen Unterhaltsrecht ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine zeitliche Limitierung des zur Erreichung des gebührenden Unterhalts notwendigen Unterhaltsbeitrages fremd; solange das Eheband besteht, kommt der Art. 163 ZGB zugrunde liegende Gleichbehand- lungsgrundsatz zum Tragen, gemäss welchem beide Ehegatten in gleicher Weise und grundsätzlich unabhängig von Kriterien wie Lebensprägung und Ehedauer im

Rahmen der verfügbaren Mittel Anspruch auf Fortsetzung des gemeinsam geleb- ten Standards haben; unterhaltsbegrenzend wirkt hier einzig eine tatsächliche oder hypothetische Eigenversorgung (BGer 5A 849/2020 vom 27. Juni 2022 E. 5). Die vom Beklagten aufgestellte Berechnung berücksichtigt somit den Umstand nicht, dass die Klägerin am ehelichen Standard partizipieren soll.

Die Klägerin ist ihrer Obliegenheit zur Eigenversorgung nachgekommen und hat mittlerweile eine Erwerbstätigkeit gefunden. Das Einkommen daraus soll sich Ausführungen der Klägerin vor Vorinstanz zufolge positiv entwickeln (act. 541

S. 35). Diese Entwicklung findet Niederschlag im ab Januar 2024 der Klägerin an- gerechneten (teilweise) hypothetischen Einkommen (act. 541 S. 44).

4.6 Nach dem Gesagten mangelt es der Berufung des Beklagten, soweit er da- mit eine Anpassung des Ehegattenunterhaltes erreichen will, an einer hinreichen- den Begründung.

  1. Zu den weiteren Kritikpunkten des Beklagten am vorinstanzlichen Entscheid bzw. am Vorgehen der Vorinstanz ergibt sich sodann, was folgt:

        1. Der Beklagte macht im Rahmen seiner Berufung geltend, die Vorinstanz ha- be bei der Festsetzung des hypothetischen Einkommens in den Erwägungen

          4.3.8.5. und 4.3.8.6. die Dispositions- und Eventualmaxime verletzt, indem sie Ausführungen zum Arbeitspensum und anzurechnenden Lohn der Klägerin ma- che und ihr eine Übergangsfrist gewähre, ohne dass die Klägerin entsprechende Anträge gestellt habe (act. 539 S. 13 f.).

        2. Auf dieses Vorbringen braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. Sie richten sich gegen Erwägungen der Vorinstanz zur Festsetzung des nacheheli- chen Unterhaltes, und eben nicht des hier relevanten ehelichen Unterhaltes. Der nacheheliche Unterhalt ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Vorliegend erüb- rigt sich eine Prüfung eines allfälligen hypothetischen Einkommens der Klägerin im Hinblick auf den ehelichen Unterhalt wie gezeigt bereits aufgrund der unzurei- chenden Begründung der Berufung – entsprechend stellt sich hier die Frage nach Pensum, Lohn und Übergangsfrist nicht.

        3. Aus diesem Grund ist im Übrigen auch auf die Sachverhaltsrügen des Be- klagten nicht weiter einzugehen, namentlich die Vorinstanz habe der Klägerin zu Unrecht im Hinblick auf ein hypothetisches Einkommen lediglich ein Pensum von 80% (und nicht von 100%) angerechnet (act. 539 S. 17 f.) und auch die Höhe des hypothetisch zu erwirtschaftenden Einkommens falsch festgesetzt (a.a.O.,

    S. 18 f.). Diese Kritik betrifft wiederum Erwägungen zum (hier nicht gegenständli- chen) nachehelichen Unterhalt.

        1. Der Beklagte rügt sodann das Vorgehen der Vorinstanz im Zusammenhang mit der Berechnung des durch die Klägerin im Rahmen ihrer Selbständigkeit tat- sächlich generierten Einkommens (vgl. Entscheid der Vorinstanz, act. 541 S. 73

          E. 5.5.; vgl. hiervor E. III./3.2 in fine). Er macht geltend, die Vorinstanz habe die Klägerin mit Verfügung vom 20. November 2022 aufgefordert, eine Buchhaltung für ihr Geschäft sowie alle relevanten Unterlagen einzureichen, woraus eine klare Abgrenzung zwischen privatem und geschäftlichem Aufwand vorgenommen wer- den könne. Er selbst habe argumentiert, dass die von der Klägerin eingereichten Unterlagen keine genaue Auswertung zulassen würden. In ihrer Erwägung 5.5. nehme die Vorinstanz nun aber mit keinem Wort Bezug auf irgendwelche edierten Unterlagen und äussere sich mit keinem Wort zur notwendigen Abgrenzung. Dass er selbst den Umstand, dass die Klägerin ihrer Editionspflicht nicht nachgekom- men sei, kritisiert habe, übersehe die Vorinstanz und stelle unbesehen auf die von der Klägerin geltend gemachten Finanzdaten ab. Damit habe die Vorinstanz die Beweisregel von Art. 8 ZGB verletzt (act. 539 S. 14 f.).

        2. Bei diesen Vorbringen übersieht der Beklagte, dass die Vorinstanz sich mit seinem Einwand zu den von der Klägerin behaupteten Zahlen durchaus an einer Stelle ihres Entscheides auseinandersetzte. So erwog die Vorinstanz in den Er- wägungen 4.3.7.1. f. (act. 541 S. 37), der Beklagte selbst mache keine bezifferten Angaben zum konkreten Einkommen der Klägerin. Wohl stelle er die Plausibilität der von ihr genannten Zahlen in Abrede, allerdings ohne diesen konkrete eigene Behauptungen entgegenzustellen. Alleine aus dem Umstand, dass üblicherweise viele private Aufwendungen über eine eigene Unternehmung abgewickelt würden,

          ergebe sich noch nicht die Unglaubhaftigkeit der von der Klägerin genannten Zah- len. Diese erschienen im Übrigen plausibel.

        3. Mit diesen Erwägungen der Vorinstanz setzt sich der Beklagte mit seiner all- gemein gehaltenen Kritik nicht auseinander. Insbesondere macht er auch nach wie vor keine Angaben dazu, von welchen konkreten Zahlen – entgegen den Be- hauptungen der Klägerin – auszugehen wäre, bzw. inwiefern er die Zahlen der Klägerin als falsch bzw. nicht repräsentativ ersieht. Hinzu kommt, dass ohnehin unklar bleibt, was der Beklagte aus seiner Kritik im Hinblick auf die vorliegende Berufung konkret ableiten will. Dass der Schluss der Vorinstanz, welche ausge- hend von den konkreten Einkommenszahlen der Klägerin eine erhebliche Verän- derung der Verhältnisse zum Zeitpunkt des Einreichung des Abänderungsgesu- ches verneinte (vgl. hiervor E. III./3.2 in fine), falsch ist, macht er jedenfalls nicht geltend. Seine losgelöst von den vorinstanzlichen Erwägungen erfolgte Beru- fungsbegründung genügt damit auch hier den Anforderungen an eine hinreichen- de Begründung nicht.

        1. Der Beklagte bemängelt sodann an diversen Stellen, insbesondere aber auf Seite 16 seiner Berufungsschrift (act. 539) die Dauer des vorinstanzlichen Verfah- rens. So habe er sein Massnahmenbegehren im August 2020 eingereicht, dar- über entschieden worden sei aber erst drei Jahre später, und zwar ausgehend von den Verhältnissen im Urteilszeitpunkt.

        2. Zuzustimmen ist dem Beklagten, dass die Verfahrensdauer von drei Jahren für ein Verfahren über vorsorgliche Massnahmen tatsächlich sehr lange ist. Indes bleibt unklar, was der Beklagte aus diesem Umstand zum heutigen Zeitpunkt für seinen Standpunkt ableiten will. Es hätte dem Beklagten seinerseits offen gestan- den, die Vorinstanz zu einer zügigeren Behandlung des Massnahmenverfahrens anzuhalten. Dies tat er nicht. Seine nunmehr erhobene Kritik an der vorinstanzli- chen Verfahrensdauer hilft ihm hier nicht.

  2. Nach dem Gesagten genügt die Berufung des Beklagten den Begründungs- anforderungen insgesamt nicht. Es ist darauf nicht einzutreten.

IV.

  1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beklagte kostenpflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Eine Abweichung von diesem Grundsatz gestützt auf

    Art. 107 Abs. 1 lit. c ZPO ist weder angemessen noch könnten der Klägerin, wel- che sich gar nicht zur Berufung äussern musste und konnte, irgendwelche Kosten in diesem Zusammenhang auferlegt werden.

  2. Für das zweitinstanzliche Verfahren ist die Entscheidgebühr in Anwendung von § 12 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 bis 3 sowie § 8 Abs. 1 der Ge- bührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (GebV OG) festzu- setzen. Unter Berücksichtigung des Streitwertes von Fr. 142'800.– (vgl. Verfü- gung vom 18. Juli 2023, act. 542) erscheint eine Entscheidgebühr von Fr. 3'000.– als angemessen.

  3. Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen. Dem Beklagten nicht, da er mit seiner Berufung unterliegt, der Klägerin nicht, da ihr im Zusammenhang mit der Berufung keine Aufwände entstanden sind, die zu entschädigen wären.

Es wird beschlossen:

  1. Auf die Berufung wird nicht eingetreten.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'000.– festgesetzt.

  3. Die Gerichtkosten werden dem Beklagten und Berufungskläger auferlegt und mit dem von ihm geleisteten Vorschuss verrechnet.

  4. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Klägerin und Berufungsbeklag- te unter Beilage von act. 539 und an das Bezirksgericht Uster, je gegen Empfangsschein.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG. Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt

Fr. 142'800.–.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

i.V. die Gerichtsschreiberin:

MLaw C. Funck

versandt am:

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