Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LY230022 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 01.09.2023 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 5A_774/2023 |
Leitsatz/Stichwort: | Ehescheidung (vorsorgliche Massnahmen) |
Zusammenfassung : | Ein Mann namens A______ hat gegen ein Urteil Berufung eingelegt, das ihm das Sorgerecht für seine Kinder entzogen hat. Er fordert, dass die Kinder bei ihm bleiben und er Besuchsrechte erhält. Die Mutter der Kinder, B______, widersetzt sich dem und will, dass die Kinder die Ferien bei ihr verbringen. Nach Prüfung der Fakten und des Rechts spricht das Gericht vorläufige Massnahmen zugunsten von A______ aus und erlaubt ihm, die Kinder über die Weihnachtsferien zu besuchen. B______ wird in ihren Anträgen abgewiesen. Richterin: Jocelyne DEVILLE-CHAVANNE |
Schlagwörter : | Berufung; Vorinstanz; Einkommen; Unterhalt; Beklagten; Erwägung; Massnahme; Entscheid; Massnahmen; Erwägungen; Recht; Abänderung; Unterhalts; Verfahren; Einkommens; Begründung; Erwerbstätigkeit; Verfügung; Parteien; Scheidung; Verhältnisse; Gericht; Ehegatten; Zeitpunkt; Kinder; Vereinbarung; Eingabe; Scheidungsverfahren |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ; Art. 112 ZGB ; Art. 132 ZPO ; Art. 163 ZGB ; Art. 176 ZGB ; Art. 179 ZGB ; Art. 272 ZPO ; Art. 308 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 312 ZPO ; Art. 314 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 57 ZPO ; Art. 8 ZGB ; Art. 98 BGG ; |
Referenz BGE: | 138 III 289; 138 III 374; 141 III 376; 141 III 569; 143 III 42; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: LY230022-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach und Oberrichterin lic. iur.
R. Bantli Keller sowie Gerichtsschreiberin MLaw M. Schnarwiler
Beschluss vom 1. September 2023
in Sachen
,
Beklagter und Berufungskläger
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. _,
gegen
,
Klägerin und Berufungsbeklagte
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y. _, betreffend Ehescheidung (vorsorgliche Massnahmen)
Erwägungen:
Die Parteien haben am tt. Juni 2000 geheiratet. Sie haben die gemeinsamen Kinder C. , geboren am tt. Februar 2001, und D. , geboren am tt. September 2003 (act. 13).
Am 3. Juni 2010 haben sich die Parteien getrennt und sie standen sich seit Juli 2010 vor dem Einzelgericht s.V. des Bezirksgerichtes Uster (Eheschutzgericht) in einem Eheschutzverfahren gegenüber. Im Rahmen dieses Eheschutzverfahrens trafen sie eine Vereinbarung, gemäss welcher die Kinder unter die Obhut der Klägerin und Berufungsbeklagten (fortan Klägerin) gestellt wurden und in der das Besuchsrecht zwischen den Kindern und dem Beklagten und Berufungskläger (fortan Beklagter) geregelt wurde. Zudem wurde der Unterhalt geregelt: Der Beklagte verpflichtete sich gemäss Vereinbarung zur Leistung von monatlichen Unterhaltsbeiträgen von Fr. 6'600, davon Fr. 4'200 für die Klägerin persönlich und je Fr. 1'200 zzgl. Allfällige Kinderzulagen für jedes Kind (Ziff. 4 der Vereinbarung, act. 2/24). Die Vereinbarung wurde durch das Eheschutzgericht mit Entscheid vom 27. September 2010 genehmigt bzw. wurde davon Vormerk genommen (Geschäfts-Nr. EE100088-I, act. 4/25)
Mit Eingabe vom 4. Januar 2013 reichte der Beklagte beim Einzelgericht im ordentlichen Verfahren des Bezirksgerichtes Uster (fortan Vorinstanz) ein gemeinsames Scheidungsbegehren und Begehren um Regelung der strittigen Nebenfolgen durch das Gericht (Art. 112 ZGB) ein, das die Parteien am 4. bzw. 18 Oktober 2012 unterzeichnet hatten (act. 1 u. 3). Nach durchgefährter Anhürung und Instruktionsverhandlung wurde den Parteien mit Verfügung vom 27. Mai 2013 die Klägerinnen- und Beklagtenrolle zugeteilt und das Verfahren strittig fortgefährt, wobei im Verlaufe des Scheidungsverfahrens durch die Vorinstanz wiederholt (superprovisorisch) beantragte vorsorgliche Massnahmen zu behandeln waren
(act. 29 ff.).
Namentlich (und hier interessierend) mit Eingabe vom 14. August 2020 stellte der Beklagte (superprovisorisch) ein solches Massnahmebegehren. Er zielte mit diversen Anträgen im Wesentlichen und soweit hier vorderGründig relevant darauf, es sei in Abänderung der durch das Eheschutzgericht genehmigten Vereinbarung Ziff. 4 seine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt an die Klägerin persönlich per sofort aufzuheben (act. 444, insb. Antrag Ziff. 1.4.1.).
Die Vorinstanz wies die Begehren soweit diese superprovisorisch gestellt waren mit Verfügung vom 19. August 2020 ab (act. 447). Am 3. November 2020 fand vor der Vorinstanz eine Verhandlung zu den vorsorglichen Massnahmen statt, wobei keine ParteivortRüge zu den Massnahmen erfolgten und keine VergleichsGespräche gefährt wurden, da die Klägerin einen Interessenskonflikt auf Seiten des Parteivertreters des Beklagten geltend machte (Prot. Vi. S. 144 ff.). Mit Verfügung vom 30. November 2022 setzte die Vorinstanz der Klägerin Frist an, zum vom Beklagten mit Eingabe vom 14. August 2020 gestellten vorsorglichen Massnahmebegehren Stellung zu nehmen (act. 505). Die Stellungnahme erfolgte am 11. Januar 2023 (act. 513).
Am 6. März 2023 fand die Schlussverhandlung im Scheidungsverfahren statt (Prot. Vi. S. 158 ff.). Nach dem Einreichen weiterer Unterlagen durch den Beklagten (act. 526) erging am 2. Juni 2023 die Verfügung zu den vom Beklagten beantragten vorsorglichen Massnahmen und das Urteil in der Scheidung ([act. 531 = act. 540/1 =] act. 541). Die beantragten vorsorglichen Massnahmen wies die Vorinstanz vollumfänglich ab (act. 541 S. 125 f. Verfügung Dispositiv Ziff. 2).
Gegen diese Abweisung des Massnahmebegehrens erhebt der Beklagte mit Eingabe vom 6. Juli 2023 (Datum Poststempel) Berufung und stellt die folgenden Anträge (act. 539 S. 2).
a) Die Verfügung des BG Uster vom 2. Juni 2023, Dispositiv Ziffer 2, Geschäfts-Nr. FE130001, sei aufzuheben und es sei Dispositiv Ziff. 4 der Verfügung des BG Uster vom 27. September 2010 dahingehend abzuändern, so dass der an die Berufungsbeklagte festgelegte persönliche eheliche Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich CHF 4'200 Rückwirkend per 14. August 2020 seit wann rechtens und bis zu einer anderslautenden Entscheidung aufgehoben wird.
Eventualiter: Die Verfügung des BG Uster vom 2. Juni 2023, Dispositiv Ziffer 2, Geschäfts-Nr. FE130001, sei aufzuheben und es sei Dispositiv Ziffer 4 der Verfügung des BG Uster vom 27. September 2010 dahingehend abzuändern, so dass der Berufungsbeklagte eine Eigenversorgungsleistung von monatlich CHF 3'200 an den persönliche festgelegte persönliche eheliche Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich
CHF 4'200 Rückwirkend per 14. August 2020 seit wann rechtens und bis zu einer anderslautenden Entscheidung anzurechnen ist und mithin der monatlich eheliche Unterhaltsbetrag an die Berufungsbeklagte persönlich ab dem 14. August 2020 seit wann rechtens mit CHF 1'000 festzulegen ist.
Subeventualiter: Die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
b) Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer) zu Lasten der Berufungsbeklagten.
Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (act. 1537). Mit Verfügung vom 18. Juli 2023 wurde dem Beklagten Frist zur Leistung eines Vorschusses für die mutmasslichen Gerichtskosten angesetzt (act. 542). Der Beklagte leistete den Vorschuss innert Frist (act. 543 u. 544). Am 4. August 2023 (Datum Poststempel) reichte der Beklagte eine weitere Eingabe ein, mit welcher er seine Berufung ergänzte (act. 545).
Da sich die Berufung als unbegründet erweist (vgl. nachfolgende Erwägungen), kann auf das Einholen einer Stellungnahme verzichtet werden (Art. 312 Abs. 1 ZPO). Der Klägerin ist mit dem vorliegenden Entscheid ein Doppel der Berufungsschrift (act. 539) zuzustellen.
1. Gegen erstinstanzliche Entscheide über vorsorgliche Massnahmen ist die Berufung zulässig (Art. 308 Abs. 1 lit. b ZPO). Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind EhegattenunterhaltsbeitRüge ab dem 14. August 2020 bis zur Rechtskraft des erstinstanzlichen Scheidungsurteils. Damit liegt eine vermögensrechtliche Streitigkeit vor, wobei der Streitwert für die Berufung erreicht ist
(Art. 308 Abs. 2 ZPO, vgl. Verfügung vom 18. Juli 2023, act. 542).
Die Berufung ist innerhalb der Rechtsmittelfrist begründet einzureichen (Art. 311 ZPO). Die Rechtsmittelfrist beträgt in summarischen Verfahren 10 Tage
(Art. 314 Abs. 1 ZPO). Eine Nachbesserung der Berufungsschrift nach Ablauf dieser Frist kommt nur bei behebbaren formalen Mängeln wie der fehlenden Unterschrift infrage (Art. 132 Abs. 1 ZPO). Eine inhaltliche Ergänzung Nachbesserung der Berufungsschrift nach Ablauf der Frist ist nicht möglich (BGer 5A_7/2021 vom 2. September 2021, E. 2.2 m.w.H.).
Der Beklagte nahm den vorinstanzlichen Entscheid am 26. Juni 2023 in Empfang (vgl. act. 523). Die zehntägige Berufungsfrist lief ihm entsprechend am
6. Juli 2023 ab. Die Berufung vom 6. Juli 2023 (Datum Poststempel) (act. 532) wurde daher rechtzeitig erhoben. Nicht mehr innerhalb der Berufungsfrist erfolgte indes die Eingabe vom 4. August 2023 (Datum Poststempel), mit welcher der Beklagte seine Berufung inhaltlich Ergänzte (act. 545). Sie ist daher nicht beachtlich.
Im Berufungsverfahren wird der erstinstanzliche Entscheid überpröft. Dabei kann sowohl die unrichtige Rechtsanwendung als auch die unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Ebenfalls gerägt wer- den kann die (blosse) Unangemessenheit des vorinstanzlichen Entscheides, da es sich bei der Berufung um ein vollkommenes Rechtsmittel handelt. Bei der ErmessensüberPrüfung auferlegt sich die Berufungsinstanz grundsätzlich insoweit zurückhaltung, als sie nicht eigenes Rechtsfolgeermessen ohne Weiteres an die Stelle des vorinstanzlichen stellt, insbesondere wo es örtliche und persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen gilt, denen das Sachgericht nähersteht (vgl.
BK ZPO-STERCHI, 2012, Art. 310 N 3; BLICKENSTORFER, DIKE-Komm ZPO, 2. Aufl.
2016, Art. 310 N 10).
Es gilt die Begründungsobliegenheit, was bedeutet, dass die Berufung führende Partei sich mit den Erwägungen der Vorinstanz im Einzelnen auseinanderzusetzen und konkret aufzuzeigen hat, was am angefochtenen Urteil am Verfahren des Bezirksgerichtes falsch war. Daher genügt es nicht, lediglich auf die vor erster Instanz vorgetragenen Vorbringen zu verweisen diese einfach zu wiederholen, sich mit Hinweisen auf Frühere Prozesshandlungen zufriedenzugeben den angefochtenen Entscheid in allgemeiner Weise zu kritisieren.
Fehlt eine hinreichende Begründung, tritt die Berufungsinstanz insoweit auf die Berufung nicht ein (vgl. z.B. BGE 138 III 374 E. 4.3.1).
Gemäss Art. 317 Abs. 1 ZPO werden neue Tatsachen und Beweismittel (Noven) im Berufungsverfahren nur noch beRücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz hätten vorgebracht werden können.
Die Berufungsinstanz wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO) und ist weder an die Begründung der Berufung noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Bei der Begründung ihres Entscheids konzentriert sich die Berufungsinstanz auf die wesentlichen überlegungen, von welchen sie sich leiten lässt. Die Begründungspflicht verpflichtet die Berufungsinstanz insbesondere nicht, sich mit jedem einzelnen Einwand der Parteien auseinanderzusetzen.
Eheschutzentscheide wirken grundsätzlich auch in den Zeitraum des hängigen Scheidungsverfahrens hinein, soweit sie nicht durch vorsorgliche Massnahmen im Rahmen des Scheidungsverfahrens ersetzt werden. Bei der Abänderung von Eheschutzmassnahmen im Rahmen vorsorglicher Massnahmen während des Scheidungsverfahrens sind die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sinngemäss anwendbar (Art. 276 Abs. 1 u. 2 ZPO
i.V.m. Art. 271 ff. ZPO und Art. 172 ff. ZGB; BGer 5A_549 vom 11. September 2017, E. 4.). Gemäss dem damit zur Anwendung gelangenden Art. 179 Abs. 1 ZGB passt das Gericht auf Begehren eines Ehegatten die Massnahmen an, wenn sich die Verhältnisse ändern. Die Bestimmungen über die änderung der Verhält- nisse bei Scheidung gelten dabei sinngemäss. Voraussetzung ist also eine wesentliche und dauerhafte Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der Anordnung der Massnahme. Eine Abänderung ist ferner möglich, wenn die tatsächlichen Umstände, die dem Massnahmenentscheid zu Grunde lagen, sich nachträglich als unrichtig erwiesen haben, dem Gericht die Tatsachen nicht zuverlüssig bekannt waren; in allen anderen Fällen aber steht die formelle Rechtskraft des
Eheschutzentscheides einer Abänderung entgegen (BGE 143 III 42, E. 5.2; BGE 141 III 376 E. 3.3.1; BGer 5A_1018/2015 vom 8. Juli 2016, E. 4.; BSK ZGB I-ISEN-
RING/KESSLER, 7. Aufl. 2022, Art. 179 N 3 f.). VerÄnderungen, welche im Zeitpunkt des Eheschutzentscheides bereits voraussehbar waren und mitbeRücksichtigt worden sind, bilden sodann keinen Abänderungsgrund (BGer 5A_597/2013 vom 4. März 2014, E. 3.4 u.H.a. BGE 138 III 289, E. 11.1.1 u. 131 III 189, E. 2.7.4).
Es ist Sache der antragstellenden Partei, glaubhaft zu machen, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse seit Erlass des Eheschutzentscheides wesentlich und dauerhaft verändert haben bzw. das Eheschutzgericht von unrichtigen tatsächlichen Verhältnissen ausgegangen ist. Die Veränderung mit den Kriterien der Wesentlichkeit und der Dauerhaftigkeit müssen zudem grundsätzlich zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens eingetreten sein (BGer 5A_874/2019 vom 22. Juni 2020, E. 3.2.; FamKomm-MEIER/VETTERLI, 4. Aufl.
2022, Band I, Art. 176 ZGB N 2a).
Vorliegend haben die Parteien wie einleitend bereits gezeigt (vgl. E. I./1.2)
im Rahmen des Eheschutzverfahrens eine Vereinbarung getroffen, welche durch das Eheschutzgericht mit Verfügung vom 27. September 2010 genehmigt worden war (act. 4/2425). Ziffern 4 und 6 der Vereinbarung lauteten wie folgt:
(...)
4. Der Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin für die Dauer des Getrenntlebens einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von insgesamt CHF 6'600.00 zu bezahlten, Nämlich CHF 4'200.00 für die Klägerin persönlich und CHF 1'200.00, zuzüglich Allfällige gesetzliche vertragliche Kinderzulagen, für jedes Kind, zahlbar im Voraus jeweils auf den Ersten eines jeden Monats, erstmals auf den 1. Juli 2010.
Der Beklagte ist berechtigt, die seit 1. Juli 2010 an den Unterhalt der Klägerin und der Kinder bereits bezahlten BeitRüge von gesamt CHF 12'500.00 zur Verrechnung zu bringen.
(...)
Dieser Vereinbarung liegen folgende finanzielle Verhältnisse der Parteien zugrunde:
Erwerbseinkommen Beklagter (inkl. 13. Monatslohn, exklusive Kinderzulagen): CHF 12'000.00 netto;
Erwerbseinkommen Klägerin: CHF 0;
Bedarf Beklagter: CHF 4'800.00
Bedarf Klägerin: CHF 6'000.00.
(...)
Mit Eingabe vom 14. August 2020 beantragte der Beklagte vor Vorinstanz im Rahmen des Scheidungsverfahrens (das erste und einzige Mal) eine Anpassung bzw. Aufhebung der durch ihn monatlich an die Klägerin zu zahlenden UnterhaltsbeitRüge von Fr. 4'200.
Er führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Regelung im Eheschutzentscheid sei getroffen worden, da der Klägerin Betreuungspflichten unterstellt worden seien und sie sich darin nicht von ihm dem Beklagten habe unterstätzen lassen wollen. Einer Erwerbstätigkeit habe sie so nicht nachgehen können. Indes habe sich die Klägerin nie darauf verlassen bzw. nie darauf vertrauen dürfen, dass sich die Frage nach der ihr zumutbaren Eigenversorgung mit Blick auf die geltende Rechtsprechung im Verlaufe des Verfahrens nicht stellen würde, zumal die Kinder älter geworden seien und die später erforderliche Betreuung einer Erwerbstätigkeit nicht mehr entgegengestanden habe. Die Klägerin habe sich in den Jahren 2017 und 2018 in bescheidenem Umfang und mit wenigen Bewerbungen um eine Teilzeitanstellung im Bereich der Stoff- und Wollhandarbeit bemüht, aber keine Anstellung gefunden. Im Jahr 2018 habe sie selbst ein Geschäft eröff- net und sich Selbständig gemacht. Das Geschäft scheine gut zu laufen und die Klägerin generiere aus ihrer Selbständigen Erwerbstätigkeit ein Einkommen. Damit habe die Klägerin nachgewiesen, über die zeitliche Kapazität zu verfügen, um einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachzugehen. Der Klägerin wäre es denn möglich, zum Zeitpunkt des Abänderungsbegehrens ein monatliches Einkommen von min- destens netto Fr. 4'500 zu erwirtschaften, hätte sie sich rechtzeitig um eine Anstellung bemüht, womit ihr dieser Betrag als hypothetisches Einkommen anzurechnen sei (act. 444).
Die Klägerin bestritt, dass sie nicht mehr habe darauf vertrauen dürfen, sich nicht um eine Erwerbstätigkeit bemühen zu müssen. Der bei der Trennung geschlossene Vergleich habe zu keinem Zeitpunkt vorgesehen, dass sie wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen habe. Diese Vereinbarung hätten die Parteien im Bewusstsein darüber getroffen, dass die Kinder älter werden würden und der Betreuungsaufwand sich reduzieren würde. Zudem habe die Klägerin auch aufgrund der Lebensstellung während der Ehe mit klassischer Rollenverteilung und guten wirtschaftlichen Verhältnissen sowie ihres Alters auf den Weiterbestand der bisherigen Aufgabenteilung vertrauen dürfen. Auch habe der Beklagte selbst all die Jahre die Abänderung der Unterhaltsbeiträge nicht angestrebt, mithin den rechtlichen und faktischen Zustand akzeptiert. Aufgrund all dessen habe die Klägerin sich darauf verlassen und nach Treu und Glauben davon ausgehen dürfen, dass sie nicht verpflichtet sei, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Der Klägerin sei es denn weder zuzumuten noch möglich, eine Arbeitsstelle zu finden, was ihre diversen vergeblichen Versuche, eine Anstellung zu finden, zeigten. Einziger Ausweg sei die Eröffnung eines eigenen L?delis im Jahr 2019 gewesen, in welchem die Klägerin Selbstgebasteltes verkaufe, Kurse gebe, KleiderÄnderungen mache, etc. Gerade zu Beginn sei diese tätigkeit aber mehr als Hobby zu bezeichnen gewesen. Entsprechend habe im Jahr 2019 ein Verlust resultiert und im Jahr 2020 praktisch kein Gewinn. Zwischenzeitlich habe sie ihren Gewinn kontinuierlich steigern können und erziele aktuell (Stand: 11. Januar 2023) einen solchen von durchschnittlich Fr. 1'432.35 im Monat. Dieser Betrag könne ihr aber frühestens ab Januar 2022 angerechnet werden (act. 513).
3.2 Die relevanten Erwägungen der Vorinstanz zu den vorsorglichen Massnahmen finden sich in ihrem Entscheid auf den Seiten 69 ff., Erwägung 5. Die Vorinstanz erwog zur Frage, inwiefern geänderte Verhältnisse im Sinne von Art. 179 ZGB vorlägen, der Beklagte leite den Anspruch auf eine Anpassung aus der Ver- änderung der Einkommenszahlen der Klägerin ab, indem er ein hypothetisches Einkommen der Klägerin von monatlich Fr. 4'500 geltend mache. Ein (hypothetisches) Einkommen sei der Klägerin aber erst ab dem 1. Januar 2024 anzurech- nen, wenn diese nach einer ausreichenden übergangsfrist die Gelegenheit gehabt habe, ihr Einkommen anzupassen. Denn auch wenn die Klägerin eine überaus lange Zeit nach der definitiven Trennung keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, habe der Beklagte seinerseits erst im August 2020 einen Antrag auf eine Anpassung der Unterhaltsregelung gestellt. Hinzu komme, dass bereits im September 2010 dem Zeitpunkt des Eheschutzentscheides mit Blick auf die damals noch geltende 10/16er-Regel vorhersehbar gewesen sei, dass sich für die Klägerin angesichts des Alters des jüngsten Kindes die Frage nach der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gestellt habe. Weder sei aber in der Eheschutzvereinbarung eine entsprechende Anpassung des Unterhaltes vorgesehen worden, noch sei mit Eingabe des Scheidungsverfahrens durch Antrag auf Anordnung vorsorglicher Massnahmen eine entsprechende änderung angestrebt worden. Mit Blick darauf, dass im vorliegenden Scheidungsverfahren wiederholt Anträge um Anord- nung vorsorglicher Massnahmen gestellt worden seien, wäre es dem Beklagten denn auch zuzumuten gewesen, einen entsprechenden Antrag bereits früher zu stellen, und unter diesen Umständen wäre der Klägerin allenfalls bereits auch früher ein hypothetisches Einkommen anzurechnen gewesen. Konkret ergebe sich, dass sich die Einkommensverhältnisse der Klägerin nicht wesentlich verändert hätten, habe sie doch in den sieben Monaten vor Einleitung des Antrages mit dem von ihr eröffneten Laden einen monatlichen Verlust von Fr. 245 erzielt, danach einen Gewinn von monatlich Fr. 370. Bei dieser Situation sei nicht von einer wesentlichen Veränderung der Einkommenssituation der Klägerin zum Zeitpunkt des Abänderungsbegehrens am 14. August 2020 auszugehen (act. 541 E. 5., insb.
E. 5.4. ff.).
Vorab bevor sein Standpunkt wiederzugeben ist ist zur Berufungsschrift des Beklagten (act. 539) der Klarheit halber das Folgende festzuhalten: Der Beklagte will mit seiner Berufung in erster Linie erreichen, dass der Klägerin ab dem Zeitpunkt der Anhängigmachung seines Abänderungsbegehrens ein hypothetisches Einkommen anzurechnen und der Ehegattenunterhalt entsprechend herabzusetzen bzw. aufzuheben sei. Seine Ausführungen dazu finden sich in der Berufungsschrift auf S. 11 ff. unter dem Titel Verletzung des anwendbaren Rechts zur Festlegung des Zeitpunktes der Anrechnung eines (hypothetischen) Einkommens. Neben diesen Ausführungen finden sich in der Berufungsschrift Vorbemerkungen, welche indes im Wesentlichen eine Zusammenfassung des Verfahrensganges vor und eine allgemeine Kritik am Urteilsaufbau der Vorinstanz enthalten und aus denen der Beklagte nichts Konkretes für seinen Standpunkt ableitet (a.a.O., S. 6 ff.); zudem macht der Beklagte eine Verletzung der Dispositions- und Verhandlungsmaxime (a.a.O, S. 13), der Beweisregel der ZPO und des ZGB (a.a.O., S. 14 f.) und der Vorschriften zum Summarverfahren geltend (a.a.O.,
S. 16), und er erhebt Rügen hinsichtlich einer falschen Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz (a.a.O., S. 17 ff.). Auf diese Ausführungen ist später einzugehen (vgl. E. III./5.). Hier wiederzugeben sind da vorderGründig relevant einzig die Ausführungen des Beklagten zur Verletzung des anwendbaren Rechts zur Festlegung des Zeitpunktes der Anrechnung eines (hypothetischen) Einkommens:
diesbezüglich trägt der Beklagte vor, die Vorinstanz gehe fehl, wenn sie in der Erwägung 4.3.8.8 die Anrechenbarkeit eines Rückwirkenden hypothetischen Einkommens verneine. Zwar sei es zutreffend, dass grundsätzlich eine übergangsfrist anzusetzen sei und diese erst mit der erstmaligen richterlichen Eröffnung Wirkung entfalten könne. Eine Rückwirkende Anrechnung eines hypothetischen Einkommens sei ausnahmeweise aber durchaus möglich. Ein solcher Fall liege
u.a. dann vor, wenn für die vermeintlich unterhaltsberechtigte Person die gefor- derte Umstellung in ihren Lebensverhältnissen und das Erfordernis ihres vermehrten beruflichen Einsatzes vorhersehbar gewesen seien. Diese Voraussetzung sei vorliegend erfüllt. So sei die Vorinstanz in ihren Erwägungen 4.14.3.8.7. explizit zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin damit habe rechnen müssen, wieder ei- ner Erwerbstätigkeit nachgehen zu müssen. In der Begründung der Selbständigkeit der Klägerin erkenne die Vorinstanz dann zu Recht die Aufgabe des Standpunktes durch die Klägerin, wonach für sie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unmöglich sei. Entsprechend bringe die Vorinstanz die erwähnte Ausnahme zu Unrecht nicht zur Anwendung. 2018 habe sich die Klägerin in Kenntnis der damals geltenden Rechtslage Selbständig gemacht und damit selbst den Beweis erbracht, einer 100% Anstellung nachgehen zu können. Damit seien die Voraussetzungen zur Anrechnung eines hypothetischen Einkommens bereits im August 2020 erfüllt gewesen. Aufgrund der geltenden Rechtslage habe die Klägerin damit rechnen müssen, dass wenn sie einer Arbeitstätigkeit nachgehe, sie ihre Eigenversorgungskapazität maximal ausschäpfen müsse. Entsprechend habe entgegen der Vorinstanz hier eine Rückwirkende Anrechnung des hypothetischen Einkommens zu erfolgen (act. 539 Ziff. 3.b.i).
Wie gezeigt (hiervor E. III./3.2 einleitend), finden sich die Erwägungen der Vorinstanz zu den vorsorglichen Massnahmen in ihrem Entscheid in der Erwägung 5. Auffallend ist, dass der Beklagte auf diese Erwägung im Rahmen seiner eben wiedergegebenen Begründung keinen Bezug nimmt. Vielmehr nimmt er explizit Bezug auf die vorinstanzlichen Erwägungen 4.14.3.8.8., wobei diese zwar durchaus Ausführungen zur Frage der Anrechenbarkeit eines hypothetischen Einkommens enthalten (vgl. act. 541 S. 25 ff. E. 4.3.) und an einer Stelle auch vernei- nen, dass der Klägerin Rückwirkend ein hypothetischen Einkommen angerechnet werden kann (vgl. act. 541 S. 43 E. 4.3.8.9, wobei der Beklagte auf diese letzte Erwägung 4.3.8.9. wiederum gar nicht Bezug nimmt). Diese Erwägungen erfolgen in erster Linie aber in Bezug auf den nachehelichen Unterhalt und zur Frage, inwiefern der Klägerin diesbezüglich ein hypothetisches Einkommen anzurechnen sei. Der eheliche Unterhalt ist da nicht Thema. Entsprechend setzt sich der Beklagte mit den hier relevanten vorinstanzlichen Erwägungen 5.45.6. (act. 541
S. 72 ff.) nicht auseinander und genügt damit einer hinreichenden Begründung nicht.
Mangels dieser Auseinandersetzung verfängt letztlich auch die Kritik des Beklagten nicht, die Vorinstanz habe zu Unrecht nicht beRücksichtigt, dass ein hypothetisches Einkommen ausnahmeweise Rückwirkend anzurechnen sei, da für die Klägerin das Erfordernis des vermehrten beruflichen Einsatzes vorhersehbar gewesen sei. Mit dieser Frage setzt sich die Vorinstanz, wenn auch nicht unter expliziter Nennung der rechtlichen Grundlagen bzw. entsprechenden Rechtsprechung, wohl auseinander. Namentlich legt sie in der Erwägung 5.4. (act. 541 S. 72 f.) dar, weshalb der Klägerin für die Zeit vor dem Entscheid (und damit eben auch nicht Rückwirkend) kein hypothetisches Einkommen angerechnet werden könne. Dies begründete die Vorinstanz im Wesentlichen (und wie gezeigt, vgl. hiervor
E. III./3.2) mit dem langen Zuwarten des Beklagten bis zum Stellen des Abänderungsbegehrens sowie dem Umstand, dass keine Regelung zur Anpassung des
Unterhaltes zum Zeitpunkt der Eheschutzvereinbarung trotz geltender 10/16-Regel und trotz vorhersehbarer Veränderung der Verhältnisse (fortschreitendes Alter der Kinder, Reduktion des Betreuungsaufwandes) getroffen worden und auch mit Einreichung des Scheidungsverfahrens nicht verlangt worden sei. Damit gibt die Vorinstanz dem Standpunkt der Klägerin recht, wonach sie aufgrund dieser Umstände darauf habe vertrauen dürfen, sich nicht um eine Erwerbstätigkeit bemühen zu müssen (vgl. hiervor E. III./3.1.2). Diesen Erwägungen setzt der Beklagte
mangels einer Auseinandersetzung damit nichts entgegen.
Falsch ist im übrigen die Behauptung des Beklagten, die Vorinstanz sei im Rahmen der Erwägungen 4.14.3.8.7. wobei er es unterlässt, die exakte Fundstelle zu bezeichnen richtig zum Schluss gekommen, die Klägerin habe durch Begründung ihrer Selbständigkeit ihren Standpunkt aufgegeben, wonach für sie die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit unmöglich sei. Die Vorinstanz erwog an einer Stelle Nämlich lediglich, die Klägerin habe ihren urspränglichen Standpunkt, wonach sie im Alter über 50 Jahren gemäss der 45er-Regel keiner Arbeitstätigkeit mehr nachzugehen habe, implizit aufgegeben (vgl. act. 541 S. 31
E. 4.3.4.3.). Die Vorinstanz impliziert aber nicht, dass die Klägerin ihren Standpunkt, dass ihr die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch aus anderen Gründen unmöglich sei, aufgegeben habe. Ohnehin erfolgen diese vorinstanzlichen Erwägungen aber im Hinblick auf den nachehelichen Unterhalt. Der Beklagte hätte konkret darzutun, inwiefern sie auch im Hinblick auf den Ehegattenunterhalt und das von ihm gestellte Abänderungsbegehren relevant wären.
Wenn der Beklagte sodann ausführt, die Vorinstanz sei in den Erwägungen 4.14.3.8.7. selbst zum Schluss gekommen, dass die Klägerin mit der Wiederauf- nahme einer Erwerbstätigkeit habe rechnen müssen, so unterlässt er es wie- derum, die Fundstelle genau zu bezeichnen, und eine entsprechende Stelle findet sich auch nicht. Auf das entsprechende Vorbringen ist schon deshalb nicht weiter einzugehen.
Neben dem, dass der Beklagte sich ungenügend bzw. gar nicht mit den vorinstanzlichen EntscheidGründen auseinandersetzt, steht einer Anpassung der Unterhaltsbeiträge im Rahmen des Berufungsverfahrens zudem das Folgende im Wege:
Im ehelichen Summarverfahren gilt zwar sowohl vor erster als auch zweiter Instanz bezüglich der EhegattenunterhaltsbeitRüge die eingeschränkte Untersuchungssowie die Dispositionsmaxime. Dies bedeutet, dass das Gericht regelmässig eine Erhöhte Fragepflicht trifft (Art. 272 ZPO, vgl. auch: BSK ZPO-B?HLER,
Aufl. 2017, Art. 272 N 1; ZK ZPO-SUTTER-SOMM/HOSTETTLER, 3. Aufl. 2016,
Art. 272 N 12). Jedoch bleibt zu beachten, dass die soziale Untersuchungsmaxime nur zum Ausgleich eines MachtgeFälles zwischen den Parteien greift. Daraus folgt, dass sich das Gericht bei zwei anwaltlich vertretenen Parteien bei der Feststellung des Sachverhaltes wie im ordentlichen Prozess zurückzuhalten hat (ZK ZPO-SUTTER-SOMM/HOSTETTLER, 3. Aufl. 2016, Art. 272 N 14 m.w.H.; vgl. auch
Botschaft ZPO, BBl 2006 S. 7221 ff., S. 7348). Eine anwaltlich vertretene Partei, welche einen Anspruch geltend macht, muss wissen, welcher Behauptungen und Unterlagen es zur Gutheissung ihres Gesuches bedarf, und es ist ihre Aufgabe, dem Gericht die nötigen Tatbestandselemente zu nennen (Behauptungs- und Substantiierungslast) und ihm die Verfügbaren Beweismittel zu liefern (Beweislast), welche unter die ihr Begehren stätzenden Normen zu substantiieren sind (BGE 141 III 569, E. 2.3.1; ZK ZPO-SUMMER-SOMM/SCHRANK, 3. Aufl. 2016,
Art. 55 N 64 u. 71; BSK ZPO-GEHRI, 3. Aufl. 2017, Art. 55 N 3; z.B. auch: BGer
4A_519/2010 vom 11. November 2010, E. 2.2).
Wird die Abänderung von Unterhaltsbeiträgen verlangt und sind die Abänderungsvoraussetzungen erfüllt, so setzt das Gericht die Unterhaltsbeiträge neu fest. Hierzu sind auch die übrigen Berechnungselemente, die dem abzuändern- den Entscheid zu Grunde lagen, auf den neuesten Stand zu bringen (vgl. statt vieler: FamKomm-MAIER/VETTERLI, 4. Aufl. 2022, Band I, Art. 179 N 3b). Selbstre- dend ist dies nur möglich, wenn das Gericht von der gesuchstellenden Partei, welche die Abänderung der Unterhaltsbeiträge erreichen will, über die entsprechen- den Verhältnisse (Einkommen und Bedarfszahlen der Parteien) unterrichtet wird, hat doch der Berufungskläger wie im erstinstanzlichen Verfahren auch im Berufungsverfahren seine Behauptungen bestimmt und vollständig aufzustellen (vgl.
ZPO-Rechtsmittel-KUNZ, 2013, Art. 311 N 96; ZK ZPO-REETZ/THEILER, 3. Aufl.
2016, Art. 311 N 33 u. 36). Es ist insbesondere nicht Aufgabe der Kammer, in den vorinstanzlichen Akten nach Vorbringen und Unterlagen zu suchen, welche das Begehren des Beklagten zu stätzen bzw. überhaupt erst zu begründen vermögen (statt vieler: OGer ZH LY130013 vom 6. August 2013, E. I./4).
Der Beklagte äussert sich im Rahmen seiner Berufung mit keinem Wort dazu, auf welche Zahlen die Kammer zur neuen Festsetzung des Ehegattenterhaltes abzustellen hätte, und dazu hatte er sich bereits in seinem am 14. August 2020 gestellten Abänderungsbegehren vor Vorinstanz nicht geäussert (act. 444). Weder enthält seine Berufungsschrift (oder die Eingabe vor Vorinstanz, act. 444) Ausführungen zu den Positionen und der Höhe des Bedarfes der Klägerin, noch zu seinem eigenen Einkommen Bedarf. Im Rahmen der Berufungsschrift macht er auch nirgends explizit geltend, es wäre für die hiesige Berechnung des Ehegattenunterhaltes auf die von der Vorinstanz im Zusammenhang mit dem nachehelichen Unterhalt angenommenen Bedarfs- und Einkommenszahlen abzustellen bzw. legt er nicht dar, inwiefern diese im Hinblick auf den Ehegattenunterhalt allenfalls anzupassen wären. Selbst wenn dem Standpunkt des Beklagten, es sei der Klägerin grundsätzlich ein Rückwirkendes hypothetisches Einkommen anzurechnen, zu folgen wäre, wäre damit eine überPrüfung und Anpassung des Ehegattenunterhaltes nicht möglich. Ebenso verunmöglicht diese ungenügende Begründung, die EhegattenunterhaltsbeitRüge für die Zukunft, namentlich bis zum Eintritt der Rechtskraft des vorinstanzlichen Scheidungsurteiles, anzupassen. Die im Eventualstandpunkt aufgestellte Rechnung des Beklagten, wonach vom Unterhaltsanspruch der Klägerin in der Höhe von Fr. 4'200.-ihre Eigenversorgungsleistung von Fr. 3'200.-ab seit wann rechtens in Abzug zu bringen sei, was zu einer noch zu leistenden Unterhaltszahlung von Fr. 1'000.-führe (act. 539 S. 2, 20), kann nicht übernommen werden. Dem ehelichen Unterhaltsrecht ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine zeitliche Limitierung des zur Erreichung des gebührenden Unterhalts notwendigen Unterhaltsbeitrages fremd; solange das Eheband besteht, kommt der Art. 163 ZGB zugrunde liegende Gleichbehandlungsgrundsatz zum Tragen, gemäss welchem beide Ehegatten in gleicher Weise und grundsätzlich unabhängig von Kriterien wie Lebensprägung und Ehedauer im
Rahmen der Verfügbaren Mittel Anspruch auf Fortsetzung des gemeinsam gelebten Standards haben; unterhaltsbegrenzend wirkt hier einzig eine tatsächliche hypothetische Eigenversorgung (BGer 5A 849/2020 vom 27. Juni 2022 E. 5). Die vom Beklagten aufgestellte Berechnung beRücksichtigt somit den Umstand nicht, dass die Klägerin am ehelichen Standard partizipieren soll.
Die Klägerin ist ihrer Obliegenheit zur Eigenversorgung nachgekommen und hat mittlerweile eine Erwerbstätigkeit gefunden. Das Einkommen daraus soll sich Ausführungen der Klägerin vor Vorinstanz zufolge positiv entwickeln (act. 541
S. 35). Diese Entwicklung findet Niederschlag im ab Januar 2024 der Klägerin angerechneten (teilweise) hypothetischen Einkommen (act. 541 S. 44).
4.6 Nach dem Gesagten mangelt es der Berufung des Beklagten, soweit er damit eine Anpassung des Ehegattenunterhaltes erreichen will, an einer hinreichen- den Begründung.
Zu den weiteren Kritikpunkten des Beklagten am vorinstanzlichen Entscheid bzw. am Vorgehen der Vorinstanz ergibt sich sodann, was folgt:
Der Beklagte macht im Rahmen seiner Berufung geltend, die Vorinstanz habe bei der Festsetzung des hypothetischen Einkommens in den Erwägungen
4.3.8.5. und 4.3.8.6. die Dispositions- und Eventualmaxime verletzt, indem sie Ausführungen zum Arbeitspensum und anzurechnenden Lohn der Klägerin mache und ihr eine übergangsfrist Gewähre, ohne dass die Klägerin entsprechende Anträge gestellt habe (act. 539 S. 13 f.).
Auf dieses Vorbringen braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. Sie richten sich gegen Erwägungen der Vorinstanz zur Festsetzung des nachehelichen Unterhaltes, und eben nicht des hier relevanten ehelichen Unterhaltes. Der nacheheliche Unterhalt ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Vorliegend erübrigt sich eine Prüfung eines Allfälligen hypothetischen Einkommens der Klägerin im Hinblick auf den ehelichen Unterhalt wie gezeigt bereits aufgrund der unzureichenden Begründung der Berufung entsprechend stellt sich hier die Frage nach Pensum, Lohn und übergangsfrist nicht.
Aus diesem Grund ist im übrigen auch auf die SachverhaltsRügen des Beklagten nicht weiter einzugehen, namentlich die Vorinstanz habe der Klägerin zu Unrecht im Hinblick auf ein hypothetisches Einkommen lediglich ein Pensum von 80% (und nicht von 100%) angerechnet (act. 539 S. 17 f.) und auch die Höhe des hypothetisch zu erwirtschaftenden Einkommens falsch festgesetzt (a.a.O.,
S. 18 f.). Diese Kritik betrifft wiederum Erwägungen zum (hier nicht gegenständlichen) nachehelichen Unterhalt.
Der Beklagte rägt sodann das Vorgehen der Vorinstanz im Zusammenhang mit der Berechnung des durch die Klägerin im Rahmen ihrer Selbständigkeit tatsächlich generierten Einkommens (vgl. Entscheid der Vorinstanz, act. 541 S. 73
E. 5.5.; vgl. hiervor E. III./3.2 in fine). Er macht geltend, die Vorinstanz habe die Klägerin mit Verfügung vom 20. November 2022 aufgefordert, eine Buchhaltung für ihr Geschäft sowie alle relevanten Unterlagen einzureichen, woraus eine klare Abgrenzung zwischen privatem und Geschäftlichem Aufwand vorgenommen wer- den könne. Er selbst habe argumentiert, dass die von der Klägerin eingereichten Unterlagen keine genaue Auswertung zulassen würden. In ihrer Erwägung 5.5. nehme die Vorinstanz nun aber mit keinem Wort Bezug auf irgendwelche edierten Unterlagen und äussere sich mit keinem Wort zur notwendigen Abgrenzung. Dass er selbst den Umstand, dass die Klägerin ihrer Editionspflicht nicht nachgekommen sei, kritisiert habe, übersehe die Vorinstanz und stelle unbesehen auf die von der Klägerin geltend gemachten Finanzdaten ab. Damit habe die Vorinstanz die Beweisregel von Art. 8 ZGB verletzt (act. 539 S. 14 f.).
Bei diesen Vorbringen übersieht der Beklagte, dass die Vorinstanz sich mit seinem Einwand zu den von der Klägerin behaupteten Zahlen durchaus an einer Stelle ihres Entscheides auseinandersetzte. So erwog die Vorinstanz in den Erwägungen 4.3.7.1. f. (act. 541 S. 37), der Beklagte selbst mache keine bezifferten Angaben zum konkreten Einkommen der Klägerin. Wohl stelle er die Plausibilität der von ihr genannten Zahlen in Abrede, allerdings ohne diesen konkrete eigene Behauptungen entgegenzustellen. Alleine aus dem Umstand, dass üblicherweise viele private Aufwendungen über eine eigene Unternehmung abgewickelt würden,
ergebe sich noch nicht die Unglaubhaftigkeit der von der Klägerin genannten Zahlen. Diese erschienen im übrigen plausibel.
Mit diesen Erwägungen der Vorinstanz setzt sich der Beklagte mit seiner allgemein gehaltenen Kritik nicht auseinander. Insbesondere macht er auch nach wie vor keine Angaben dazu, von welchen konkreten Zahlen entgegen den Behauptungen der Klägerin auszugehen wäre, bzw. inwiefern er die Zahlen der Klägerin als falsch bzw. nicht repräsentativ ersieht. Hinzu kommt, dass ohnehin unklar bleibt, was der Beklagte aus seiner Kritik im Hinblick auf die vorliegende Berufung konkret ableiten will. Dass der Schluss der Vorinstanz, welche ausgehend von den konkreten Einkommenszahlen der Klägerin eine erhebliche Vern- derung der Verhältnisse zum Zeitpunkt des Einreichung des Abänderungsgesuches verneinte (vgl. hiervor E. III./3.2 in fine), falsch ist, macht er jedenfalls nicht geltend. Seine losgelöst von den vorinstanzlichen Erwägungen erfolgte BerufungsBegründung genügt damit auch hier den Anforderungen an eine hinreichen- de Begründung nicht.
Der Beklagte beMängelt sodann an diversen Stellen, insbesondere aber auf Seite 16 seiner Berufungsschrift (act. 539) die Dauer des vorinstanzlichen Verfahrens. So habe er sein Massnahmenbegehren im August 2020 eingereicht, dar- über entschieden worden sei aber erst drei Jahre später, und zwar ausgehend von den Verhältnissen im Urteilszeitpunkt.
Zuzustimmen ist dem Beklagten, dass die Verfahrensdauer von drei Jahren für ein Verfahren über vorsorgliche Massnahmen tatsächlich sehr lange ist. Indes bleibt unklar, was der Beklagte aus diesem Umstand zum heutigen Zeitpunkt für seinen Standpunkt ableiten will. Es hätte dem Beklagten seinerseits offen gestan- den, die Vorinstanz zu einer zügigeren Behandlung des Massnahmenverfahrens anzuhalten. Dies tat er nicht. Seine nunmehr erhobene Kritik an der vorinstanzlichen Verfahrensdauer hilft ihm hier nicht.
Nach dem Gesagten genügt die Berufung des Beklagten den Begründungsanforderungen insgesamt nicht. Es ist darauf nicht einzutreten.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beklagte kostenpflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Eine Abweichung von diesem Grundsatz gestützt auf
Art. 107 Abs. 1 lit. c ZPO ist weder angemessen noch könnten der Klägerin, welche sich gar nicht zur Berufung äussern musste und konnte, irgendwelche Kosten in diesem Zusammenhang auferlegt werden.
Für das zweitinstanzliche Verfahren ist die Entscheidgebühr in Anwendung von 12 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit 4 Abs. 1 bis 3 sowie 8 Abs. 1 der Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (GebV OG) festzusetzen. Unter BeRücksichtigung des Streitwertes von Fr. 142'800 (vgl. Verfügung vom 18. Juli 2023, act. 542) erscheint eine Entscheidgebühr von Fr. 3'000 als angemessen.
Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen. Dem Beklagten nicht, da er mit seiner Berufung unterliegt, der Klägerin nicht, da ihr im Zusammenhang mit der Berufung keine Aufwände entstanden sind, die zu entschädigen wären.
Es wird beschlossen:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'000 festgesetzt.
Die Gerichtkosten werden dem Beklagten und Berufungskläger auferlegt und mit dem von ihm geleisteten Vorschuss verrechnet.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Klägerin und Berufungsbeklagte unter Beilage von act. 539 und an das Bezirksgericht Uster, je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG. Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt
Fr. 142'800.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
i.V. die Gerichtsschreiberin:
MLaw C. Funck
versandt am:
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