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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:LY230015
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LY230015 vom 26.10.2023 (ZH)
Datum:26.10.2023
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Ehescheidung (vorsorgliche Massnahmen)
Schlagwörter : Berufung; Berufungsbeklagte; Berufungsbeklagten; Gerin; Berufungsklägerin; Unterhalt; Unterhalts; Kinder; Recht; Vorinstanz; Einkommen; Partei; änderung; Monatlich; Scheid; Abänderung; Parteien; Schweiz; Ausreise; Hypothetisch; Unterhaltsbeiträge; Hypothetische; Ausreisesperre; Unentgeltlich; Entscheid; Verfahren; Kinderunterhaltsbeiträge; Rechnen; Horgen; Unentgeltliche
Rechtsnorm: Art. 104 ZPO ; Art. 106 ZPO ; Art. 114 ZGB ; Art. 122 ZPO ; Art. 123 ZPO ; Art. 134 ZGB ; Art. 163 ZGB ; Art. 276 ZPO ; Art. 276a ZGB ; Art. 286 ZGB ; Art. 296 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 318 ZPO ; Art. 57 ZPO ; Art. 8 ZGB ; Art. 98 BGG ;
Referenz BGE:143 III 233; 143 III 617; 144 III 349; 147 III 265;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LY230015-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. R. Bantli Keller und Oberrichter Dr. E. Pahud sowie Gerichtsschreiber MLaw S. Widmer

Beschluss und Urteil vom 26. Oktober 2023

in Sachen

  1. ,

    Klägerin, Gesuchsgegnerin und Berufungsklägerin unentgeltlich vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X. ,

    gegen

  2. ,

Beklagter, Gesuchsteller und Berufungsbeklagter unentgeltlich vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y. , betreffend Ehescheidung (vorsorgliche Massnahmen)

Berufung gegen eine Verfügung des Einzelgerichtes des Bezirksgerichtes Horgen vom 4. April 2023; Proz. FE190195

Rechtsbegehren des Berufungsbeklagten auf Erlass vorsorglicher Mass- nahmen:

(act. 7/53 S. 3 und act. 7/139 S. 2)

  1. Es seien die Unterhaltsbeiträge für die Kinder von CHF 496.00 für C. und CHF 398.00 für D. rückwirkend ab dem 1. Februar 2018 und für die weitere Dauer des Verfahrens auf CHF 0.00 herabzusetzen.

  2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. 7,7 % Mehrwertsteuer) zulasten der Klägerin.

Verfügung des Einzelgerichts:

(act. 4/2 = act. 6 [Aktenexemplar] = act. 7/175)

1.-6. [Prozesskostenvorschuss, unentgeltliche Rechtspflege und - verbeiständung.]

  1. Die Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung von Kinderunterhaltsbeiträ- gen für die Kinder C. und D. gemäss Dispositiv Ziffer 2 des Tei- lurteils des Bezirksgerichts Horgen vom 31. Oktober 2017 wird für den Zeit- raum von 1. August 2020 bis 31. Juli 2023 sistiert.

    Die Unterhaltspflicht lebt ab 1. August 2023 im Umfang gemäss Dispositiv Ziffer 2 des Teilurteils des Bezirksgerichts Horgen vom 31. Oktober 2017 wieder auf, womit der Beklagte ab 1. August 2023 wieder verpflichtet ist, der Klägerin für die weitere Dauer des Verfahrens für den Sohn C. und die Tochter D. monatliche Unterhaltsbeiträge (jeweils zuzüglich allfälliger gesetzlicher und/oder vertraglicher Kinder- und Familienzulagen) wie folgt zu bezahlen:

    - Fr. 496.- für C.

    - Fr. 398.- für D.

    Diese Unterhaltsbeiträge sind zahlbar monatlich im Voraus auf den Ersten eines jeden Monats.

  2. Für die Zeit der Sistierung der Unterhaltsbeiträge von 1. August 2020 bis

    31. Juli 2023 fehlen zur Deckung des gebührenden Unterhalts der Kinder C. und D. je Fr. 802.-.

    Ab 1. August 2023 fehlen zur Deckung des gebührenden Unterhalts von C. Fr. 306.- und von D. Fr. 404.-.

  3. Die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen wird dem Endent- scheid vorbehalten.

  4. [Schriftliche Mitteilung.]

  5. [Rechtsmittelbelehrung.]

Berufungsanträge der Berufungsklägerin:

(act. 2 S. 2 f.)

  • 1. In Abänderung von Ziffer 7 der Verfügung vom 4. April 2023 des Bezirksge- richts Horgen (Geschäfts-Nr.: FE190195), Einzelgericht, sei die Sistierung der Verpflichtung des Berufungsbeklagten zur Bezahlung von Kinderunter- haltsbeiträgen für die Kinder C. und D. gemäss Dispositiv Ziffer 2 des Teilurteils des Bezirksgerichts Horgen vom 31. Oktober 2017 für den Zeitraum vom 1. August 2020 bis 31. Juli 2023 aufzuheben.

    Zudem sei der Antrag des Berufungsbeklagten auf Herabsetzung der Unter- haltsbeiträge für die Kinder von CHF 496.00 für das Kind C. und

    CHF 398.00 für das Kind D. rückwirkend seit 1. Februar 2018 und für die Zukunft auf CHF 0.00 für das Kind C. und auf CHF 0.00 für das Kind D. vollumfänglich abzuweisen.

    Ziffer 8 der oberwähnten Verfügung des Bezirksgerichts Horgen, Einzelge- richt, sei entsprechend wie folgt anzupassen:

    Ab 1. August 2020 fehlen zur Deckung des gebührenden Unterhalts von C. CHF 306.00 und von D. CHF 404.00.

    1. Eventualiter sei Ziffer 7 der oberwähnten Verfügung des Bezirksgerichts Horgen, Einzelgericht, wie folgt anzupassen:

      Die Verpflichtung des Berufungsbeklagten zur Bezahlung von Kin- derunterhaltsbeiträgen für die Kinder C. und D. gemäss Dispositiv Ziffer 2 des Teilurteils des Bezirksgerichts Horgen vom 31. Oktober 2017 wird für den Zeitraum vom 7. August 2020 bis längstens

      31. März 2022 sistiert.

      Die Unterhaltspflicht lebt spätestens ab 1. April 2022 im Umfang ge- mäss Dispositiv Ziffer 2 des Teilurteils des Bezirksgerichts Horgen, Einzelgericht, vom 31. Oktober 2017 wieder auf, womit der Berufungs- beklagte spätestens ab 1. April 2022 wieder verpflichtet ist, der Beru- fungsklägerin für die weitere Dauer des Verfahrens für den Sohn

      C. und die Tochter D. monatliche Unterhaltsbeiträge (je- weils zuzüglich allfälliger gesetzlicher und/oder vertraglicher Kinder- und Familienzulagen) wie folgt zu zahlen.

      - CHF 496.00 (C. )

      - CHF 398.00 (D. )

      Diese Unterhaltsbeiträge sind zahlbar monatlich im Voraus auf den Ersten eines jeden Monats.

      Ziffer 8 der oberwähnten Verfügung des Bezirksgerichts Horgen, Einzelge- richt, sei entsprechend wie folgt anzupassen:

      Für die Zeit der Sistierung der Unterhaltsbeiträge vom 7. August 2020 bis längstens 31. März 2022 fehlen zur Deckung des gebührenden Un- terhalts der Kinder C. und D. je CHF 802.00.

      Spätestens ab 1. April 2022 fehlen zur Deckung des gebührenden Un- terhalts von C. CHF 306.00 und von D. CHF 404.00.

    2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Berufungsbeklagten (zzgl. MwSt. von 7.7%).

    Berufungsanträge des Berufungsbeklagten

    (act. 10 S. 2)

  • 1. Es sei die Berufung der Berufungsklägerin vom 26. April 2023 vollumfänglich abzuweisen.

2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen, zzgl. 7,7% Mehrwertsteuer, zulas- ten der Berufungsklägerin.

Erwägungen:

  1. Sachverhalt / Prozessgeschichte

    1. A. (Klägerin, Gesuchsgegnerin und Berufungsklägerin; nachfol- gend: Berufungsklägerin) und B. (Beklagter, Gesuchsteller und Berufungs- beklagter; nachfolgend Berufungsbeklagter) heirateten am tt. Oktober 2004 im Iran. Aus ihrer Ehe gingen der Sohn C. , geboren am tt.mm.2005, und die Tochter D. , geboren am tt.mm.2009, hervor (act. 7/3). Im Jahr 2017 durch- liefen die Parteien ein Eheschutzverfahren vor dem Bezirksgericht Horgen

      (act. 7/5/1-66). Dieses nahm in den Eheschutzteilentscheiden vom 23. Mai und

      31. Oktober 2017 Vormerk vom Getrenntleben der Parteien seit dem 9. Mai 2017, stellte die Kinder unter die Obhut der Berufungsklägerin und verpflichtete den Be- rufungsbeklagten ab Februar 2018 zur Zahlung von monatlichen Unterhaltsbeiträ- gen von Fr. 496.- für C. und Fr. 398.- für D. (act. 7/5/38 S. 5;

      act. 7/5/59 S. 31).

    2. Mit Eingabe vom 18. Oktober 2019 machte die Berufungsklägerin beim Einzelgericht des Bezirksgerichts Horgen (fortan: Vorinstanz) eine Scheidungs- klage nach Art. 114 ZGB anhängig (act. 7/1-2). Der Berufungsbeklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt im Iran und konnte das Land nicht verlassen; wegen eines von der Berufungsklägerin eingeleiteten Verfahrens betreffend Herausgabe

      der Brautgabe1 war eine Ausreisesperre gegen den Berufungsbeklagten verhängt worden (vgl. act. 7/12; act. 7/14).

    3. Mit Eingabe vom 7. August 2020 stellte der Berufungsbeklagte vor dem Hintergrund seines Aufenthalts im Iran das eingangs aufgeführte Begehren betref- fend vorsorgliche Aufhebung der Pflicht zur Bezahlung von Kinderunterhaltsbei- trägen, rückwirkend ab 1. Februar 2018 (act. 7/53 S. 2 f.). Die Berufungsklägerin beantragte mit Stellungnahme vom 1. Oktober 2020 die vollumfängliche Abwei- sung des Massnahmebegehrens (act. 7/76 S. 1 f.).

    4. Am 29. Juni 2021 führte die Vorinstanz die Einigungsverhandlung so- wie Verhandlung über vorsorgliche Massnahmen durch (Prot. Vi. S. 17-30). Der Berufungsbeklagte, der sich erfolglos gegen die Durchführung in seiner Abwe- senheit gewehrt hatte (vgl. act. 7/95 S. 2; act. 7/99 S. 2; act. 7/103; act. 7/107), wurde durch seinen Rechtsvertreter vertreten. Es fand eine persönliche Befra- gung der Berufungsklägerin statt (Prot. Vi. S. 26-30).

    5. Anfang September 2021 gelang es dem Berufungsbeklagten, den Iran trotz fortbestehender Ausreisesperre zu verlassen und in die Schweiz einzurei- sen. Mit Eingabe vom 20. Oktober 2021 ersuchte er die Vorinstanz, die Parteien zum zweiten Teil der Verhandlung vorzuladen, so dass auch er persönlich ange- hört werden könne (act. 7/120; vgl. act. 7/112+113). Darauf verzichtete die Vorinstanz. Stattdessen sistierte sie mit Massnahmeverfügung vom

      31. Januar 2022 die Unterhaltspflicht des Berufungsbeklagten für den Zeitraum vom

      1. August 2020 bis 30. April 2022 und sprach den Kindern ab 1. Mai 2022 für die weitere Dauer des Scheidungsverfahrens wieder monatliche Unterhaltsbeiträge im bisherigen Umfang zu (act. 7/124).

    6. Dagegen erhob der Berufungsbeklagte Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich. Am 18. Mai 2022 hob die Kammer die Verfügung der Vorinstanz auf und wies die Sache zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit per-

      1 Die von der Vorinstanz und den Parteien gewählte Bezeichnung Mitgift ist missverständlich, weil man darunter gemeinhin Geld oder Sachwerte versteht, welche die Braut in die Ehe mitbringt.

      sönlicher Anhörung des Berufungsbeklagten und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück (act. 7/131).

    7. Die Vorinstanz gab den Parteien daraufhin Gelegenheit zu weiteren Stellungnahmen (act. 7/132; act. 7/148). In ihren Stellungnahmen vom 8. August (act. 7/139) und 27. Oktober 2022 (act. 7/155) hielten die Parteien (inhaltlich) an den bisherigen Anträgen fest. Am 17. November 2022 fand die Fortsetzung der Einigungsverhandlung und Verhandlung über vorsorgliche Massnahmen statt (Prot. Vi. S. 41-72). An der Verhandlung hörte die Vorinstanz beide Parteien per- sönlich an (Prot. Vi. S. 45-65).

    8. Am 4. April 2023 erliess die Vorinstanz die Massnahmeverfügung. Da- rin sistierte sie die Unterhaltspflicht des Berufungsbeklagten für den Zeitraum vom

      1. August 2020 bis 31. Juli 2023 und sprach den Kindern ab 1. August 2023 für die weitere Dauer des Scheidungsverfahrens monatliche Unterhaltsbeiträge im bisherigen Umfang (Fr. 496.- für C. ; Fr. 398.- für D. ) zu (act. 4/2 = act. 6 [Aktenexemplar] = act. 7/175). Die vollständigen erstinstanzlichen Rechts- begehren der Parteien sowie das Dispositiv der Massnahmeverfügung sind ein- gangs aufgeführt. Zum detaillierten Verfahrensverlauf vor Vorinstanz unter Einbe- zug der früheren Rechtsmittelverfahren sei auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid sowie die Akten der Vorinstanz verwiesen (act. 6 E. I.1-15; act. 7/1- 181; ferner OGer ZH LY220008 vom 18. Mai 2020).

    9. Gegen die Massnahmeverfügung vom 4. April 2023 erhob die Beru- fungsklägerin am 26. April 2023 (Datum Poststempel) Berufung mit den eingangs angeführten Berufungsanträgen (act. 2 S. 2). Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (act. 7/1-181). Mit Verfügung vom 11. Mai 2023 wurde dem Beru- fungsbeklagten Frist zur Erstattung der Berufungsantwort angesetzt (act. 8). Mit Eingabe vom 25. Mai 2023 (Datum Abgabequittung [act. 12/2]) erstattete der Be- rufungsbeklagte fristgerecht die Berufungsantwort mit den vorstehend genannten Anträgen (act. 10; vgl. zur Rechtzeitigkeit act. 9). Der Berufungsklägerin wurde die Berufungsantwort des Berufungsbeklagten zur Kenntnisnahme zugestellt (vgl. act. 13). Eine weitere Eingabe ging nicht mehr ein. Das Verfahren ist spruchreif.

  2. Prozessuale Vorbemerkungen

    1. Angefochten ist ein erstinstanzlicher Entscheid über vorsorgliche Mas- snahmen in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit mit einem Streitwert über Fr. 10'000.–, womit die Berufung das zutreffende Rechtsmittel ist (vgl. Art. 308 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 ZPO). Die Berufungsklägerin reichte ihre Berufung am

      26. April 2023 und somit innert zehn Tagen seit der nachträglichen Zustellung der Entscheidbegründung am 17. April 2023 ein (act. 7/176/1; Art. 314 Abs. 1 i.V.m. Art. 248 lit. d ZPO). Die Berufung enthält Anträge sowie eine Begründung. Die Be- rufungsklägerin ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und zur Beru- fung legitimiert. Auf die Berufung ist daher einzutreten.

    2. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens bilden vorsorgliche Massnahmen während des Scheidungsverfahrens. Bei der Anordnung vorsorgli- cher Massnahmen während des Scheidungsverfahrens sind die (materiell- sowie verfahrensrechtlichen) Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sinngemäss anwendbar (Art. 276 Abs. 1 ZPO i.V.m.

      Art. 271 ff. ZPO und Art. 172 ff. ZGB; DOLGE, DIKE-Komm-ZPO, 2. Aufl. 2016,

      Art. 276 N 15). Es soll in einem raschen Verfahren eine vorläufige Friedensord- nung hergestellt werden. Es gelangt das summarische Verfahren zur Anwendung (vgl. Art. 248 lit. d ZPO); die entscheidrelevanten Tatsachen sind nicht strikte zu beweisen, sondern nur glaubhaft zu machen. Folglich genügt es, wenn aufgrund objektiver Anhaltspunkte eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen der fraglichen Tatsachen spricht (vgl. BGer 5A_813/2013 vom 12. Mai 2014 E. 4.3; OGer ZH LY130038 vom 18. März 2014 E. 3.2). In Bezug auf die hier strittigen Kinderbelange gelten die Offizialmaxime und der uneingeschränkte Untersu- chungsgrundsatz (Art. 296 ZPO). Das Berufungsgericht ist deshalb nicht an die Anträge der Parteien gebunden (BGer 5A_472/2019 vom 3. November 2020

      E. 4.2.1; BGer 5A_288/2019 vom 16. August 2019 E. 5.4) und es besteht keine Beweismittelbeschränkung (Art. 254 Abs. 2 lit. c ZPO).

    3. Mit Berufung können die unrichtige Rechtsanwendung und die unrichti- ge Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Die Berufungsklägerin trifft dabei eine Begründungspflicht (Art. 311 Abs. 1 ZPO). Un-

      geachtet der Begründungspflicht ist die Berufungsinstanz bei der Rechtsanwen- dung weder an die von den Parteien geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (sog. Motivsubstitution; Art. 57 ZPO; vgl. BK ZPO-HURNI, Art. 57 N 21; GLASL, DIKE-Komm-ZPO, 2. Aufl. 2016, Art. 57

      N 22).

    4. Neue Tatsachen und Beweismittel werden im Berufungsverfahren nur noch berücksichtigt, wenn sie (a) ohne Verzug vorgebracht werden und (b) trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (Art. 317 Abs. 1 ZPO). Untersteht das Verfahren allerdings wie hier der uneinge- schränkten Untersuchungsmaxime (Art. 296 ZPO), sind Noven auch im Beru- fungsverfahren unabhängig von den erwähnten Einschränkungen noch bis zur Urteilsberatung zulässig (BGE 144 III 349 E. 4.2.1; vgl. auch BGer 5A_1032/2019 vom 9. Juni 2020 E. 4.2; OGer ZH LY160019 vom 21. Juli 2016 E. 2.2.1.2). So-

      weit der Berufungsbeklagte der Berufungsklägerin an verschiedenen Stellen sei- ner Berufungsantwort vorwirft (vgl. act. 10 Rz. 10, 21 f., 31), unzulässige neue Tatsachenbehauptungen und Beweismittel vorzubringen, ist er damit folglich nicht zu hören. Im vorliegenden Berufungsverfahren sind allfällige neue Behauptungen und Beweismittel der Parteien zu berücksichtigen.

  3. Internationale Zuständigkeit / Anwendbares Recht

    Die Ausführungen der Vorinstanz zur internationalen Zuständigkeit und zum anwendbaren Recht sind zutreffend (act. 6 E. II.2). Sie wurden denn auch von keiner Partei beanstandet. Mithin ist schweizerisches Recht anwendbar.

  4. Materielle Vorbemerkungen

    1. In der Sache geht es um die Abänderung der im Eheschutzverfahren festgelegten Kindesunterhaltsbeiträge des Berufungsbeklagten. Das Eheschutz- gericht verpflichtete den Berufungsbeklagten ab Februar 2018 zur Zahlung von monatlichen Unterhaltsbeiträgen von Fr. 496.- für C. und Fr. 398.- für

      D. (act. 7/5/59 S. 31). Dabei rechnete es ihm aufgrund seiner früheren Tä- tigkeit als selbständiger Teppichverkäufer ein hypothetisches Nettoeinkommen als

      Verkäufer im Detailhandel von monatlich Fr. 3'900.- an (act. 7/5/59 S. 17-19). Der Berufungsbeklagte machte geltend, die Erwartungen des Eheschutzgerichts hät- ten sich nicht verwirklicht: Er sei vom 25. Juli 2017 bis 5. September 2021 im Iran festgesessen und leide an Depressionen und Schlafstörungen, die ihn in der Ver- gangenheit sowie in Zukunft daran hinderten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (act. 7/53 S. 3; act. 7/139 S. 3; Prot. Vi. S. 21 f., 25 und 65 f.). Die Berufungsklä- gerin warf dem Berufungsbeklagten vor, er sei in den Iran gereist und im Iran ver- blieben, um sich seiner Unterhaltsverpflichtung zu entziehen; er habe erst nach rund zwei Jahren von der Ausreisesperre erfahren. Weiter bestritt sie die behaup- teten Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit des Berufungsbeklagten (act. 7/76 S. 9 f.; Prot. Vi. S. 23 f., 43 f., 67 ff., 69 ff.).

    2. Die Vorinstanz gab die Voraussetzungen für eine Abänderung der im Eheschutzverfahren festgesetzten Kinderunterhaltsbeiträge zutreffend wieder (er- hebliche und dauerhafte Veränderung der zugrundeliegenden tatsächlichen Ver- hältnisse). Es kann darauf verwiesen werden (act. 6 E. III.2.1 f.). Weiter erwog sie, es sei unbestritten, dass der Berufungsbeklagte im Iran keiner Erwerbstätig- keit nachgegangen sei. Es müsse deshalb geprüft werden, ob ihm ein hypotheti- sches Einkommen angerechnet werden könne. Die Anrechnung eines solchen Einkommens sei zulässig, sofern es dem Berufungsbeklagten möglich und zu- mutbar sei, ein höheres als das tatsächlich erzielte Einkommen zu erreichen. Die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens könne jedoch grundsätzlich im- mer nur für die Zukunft und nicht rückwirkend erfolgen. Eine rückwirkende An- rechnung könne sich bloss in besonderen Situationen rechtfertigen, so wenn der betroffenen Partei ein unredliches Verhalten vorgeworfen werden müsse oder wenn die geforderte Umstellung klar vorhersehbar gewesen sei. Anschliessend prüfte die Vorinstanz, ob die Voraussetzungen für eine rückwirkende Anrechnung eines hypothetischen Einkommens vorliegend gegeben sind und verneinte das. Sie bejahte für die erste Phase einen Abänderungsgrund und sistierte mangels Leistungsfähigkeit des Berufungsbeklagten die Unterhaltsverpflichtung gemäss Eheschutzentscheid ab dem 1. August 2020 (vgl. act. 6 E. III.1, 3.2 und 4.1 f.).

    3. Das beschriebene Vorgehen der Vorinstanz wäre zutreffend, wenn es darum ginge, die Kinderunterhaltsbeiträge erstmals festzusetzen und einer Partei dabei (rückwirkend) ein hypothetisches Einkommen anzurechnen. Vorliegend geht es indes nicht um die erstmalige Festsetzung von Unterhalt, sondern um die Frage, ob und inwieweit die im Eheschutzentscheid vom 31. Oktober 2017 ge- troffene Unterhaltsregelung abzuändern ist. Das Eheschutzgericht rechnete dem Berufungsbeklagten nach Ablauf einer Übergangsfrist ab Februar 2018 ein hypo- thetisches Einkommen von Fr. 3'900.- an. Wurde einer Partei ein hypothetisches Einkommen angerechnet, so kann sie hinterher nicht ohne weiteres verlangen, dass nur noch auf das effektiv erzielte Einkommen abzustellen sei. Ihr muss aber immerhin der Nachweis offenstehen, dass sie den angerechneten Verdienst trotz aller zumutbaren Anstrengungen nicht zu erreichen vermochte (vgl. FamKomm Scheidung/MAIER/VETTERLI, 4. Aufl., Art. 179 N 3a m.H.). Diesen Nachweis kann eine Partei namentlich dadurch erbringen, dass sie ernsthafte vergebliche Such- bemühungen glaubhaft macht und anhand der gewonnenen Erfahrungswerte dar- legt, dass und weshalb sich die Erwartungen des Gerichts nicht verwirklichen liessen bzw. lassen (BGE 143 III 617 E. 3.1; BGer 5A_467/2020 vom

7. September 2020 E. 4.2; BGer 5A_928/2016 vom 22. Juni 2017 E. 3.3; BGer 5A_129/2015 vom 22. Juni 2016 E. 5.4.2; vgl. auch BGer 5D_130/2018 vom

19. Dezember 2018 E. 2.3; AFFOLTER, Das hypothetische Einkommen im Fami- lienrecht - ein Überblick, in: AJP 2020, S. 833 ff., S. 844).

5. Nachweis der Einkommensverminderung

Nach dem Gesagten ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob dem Be- rufungsbeklagten der Nachweis gelingt, dass er den angerechneten Verdienst trotz aller zumutbaren Anstrengungen nicht zu erreichen vermochte. Die Vor- instanz thematisierte diese Frage nur beiläufig. Sie ging sinngemäss davon aus, dass es dem Berufungsbeklagten wegen der von der Berufungsklägerin erwirkten Ausreisesperre bis zum 5. September 2021 nicht möglich war, in die Schweiz zu- rückzukehren und das im Eheschutzurteil festgelegte Einkommen zu erzielen (act. 6 E. III.3.1.-3.2.10). Die Parteien nehmen daran im Berufungsverfahren kei- nen Anstoss (vgl. act. 2 Rz. 29). Für die Dauer des Aufenthalts im Iran liegt die

Unmöglichkeit, ein monatliches Nettoeinkommen von Fr. 3'900.- zu verdienen, denn auch auf der Hand: Einerseits ist das Lohnniveau im Iran bedeutend tiefer als in der Schweiz (vgl. dazu etwa die Tabelle des statistischen Bundesamtes der Republik Deutschland: https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender- Regionen/Internationales/Thema/Tabellen/Basistabelle_BNE.html; besucht am 4. Oktober 2023). Andererseits war es dem Berufungsbeklagten wegen der am

16. August 2017 verhängten Ausreisesperre verboten, den Iran zu verlassen, um in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dass es dem Berufungsbe- klagten möglich und zumutbar gewesen wäre, die Brautgabe zu bezahlen und dadurch die Ausreisesperre abzulösen, behauptet die Berufungsklägerin nicht; die Brautgabe soll nach Angaben der Parteien einen erheblichen Wert aufweisen (vgl. Prot. Vi. S. 47 und 59; vgl. auch act. 7/29 f.). Den unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zufolge hätte der Berufungsbeklagte im Iran bei voller Ausschöpfung seiner Arbeitskapazität ein durchschnittliches Nettoerwerbs- einkommen von rund Euro 350.- pro Monat verdienen können (act. 6 E. III.3.2.12 mit Hinweis auf act. 7/108). Dies entspricht nicht einmal 10% des im Eheschutz- verfahren angenommenen Einkommens und stellt somit eine wesentliche Ein- kommensverminderung dar. Dem Berufungsbeklagten gelang es sodann erst am

  1. September 2021, den Iran zu verlassen und in die Schweiz zurückzukehren, womit auch die Voraussetzung der Dauerhaftigkeit erfüllt ist. Schliesslich erfuhr der Berufungsbeklagte erst im Jahr 2018 (Prot. Vi. S. 47) bzw. nach Darstellung der Berufungsklägerin sogar erst im Sommer 2019 von der Ausreisesperre (Prot. Vi. S. 60 f.), weshalb es ihm auch nicht möglich war, die Veränderung bereits im Eheschutzverfahren vorzubringen (vgl. BGer 5A_294/2021 vom 7. Dezember 2021 E. 4.5).

  2. Schädigungsabsicht

    1. Nach der Rechtsprechung ist eine Abänderung ausgeschlossen, wenn die veränderte Sachlage durch eigenmächtiges, widerrechtliches, mithin rechts- missbräuchliches Verhalten herbeigeführt wurde. Vermindert die unterhaltspflich- tige Person ihr Einkommen in Schädigungsabsicht, ist eine Abänderung der Un- terhaltsleistungen selbst dann ausgeschlossen, wenn die Einkommensverminde- rung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Rechtsmissbrauch ist aller- dings nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Vorausgesetzt ist eine Schädigungs- absicht in dem Sinne, dass die Einkommensreduktion gerade im Hinblick auf den zu führenden Prozess erfolgte, um den Zufluss der finanziellen Mittel zum ande- ren Elternteil zu unterbinden (BGE 143 III 233 E. 3.3; BGer 5A_403/2019 vom

      12. März 2020 E. 4.2; BGer 5A_1008/2018 vom 28. Juni 2019 E. 5.2.2; AFFOLTER,

      a.a.O., S. 844). Die Berufungsklägerin trifft die Behauptungs- und Beweislast für ein die Abänderung ausschliessendes rechtsmissbräuchliches Verhalten des Be- rufungsbeklagten (Art. 8 ZGB; vgl. BGer 5A_893/2016 vom 30. Juni 2017

      E. 2.3.1.; BGer 5A_117/2010 vom 5. März 2010 E. 3.4.; OGer ZH LY210003 vom 18. Juni 2021 E. 6.2).

    2. Die Vorinstanz gelangte in Würdigung sämtlicher Beweismittel zum Er- gebnis, dem Berufungsbeklagten könne weder bei der Ausreise noch beim Ver- bleib im Iran eine Schädigungsabsicht angelastet werden. Der Berufungsbeklagte sei in den Iran gereist, um mit der Familie über seine Eheprobleme zu sprechen. Er sei erst Monate später zur Zahlung von Kinderunterhaltsbeiträgen und zur Ausdehnung der Erwerbstätigkeit verpflichtet worden. Bei der Einreise habe ihm das Wissen gefehlt, dass er wegen einer Ausreisesperre später nicht mehr werde ausreisen können. Entgegen der Berufungsklägerin habe der Berufungsbeklagte vor der Abreise auch keine Anstalten getroffen, die darauf schliessen liessen, dass er von Anfang an beabsichtigt habe, längerfristig oder für immer im Iran zu bleiben. Das Taxi habe er nach eigenen Angaben verkauft, weil er die vorge- schriebene verkehrsmedizinische Untersuchung nicht bestanden habe. Die Zwangsabmeldung durch die Stadt E. per Ende Mai 2017 könne gut damit zusammenhängen, dass er die eheliche Wohnung in E. gemäss Eheschutzurteil vom 23. Mai 2017 bis zum 1. Juli 2017 habe verlassen müssen. Aus dem Verbleib des Berufungsbeklagten im Iran lasse sich ebenfalls keine Schädi- gungsabsicht ableiten, schliesslich habe er wegen der von der Berufungsklägerin erwirkten Ausreisesperre nicht mehr ausreisen können. Die Berufungsklägerin mache zwar geltend, der Berufungsbeklagte habe erst nach rund zwei Jahren von der Ausreisesperre erfahren und verweise zum Beweis auf eine Chatnachricht der Schwester des Berufungsbeklagten vom 10. Oktober 2019. Dieser Chatnachricht in persischer Sprache lasse sich gemäss den Ausführungen des Berufungsbe- klagten jedoch nicht entnehmen, wann seine Schwester oder er von der Ausrei- sesperre erfahren habe (act. 6 E. III.3.2.).

    3. Die Berufungsklägerin wendet dagegen ein, es möge zutreffen, dass der Berufungsbeklagte im Iran auch seine Familie habe besuchen und mit ihr über die Eheprobleme habe sprechen wollen. Dem Berufungsbeklagten sei es bei sei- ner Ausreise aus der Schweiz und bei seinem Verbleib im Iran aber hauptsächlich darum gegangen, sich der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Kindern zu entziehen. Er habe von vornherein nicht beabsichtigt, in absehbarer Zeit wieder in die Schweiz zurückzukehren, sonst wäre er längst vor Verhängung der Ausreise- sperre wieder ausgereist. Er habe vor der Abreise sein Taxi zurückgegeben, sei von der Stadt E. per Ende Mai 2017 zwangsabgemeldet worden und habe in der Schweiz über keine Wohnung mehr verfügt. Sie, die Berufungsklägerin, ha- be zudem glaubhaft ausgeführt, dass sie in regelmässigem Austausch mit der Schwester des Berufungsbeklagten gestanden habe und von dieser erstmals am

      10. Oktober 2019 auf die Ausreisesperre angesprochen worden sei. Ebenso habe sie ausgeführt, der Berufungsbeklagte habe zur selben Zeit ihren Schwager im Iran kontaktiert, um herauszufinden, ob der Grund für die Ausreisesperre allenfalls eine unbezahlte Verkehrsbusse sein könnte. Entgegen der Vorinstanz sei deshalb glaubhaft, dass der Berufungsbeklagte erst nach zwei Jahren von der Ausreise- sperre erfahren; vorher habe er nicht einmal versucht, in die Schweiz zurückzu- kehren, um seine Kinder (finanziell) zu unterstützen. Der Berufungsbeklagte habe also zwei Jahre lang böswillig und in Schädigungsabsicht auf jegliches Einkom- men verzichtet. Die Ausreisesperre vermöge die Schädigungsabsicht des Beru- fungsbeklagten nicht zu heilen (act. 2 Rz. 21-37).

    4. Die Einwände der Berufungsklägerin sind nicht stichhaltig:

      1. Um eine von vornherein bestehende Schädigungsabsicht zu bejahen, müssten nach dem eingangs Gesagten eindeutige Hinweise vorliegen, welche unzweifelhaft darauf schliessen liessen, dass der Berufungsbeklagte seine selb- ständige Erwerbstätigkeit während des Eheschutzverfahrens gerade deshalb auf- gegeben hätte und in den Iran gereist wäre, um der Berufungsklägerin und seinen Kindern zu schaden. Solche eindeutigen Hinweise vermochte die Berufungskläge- rin nicht vorzubringen. Wie die Vorinstanz überzeugend ausführte, gibt es sowohl für den Verkauf des Taxis als auch für die Zwangsabmeldung durch die Stadt

        E. andere Erklärungen. Mit diesen Erklärungen setzt sich die Berufungsklä- gerin in ihrer Berufung nicht auseinander. Es bleibt der vom Berufungsbeklagten vorgebrachte Umstand, dass er während des laufenden Eheschutzverfahrens für mehrere Wochen in den Iran reiste, um mit der Familie über die Trennung bzw. die Eheprobleme zu sprechen, obwohl ihm bereits vor dem Eheschutzurteil vom

        31. Oktober 2017 klar sein musste, dass er auch nach der Trennung einen Bei- trag an den Unterhalt seiner Kinder werde leisten müssen. Dies reicht für sich ge- nommen nicht aus, um eine bereits bei der Ausreise bestehende Schädigungsab- sicht zu bejahen. Der Berufungsbeklagte konnte zudem nicht voraussehen, dass am 16. August 2017 eine Ausreisesperre in Kraft treten und ihn fortan daran hin- dern werde, in die Schweiz zurückzukehren (Prot. Vi. S. 60 f.; vgl. auch Prot. Vi. S. 46 f.).

      2. Damit bleibt noch zu klären, ob sich allenfalls im Laufe des Aufenthalts im Iran eine Schädigungsabsicht beim Berufungsbeklagten verfestigte und er un- geachtet der Ausreisesperre nicht beabsichtigte, in die Schweiz zurückzukehren. Es fällt auf, dass der Berufungsbeklagte bei seinen Ausführungen zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Ausreisesperre tatsächlich sehr vage blieb (Prot. Vi.

S. 47: nicht im Jahre 2019, sondern im Jahr 2018). Auch konnte er die an der Verhandlung in Aussicht gestellten Beweismittel letztlich nicht beibringen (vgl. Prot. Vi. S. 65; act. 7/166). Weiter wäre von ihm zu erwarten gewesen, dass er nach Kenntnisnahme des Eheschutzurteils vom 31. Oktober 2017 noch im glei- chen Jahr (und nicht erst wie behauptet im Jahr 2018) versucht, in die Schweiz

zurückzukehren, um seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Kindern nachzukommen. Ob er, wie von der Berufungsklägerin geltend gemacht, bis im Sommer 2019 keinen entsprechenden Versuch unternommen hat, kann jedoch offenbleiben. Die Vorinstanz nahm keine Abänderung ab Februar 2018 vor, son- dern sistierte die Kindesunterhaltsbeiträge ab August 2020 (act. 6 E. III.1,

E. III.4.2 und Dispositiv-Ziff. 7). Der Berufungsbeklagte setzt sich dagegen im Be- rufungsverfahren nicht zur Wehr. Wie noch zu zeigen ist, bleibt es sogar bis und mit August 2020 bei den Kinderunterhaltsbeiträgen gemäss Eheschutzurteil (vgl. nachfolgende E. 8). Seit August 2020 bekundete der Berufungsbeklagte aber je- denfalls den ernsthaften Willen, in die Schweiz zurückzukehren. Er stellte im Ab- änderungsbegehren sowie im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens mehrere prozessuale Anträge, die darauf abzielten, ihm eine Rückreise in die Schweiz zu ermöglichen (vgl. act. 7/29; act. 7/46; act. 7/53 S. 3; act. 7/95 S. 2). Ausserdem setzte er sich dafür ein, persönlich an der Verhandlung über die vor- sorgliche Massnahmen teilnehmen zu können (act. 7/53 S. 2 f.; act. 7/95 S. 2-4). Schliesslich bewerkstelligte er es im September 2021, den Iran trotz fortbeste- hender Ausreisesperre zu verlassen. Seither hält er sich in der Schweiz auf. Ab August 2020 blieb der Berufungsbeklagte demnach einzig und allein wegen der Ausreisesperre im Iran und nicht weil er die Berufungsklägerin oder seine Kinder schädigen wollte.

  1. Zwischenfazit

    Zusammenfassend hat die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht einen Ab- änderungsgrund bejaht (vgl. vorstehende E. 5) und eine Schädigungsabsicht des Berufungsbeklagten verneint (vgl. vorstehende E. 6).

  2. Abänderung

    1. Im Rahmen der Neuberechnung der Leistungsfähigkeit des Berufungs- beklagten gelangte die Vorinstanz zum Ergebnis, dass dem hypothetisch erzielba- ren Einkommen von monatlich Euro 390.- ein betreibungsrechtliches Existenzmi- nimum im Iran von monatlich Fr. 930.60 gegenüberstünde. Das betreibungsrecht- liche Existenzminimum im Iran erscheint gemessen am Lohnniveauunterschied

      auf den ersten Blick etwas hoch. Die Parteien erhoben jedoch keine Einwände gegen die Feststellungen der Vorinstanz. Insgesamt erscheint glaubhaft, dass der Berufungsbeklagte im Iran nicht leistungsfähig war, d.h. dass er mit dem erzielba- ren hypothetischen Einkommen von monatlich Euro 390.- jedenfalls nicht mehr als sein eigenes betreibungsrechtliche Existenzminimum hätte decken können. Damit stellt sich noch die Frage nach dem Anfangszeitpunkt der Abänderung.

    2. Die Vorinstanz sistierte die Unterhaltsverpflichtung des Berufungsbe- klagten gemäss Eheschutzentscheid ab dem 1. August 2020 (act. 6 E. III.4.2 und Dispositiv-Ziff. 7). Die Berufungsklägerin kritisiert, die Vorinstanz gehe zwar rich- tigerweise davon aus, dass das Abänderungsbegehren nur für die Zukunft wirke, nehme dann aber trotzdem eine rückwirkende Abänderung vor. Der Berufungsbe- klagte habe sein Abänderungsbegehren am 7. August 2020 eingereicht. Die Ab- änderung dürfe frühestens ab diesem Zeitpunkt gelten (act. 2 Rz. 44). Dem hält der Berufungsbeklagte entgegen, Unterhaltsbeiträge würden praxisgemäss für ganze Monate festgelegt. Das Vorgehen der Vorinstanz sei nicht zu beanstanden (act. 10 Rz. 26).

    3. Die Kritik der Berufungsklägerin ist berechtigt. Der Berufungsbeklagte reichte das Abänderungsbegehren am 7. August 2020 ein (act. 7/53). Zu diesem Zeitpunkt waren die Kinderunterhaltsbeiträge für den Monat August 2020 bereits überfällig (act. 7/5/59 S. 31: zahlbar monatlich im Voraus auf den Ersten eines jeden Monats). Das Abänderungsbegehren wirkt sich somit erstmals auf die Un- terhaltsbeiträge für den Monat September 2020 aus. Dass besondere Gründe vor- lägen, welche es rechtfertigten, eine rückwirkende Abänderung vorzunehmen, macht der Berufungsbeklagte im Berufungsverfahren nicht mehr geltend. Es kann diesbezüglich auf die überzeugenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. act. 6 E. III.1.4).

    4. Entgegen der Vorinstanz ist eine Abänderung der Kinderunterhaltsbei- träge somit nicht ab 1. August, sondern ab 1. September 2020 vorzunehmen. Ausserdem sieht das Gesetz die Möglichkeit, Unterhaltsbeiträge bei veränderten Verhältnissen für eine bestimmte Zeit einzustellen bzw. zu sistieren, lediglich für

      den nachehelichen Unterhalt vor (vgl. Art.129 Abs. 1 ZGB). Art. 286 Abs. 2 ZGB, der die Abänderung des Kindesunterhalts regelt und auch für die Abänderung von Eheschutzmassnahmen im Scheidungsverfahren gilt (Art. 276 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 179 Abs. 1 und Art. 134 Abs. 2 ZGB), erwähnt als Rechtsfolgemöglichkeiten nur die Neufestsetzung oder die Aufhebung der Kinderunterhaltsbeiträge. Nach einem Entscheid des Bundesgerichts soll es sich dabei um ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers handeln (vgl. BGer 5A_35/2018 vom 31. Mai 2018

      E. 5.2.; STAUB, Die Abänderung familienrechtlicher Entscheide, N 381 FN 583; BSK ZGB I-FOUNTOULAKIS, 7. Aufl. 2022, Art. 286 N 16). Die Verpflichtung des Be- rufungsbeklagten zur Zahlung von Kinderunterhaltsbeiträgen ist demnach ab Sep- tember 2020 aufzuheben (zur Berechnung des Mankos der Kinder ohne Unter- haltsbeiträge vgl. act. 6 E. III.4.3.1). Für die Zeit nach der Rückkehr des Beru- fungsbeklagten in die Schweiz ist sogleich zu prüfen, ob der Berufungsbeklagte aufgrund einer wesentlichen Verbesserung seiner wirtschaftlichen Situation er- neut zur Zahlung von Kinderunterhaltsbeiträgen zu verpflichten ist.

  3. Anrechenbares Einkommen in die Schweiz

    1. Die Vorinstanz führte aus, der Berufungsbeklagte habe seit seiner Rückkehr in die Schweiz kein Erwerbseinkommen erzielt, sondern sei von der Sozialhilfe unterstützt worden (act. 6 E. III.3.3.5). Es stelle sich wiederum die Fra- ge, ob dem Berufungsbeklagten rückwirkend ein hypothetisches Einkommen an- gerechnet werden könne. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass er sich mutwil- lig seiner Unterhaltspflicht habe entziehen wollen. Dass er in keiner Art und Weise Suchbemühungen belegt bzw. überhaupt behauptet habe, genüge für sich alleine nicht, um auf eine Schädigungsabsicht zu schliessen. Der Berufungsbeklagte ha- be Startschwierigkeiten gehabt (u.a. Verhaftung am Flughafen, vorübergehendes Rayonverbot für die Stadt E. ) und nicht böswillig auf ein Einkommen ver- zichtet (act. 6 E. III.3.3.2). Er habe auch nicht voraussehen müssen, dass sein Abänderungsbegehren aussichtslos sei und ihm nach der Rückkehr in die Schweiz unverändert ein hypothetisches Einkommen von monatlich Fr. 3'900.- angerechnet werde. Seine ehemalige Betreuerin von den Sozialen Diensten der Stadt Zürich habe ihm zu verstehen gegeben, es werde nicht erwartet, dass er

      sich eine Arbeit suche, und ihn damit in der Auffassung bestärkt, seine finanzielle Situation habe sich dauerhaft verschlechtert (act. 6 E. III.3.3.4). Da er in der Zeit seit seiner Rückkehr kein Einkommen erzielt habe und ihm rückwirkend kein hy- pothetisches Einkommen anzurechnen sei, liege eine wesentliche Verschlechte- rung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor und sei ein Abänderungsgrund gegeben (act. 6 III.3.3.5). In Zukunft sei es dem Berufungsbeklagten nach Ablauf einer an- gemessenen Umstellungsfrist aber möglich und zumutbar, ein Nettoeinkommen von monatlich Fr. 3'900.- zu erzielen. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ha- be er nicht glaubhaft gemacht. Ab August 2023 liege deshalb kein Abänderungs- grund mehr vor (act. 6 E. III.3.4.6-12). Auch das inzwischen deutlich höhere Ein- kommen der Berufungsklägerin oder der Lehrlingslohn von C. vermöge kei- ne Abänderung zu rechtfertigen (act. 6 E. III.3.5.1 f.). Aus den beschriebenen Überlegungen sistierte die Vorinstanz die Unterhaltsverpflichtung des Berufungs- beklagten gemäss Eheschutzentscheid bis 31. Juli 2023 und liess sie ab Au-

      gust 2023 unverändert wieder aufleben (act. 6 E. III.4.2 und Dispositiv-Ziff. 7).

    2. Die Berufungsklägerin macht geltend, seit sich der Berufungsbeklagte wieder in der Schweiz befinde, lägen im Vergleich zum Eheschutzurteil keine ver- änderten Verhältnisse mehr vor. Entgegen der Vorinstanz habe der Berufungsbe- klagte gerade damit rechnen müssen, dass seine Unterhaltspflicht gemäss Ehe- schutzurteil ab diesem Zeitpunkt wieder auflebe, immerhin sei man bereits im Eheschutzverfahren von einem hypothetischen Einkommen ausgegangen, da er keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Selbst unter Berücksichtigung der gel- tend gemachten Startschwierigkeiten sei die Pflicht zur Aufnahme einer Er- werbstätigkeit für den Berufungsbeklagten allerspätestens im Januar 2022 vo- raussehbar gewesen. Diese Verpflichtung habe die Vorinstanz dem Berufungsbe- klagten in der vom Obergericht später aus formellen Gründen aufgehobenen Ver- fügung vom 31. Januar 2022 nochmals explizit in Erinnerung gerufen. Per 24. Ja- nuar 2022 habe der Berufungsbeklagte gemäss eigenen Aussagen zudem eine Unterkunft in der Stadt E. gefunden, sodass er genügend Kapazität für die Jobsuche gehabt hätte. Auch habe er nicht glaubhaft machen können, dass er aus gesundheitlichen Gründen keiner (Vollzeit-)Arbeitstätigkeit nachgehen könne. Dennoch habe der Berufungsbeklagte unbestrittenermassen keinerlei Suchbemühungen an den Tag gelegt, um wieder ein geregeltes Einkommen zu erzielen. Es rechtfertige sich deshalb, dem Berufungsbeklagten ab dem 1. April 2022 wieder ein hypothetisches Nettoeinkommen von monatlich Fr. 3'900.- anzurechnen (act. 2 Rz. 43-57).

    3. Der Berufungsbeklagte entgegnet, die Berufungsklägerin verkenne, dass die Vorinstanz einen Abänderungsgrund ab August 2020 bejaht habe. Folg- lich lägen veränderte Verhältnisse vor und könne ab dem 5. September 2021 nicht unbesehen auf das Eheschutzurteil abgestellt werden, als ob in der Zwi- schenzeit keine Änderung vorgelegen hätte. Zudem sei er bei seiner Einreise in die Schweiz wegen einer Strafanzeige der Berufungsklägerin noch am Flughafen verhaftet worden und habe in der Schweiz zunächst noch eine Wohnung finden müssen, was ihm erst am 24. Januar 2022 gelungen sei. Entsprechend habe die Vorinstanz das hypothetische Einkommen zu Recht nicht bereits ab dem

      5. September 2021 angerechnet, sondern ihm eine Übergangsfrist gewährt, wel- che rechtsprechungsgemäss in der Zukunft liegen müsse. Bei der Bestimmung der Übergangsfrist habe die Vorinstanz sämtliche Umstände berücksichtigt. So habe sie dabei insbesondere auch in Betracht gezogen, seit wann er sich wieder in der Schweiz befinde. Mit der diesbezüglichen Begründung der Vorinstanz setze sich die Berufungsklägerin nicht auseinander. Eine Übergangsfrist von drei Mona- ten ab Entscheiddatum sei aufgrund seines hohen Alters das absolute Minimum (act. 10 Rz. 26-32).

    4. Richtig ist, dass vorstehend für eine erste Phase veränderte Verhält- nisse bejaht wurden und deshalb für die Zeit ab dem 5. September 2021 nicht wieder unbesehen auf den Eheschutzentscheid abgestellt werden kann. Mit der Rückkehr des Berufungsbeklagten in die Schweiz lag jedoch grundsätzlich wieder die gleiche Ausgangssituation wie bereits im Zeitpunkt des Eheschutzentscheids vor. Der Berufungsbeklagte hatte seine selbständige Tätigkeit als Taxifahrer im Verlauf des Eheschutzverfahrens aufgegeben und war deshalb im Entscheidzeit- punkt nicht (mehr) erwerbstätig. Das Eheschutzgericht machte dem Berufungsbe- klagten im Entscheid deutlich, es werde erwartet, dass er seine Erwerbskraft zur Deckung des Unterhaltsbedarfs seiner Kinder maximal ausschöpfe und nach ei-

      ner Umstellungsfrist ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens Fr. 3'900.- erwirtschafte (vgl. act. 7/5/59 S. 12 f., 18 f.). Bis zur formell rechtskräftigen Abän- derung des Eheschutzurteils musste der Berufungsbeklagte entgegen der Vor- instanz damit rechnen, dass er weiterhin eine Arbeitsstelle suchen und Kinderun- terhaltsbeiträge bezahlen muss. Ihm musste auch bewusst sein, dass sich die Ausführungen seiner ehemaligen Betreuerin der sozialen Dienste der Stadt Zürich ausschliesslich auf die Voraussetzungen für den Anspruch auf Sozialleistungen bezogen; angesichts des laufenden Abänderungsverfahrens durfte der anwaltlich vertretene Berufungsbeklagte nicht in guten Treuen annehmen, dass auch mit Blick auf den Kindesunterhalt keine Pflicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit mehr bestand. Mit anderen Worten war das Erfordernis eines vermehrten berufli- chen Einsatzes für den Berufungsbeklagten klar vorhersehbar. Es ist deshalb zu prüfen, ob es ihm bei gutem Willen und zumutbarer Anstrengung möglich gewe- sen wäre, ein monatliches Nettoeinkommen von Fr. 3'900.- zu erzielen. Dass sich seine Einkommensaussichten seit dem Eheschutzverfahren verbessert haben, ist hingegen nicht anzunehmen.

    5. Der Berufungsbeklagte unternahm seit seiner Rückkehr in die Schweiz un- bestrittenermassen keinerlei Bemühungen, eine Arbeitsstelle zu finden. Zwar war der Berufungsbeklagte bei seiner Rückkehr nochmals knapp vier Jahre älter als bei Ausfällung des Eheschutzentscheids. Ohne irgendwelche vergeblichen Such- bemühungen kann aber nicht darauf geschlossen werden, dass es ihm aufgrund seines Alters nicht mehr möglich war, eine Vollzeitstelle als Verkäufer im Detail- handel zu finden. Wie die Vorinstanz zutreffend feststellte, ergibt sich aus dem vorgebrachten Arztzeugnis sodann nur, dass der Berufungsbeklagte von Februar bis März 2022 in seiner angestammten Tätigkeit als Taxichauffeur zu 100% ar- beitsunfähig war (act. 7/140/7). Dass ihn die behaupteten gesundheitlichen Beein- trächtigungen daran gehindert hätten, einer anderen Vollzeiterwerbstätigkeit nachzugehen, vermag der Berufungsbeklagte mit seinen persönlichen Ausfüh- rungen allein nicht glaubhaft zu machen (vgl. Prot. Vi. S. 52). Entsprechend erüb- rigt es sich, den Berufungsbeklagten zu dieser Behauptung erneut anzuhören (zum entsprechenden Antrag vgl. act. 10 Rz. 6). Es ist aber immerhin davon aus- zugehen, dass es dem Berufungsbeklagten nicht sofort nach der Rückkehr mög-

      lich war, ein hypothetisches Nettoeinkommen von monatlich Fr. 3'900.- zu erzie- len. Dem Berufungsbeklagten ist rückwirkend eine angemessene Übergangsfrist für die Stellensuche anzurechnen. Unter Berücksichtigung der geltend gemachten Startschwierigkeiten (vgl. act. 7/120 S. 1; act. 7/139 S. 3 f.), der vierjährigen Lan- desabwesenheit sowie des Alters des Berufungsbeklagten erscheint es gerecht- fertigt, dem Berufungsbeklagten bis Ende Dezember 2022 noch kein hypotheti- sches Einkommen anzurechnen. Ab Januar 2022, also rund vier Monate nach seiner Rückkehr hätte der Berufungsbeklagte bei gutem Willen und zumutbarer Anstrengung jedoch ein Nettoeinkommen von monatlich Fr. 3'900.- erzielen kön- nen (zur Berechnung vgl. act. 6 E. III.3.4.10). Dass er versäumte Anstrengungen nicht mehr rückgängig machen kann, steht der Anrechnung eines hypothetischen Einkommens nicht entgegen (BGer 5A_59/2016 vom 1. Juni 2016 E. 3.3.).

    6. Zusammenfassend ist dem Berufungsbeklagten entgegen der Vo- rinstanz nicht erst ab August 2023, sondern bereits ab Januar 2022 wieder ein (hypothetisches) Einkommen von Fr. 3'900.- anzurechnen. Unabhängig davon, ob man darin einen Wegfall des Abänderungsgrundes (so die Vorinstanz vgl. act. 6 E. III.3.4.7) oder einen erneuten Abänderungsgrund erblicken will, rechtfer- tigt es sich, die Kinderunterhaltsbeiträge für die Zeit ab Februar 2022 neu zu be- rechnen und die im Eheschutzurteil berücksichtigten Positionen den aktuellen Verhältnissen anzupassen: Die Verhältnisse entwickelten sich zwischenzeitlich anders als im Eheschutzurteil angenommen. Zudem liegen zwischen der Urteils- fällung im Eheschutzverfahren und dem 1. Februar 2022 fast viereinhalb Jahre.

      Das Eheschutzgericht nahm bei der Unterhaltsberechnung keine Abstufungen nach dem Alter der Kinder vor und trug somit auch dem Umstand nicht Rechnung, dass C. am tt.mm.2023 volljährig wird. Es ist nicht davon auszugehen, dass das Scheidungsverfahren bis zum Eintritt der Volljährigkeit von C. bereits abgeschlossen sein wird. Aufgrund der Geltung der Offizialmaxime kann sodann auch für die Zeit ab dem 1. August 2023 von der Regelung im angefochtenen Ur- teil abgewichen werden.

  4. Neuberechnung der Unterhaltsbeiträge ab Februar 2022

    1. Einkommen und Existenzminimum des Berufungsbeklagten

      1. Das Eheschutzgericht stellte dem hypothetischen Einkommen des Be- rufungsbeklagten von Fr. 3'900.- einen Notbedarf von Fr. 3'006.- gegenüber und ging von einer Leistungsfähigkeit des Berufungsbeklagten im Umfang von

        Fr. 894.- aus. Im Bedarf berücksichtigte sie folgende Positionen (vgl. act. 7/5/58 S. 22 f. und 27):

        - Grundbetrag

        Fr.

        1'200.-

        - Wohn- inkl. Nebenkosten

        Fr.

        1'200.-

        - Krankenkassenprämien gemäss KVG

        Fr.

        244.-

        - Hausrat- und Haftpflichtversicherung

        Fr.

        30.-

        - Telekommunikation inkl. Billag

        Fr.

        158.-

        - Mobilitätskosten

        Fr.

        65.-

        - Auswärtige Verpflegung

        Fr.

        109.-

      2. Beim Grundbetrag und den Mobilitätskosten haben sich keine Ände- rungen ergeben. Die Wohnkosten des Berufungsbeklagten sind auf monatlich

        Fr. 1'400.- angestiegen (act. 7/140/1 = act. 11/6). Der Prämienaufwand des Beru- fungsbeklagten für die obligatorische Krankenversicherung abzüglich Prämien- verbilligung betrug im Jahr 2022 Fr. 221.50 und beträgt aktuell Fr. 280.50 pro Mo- nat (vgl. act. 7/140/7 = act. 11/4; act. 11/5). Da die Prämien für das Jahr 2024 nochmals um ca. 8,7% steigen werden, ist von einem Durchschnittswert von rund Fr. 270.- auszugehen ([Fr. 221.50 + Fr. 280.50 + Fr. 305.-]/3). Als hypothetische Mehrkosten für auswärtige Verpflegung sind dem Berufungsbeklagten neu rund Fr. 200.- anzurechnen (= 21.7 Tage x Fr. 9.-; BlSchK 2009, S. 192 ff., 194); das von der Vorinstanz herangezogene kantonale Kreisschreiben (vgl. act. 7/5/58

        S. 23) ist gemäss der jüngeren bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr

        einschlägig (vgl. BGE 147 III 265 E. 7.2). Ebenso sind nach neuerer bundesge- richtlicher Rechtsprechung auf Stufe des betreibungsrechtlichen Existenzmini- mums (noch) keine Pauschalen für Versicherungen und Kommunikation zu be- rücksichtigen (vgl. BGE 147 III 265 E. 7.2).

      3. Damit resultiert ein aktuelles betreibungsrechtliches Existenzminimum des Berufungsbeklagten von Fr. 3'135.-. Stellt man dem hypothetischen Einkom-

        men von Fr. 3'900.- das aktuelle Existenzminimum gegenüber, verbleiben dem Berufungsbeklagten monatlich Fr. 765.- zur Bezahlung von Kinderunterhaltsbei- trägen.

    2. Einkommen und Existenzminimum der Berufungsklägerin

      1. Das Eheschutzgericht ging von einem Nettoeinkommen der Beru- fungsklägerin von monatlich Fr. 1'300.- und einem Notbedarf von Fr. 3'000.- aus. Im Notbedarf berücksichtigte es folgende Positionen (vgl. act. 7/5/58 S. 19 f. und 24 f.):

        - Grundbetrag

        Fr.

        1'350.-

        - Wohn- inkl. Nebenkosten

        Fr.

        1'048.-

        - Krankenkassenprämien gemäss KVG

        Fr.

        244.-

        - Hausrat- und Haftpflichtversicherung

        Fr.

        30.-

        - Telekommunikation inkl. Billag

        Fr.

        158.-

        - Mobilitätskosten

        Fr.

        65.-

        - Auswärtige Verpflegung

        Fr.

        105.-

      2. Die Berufungsklägerin erzielt aktuell ein Nettoeinkommen von monat- lich Fr. 5'756.25 (act. 7/158/5). Ihr Grundbetrag blieb unverändert. Sie wohnt mit C. und D. weiterhin in der ehemaligen Familienwohnung, für welche sie Wohn- und Nebenkosten in Höhe von monatlich rund Fr. 1'589.- bezahlt. Ab- züglich des Wohnkostenanteils der Kinder von je einem Viertel (Fr. 397.25) und zuzüglich der Kosten für die Miete des Autoabstellplatzes von Fr. 125.- (act. 4/13) sind der Berufungsbeklagten unter dem Titel Wohnkosten neu monatlich

        Fr. 919.50 anzurechnen. Der Prämienaufwand der Berufungsklägerin für die obligatorische Krankenversicherung abzüglich Prämienverbilligung betrug im Jahr 2022 Fr. 250.05 und beträgt aktuell Fr. 286.40 pro Monat (vgl. act. 7/158/19; act. 4/14+17). Da die Prämien für das Jahr 2024 nochmals um ca. 8.7% steigen werden, ist von einem Durchschnittswert von rund Fr. 280.- auszugehen

        [Fr. 250.05 + Fr. 286.40 + Fr. 311.30]/3). Wie beim Berufungsbeklagten sind bei der Berufungsklägerin neu Mehrkosten für auswärtige Verpflegung in Höhe von Fr. 200.- anzurechnen. Die Berufungsklägerin benötigt für die Ausübung ihres Berufes ein Auto (act. 4/23). Ihr sind Arbeitswegkosten von insgesamt rund

        Fr. 840.- anzurechnen (Leasingraten Fr. 666.40; Kilometerpauschale Fr. 173.60 [Arbeitstage pro Monat 21,7 x Wegstrecke pro Tag 16 km x Fr. 0.50.-]). Daneben sind in ihrem Notbedarf neu regelmässige ungedeckte Gesundheitskosten von Fr. 67.- zu berücksichtigen (act. 4/14). Bezüglich den Pauschalen für Versiche- rung und Kommunikationskosten kann auf das zum Bedarf des Berufungsbeklag- ten Gesagte verwiesen werden.

      3. Damit resultiert ein betreibungsrechtliches Existenzminimum der Beru- fungsklägerin von Fr. 3'656.50. Anders als noch im Eheschutzentscheid kann die Berufungsklägerin ihr Existenzminimum nunmehr selbst decken. Darüber hinaus verbleiben ihr Fr. 2'099.75.

    3. Einkommen und Existenzminimum der Kinder

      1. Das Eheschutzgericht rechnete den Kindern als Einkommen Familien- zulagen von Fr. 250.- resp. Fr. 200.- an (act. 7/5/59 S. 20). Inzwischen bezieht die Berufungsklägerin auch für D. Familienzulagen in Höhe von Fr. 250.- (act. 4/7 = act. 7/158/5). Zudem erhält C. nunmehr einen Lehrlingslohn. Dieser betrug im zweiten Lehrjahr Fr. 850.- und beträgt im dritten Lehrjahr Fr. 1'100.- (act. 7/158/8). Vom Lehrlingslohn wird im Kanton Zürich in der Regel ein Drittel bei der Unterhaltsberechnung angerechnet (OGer ZH LY170049 vom 22.11.2017, E. III.B.5.3; OGer ZH LE150053 vom 16.6.2016, E. II.B.4.8.2; OGer ZH LY140011 vom 20.8.2014, E. III.5). Der Umfang der Berücksichtigung des

        Kindeseinkommens hängt jedoch von den Umständen des Einzelfalls ab (BGer 5A_513/2020 vom 14. Mai 2021 E. 4.2; BGer 5A_129/2019 vom 10.5.2019 E. 9.3;

        BGer 5A_272/2018 vom 22.8.2019 E. 5.3.1). Mit Blick auf die bescheidene Leis- tungsfähigkeit des Berufungsbeklagten, die Doppelbelastung der Berufungskläge- rin (Pflege- und Erziehung sowie Vollzeiterwerbstätigkeit) und namentlich zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Ungleichbehandlung der Geschwister rechtfer- tigt es sich hier, C. einen etwas grösseren Anteil des Lehrlingslohnes, näm- lich Fr. 500.- anzurechnen. Für die Unterhaltsberechnung ist deshalb von einem monatlichen Einkommen von C. von Fr. 750.- (Fr. 250.- + Fr. 500.-) und einem solchen von D. von Fr. 250.- auszugehen.

      2. Das Eheschutzgericht ermittelte Notbedarfe der Kinder von Fr. 1'005.- (C. ) resp. Fr. 805.- (D. ). Die Differenz basierte einzig auf dem unter- schiedlichen Grundbetrag (Fr. 600.- für C. ; Fr. 400.- für D. ). Ansons- ten rechnete das Eheschutzgericht beiden Kindern Wohn- inkl. Nebenkosten von Fr. 349.-, Krankenkassenprämien von Fr. 4.- und Fremdbetreuungskosten von Fr. 52.- an (vgl. act. 7/5/58 S. 26 f.).

      3. Mittlerweile ist auch bei D. ein Grundbetrag von Fr. 600.- einzu- setzen. Der Wohnkostenanteil der Kinder beträgt aktuell Fr. 397.25 (vgl. E. 10.2.2.). Bei den Prämien für die obligatorische Krankenversicherung ist analog dem Vorgehen bei der Berufungsklägerin und beim Berufungsbeklagten ein Durchschnittswert aus den Kosten der Jahre 2022 und 2023 sowie den voraus- sichtlichen Kosten für das Jahr 2024 zu bilden. Auf diese Weise ergibt sich für

        1. ein Prämienaufwand rund Fr. 85.- ([Fr. 75.05 + Fr. 85.30 + Fr. 92.70]/3; vgl. act. 4/15+18) und für D. ein Prämienaufwand von rund Fr. 90.- pro Monat ([Fr. 81.35 + Fr. 92.10 + Fr. 100.10; vgl. act. 4/16+19). Fremdbetreuungs- kosten fallen bei beiden Kindern keine mehr an, wohingegen neu regelmässige, ungedeckte Gesundheitskosten von Fr. 107.- (C. ) resp. Fr. 23.- (D. ) anzurechnen sind (act. 4/18+19). Der Lehrbetrieb von C. befindet sich in F. (act. 4/9), weshalb in seinem Bedarf zusätzlich noch Mehrauslagen für auswärtige Verpflegung von Fr. 200.- (21.7 Arbeitstage x Fr. 9.-) und Arbeits- wegkosten von Fr. 175.- (Kosten ZVV-Abo für alle Zonen) zu berücksichtigen sind.

      4. Das betreibungsrechtliche Existenzminimum von C. beträgt nach dem Gesagten aktuell Fr. 1'564.25, dasjenige von D. Fr. 1'110.25. Nach Abzug des Einkommens der Kinder resultiert somit ein Barunterhaltsbedarf von C. von monatlich Fr. 814.25 (Fr. 1'564.25 - Fr. 750.-) und von D. von monatlich Fr. 860.25 (Fr. 1'110.25 - Fr. 250.-).

          1. Somit ergeben sich folgende Einkommens- und Bedarfszahlen

            Person

            Berufungsbeklagter

            Berufungsklägerin

            C.

            D.

            Einkommen

            Fr. 3'900.-

            Fr. 5'756.25

            Fr. 750.-

            Fr. 250.-

            Bedarf

            Fr. 3'135.-

            Fr. 3'656.50

            Fr. 1'564.25

            Fr. 1'110.25

            Differenz

            + Fr. 765.-

            + Fr. 2'099.75

            - Fr. 814.25

            - Fr. 860.25

          2. Berechnung der geschuldeten Unterhaltsbeiträge

            1. 1. Februar 2022 bis 30. November 2023

                1. und D. stehen unter der alleinigen Obhut der Beru- fungsklägerin, weshalb der Berufungsbeklagte grundsätzlich vollumfänglich für den Barunterhalt der Kinder aufzukommen hat. Die Berufungsklägerin ist zwar leistungsfähiger als der Berufungsbeklagte. Die Leistungsfähigkeit der Berufungs- klägerin ist allerdings nicht derart viel grösser, dass es sich rechtfertigen würde, sie - über die Deckung der Mankos hinaus - am Barbedarf von C. und

                2. zu beteiligen (vgl. BGE 147 III 265 E. 5.5 und 8.1). Der Berufungsbeklag- te hat deshalb im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten für den gesamten Barunterhalt von C. und D. aufzukommen. Nach Deckung des eige- nen betreibungsrechtlichen Existenzminimums verbleiben ihm monatlich

              Fr. 765.-. Dieser Betrag reicht nicht aus, um den Barbedarf von D. und C. vollständig zu decken und ist deshalb anteilsmässig auf beide Kinder aufzuteilen: Von den Fr. 765.- entfallen rund Fr. 372.- auf C. und rund Fr. 393.- auf D. . Bei C. verbleibt dadurch ein Manko von Fr. 442.25 und bei D. ein solches von Fr. 467.25. Mit ihrem Überschuss von

              Fr. 2'099.75 kann die Berufungsklägerin die Mankos der Kinder (Fr. 907.50) vollständig decken.

            2. 1. Dezember 2023 für die weitere Dauer des Scheidungsverfahrens Am tt.mm.2023 wird C. volljährig. Ab diesem Zeitpunkt geht der

        Unterhaltsanspruch von D. jenem von C. vor (Art. 276a Abs. 1 ZGB).

        Die vorhandenen Mittel des Berufungsbeklagten (Fr. 765.-) sind deshalb ab mm. 2023 zunächst zur Deckung des Barunterhaltsbedarfs von D. (Fr. 860.25) zu verwenden. Da sie hierzu nicht ausreichen, hat der Berufungsbeklagte ab mm. 2023 keine Unterhaltsbeiträge für C. mehr zu bezahlen.

  5. Prozesskostenvorschuss / unentgeltliche Rechtspflege

    1. Vorliegend beantragen beide Parteien die Zusprechung eines Prozess- kostenvorschusses von der Gegenpartei und ersuchen im Eventualbegehren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung. Beide Parteien betonen dabei, dass sie den Prozesskostenvorschuss lediglich aus for- maljuristischen Gründen beantragen und eigentlich davon ausgehen, dass der Gegenpartei die Mittel zur Prozessfinanzierung fehlen (act. 2 Rz. 94; act. 10

      Rz. 46).

    2. Für Verfahren betreffend vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsver- fahren wird grundsätzlich kein Prozesskostenvorschuss, sondern ein Prozesskos- tenbeitrag gewährt, über den zusammen mit dem Entscheid in der Sache befun- den wird (vgl. OGer ZH PC170015 vom 15. September 2017 E. 3.6). Das gilt auch im Rechtsmittelverfahren. Ein Ehegatte kann verpflichtet werden, dem anderen einen Beitrag zur Finanzierung des Prozesses zu bezahlen, sofern er in der Lage ist, neben seinen eigenen Prozesskosten auch diejenigen des mittellosen ande- ren Ehegatten zu übernehmen (BGer 5A_455/2010 vom 16. August 2010 E. 2.2; MAIER, Die Finanzierung von familienrechtlichen Prozessen, in: FamPra.ch 2019

      S. 818 ff., 832; Art. 159 Abs. 3 und Art. 163 ZGB). Dabei sind die Grundsätze zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 117 f. ZPO analog an- zuwenden. Der ansprechenden Partei müssen die Mittel fehlen, um neben ihrem Lebensunterhalt den Prozess zu finanzieren, und der Prozess darf zudem nicht aussichtslos erscheinen. Wird für die gehörige Prozessführung ein Rechtsbei- stand benötigt, sind auch dessen Kosten in die Berechnung einzubeziehen (vgl. OGer ZH LE120025 vom 12. Juni 2012 E. IV.2.).

    3. Die Mittellosigkeit des Berufungsbeklagten ergibt sich ohne Wei- teres aus den Akten und den vorstehenden Ausführungen (vgl. act. 10 Rz. 36 ff.;

      act. 11/5 ff.). Bei der Berufungsklägerin ist die Sache hingegen weniger klar. Wie gezeigt, verbleibt ihr nach Abzug ihres betreibungsrechtlichen Existenzminimums ein Überschuss von monatlich Fr. 2'099.75. Bei der Prüfung der Mittellosigkeit ist der Bedarf der Berufungsbeklagten allerdings grosszügiger zu bemessen: Einer- seits ist der Grundbetrag um 20% bzw. Fr. 270.- zu erhöhen, andererseits sind als zusätzliche Bedarfspositionen die Steuern (Fr. 167.-) sowie die regelmässig abbezahlten Schulden (Fr. 86.-; vgl. act. 4/20+31) zu berücksichtigen. Sodann ist der Berufungsklägerin das nach Abzug der Unterhaltsbeiträge des Berufungsbe- klagten verbleibende Manko der Kinder von Fr. 907.50 im Bedarf anzurechnen (vgl. HUBER, DIKE-Komm-ZPO, 2. Aufl. 2016, Art 117 N 33). Schliesslich ist einstweilen davon auszugehen, dass die Berufungsklägerin die von der Stadt

      E. für die Monate September 2020 bis Oktober 2023 bevorschussten Ali-

      mente z.T. vollständig, z.T. teilweise zurückzahlen muss (act. 2 Rz. 89 f.; vgl. act. 32 und 35; HAUSHEER/SPYCHER, Handbuch des Unterhaltsrechts, 3. Aufl.

      2023, § 15 N 168 und 200 ff.; § 31 f. AlimV). Aus diesen Gründen ist auch von der Mittellosigkeit der Berufungsklägerin auszugehen. Die Berufungsanträge der Par- teien waren sodann nicht aussichtslos, wie der Ausgang des Verfahrens zeigt. Die Parteien waren überdies zur Wahrung ihrer Rechte auf einen Rechtsbeistand an- gewiesen.

    4. Demzufolge sind die Anträge beider Parteien auf Zusprechung eines Prozesskostenbeitrages abzuweisen. Beiden Parteien ist im Berufungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und ihnen sind in der Person von Rechtsanwalt lic. iur. Y. für den Berufungsbeklagten sowie von Rechtsan- wältin lic. iur. X. für die Berufungsklägerin unentgeltliche Rechtsbeistände zu bestellen. Dabei sind die Parteien darauf hinzuweisen, dass sie zur Nachzah- lung verpflichtet sind, sobald sie dazu in der Lage sind (Art. 123 ZPO).

  6. Kosten- und Entschädigungsfolgen

    1. Trifft die Rechtsmittelinstanz einen neuen Entscheid, so entscheidet sie auch über die Prozesskosten des erstinstanzlichen Verfahrens (Art. 318 Abs. 3 ZPO). Da die Vorinstanz die Kosten- und Entschädigungsfolgen dem Endent-

      scheid im Scheidungsverfahren vorbehielt (Art. 104 Abs. 3 ZPO; act. 6 Dispositiv- Ziff. 9), ist auch im Rechtsmittelverfahren kein Entscheid über die erstinstanzli- chen Prozesskosten zu treffen.

    2. Im Berufungsverfahren bemisst sich die Höhe der Gerichtsgebühr nach

      § 12 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit §§ 2, 5 Abs. 1, 6 Abs. 2 lit. b der Gebühren- verordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (GebV OG). Ausgehend von der verlangten Aufhebung der Sistierung der Unterhaltsbeiträge für die Zeit vom 1. August 2020 bis 31. Juli 2023 ist von einem Streitwert von Fr. 32'184.- (36 Monate x Fr. 894.-) auszugehen. Unter Berücksichtigung dieses Streitwerts, des Zeitaufwands des Gerichts und der Schwierigkeit des Falles erscheint eine Ge- richtsgebühr von Fr. 4'000.– angemessen. Diese ist aufgrund des summarischen Verfahrens (vgl. § 8 Abs. 1 GebV OG) auf Fr. 2'500.– zu reduzieren.

    3. Die Prozesskosten werden grundsätzlich der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Hat keine Partei vollständig obsiegt, werden die Prozesskosten nach dem Ausgang des Verfahrens verteilt (Art. 106 Abs. 2 ZPO). Beide Parteien obsiegen im Berufungsverfahren rund zur Hälfte. Es rechtfertigt sich deshalb, die Gerichtskosten hälftig aufzuerlegen und die Parteientschädigun- gen wettzuschlagen. Aufgrund der beiden Parteien gewährten unentgeltlichen Rechtspflege sind die Gerichtskosten einstweilen auf die Gerichtskasse zu neh- men. Ebenso sind die unentgeltlichen Rechtsvertretungen einstweilen aus der Staatskasse zu entschädigen (vgl. Art. 122 ZPO). Die Entschädigungen werden nach Einreichung der Zusammenstellungen über den Zeitaufwand und die Ausla- gen in separaten Beschlüssen festgesetzt (vgl. § 23 Abs. 2 AnwGebV). Die Par- teien sind darauf hinzuweisen, dass sie zur Nachzahlung verpflichtet sind, sobald sie dazu in der Lage sind (Art. 123 ZPO).

Es wird beschlossen:

  1. Die Gesuche der Parteien um Leistung eines Prozesskostenbeitrages wer- den abgewiesen.

  2. Der Berufungsklägerin wird für das Berufungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und in der Person von Rechtsanwältin lic. iur. X. eine unentgeltliche Rechtsbeiständin bestellt.

  3. Dem Berufungsbeklagten wird für das Berufungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und in der Person von lic. iur. Y. ein unentgeltli- cher Rechtsbeistand bestellt.

  4. Schriftliche Mitteilung und Rechtsmittel mit nachfolgendem Entscheid.

Es wird erkannt:

  1. In teilweiser Gutheissung der Berufung der Berufungsklägerin werden die Dispositiv-Ziffern 7 und 8 der Verfügung des Bezirksgerichtes Horgen vom

    4. April 2023 aufgehoben und durch folgende Fassung ersetzt:

    7. Der Beklagte wird in Abänderung von Dispositiv Ziffer 2 des Teilurteils des Bezirksgerichts Horgen vom 31. Oktober 2017 verpflichtet, ab Sep- tember 2020 folgende monatliche Kinderunterhaltsbeiträge zu bezah- len:

    1. Phase 1 (September 2020 bis Januar 2022)

      - für C. : Fr. 0.-;

      - für D. : Fr. 0.-.

    2. Phase 2 (Februar 2022 bis mm. 2023)

      - für C. : Fr. 372.-;

      - für D. : Fr. 393.-.

    3. Phase 3 (ab mm. 2023 für die weitere Dauer des Verfahrens)

    - für C. : Fr. 0.-;

    - für D. : Fr. 765.-.

    Die Unterhaltsbeiträge für C. und D. sind an die Klägerin jeweils auf den Ersten eines Monats im Voraus zu bezahlen.

      1. Es wird festgehalten, dass in Phase 1 zur Deckung des gebührenden Unterhalts von C. und D. je Fr. 802.- fehlen.

      2. Die Festsetzung der Unterhaltsbeiträge für die Phasen 2 und 3 gemäss vorstehender Ziff. 7 basieren auf folgenden finanziellen Verhältnissen:

        Einkommen netto pro Monat, inkl. Anteil 13. Monatslohn:

        - B. : Fr. 3'900.-

        - A. : Fr. 5'756.25

        • C. : Fr. 750.- (zur Zusammensetzung vgl. E. 10.3.1.)

        • D. : Fr. 250.- (Familienzulage)

          Vermögen:

        • B. : für die Unterhaltsberechnung nicht relevant

        • A. : für die Unterhaltsberechnung nicht relevant

        • C. : für die Unterhaltsberechnung nicht relevant

        • D. : für die Unterhaltsberechnung nicht relevant

    Bedarf (betreibungsrechtliches Existenzminimum):

    - B. : Fr. 3'135. -

    - A. : Fr. 3'656.50

    - C. : Fr. 1'564.25

    - D. : Fr. 1'110.25

  2. Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen und es wird die Verfügung des Bezirksgerichts Horgen vom 4. April 2023 bestätigt.

  3. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 2'500.- festgesetzt und den Parteien je zur Hälfte, also im Umfang von je Fr. 1'250.-, auferlegt. Zu-

    folge gewährter unentgeltlicher Rechtspflege werden die Gerichtskosten einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Parteien werden aus- drücklich auf die Nachzahlungspflicht gemäss Art. 123 ZPO hingewiesen.

  4. Die unentgeltliche Rechtsbeiständin der Berufungsklägerin und der unent- geltliche Rechtsbeistand des Berufungsbeklagten werden ersucht, Kosten- noten einzureichen. Über die Entschädigungen für das obergerichtliche Ver- fahren wird mit separaten Beschlüssen entschieden.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien und an die Vorinstanz (unter Rück- sendung der erstinstanzlichen Akten zur unverzüglichen Fortführung des Scheidungsverfahrens in der Hauptsache), je gegen Empfangsschein, sowie an die Obergerichtskasse.

Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG. Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt

Fr. 32'184.–.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:

MLaw S. Widmer versandt am:

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